Tänzchen mit Täubchen „Passagen“ vereint beim Bayerischen Staatsballett ein tolles neues Stück von David Dawson, einen peinlich inszenierten Auftritt von Alexei Ratmansky und das übliche Gezappel von Marco Goecke

"Passagen" beim Bayerischen Staatsballett

Die Ballerina oben, die Herren stützend unten – aber optisch haben alle drei eine fast schwebende Anmutung, typisch für das Werk von David Dawson. Hier in „Affairs of the Heart“ im Programm „Passagen“ beim Bayerischen Staatsballett. Foto: Wilfried Hösl

Das Leben – ein abwechslungsreicher Fluss aus Liebesbeziehungen und Trennungen, innigen Momenten und entschiedener Abwehr. Leiden und Leidenschaft wechseln einander ab, Menschen finden zusammen oder gehen auseinander, Sehnsucht und Erfüllung schwingen dabei im schieren Einklang. So stellen es die Stücke des hochkarätigen Choreografen David Dawson stets in aller Deutlichkeit dar – und auch die „Affairs of the Heart“, die „Herzensangelegenheiten“, passen in dieses Raster. Für den gestern premierten dreiteiligen Abend „Passagen“ beim Bayerischen Staatsballett kreierte Dawson somit das jüngste seiner Werke mit voller Schaffenskraft – und ging dabei erstaunlich auf die Stärken der Münchner Tänzer:innen ein. Allen voran triumphiert Shale Wagman mit eleganten Soli, aber auch Prisca Zeisel und Maria Baranova betören den Blick in puristisch arrangierten Posen, die wie von einem Designer ersonnen anmuten. So viel Stil ist selten! Krassbunt hingegen poltern danach die bereits bekannten „Bilder einer Ausstellung“ von Alexej Ratmansky über die Bühne, gekrönt von einem peinlich-plakativen, propagandistischen neuen Ende. Bald brüllen sie in Deutschland wohl wieder nach dem totalen Frieden durch den totalen Krieg – und das ausgerechnet in einem Opernhaus und gegen Russland, das noch vor wenigen Wochen als eines unserer liebsten Länder gelistet war. Armes Europa. Kannst du nur noch Hassparolen brüllen? Als düsteren Schlusspunkt kreierte Marco Goecke dazu passenderweise eine Fortsetzung jenes ewigen Zappelns und Roboterspielens, welches er seit Beginn seiner schöpferischen Tätigkeit seinen Tänzer:innen abnötigt. Wer diese Ödnis des Immergleichen nicht ganz so mag, kann in der zweiten Pause ruhig gehen – insofern ist die Reihenfolge der Stücke zuschauerfreundlich festgelegt.

Igor Zelensky, der Münchner Ballettdirektor, ist trotz der vom Publikum bejubelten Premiere zum Auftakt der diesjährigen Ballettfestwoche nicht zu beneiden.

Er steht unter starkem Beschuss der kommerziellen Presse, die strikt zur deutschen Regierung und zu dem gefräßigsten Monstrum hält, das die Welt je erschuf: zur so genannten globalen Wirtschaft unter amerikanischer Vorherrschaft.

Und weil Zelensky Russe ist und sich womöglich mit Putin mal gut verstand – wie übrigens alle westlichen Staatschefs auch – fordern besonders eifrige Lohnschreiber:innen in der Ballettwelt seinen Kopf. Dabei hätte wohl keine:r von ihnen noch im Januar eine Einladung zu einem Empfang mit Putin abgelehnt. Glauben sie wirklich an die Dämonisierung eines Staatschefs, der sich seit zwanzig Jahren dem Westen gegenüber äußerst fair verhalten hat? Und sind sie an den Hintergründen des Ukraine-Kriegs wirklich so wenig interessiert?

