Eine nette Handvoll bunte News Im Vorfeld der Weihnachtszeit gibt es einige festliche Neuigkeiten

Marianela Nunez als Swanilda in „Coppélia“ in der Inszenierung von Ninette de Valois beim Royal Ballet – bald zu sehen: live im Kino! Foto: Royal Ballet

Eine Preisverleihung wird aus München und Hamburg gemeldet; in den Kinos startet die Saison mit dem Royal Ballet aus London; in Berlin premierte eine selten gespielte Oper mit biblischem Thema – die eigentlich ein Oratorium ist – und ebenfalls in Berlin dirigiert der trotz seiner Bescheidenheit sensationell den richtigen Ballettsound treffende Robert Reimer im November 2019 Jewels“ und den „Nussknacker“ beim Staatsballett Berlin. Zunächst aber zum glücklichen Preisträger: Die Überraschung war da, obwohl man es sich eigentlich hätte denken können, wen das Glück in diesem Jahr trifft, denn wer sonst würde so gut auf den Münchner Konstanze-Vernon-Preis 2019 passen wie Jacopo Bellussi vom Hamburg Ballett?! Nominiert war er tatsächlich schon vor zwei Jahren, damals schnappte ihm allerdings Jonah Cook, der mittlerweile vom Bayerischen Staatsballett zum Ballett Zürich wechselte, die Ehrung vor der Nase weg. Aber jetzt! Verdienterweise, denn Bellussi– was hier im Ballett-Journal ja auch nachzulesen ist – drehte in den letzten zwei Spielzeiten auf und tanzte bei John Neumeier in Hamburg eine Hauptrolle nach der anderen… und wie! Mit Verve, Anmut und  individuellem Flair! Allerherzlichsten Glückwunsch!

Der Preis wurde übrigens posthum von der 2013 verstorbenen Münchner Ballettdoyenne Konstanze Vernon aus ihrem Nachlass gestiftet, um den Nachwuchs zu fördern, und er ist mit 10.000 Euro dotiert.

Vernon hatte mit ihrem Gatten Fred Hoffmann 1978 die Heinz-Bosl-Stiftung gegründet, die heute von Ivan Liska (Alt-Ballettdirektor vom Bayerischen Staatsballett) geleitet wird.

John Neumeier an seinem 80.

Jacopo „Bellissimo“ Bellussi (rechts) mit Ida Praetorius (links) aus Kopenhagen in „Romeo und Julia“ von John Neumeier, so zu sehen auf der Geburtstagsgala „The World of John Neumeier“ am 24.02.2019 in Hamburg. Herzlichen Glückwunsch an den Preisträger! Foto: Kiran West

Jacopo „Bellissimo“ Bellussi, gebürtiger Italiener und Jahrgang 1993, hat insofern eine enge Bindung an München, als er nach seiner Ausbildung an der Mailänder Scalaund der Royal Ballet School in London in der ersten Generation der Junior Company tanzte.

Diese 2010 unter Mitwirkung von Vernon und Liska gegründete, heute allein der Heinz-Bosl-Stiftung angegliederte Nachwuchstruppe gehörte damals auch noch als Bayerisches Staatsballett II zum Bayerischen Staatsballett.

Das Geld der Liska-Mäzenin Irène Lejeune– die sich seit langem mit einiger Eitelkeit „Botschafterin“ ihrer jeweils geförderten Truppe nennen lässt – folgte dem schönen Ivan 2016 vom Bayerischen Staatsballett zur Heinz-Bosl-Stiftung.

Wie verwirrend auch immer diese bayerischen Geldflüsse nun wirken mögen – für den Preisträger ist die Ehrung wunderbar!

Vorgestern erhielt Jacopo Bellussi in München den Konstanze-Vernon-Preis. Hier ist die Jury mit dem Preisträger zu sehen. Von links: Judith Turos, Jacopo Bellussi, Ivan Liska, Gigi Hyatt, Birgit Keil. Eine erlauchte Gesellschaft! Foto: Heinz-Bosl-Stiftung

Jacopo Bellussi tanzt seit 2012 beim Hamburg Ballett, erst im Corps, seit 2017 als Solist. Nach dem heftigen Applaus des Publikums, dem ausdrücklichen Zuspruch der Kritik (siehe Ballett-Journal) und der Beförderung durch John Neumeier zum Ersten Solisten just im Sommer 2019 ist der Konstanze-Vernon-Preis nun ein weiterer Beweis dafür, dass Bellussi nicht nur irgendein toller Tänzer ist, sondern eine außergewöhnliche Entwicklung durchläuft.

