Rein ins Vergnügen! Am Horizont taucht die neue Spielzeit 2025/26 mit Neuigkeiten auf: Alexandr Trusch tanzt beim Ballett Dortmund, Alessandra Ferri beginnt in Wien

Kultur feiert feste.

Draußen tobt zur Eröffnung noch lang das Kultureventlife. Hier der Bühneneingangsbereich der Hamburgischen Staatsoper bei einer vergangenen „Theaternacht“. Foto: Gisela Sonnenburg

Ganz langsam taucht am Horizont die kommende Spielzeit auf. Viele können sie kaum erwarten, aber mancherorts mischt sich ein wenig Melancholie in die Vorfreude. Veränderungen wird es vor allem beim Hamburg Ballett geben, doch auch das Ballett Dortmund kann mit News und Brillanz aufwarten. Und dann kommt auch das Semperoper Ballett wieder zu seinem Recht. Und das Stuttgarter Ballett. Natürlich auch das Bayerische Staatsballett. Zunächst aber locken die Festivitäten zur Spielzeiteröffnung, und zwar gehäuft am Sonntag, den 14. September 25: Das Staatsballett Berlin ist dann beim „Eröffnungsfest“ in der Staatsoper Unter den Linden zu erleben, während das Ballett Dortmund am selben Tag zusammen mit den anderen Dortmunder Sparten das „Theaterfest“ begeht. Das Hamburg Ballett öffnet derweil schon einen Tag früher, am 13. September, bei der „Theaternacht“, die Pforten seines Ballettzentrums. Um am 14. September vormittags zur ersten „Ballett-Werkstatt“ der Saison zu rufen. Mutmaßlich wird es um „Die Möwe“ von John Neumeier gehen, und mit etwas Glück wird der große Meister auch selbst zusammen mit seinem aktuellen Nachfolger Lloyd Riggins mit dem Mikro in der Hand auf der Bühne stehen. Ana Torrequebrada, Louis Musin und Caspar Sasse (für alle drei wäre zudem jeweils eine Beförderung fällig) könnten die Hauptrollen tanzen, wie schon bei der Nijinsky-Gala 2024. Für den 21. September 25 ist die Wiederaufnahme des mitreißenden Stücks veranschlagt, über das ich 2002 nach der Uraufführung schrieb, dass man „Die Möwe“ in den Katalog der bedeutenden Handlungsballette werde aufnehmen müssen. In der Tat ist es noch immer ein Knüller: eine Tragikomödie und Burleske, eine Satire und ein Liebesdrama in Eins.

John Neumeier nahm Abschied

Ana Torrequebrada und Louis Musin in „Die Möwe“ von John Neumeier beim Hamburg Ballett. Foto von der Nijinsky-Gala 2024: Kiran West

Eher leicht beschwingt geht es dagegen mit dem Ballett Dortmund schon einen Tag früher, am 20. September, auf zum „Kultursommer“ nach Schloss Bodelschwingh.

Kunst und Natur – wer kann dieser Mischung widerstehen? Das Ballett Dortmund stellt sich dann mit seinem neuen Intendanten Jas Otrin vor, während es hinter den Kulissen schon die heiß ersehnte Oktober-Premiere von Edward Clugs „Carmina Burana“ vorbereitet.

"Die göttliche Komödie III: Paradiso" von Xin Peng Wang beim Ballett Dortmund

Fantastisch: Ein Pas de deux in „Die göttliche Komödie III: Paradiso“ von Xin Peng Wang beim Ballett Dortmund – mit Javier Cacheiro Alemán und Daria Suzi. Videostill: Gisela Sonnenburg

Stars wie Daria Suzi, Sae Tamura, Ekaterine Surmava und Amanda Vieira, wie Javier Cacheiro Alemán, Simone Dalè, Filip Kvacák und Guillem Rojo I Gallego werden im Laufe der Saison in verschiedensten Stücken brillieren.

Aus Dortmund kommt auch eine News, die die Fans vom Hamburg Ballett heißlaufen lässt: Ihr Publikumsliebling, der langjährige Hamburger Erste Solist Alexandr Trusch wird als Gaststar regelmäßig mit dem fantastischen Ballett Dortmund zu sehen sein. Carsten Brosda, Hamburgs Kultursenator, hat ihn anscheinend als Mitglied vom Hamburg Ballett entweder gesperrt oder vergrault, wobei der Herr Kultursenator natürlich beides dementiert.

Fakt ist: Trusch hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Missstände unter dem Hamburger Kurzzeitintendanten Demis Volpi aufgeklärt werden konnten. Warum man ihm dann nicht antrug, seinen alten Vertrag als Ballerino wieder anzunehmen oder sogar Teil der ohnehin erstmal nur provisorischen Interimsleitung vom Hamburg Ballett zu werden, weiß man nicht.

Wahrscheinlich hat man in Hamburg nach dem Abschied von John Neumeier nach über 50 Jahren als Ballettboss ab und an Probleme mit Charakterstärke.

"Nijinsky" von John Neumeier und ein fiktiver Spielplan gegen Peter Laudenbach

Alexandr „Sasha“ Trusch als „Nijinsky“ von John Neumeier. Das begeisternde Foto stammt vom langjährigen Neumeier-Fotografen Holger Badekow. Und Alexandr Trusch tanzt kommende Saison als regulärer Gast in Dortmund. 