Doch dazu später mehr. Zunächst fand der kanadische Choreograf David Dawson, der zu Beginn dieses Monats freundliche 50 Jahre alt wurde (Herzlichen Glückwunsch!) , in Zelenskys Auftrag sehr viele wunderbare, wortlose und vereinnahmende Möglichkeiten der Kommunikation, um klar zu machen: Ob Krieg oder Frieden, allein die Kunst weiß, was wesentlich ist im Leben, und ein wahrer Künstler wird sich nie davon ablenken lassen, sich vor allem dem Energiestrom und der Botschaft seiner Arbeit zu widmen.

Drei Solistinnen und zwei Solisten sowie vier Paare führen in Dawsons „Affairs of the Heart“ vor, wie edel und wie erhaben die Vision der Liebe sein kann – auch und gerade, wenn man sie abseits der gängigen Vorstellungen bedenkt.

Denn es sind zwar vor allem die exotischen, hoch ästhetischen Dreh- und Hebefiguren, die bei Dawson faszinieren, aber im Gefüge der gezeigten Beziehungen gibt es mehr als das „Boy meets Girl“.

"Passagen" beim Bayerischen Staatsballett

Paare, so synchron und harmonisch, dass man sie unmöglich getrennt voneinander denken könnte. So zu sehen in „Affairs of the Heart“ von David Dawson in „Passagen“ beim Bayerischen Staatsballett. Foto: Sergei Gherciu

Da tanzen die vier Paare bis zum Schluss des Stücks so edelsinnig und fein synchron, so perfekt aufeinander abgestimmt und doch so lebendig miteinander, dass man sie sich isoliert gar nicht vorstellen möchte. Sie sind keine Einzelpaare, sondern eine exzellent aufgestellte Gruppe – mit vielschichtigen Verbindungen untereinander.

Carollina Bastos (die auch bei anderen Gelegenheiten schon positiv auffiel), Maria Chiara Bono, Marina Duarte und Vera Segova sowie Severin Brunhuber, Rafael Vedra, Florian Ulrich Sollfrank und Robin Strona sorgen hier für das beste Dawson-Flair eines Ensemble-Tanzes, das es in Deutschland derzeit gibt.

Wo andere Compagnien leicht etwas steif wirken, angesichts der stets hoch gehaltenen Handgelenke und zum Hohlkreuz durchgedrückten Rücken in Dawsons Stil, entlocken die Münchner seiner Tanzart ein wie von geölten Blitzen der Vitalität durchzucktes Credo.

Ein wirkliches Wow ist diese Dawson-Interpretation!

Und trotzdem wirkt es zugleich perfekt und makellos, was die Truppe, von Dawson inspiriert und gleichermaßen beseelt, zustande bringt. Das Ausgewogene, Schwebende ist bei ihm ja sehr wichtig: Alles muss hehr sein und darf nie ins Plump-Alltägliche abgleiten.

Die Solist:innen bilden da natürlich keine Ausnahme, im Gegenteil: Prisca Zeisel und Maria Baranova, aber auch Elvina Ibraimova bilden wahre Königinnen ohne Krone, sie sind charmant-gediegene, dabei hochmoderne Herzensdamen, die ihrer Leidenschaft fürs Schöne und Erotische scheinbar hemmungslos zu folgen wissen.

Die solistischen Kavaliere, derer es hier nur zwei gibt, nämlich den markant-expressiven Emilio Pavan und den schon lobend erwähnten, technisch wie vom Ausdruck her tadellosen Shale Wagman, verleihen dem Stück, also dem Fluss des Lebens, immer mal wieder überraschende Pointen.

Das einzige, was nicht wirklich toll ist, sind die Kostüme. Yumiko Takeshima, früher Primaballerina in Dresden, hat in Sachen Trikots einen luxuriösen Ruf zu verlieren. Hier aber schuf sie Überzieher für die Ballerinen, die so eng sitzen, dass man glaubt, den Mageninhalt der Tänzerinnen, sich abzeichnend, zu sehen. So etwas muss nicht sein.

