Auftakt für Ostern Lucia Lacarra ertanzte sich am Palmsonntag ihr Münchner Comeback, es folgen: Highlights und Geschenke für den eiligen Osterhasen

Lucia Lacarra in "Lost Letters"

Lucia Lacarra im verträumten Stück „Lost Letters“ mit ihrer eigenen kleinen Company – es war ein einmaliges Gastspiel in München. Foto: Jesus Vallinas

Am Palmsonntag ertanzte sich Lucia Lacarra, weltberühmte Ballerina mit ehemals Münchner Zuschnitt, ein kurzes, aber glorioses Comeback: Mit Matthew Golding und dem achtköpfigen Lucia Lacarra Ballet stand sie in der etwas mit Videos überfrachtet wirkenden, dennoch eindrucksvollen Show „Lost Letters“ („Verlorene Briefe“) für einen einzigen Abend wieder auf der Bühne des Nationaltheaters in München. Lacarra ist ein Wunder der Tanzkunst, bestehend aus unnachahmlich schönen, meditativ wirkenden Bewegungen im alten Stil. Bis zum Sommer 2016 hatte die gebürtige Spanierin in München ihre künstlerische Heimstatt, wirkte als gefeierte Prima in Hochkarätern wie „Die Kameliendame“ und „Onegin“. Bis es zum Zerwürfnis mit dem nun auch schon wieder weggeschickten Igor Zelensky kam. Sein Nachfolger Laurent Hilaire hat ein ganz glückliches Händchen bei der Leitung des Bayerischen Staatsballetts, und Lucia durfte sich jetzt mit ihrem Gastspiel in ihrer alten Residenz  profilieren. Ihre Fans waren erwartungsgemäß erschienen, sie bejubelten sie, waren beglückt – und für La Lacarra schloss sich ein Kreis, konnte sie doch endlich mit dem großen Haus ihren Frieden machen. Dass es in ihrem Stück um Liebesbriefe zur Zeit des Ersten Weltkriegs ging, war indes weniger einprägsam als die farbprächtige Bilderflut, die die Live-Tänze und Background-Videos in fast eineinhalb Stunden bewirkten. Applaus für eine echte Diva! Ihr Auftritt war zugleich ein würdiger Auftakt für die Karwoche, die wie folgt weiter geht:

Beim Bayerischen Staatsballett läuft noch bis morgen die diesjährige BALLETTFESTWOCHE, und das Programm der jüngst erfolgreichen Premiere „Wings of Memory“ ist denn auch heute und morgen Abend  nochmals zu sehen. Drei faszinierende Schöpfungen jüngerer Zeit werden darin gebündelt, zu einer Apotheose auf die Erotik des modernen Balletts.

Insbesondere das fantastisch getanzte „Frühlingsopfer“ von Pina Bausch bildet einen knalligen Kontrapunkt zum christlichen Osterfest.

"Wings of Memory" beim Bayerischen Staatsballett

Fantastische Einheit, im Tanz wie im Atmen, in den Bewegungslinien wie in den Posen: Die Damen vom Bayerischen Staatsballett im „Frühlingsopfer“ von Pina Bausch, zu sehen in den „Wings of Memory“ . Foto: S. Gherciu

Am Ostermontag wird diese Thematik in „Le Parc“ von Angelin Preljocaj zu edler Mozart-Musik weiter gesponnen – wie ein sinnenfreudiger Festakt.

Beim Hamburg Ballett wird derweil an Gründonnerstag und an Ostersonntag die absolut sehenswerte und auch religiös definierte „Matthäus-Passion“ von John Neumeier gezeigt.

Aleix Martínez tanzt die Hauptrolle in diesem grandiosen Mammutwerk, aber die Gesamtheit des Ensembles ist hierin ebenfalls überwältigend. Es kann wohl kein besseres Osterprogramm für Ballettfans geben.

Man muss dieses Stück, das ursprünglich für die Hauptkirche St. Michaelis in Hamburg konzipiert worden war, das in der Hamburgischen Staatsoper aber auch eine hervorragende Umsetzung inklusive der Einbeziehung des Parkettgangs als Tanzort als einen Höhepunkt der abendländischen Kultur erachten.

Die Matthäus-Passion von John Neumeier in Hamburg

Alexandr Trusch, der im Sommer das Hamburg Ballett verlassen will, tanzt hier im Bild im ersten Teil der „Matthäus-Passion“ spannende Brudertänze mit Aleix Martínez. Foto: Kiran West

So ist Ostern dann auch Anlass, darüber nachzudenken, dass Jesus Christus nicht nach jüdischem, sondern nach römischem Recht gerichtet und gekreuzigt wurde. Der Rechtshistoriker Thomas Rüfner hat dazu publiziert und die multikulturelle Welt zur Zeit Christi ein Stück weit begreifbar gemacht. Überraschend: Die jüdischen Behörden jener Zeit durften gar keine Todesstrafe verhängen. Nur Pontius Pilatus, als Besetzer, hatte die traurige Macht hierzu.