Auf der DVD Nijinsky“ mit der Inszenierung von John Neumeier tanzt Bellussi die Partie von Leonide Massine.

Beim Hamburg Ballett ist er demnächst – hoffentlich von einer Verletzung dann genesen – für „All Our Yesterdays“ am Mittwoch, den 13. November 2019, angekündigt. Wir dürfen unseren Glückwünschen ein inniges „Toitoitoi!“ anfügen!

Ob Bellussi auch in der kommenden großen Uraufführung von John Neumeier am Sonntag, dem 1. Dezember 2019, „Die Glasmenagerie“ – frei nach dem Drama und Leben von Tennessee Williams, zu sehen sein wird, ist – mit einiger Spannung! – abzuwarten.

Zuvor allerdings, nämlich schon heute, am Abend des Dienstag, 5. November 2019, beginnt – ziemlich aufregend – die neue Londoner Saison mit dem Royal Ballet in den Kinos!

Das Programm zum Start ist umfassend und bietet drei Leckerbissen in verschiedenen Stilen des Balletts:

„Raymonda“ dreht im dritten Akt so richtig auf: Hier das Royal Ballet, wie es auf youtube zu sehen ist. Videostill: Gisela Sonnenburg

Concerto / Enigma-Variationen / Raymonda, 3. Akt“ beginnt mit einem Meisterwerk von Sir Kenneth MacMillan zur Musik des 2. Klavierkonzerts von Dmitri Schostakowitsch. Die „Enigma-Variationen“ zu Klängen von Edward Elgar stammen dann von Sir Frederick Ashton, einem weiteren Großmeister des britischen Balletts aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Abend gipfelt in den dritten Akt – das Hochzeitsfest – aus „Raymonda“ von Marius Petipa in der Version von Rudolf Nurejew. Festliche Klassik beendet also das spannende Paket aus Meisterwerken, das zwar nicht populistisch, dafür aber überraschend poetisch einherkommt.

Um 20.15 Uhr beginnt heute abend die Live-Übertragung in den deutschen Kinos – nicht verpassen!

Ballett-im-Kino-Fans sollten sich außerdem unbedingt merken, dass ab Sonntag, dem 1. Dezember 2019, der heiß geliebte „Nussknacker“ als Aufzeichnung mit der verehrten Lauren Cuthbertson und dem Royal Ballet aus London in die beteiligten Kinos kommt.

Dem folgt am Dienstag, dem 10. Dezember 2019, die klassische Version von „Coppélia“ der in den Adelsstand erhobenen Dame Ninette de Valois, die das Royal Ballet gegründet hat.

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Keine Geringere als die Superballerina Marianela Nunez tanzt dann hier – an der Seite des edlen Sprunggewaltigen Vadim Muntagirov als Franz – die Swanilda, und weil „Nela“ mit Recht zu den meistbegehrten Ballerinen weltweit gehört, sollte kein echter Ballettomane diesen Termin verpennen.

Aber auch im November 2019 gibt es noch etwas zu feiern…

Wer am Samstagabend des 9. November 2019– dem 30-jährigen Jahrestag des innerdeutschen Mauerfalls – in Berlin ist, könnte dieses besondere Datum auf sehr besondere Weise begehen:

Robert Reimer dirigiert dann noch einmal in 2019 die fantastischen „Jewels“ von George Balanchine mit dem Staatsballett Berlin in der Deutschen Oper Berlin.

Wie kein anderer mir bekannter Ballettdirigent vermag es Reimer, mit ausgewogenen Tempi, mit einer ausgefeilten Koordination der Instrumentengruppen und mit viel Legato bei den Streichern einen rauschenden, ja berauschenden Sound zu erzeugen, der gerade für klassisches und neoklassisches Ballett wie gemacht ist. Auch hier gilt darum: Nicht verpassen, es gibt noch Tickets!