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Aber die Tänze, die Pas de deux und Pas de trois, hinreißende Wechselmanöver und regelrechte solistische Exzesse von Schönheit sind absolut geeignet, um einen auszusöhnen mit all den Mängeln dieser von Menschenhand versauten Welt.

Wer hier nun anderes behauptet, tut das wohl, um Zelensky, dem gastgebenden Ballettdirektor, zu schaden – so schäbig sind Menschen ja leider nicht selten.

Das Premierenpublikum jedenfalls wurde vom seligen Energiestrom der Dawson’schen Tanzart  erfasst und applaudierte euphorisch. Was den Meister, der in München anwesend war, sichtlich freute. Bravi!

Tom Seligman dirigierte die wie immer bei Dawson violinensatte Musik, die dieses Mal von Marjan Mozetich stammt und die denselben Titel wie der Tanz trägt: „Affairs of the Heart“.

David Schultheiß an der Ersten Violine erfüllte dabei höchste Ansprüche. Und: Dawson sagt, er habe das Stück seit etwa zwölf Jahren machen wollen – aber erst jetzt in München fand sich die Gelegenheit. Ein Grund mehr, es sich anzuschauen.

"Passagen" beim Bayerischen Staatsballett

Prisca Zeisel oben – mit Schönheit und Ausdruck auch im Paartanz in den „Affairs of the Heart“ von David Dawson, zu sehen in „Passagen“ beim Bayerischen Staatsballett. Foto: Sergei Gherciu

Nach der Pause erfreuten sich dann viele an den kunterbunten tanzenden Farbtupfern, die der aus Russland stammende Wahl-New-Yorker Alexei Ratmansky zur bekannten Musik „Bilder einer Ausstellung“ von Modest Mussorgsky schuf, wobei erwähnenswert ist, dass Mussorgsky ein russischer Komponist war, der mit 42 Jahren an den Folgen seiner Alkoholabhängigkeit verstarb.

Dabei stammte er aus reichem Gutsbesitzerhaus und wurde schon mit 7 Jahren als Wunderkind im Klavierspiel bejubelt. Nach Aufhebung der Leibeigenschaft in Russland geriet seine Familie in finanzielle Schwierigkeiten, aber Mussorgsky überwand den sozialen Absturz in einer Männerkommune, die aus lauter Künstlern und Intellektuellen bestand und für ihre Zeit ziemlich fortschrittlich war. Nur die Sache mit dem Suff bekam er nicht in den Griff.

1874 gelang ihm mit „Bilder einer Ausstellung“ sein größter Wurf. Sein zuvor verstorbener Freund Viktor Hartmann war Maler gewesen und seine Bilder beschreibt Mussorgsky mit den Mitteln der Klaviermusik im genannten Stück.

In München spielte der in Moskau ausgebildete Dmitry Mayboroda mit prägnantem Anschlag.

Ach ja, was wären wir ohne die russische Kultur!

Mussorgskys Bilderreigen ist nun fantasievoll an sich: Ein „Gnom“, ein „altes Schloss“, ein „Ochsenkarren“, „soeben schlüpfende Küken“, die Hütte der russischen Hexe „Baba-Yaga“ – all solche oft märchenhaften Themen werden musikalisch in Angriff genommen. Für Tanzmacher ist das natürlich sehr anregend.

Ein Ballett zu dieser Musik konnte man vor vielen Jahren von einem unbekannt gebliebenen choreografierenden Tänzer in Kiel sehen. Immer wieder werden international vor allem an Ballettschulen auch mal Einzelstücke der Komposition in Bühnentanz verwandelt, und besonders beliebt sind dabei die Küken mit ihren Resten von Eierschalen. Da kann man mit quietschgelben Kostümen und Schnäbeln aus Pappe bei kindlichem Publikum mächtig punkten.

