Glanz von zart bis hart Das Staatsballett Berlin glänzt mit seiner „Ballett Gala“ zum Abschluss der „Ballettwoche“

Ballett Gala beim Staatsballett Berlin

Einer der modernen Beiträge zur Gala ist ein Auszug aus „Blake Works I“ von William Forsythe. Foto: Yan Revazov. 

Festival-Stimmung! Eine Woche lang täglich Ballett – diese Tradition gibt es jetzt auch regelmäßig beim Staatsballett Berlin (SBB). Sein Chef Christian Spuck krönt die „Ballettwoche“, diese Serie aus neoklassischen und zeitgenössischen Programmen, die zusätzlich gespickt waren mit Events wie der „Ballettführung“ durch die Staatsoper, jetzt durch die „Ballett Gala“ (und zwar vom Veranstalter offenbar absichtlich ohne Bindestrich geschrieben). Zwei Mal wird sie als Höhepunkt der Saison gezeigt: Gestern Abend war in der Staatsoper Unter den Linden die festliche Premiere, und heute wird sie an Ort und Stelle wiederholt. Die Moderation übernehmen der darin sehr versierte Spuck und die fernsehbekannte Petra Gute, die allerdings vom Ballett und seinen oft fremdländischen Namen auffallend keine Ahnung hat. Spuck allein würde beim Präsentieren noch mehr überzeugen! Das Orchester hingegen – jawohl, es gibt Live-Musik, mit der Staatskapelle Berlin! – leitet mit überwiegend sanfter Intonierung Tom Seligman. Und so erlebt man: eine gediegene Mischung aus Klassischem, Neoklassischem und Zeitgenössischem, die für Abwechslung und Tempo sorgt. Wünsche, die offen blieben, erschöpfen sich darin, dass man gern bei einer solchen Gelegenheit  auch mal internationale Gäste im Kontrast oder als Ergänzung zum SBB sehen würde.

Der Walzer aus „Schwanensee“ von Patrice Bart ist als Eröffnung gut gewählt. Der Corps kann sich hier zeigen, und die Kostüme von Luisa Spinatelli sorgen auch nach vielen Jahren noch zuverlässig für ein feierliches Flair. Ein paar Proben mehr hätte man dem SBB hier gewünscht, aber dafür leistet es eine enorme Bandbreite bei diesem Gala-Medley.

Nach einem eher belanglosen „Aria“-Paartanz gibt es mit Iana Salenko und David Motta Soares in der „Delibes Suite“, choreografiert von José Carlos Martinez, ein erstes Wow-Highlight mit klassischem Spirit. Und es kommt gleich noch eine Steigerung, die allerdings in die Gegenwart führt: „Come back“ von der aufstrebenden Ersten Solistin und Choreografin aus Oslo, Samantha Lynch, ist ein geschmeidiger Contemporary Dance einer kleinen Gruppe, die alle Phasen der Menschheit durchzumachen scheint.

Ballett Gala beim Staatsballett Berlin

Ein zeitgenössisches Highlight: „Come back“ („Komm zurück“, „Rück kehr“) von Samantha Lynch, hier beim Juniorballett Zürich in der Probe 2022. Videostill von YouTube: Gisela Sonnenburg

Die Balkonszene aus „Romeo und Julia“ von Christian Spuck in den Kostümen von Emma Ryott, getanzt von Michelle Willems und Giovanni Princie (und mal nicht von Ersten Solisten) wirkt dagegen schier beruhigend. Hier residiert die Liebe, deren Stimmung schon die Musik von Sergej Prokofjew maßgeblich intoniert.

„Blake Works“ von William Forsythe hat man beim SBB schon mal sauberer getanzt gesehen, dafür obsiegt auch hier die Stimmung vor der reinen Technik. Harte Kantigkeit geht hier vor weichen Bögen.

Und dann endlich jenes Gala-Highlight, das das Ansehen von Christians Spuck als Choreograf maßgeblich mit geprägt hat: „Le Grand Pas de deux“ mit einer Ballerina, die auf Brille und Handtasche beim Tanzen nicht verzichten mag. Danielle Muir und Martin ten Kortenaar brachten das Publikum wunschgemäß in die höchsten Sphären des Humors.

Der Tschaikowsky-Balanchine-Pas-de-deux mit Salenko und Kalle Wigle dagegen: ernsthaft, im Flattergewand dennoch romantisch anmutend, hingebungsvoll und sehr akkurat getanzt. Ein Juwel!

Und noch eines erscheint dann auf der Bühne, wie aus einer anderen Welt: Riha Sakamoto als „Giselle“ von Patrice Bart, von Ballettmeisterin Nadja Saidakova fantastisch gecoacht und absolut weltklassemäßig im Vortrag. Poetisch und mit zarter Zurückhaltung, dennoch präzise und im richtigen Timing verleiht sie ihrer Giselle genau jenes Flair aus Mysterium und Repräsentanz, das diese romantische Partie ausmacht. Sprungstark und trotzdem sicher in der Armarbeit, dazu höchst musikalisch – so soll eine Prima sein.

Ballett Gala beim Staatsballett Berlin

Riho Sakamoto: ein neuer Star beim Staatsballett Berlin. Foto. SBB

Sakamoto, in Japan geboren, wurde an der Kirov Academy in Washington ausgebildet, gewann 2010 den Youth America Grand Prix und fand nach einem Engagement bei Ted Brand in Amsterdam diese Saison nach Berlin. Eine Entdeckung!

Dagegen wirken selbst die nicht mehr ganz junge Polina Semionova und Martin ten Kortenaar fast ein bisschen fad in den „Voices of Spring“ von Frederick Ashton. Die Einstudierung von Yannick Sempey hielt nicht ganz, was sie an prickelnen Frühlingsgefühlen vermitteln sollte, und die Staatskapelle Berlin schaffte es – wie so oft – auch dieses Mal nicht, einem Wiener Walzer den entsprechenden Facettenreichtum zu bewahren. Weniger Humtata und mehr ausgearbeitete Details bitte!

„Skew-Wiff“ („Schief-Hauch“) von Sol León und Paul Lightfoot hingegen bildet ein fetziges Quartett, coloriert von wiederum hervorragend gespielten Rossini-Klängen. Hier stimmt alles!

Beim Finale dann prallen die verschiedensten Kostüme und Tanzstile in einem Ballabile zusammen, auf dass die Stimmung sich bis ins Revuehafte nochmals steigere.

Insgesamt war die Ballettwoche für Berlin somit ein großer Gewinn, und auch wenn der Glanz einer Gala noch vermehrt werden kann, so ist man mit der regulären Einführung einer solchen nun doch einen großen Schritt weiter. Es fehlen, wie gesagt, nur noch ein paar Gaststars von außerhalb, dann wird man dem SBB herzlich gratulieren können.

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Die nächste Gala in Berlin kommt übrigens von der Staatlichen Ballett- und Artistikschule, wobei man sich, nach allem, was man hört, vor allem auf die Darbietungen der jungen Artisten freuen darf. Die Ballettschule hingegen, die immer noch unter stark belasteten Lehrern wie Marek Rózycki leidet, hat ohne grundlegende Erneuerung des Lehrkörpers keine Chance mehr. Das sollte der Senat endlich einsehen.
Gisela Sonnenburg / Anonymous

www.staatsballett-berlin.de

 

 

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