Hier tanzen Dinu Tamazlacaru und Iana Salenko vom Staatsballett Berlin in „Jewels“: „Rubies“ ist der witzige Teil des von Stimmungen lebenden dreiteiligen Balletts. Foto: Carlos Quezada

Außerdem dirigiert Robert Reimer (den wir schon ans Bayerische Staatsballett verloren glaubten) zwei Mal in diesem Jahr – am 14. und am 17. November 2019 (einem Samstag und einem Dienstag) beim SBB in der Deutschen Oper Berlin den allseits beliebten, zu Herz gehend opulenten und betont kinderfreundlichen „Nussknacker“ von Yuri Burlaka und Vasily Medvedev nach Petipa und Iwanow.

Die sinnenhaft-niedliche Yolanda Correa und der männlich-elegante Alexej Orlenco werden in diesen beiden Vorstellungen die Hauptpartien tanzen – zwei Gründe mehr, sich darauf zu freuen!

Aber da gibt es noch etwas in Berlin, über das wir reden müssen…

Am vergangenen Freitag premierte nämlich in der Staatsoper Unter den Linden die weltweit sehr selten aufgeführte Oper „Il Primo Omicidio“ von Alessandro Scarlatti.

Am Donnerstag, dem 7. November 2019– sowie am 9., 15. und 17. November 2019– wird „Der erste Mord“, so die wörtliche Übersetzung des Titels, dort wieder aufgeführt.

Und? Lohnt sich ein Besuch? Auch als Ballett-Fan? Ja, mit Einschränkungen.

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Der erste Teil der von Starregisseur Romeo Castellucci zu verantwortenden Inszenierung ist fantastisch und erinnert oftmals an Ballett, mit Tanzposen ohne Tanz. Denn Castellucci lässt seine Sänger – allesamt sind stimmlich sehr gut, Birgitte Christensen ist sogar hervorragend – eine stilisierte, aber vielfältige und expressive  Körpersprache einsetzen.

Nun ist dieses barocke Musikdrama etwas Ausgefallenes. Und für die am Horizont dräuende Weihnachtsstimmung schon rein thematisch ein wunderbar passender Kontrapunkt.

Während des Opernverbots 1707 in Italien als Oratorium entstanden, sollen die Bilder dazu eigentlich im Kopf der Zuhörenden entstehen. Umso wichtiger und ergreifender ist die Musik, die das Ensemble B’rock Orchestra unter René Jacobs exzellent darbietet: mit Orgel, Lauten, Blockflöten und triumphierenden Streichern.

Die Protagonisten und der oberhalb der Bühne mitzulesende Text entführen derweil in eine minimalistische, biblische Gesellschaft. Es geht um den Brudermord im Alten Testament, somit um den Beginn der Menschheit als kriminelle Spezies.

„Il Primo Omicidio“ von Alessandro Scarlatti ist ein Oratorium – und gleicht szenisch in der Inszenierung von Romeo Castellucci in der Berliner Staatsoper Unter den Linden teilweise theatralen Tanzposen. Foto: Monika Rittershaus

Adam und Eva besingen die Härte des irdischen Seins. Sohn Abel will sich bei Gott beliebt machen und opfert ein Lamm (einen Beutel Blut). Kain, der Ältere, fürchtet um seine Vorrechte und plant den Mord an Abel.

Das rührend Naive: Gott und Teufel treten genauso auf wie die Menschheit. Im Anzug, ohne (Schein-)Heiligenschein. Bewegungen in Zeitlupe und das Verharren in ausdrucksvollen Gesten unterstreichen das Existenzielle der Situation.

Doch im zweiten Teil verliert der Abend seine Intensität. Kinder müssen statt der Sänger auf die Bühne und öffnen stumm die Münder für den Text der Erwachsenen. Was, gelinde gesagt, sehr seltsam wirkt. Sollen etwa Kinder die Schuld der Erwachsenen übernehmen? Aber man kann ja die Augen schließen – oder eben doch ins Ballett gehen.
Gisela Sonnenburg

 www.hamburgballett.de

www.staatsballett-berlin.de

www.heinz-bosl-stiftung.de

www.rohkinotickets.de

www.staatsoper-berlin.de/de/

 

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