Ratmansky als hoch bezahlter Erwachsenen-Choreograf – er soll einst dem Bolschoi-Theater die höchste Gage abgeluchst haben, die dieses jemals einem Ballettschöpfer zahlte – kann sich nun nicht auf solche kindhaften Fantasien einlassen.

Dazu müsste man schon ein sehr großer Könner sein, um konkret auch für Kinder geeignete Szenen erwachsenentauglich in einem Abendprogramm umzusetzen.

Ein John Neumeier kann so etwas, er hat mit seinem „Nussknacker“ und seinem „Sommernachtstraum“ gezeigt, was alles an Slapstick und kindlicher Komik im Ballett möglich ist. Charlie Chaplin wäre da selbst begeistert gewesen.

Aber ein Ratmansky, dessen Stücke immer an einem Mangel an menschlicher Wärme und sogar auch an einem Manquo an situativer Zeichnung leiden, kann das nicht.

Er kann lediglich nett und oberflächlich, abwechslungsreich und dekorativ, aber ohne Tiefgang verschieden kostümierte Tänzer:innen über die Bühne flippen lassen.

Über und hinter ihnen dräut übrigens ein ausgesprochen plumpes Bühnenbild aus Projektionen, das das Kriterium „Bilder“ erfüllen soll: Simpel gemalte, abstrahierte bunte Ansichten erscheinen da.

"Passagen" beim Bayerischen Staatsballett

António Casalinho ist einer der nachrückenden Jungstars beim Bayerischen Staatsballett, hier beim Spagatsprung in „Bilder einer Ausstellung“ von Alexei Ratmansky in „Passagen“ zu sehen. Foto: Wilfried Hösl

Dennoch entzücken die Tänzer:innen, wie erneut die überaus vielseitige Prisca Zeisel (die zudem bei der Premiere verletzt schien und also doppelt tapfer tanzte), wie Kristina Lind (die endlich von einer langwierigen Verletzung genesen scheint und mit ihrer Leichtigkeit alle Herzen erobert), und wie erneut Maria Baranova, die eine so elegante Statur hat, dass sie keinen anderen Beruf als den der Tänzerin hätte ergreifen können. Ihre Mitwelt hätte ihr das wohl wieder und wieder gesagt.

Bei den Herren berücken der Erste Solist Jinhao Zhang, das Newcomer-Talent António Casalinho und – allen voran – als Gast der für den erkrankten Osiel Gouneo eingesprungene Amar Ramasar. Er tanzte einst beim New York City Ballet, wo dieses Stück von Ratmansky auch uraufgeführt wurde, bevor es dann auch beim Wiener Staatsballett getanzt wurde.

Kleine Gruppen in fliegendem Wechsel vermitteln Bewunderung für die Tanzkunst und manchmal auch mildes Schmunzeln, und mal ist es übermäßig heiter, mal auch etwas melancholisch, was man sieht.

Eine konkrete Umsetzung von einzelnen Themenfeldern in den einzelnen Nummern gelingt Ratmansky allerdings nicht. Vielleicht hat er das auch gar nicht erst versucht – ihm genügt es ja oft, die technische Brillanz von Tänzer:innen herauszustellen.

In jedem Fall ist das Meiste an diesem Werk außerordentlich kurzweilig.

Man merkt halt nur, dass das Stück nicht original fürs Bayerische Staatsballett kreiert wurde. Nicht selten wirken die Bewegungen wie antrainiert und sind längst nicht so superbe umgesetzt wie das Dawson-Stück.

So flach, kalt und oberflächlich Ratmansyks Stil bei den individuellen Figuren manchmal wirkt, so amüsant sind dennoch einzelne, wunderschön komponierte Ensemble-Szenen.

Nur mit dem Schluss setzt er sich doch zu sehr auf den aktuellen Zug des Erfolgs.

Da erscheint am Bühnenhintergrund anders als in der Uraufführung die flächig gemalte ukrainische Flagge – man kann ihr nunmehr also auch auf der Bühne vom Münchner Nationaltheater nicht mehr entkommen.