Das Dortmunder Publikum profitiert davon, und auch in Baden-Baden, so hört man, darf Alexandr Trusch (als „Nijinsky“) auftreten. Aber es gibt ja auch noch andere Tänzer als ihn, und so richten wir unser Augenmerk auch mal wieder nach Berlin zur exorbitant faszinierenden Leroy Mokgatle sowie nach Dresden zur seit langem nur fantastischen Svetlana Gileva.

Die expressive Zarina Stahnke tanzt allerdings nicht mehr beim Semperoper  Ballett, obwohl oder weil sie für ihre Partie als Fürstin Zoe in der modernen „Schwanensee“-Version von Johan Inger einen bedeutenden Preis (den Theaterpreis „Faust“) erhalten hat. Nun läuft das nicht unumstrittene Stück – drei Mal im September – ohne sie.

"Schwanensee" ohne Schwanensee

Zarina Stahnke als unglückliche Schwanenfrau Zoe – sich nach Liebe sehnend, aber auch nach Freiheit vom verhassten Ehemann. Foto vom Semperoper Ballett: Nicholas MacKay

Auch das Stuttgarter Ballett ließ Federn sprich tänzerisches Hochkarat, so mit Mackenzie Brown, die fortan nur noch als Gast dort tanzt. Dafür wurde Daiana Ruiz zur Ersten Solistin befördert: Herzlichen Glückwunsch! Ebendies gilt auch für Matteo Miccini, der es auch in die Reihe der Ersten auf der Bühne in „Stuggi“ schaffte.

Auf den hervorragenden Dirigenten Mikhail Agrest müssen die Stuttgarter indes einstweilen verzichten. Ballettintendant Tamas Detrich war nicht großherzig genug, Agrest nach dessen gewonnenem Prozess gegen seinen damaligen Arbeitgeber länger als rechtlich nötig im Orchestergraben zu beschäftigen. Sehr schade!

"Anna Karenina" von John Neumeier beim Stuttgarter Ballett

John Neumeiers „Anna Karenina“ (Miriam Kacerova) vom Stuttgarter Ballett auf der Probe. Ihr Blick ist hungrig nach Liebe… Foto vom Stuttgarter Ballett: Roman Novitzky

Stuttgart startet dennoch bestens gelaunt mit der Präsentation seines „Annuals“, also seines Spielzeitbuches, am 20. September 25 in die neue Saison. Einen Tag später heißt es dann beim dortigen Theaterfest: „Rein ins Vergnügen!“ Ein Motto, das man im Ballett gar nicht oft genug hören mag. Am 27. September werden dann bei einer neuen Ausgabe von „Ballett & Brezeln“ Tanz und Gespräch verbunden.

Und nur das Bayerische Staatsballett zeigt sich im September noch relativ zurückhaltend und verzichtet vorerst auf Vorstellungen oder viel Brimborium. Zum „Talk im Salon Luitpold“ wird am 16. September aber eingeladen, damit sich dort die neuen Ensemblemitglieder vorstellen dürfen.

Die kommende Spielzeit dürfte ab dann bunt und voller Überraschungen werden.

Und das nicht nur in Deutschland. Man schaue auch mal nach Österreich: Beim Wiener Staatsballett startet Alessandra Ferri als neue Ballettdirektorin.

"L'Heure exquise" von Béjart mit Ferri und Jung

Alessandra Ferri rücklings auf den Schultern von Carsten Jung: so zu sehen in „L’Heure exquise“ von Maurice Béjart beim Gastspiel in Baden-Baden. Foto: Kiran West

Allerdings hat sie, die selbst eine überaus bemerkenswerte Tanzkarriere hinter sich hat, die hoch verehrten Tänzer Marcos Menha und Brandon Saye umstandslos geschaßt. Und auch, wenn Antonio Casalinho und Victor Caixeta, Davide Dato, Václav Lamparter und Alessandro Frola (auch so ein Ex-Hamburger) dort tanzen, so wird man Menha und Saye absolut vermissen.

Zudem hat Ferri zwar die etwas muffig-angestaubte „Fledermaus“ von Roland Petit auf dem Spielplan stehen, aber weder von John Neumeier – dessen „Kameliendame“ das Wiener Staatsballett in vier tollen Besetzungen drauf hatte – noch von Martin Schläpfer, dessen modernisiertes „Dornröschen“ vorzüglich nach Wien passte, ist auch nur ein Stück im Spielzeitrepertoire.

Es ist so eine Unart und eigentlich völlig out, den Vorgänger in einer Direktion auslöschen zu wollen, indem man seine fleißig einstudierten Tänze komplett draußen lässt. Soll das Publikum wirklich alles vergessen, was vor dem aktuellen Leithammel war? Liebes Wien: Tradition und das Anknüpfen an Traditionen – auch an jüngere – geht anders. Gerade die Heimstatt des Wiener Walzers sollte das wissen.

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Hoffen wir, dass das freie Spiel der Kräfte, das Klassik und Moderne im Ballett ausmachen sollte, sich durchsetzen wird. Die Magie großer Stücke wird darin zentral sein. Und das spätestens gen Ende der Spielzeit am 27. Juni 2026, wenn es beim Semperoper Ballett heißt: „Onegin“ von John Cranko tanzt in Dresden!

Bis dahin und darüber hinaus wünschen wir allerbesten Genuss.
Gisela Sonnenburg

https://www.hamburgballett.de

https://www.theaterdo.de

https://www.semperoper.de

https://www.staatsballett-berlin.de

https://www.stuttgarter-ballett.de

https://www.staatsoper.de/staatsballett

https://www.wiener-staatsoper.at

 

 

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