Wer sich da dann festgelesen hat und sich vom Sofa lieber gar nicht mehr wegbewegen möchte, dem bleibt auch ein ganz flottes Ostergeschenk an sich selbst.

"Cranko" von Joachim A. Lang

Tanz hat mit Spiritualität zu tun: Szene aus „Cranko“ von Joachim A. Lang mit dem Stuttgarter Ballett. Foto: Philip Sichler / Zeitsprung Pictures / swr / PortauPrincePictures

Und zwar mit „Cranko“, dem Spielfilm von Joachim A. Lang über John Cranko, den Macher des Stuttgarter Ballettwunders und Schöpfer des weltberühmten Balletts „Onegin“, als vor einigen Wochen erschienene DVD.

Schon als Kinofilm begeisterte dieses Biopic, das sowohl den Künstler als auch den Menschen John Cranko durchaus ergreifend fasslich macht. Als DVD hat der Film den Vorteil, dass man ihn sich mehrfach anschauen kann – jedes Mal mit inhaltlichem Gewinn.

Oder man holt sich noch was ganz Anderes zum Lesen, mal was ganz Poetisches, sofern man Freude an der spanischen Sprache hat: „El Jardín de las Hespérides“ von Guillem Rojo i Gallego.

Guillem Rojo i Gallego und sein erster Poesieband

Dortmunds Ballerino Guillem Rojo i Gallego hält hier seinen soeben erschienenen ersten Poesieband in den Händen. Er ist nämlich auch Poet. Foto: PR

Der Ballerino vom Ballett Dortmund hat nämlich soeben seinen ersten Gedichtband veröffentlich und ihn den Nymphen des Sonnenuntergangs gewidmet. Liebe, Lust, Verlangen und Homoerotik verweben sich darin zu einer gartenträchtigen Sommerfantasie.

Ganz simpel kann man vom Sofa aus aber auch arte einschalten bzw. die arte mediathek aufrufen: Dort tanzt ab Ostersonntag, also ab dem 20. April 25, „Sasha Waltz: Bachs Johannes-Passion“. Am 28. April wird sie dann ab 0.25 Uhr im Fernsehprogramm laufen.

Vor einem guten Jahr stellte Waltz diese Choreografie fertig, und wer weiterhin ein nachgerade wissenschaftliches Interesse am Thema hat, sollte sich zudem unbedingt die DVD der „Matthäus-Passion“ von und mit John Neumeier (ja, der Meister tanzt hierin auch noch selbst) dazu anschauen.

Lesen Sie hier, was nicht in BILD und SPIEGEL steht! Und spenden Sie bitte! Unterstützen Sie so die Meinungsvielfalt und die Kompetenz im Fachjournalismus. 

Vier Stunden Zeit muss man dafür veranschlagen, wenn man nichts überspringen möchte. Ich habe das schon oft getan – und es noch nie bereut, so bewegend ist Neumeiers Werk. Wer diese DVD noch nicht hat, sollte sie sich unbedingt zum Osterfest schenken (lassen). Selten lohnt sich die tiefgehende Beschäftigung mit Kunst und Religion so sehr!

Einen indes gar nicht schwerblütigen, vielmehr im positiven Sinne leichtherzigen und darum frühlingshaft berechtigten  Auftakt zum Osterfest bildet hingegen am 19. April 25, also am Ostersamstag, das muntere Tanzstück „Ein Mittsommernachtstraum“ des schwedischen Choreografen Alexander Ekman beim Ballett Dortmund.

"Ein Mittsommernachtstraum" ganz ohne Shakespeare von Ekman

Daria Suzi und Francesco Nigro tanzen hier das liebevolle fast-klassische Paar in „Ein Mittsommernachtstraum“ von Alexander Ekman beim Ballett Dortmund. Foto: Ballett Dortmund

Scheinbar echtes Heu wird da in rauen Mengen über die Bühne geschleudert, dass es eine ländlich angehauchte Freude ist, und die Liebe kommt in dieser kurzweiligen Komödie ganz sicher nicht zu kurz. Mit ein bisschen Glück sieht man zudem den poetisierenden Ballerino Guillem live auf der Bühne.

In Ergänzung zu den spanischen Gedichten von Guillem Rojo i Gallego dürfte dann der Sommer im Herzen noch vor dem Osterhasen angekommen sein.

So oder so: Frohe Ostern – und denken Sie bitte an den Frieden, dem dieses höchste christliche Fest gewidmet sein sollte.
Gisela Sonnenburg

www.bayerisches-staatsballett.de

www.hamburgballett.de

www.theaterdo.de

 

ballett journal