„Das große Tor von Kiew“ heißt das finale Musikstück von Mussorgsky, aber es bezieht sich weder auf die Ukraine von heute noch auf die aktuelle Situation dort. Vielmehr war die Ukraine damals ein Teil von Russland und niemand dachte daran, eine Unabhängigkeit des Landes bewirken zu wollen.

Kiew stand für die mittelalterliche Schönheit einer Stadt, für das langsam aufstrebende Bürgertum, für die festungsartigen Architekturen dieser Zeit.

"Passagen" beim Bayerischen Staatsballett

Bunte Bilder im Hintergrund, bunte Kostüme, tänzelnd darunter: Das Bayerische Staatsballett mit „Bilder einer Ausstellung“ von Alexei Ratmansky im Abend „Passagen“. Foto: Wilfried Hösl

Und nur, um ein weit verbreitetes Missverständnis zu bereinigen: Die von allen geliebte Krim gehörte erst seit 1954 zur Ukraine, und auch das nur, weil der damalige sowjetische Staatschef Chrustschow selbst aus der Ukraine stammte und die schöne Urlaubslandschaft der Halbinsel Krim seiner Heimatregion auch für seinen eigenen Alterssitz gönnen wollte.

Die meisten Bewohner:inenn dort blieben aber Russ:innen und wollten stets wieder zu Russland gehören – und eben nicht zur vom Norden aus regierten Ukraine. Insofern war die Annexion der Krim durch Russland in der Tat legal und keine feindliche Besetzung.

Auch die Sezession des Donbass ist kein Verstoß gegen Völkerrecht, sondern richtet sich nach jenen dort lebenden Russ:innen, die seit acht Jahren massiv von den ukrainischen Ultrarechten in Uniform bedrängt und auch ermordet werden.

Die langjährige ARD-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz gab dem mdr-Kulturmagazin kürzlich ein viel beachtetes kluges Interview hierzu. Vor allem aber gibt es Filmaufnahmen von 2019, die auch schon im öffentlich-rechtlichen Fernsehen liefen, die zeigen, wie ukrainische Soldaten arglose russische Bauern abschießen.

Die meisten von Ihnen werden vermutlich dennoch erstmal der westlichen Propaganda glauben, wie Sie auch die lächerlichen Kringel im Bühnenbild von Ratmanskys Stück für Originale von Wassily Kandinsky halten. Es sind aber Fakes, schlecht gemachte Fetzen aus Bildern von Kandinsky, die so völlig sinnentleert sind.

Das sehr positive Bild von den USA und der Nato, das die West-Kommerz-Medien pflegen, besteht ebenfalls sinnfrei – und ungeachtet der Tatsache, dass die Kriege der USA in diesem jungen Jahrhundert Millionen von Toten zeitigten, darunter Hunderttausende tote Kinder. Dabei ging es meistens nicht mal um Gegnerschaft zu Terrorstaaten, sondern um Bodenschätze und militärische Standorte.

Russland lässt hingegen die Fluchtkorridore in der Ukraine weitgehend unbeschadet, sodass in vier Wochen mehr als vier Millionen Flüchtende im Ausland registriert wurden. Das ist beispiellos in der Kriegsgeschichte.

An Toten wurden bisher in vier Wochen 1032 vermeldet – aber die meisten von diesen wurden Opfer der auch von  Deutschland angelieferten Abwehrraketen der Ukraine, die die russischen Raketen, die auf unbewohnte Gebäude gerichtet waren, abgefangen und in der Luft zersplittert haben, was tödlich für die war, die sich darunter befanden. Gute Absichten sind eben nicht immer gutes Tun.

Ratmansky aber kann und will nicht historisch oder geschichtlich korrekt denken, das bewies er ja auch schon mit seiner Berliner „Bayadère“, sondern er agiert – wie viele Wahlamerikaner – uneingeschränkt prowestlich und vor allem im Eigeninteresse.

Das Big Ego der Amerikaner ist ja sprichwörtlich. Die soziale Härte eines Systems, das willkürlich die Einen flugs zu Millionären macht und die anderen sozial total unterdrückt, steht auch in Europa eigentlich in üblem Ruf.

Aber ein Ratmansky kommt als Erfolgsritter daher. Man könnte schon vermuten, er wolle Zelensky als Ballettdirektor in München ersetzen.

"Passagen" beim Bayerischen Staatsballett

Ob dieses Ende von „Bilder einer Ausstellung“ dem Komponisten Mussorgsky recht wäre? Es zeigt die Verherrlichung eines Landes, das von einem nachweislich korrupten Superreichen und unter ebenfalls nachgewiesenem Einfluss von Rechtsextremen regiert wird. Aber was soll’s – es fallen derzeit ja so viele auf die angeblich harmlose Ukraine rein. Das Bayerische Staatsballett macht sich zum Büttel der Absichten von Alexei Ratmansky – die Zeit wird die Wahrheit indes schon ans Licht bringen. Foto: Wilfried Hösl

Und so inszeniert er mit der letzten Szene seiner „Bilder einer Ausstellung“ ein überaus peinliches Rührstück, allerdings ohne tänzerische Mittel und ohne Krieg und Frieden auch nur ansatzweise auf die Bühne zu bringen.

Allein der Anblick der Fahnenfarben Gelb und Blau soll hier auf die Tränendrüsen drücken und den Reflex zum Jubeln auslösen. Peinlich, wirklich peinlich ist das für einen so hochrangigen Künstler.

Beim Schlussapplaus hielt der angereiste Ratmansky es dann noch für nötig, mit einer weiteren ukrainischen Flagge in der Hand aufzumarschieren und diese immer wieder hochzuhalten.

So etwas haben in der Kunst eigentlich nur die Nazis gemacht.

Was für ein beinharter und auch verdummender Nationalismus!

Ratmanskys Gattin ist übrigens gebürtige Ukrainerin, und als erklärte Feinde Putins versuchen sowohl Ratmansky als auch einige dubiose Kumpels von ihm nicht erst seit diesem Jahr, möglichst viele einflussreiche Menschen aus der Welt von Kunst und Kultur gegen Russland aufzuhetzen.

Dass der ukrainische Faschismus schon seit dem Zweiten Weltkrieg von den Amerikanern und auch den Deutschen unterstützt wird und nicht Juden, sondern Russen dämonisiert und glattweg vernichten will, ist in diesem Kontext durchaus interessant.

Die hässlichen Denkmäler im Stil von Hitler-Deutschland, die in den letzten Jahren in der Ukraine zu Ehren des Hitler-Verbündeten Stepan Bandera erbaut wurden – für ihn nennen die gegen die Russen kämpfenden Ukrainer auch ihre Molotow-Cocktails „Banderas“ – wird ebenso verschwiegen wie die Tatsache, dass es seit acht Jahren im Donbass den Krieg der Ukraine gegen die dort lebende russische Bevölkerung gibt.

Es gibt glaubhafte Filmaufnahmen und Fotografien davon, die teilweise auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen waren. Schade, dass das Titel-Motto der Passagen, des Durchgehens und Vorbeiziehens, sich nicht auch auf solche Recherchen bezieht.

Dass der „heldenhafte“ Präsident Selenskyj im Dezember 2021 dem Chef der rechtsextremen Organisation „Rechter Sektor“ feierlich die höchste Auszeichnung des Landes verlieh, nämlich den Titel „Held der Ukraine“, ist ebenfalls gut dokumentiert.

Wolodymyr Selenskyj ist ein Faschist

Hier verleiht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einem ausgewiesenen Faschisten, dem Chef vom „Rechten Sektor“, im Dezember 2021 die Auszeichnung „Held der Ukraine“. Sind das wirklich die Favoriten unserer europäischen Regierungen? Leider ja. Foto: Facebook

Genau wie die Tatsache, dass Selenskyj als Superreicher zu jenen Kriminellen im Big Business gehört, die im Zuge der „Panama Papers“ aufflogen. Komischerweise mag sich heute fast niemand daran erinnern.

Das schlechte Gedächtnis Europas hat einen Grund: Aus Angst, der vor allem von den USA angestrebte Dritte Weltkrieg könne auf dem Gebiet Westeuropas ausgetragen werden, haben die westeuropäischen Regierungen sich rasch den USA angeschlossen. Ungeachtet der Tatsache, dass in diesem Fall diese die Schurken sind – und nicht die Russen, die, wenn sie nicht in die Ukraine einmarschiert wären, ihrerseits mit einer weiteren Nato-Osterweiterung bedroht worden wären. Wenn Sie noch nicht wissen, was das Abkommen „Minsk II“ bedeutet, das von Selensky hätte ratifiziert werden sollen, um den Krieg zu verhindern oder zu beenden, dann googeln Sie das bitte.

All das kann jemand wie Alexej Ratmansky natürlich nicht nachvollziehen, denn es entspricht nicht seinen Interessen, weshalb er in München nun einmal mehr vorführte, wie einfach die Deutschen derzeit aufzuhetzen sind.

Nach der zweiten Pause wird die Stimmung auf der Bühne passenderweise ganz düster. Marco Goecke, der hochgelobte  Dauerselbstdarsteller unter den deutschen Choreografen, hat mal wieder ausgeholt, um sich ein weiteres Mal selbst zu zitieren.

Er macht es sich – auch das ein amerikanisches Rezept für Erfolgskultur – ganz einfach:

Seine Zappelbewegungen im Stand kommen gut an, also macht Goecke nichts anderes.

Wieder und wieder stellt er allüberall, wo man ihn lässt, Tänzer:inenn auf, die mit Robotergestus akkurat und sehr schnell zappelige Armbewegungen ausführen, was wie eine Persiflage auf die moderne Arbeitswelt wirkt.

Das Ganze wird bei schummriger Dunkelheit auf der Bühne serviert, und auch die Kostüme sind überwiegend schwarz. So ist es immer.

"Passagen" beim Bayerischen Staatsballett

Starke Männer, schwache Frauen – so das Bild, das Marco Goecke in „Sweet Bone’s Melody“ beim Bayerischen Staatsballett vermittelt. Foto: Carlos Quezada

Damit walzt Goecke jedwedes Thema platt, das man ihm anvertraut. Allerdings wechselt er bei den Musiken, und dieses Mal suchte er sich für sein im Titel auf Tänzerqualen abzielendes Stück „Sweet Bones‘ Melody“ („Der süßen Knochen Melodie“) ein anspruchsvolles Konzertstück der südkoreanischen Komponistin Unsuk Chin.

Schräg und chromatisch, disharmonisch und schwer avantgardistisch peitscht hier ein Klanggewitter wie in akustischer Zeitlupe vorbei.

Die Musik ist wirklich packend, mitreißend, vereinnahmend – nur liefert das wie dressiert wirkende rhythmische Gezappel der Tänzer:innen außer Synchronizität dazu nur wenig Anreiz.

Florian Ulrich Sollfrank darf dann – weil er als gebürtiger Münchner gut deutsch spricht – einige lyrische Zeilen aufsagen, die eher auf die Stimmung drücken, als dass sie Hoffnung einflößen.

Dafür fällt Sollfrank aber auch mit einem getanzten Solo sehr positiv auf: Seine hohe Gestalt und seine gute Koordination prädestinieren ihn für weitere Soli.

Ebenfalls sticht erneut António Casalinho heraus, der sich letztes Jahr bei der Online-Ausgabe vom Prix de Lausanne als Supertalent präsentierte. Seine allerdings oft zu kurz geratenden Linien, die vor allem bei der Armarbeit auffielen, machen bei Goeckes raschem Zappeln keinen großen Unterschied.

Am Ende soll eine aus Zirkus- und Kabarettnummern sattsam bekannte Effekthascherei für Auftrieb sorgen: Eine lebende weiße Taube könnte die belanglosen Tänzchen von Goecke aufmotzen, so offenbar die Hoffnung.

Das arme Tier, das die Situation des blendenden Scheinwerferlichts auf dunkler Bühne gewiss als Qual empfindet, wird von einem Tänzer mit eher lieblosen Griffen gehalten. Einmal darf das festgeklammerte Tier versuchen, einen Flügel auszustrecken – dann überkommt die Bühne das schlussendliche Schwarz.

"Passagen" beim Bayerischen Staatsballett

Armes Tierchen: Die weiße Taube am Ende kann nicht über die tänzerische Ideenlosigkeit von Marco Goecke in „Sweet Bone’s Melody“ beim Bayerischen Staatsballett hinwegtäuschen. Foto: Carlos Quezada

Sollte die Taube für das Symbol der vom Zeitgeist gefolterten Seele stehen, so hat Goecke sich in der Wahl der Mittel mal wieder mächtig vertan. Zum Glück für ihn ist sein Publikum aber teilweise derart ungebildet und herzlos, dass es auf solche Tricks nur allzu gern hereinfällt.

Nadja Kadel, die langjährige Goecke-Dramaturgin, die wie eine Werbepsychologin vorgeht, mag ihm dazu geraten haben, am Ende etwas Echtes, etwas Lebendiges auf die Bühne zu bringen.

Nach all den mechanisch wirkenden Zappelübungen ist das Tierchen ja auch fast ein erquickender Anblick. Aber eben nur fast.

Tierschützer:innen dürften im übrigen eher erbost als erfreut darüber sein, dass hier ein Tier ohne Not dem Scheinwerfer-Spotlight ausgesetzt wird.

Bleibt zu erwähnen, dass die Damen unter den elf Goecke-Tänzer:innen auffallend wenig zu tanzen haben. Zumal sie auch nur zu viert sind.

Der einzige Zeitpunkt, an dem eine Frau hier auffällt, ist ausgerechnet ihrem nackten Busen geschuldet, den sie ohne dramaturgische Sinnstiftung vorzeigen muss.

Für den Altherren-Geschmack im Opernhaus-Publikum ist das bestimmt schön.

Einen solchen Sexismus muss man aber nicht mögen, zumal dann nicht, wenn man nicht wegen der eigenen Potenzstörungen ins Ballett geht.

Herr Goecke, wäre es nicht auch ohne eine so demonstrative Herabsetzung des weiblichen Geschlechts gegangen?

Vielleicht sollte man sowieso empfehlen, zeitweise einfach die Augen zu schließen und sich auf die Musik zu konzentrieren.

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Das Bayerische Staatsorchester unter Tom Seligman leistet jedenfalls allerhand, es meistert die schwierige und ungewöhnliche Partitur voller Geräuscherlebnisse mehr als nur passabel.

Und es soll sogar Leute gegeben haben, die nur wegen dieser Musik bis zum Schluss gern in der Vorstellung blieben.

Dass nun die eingangs erwähnte Kommerz-Presse dem russischen Ballettdirektor Igor Zelensky den Spaß des Erfolgs nicht gönnen mag, ist der anhaltenden bodenlosen Hexenjagd geschuldet, die die liebe deutsche Regierung im Verein mit ebenfalls amerikanisch vereinnahmten Freund:innen aus der EU angezettelt hat.

Den ganzen Dreck, den Selenskyj und seine Kumpels am Stecken haben, hilft die deutsche Staatskultur nun mit Steuergeldern, unter den Teppich zu kehren.

Ob ukrainische Oligarchen wie Rinat Akhmetov, der über ein Vermögen im Wert von fast 8 Milliarden Dollar verfügt, ihren Landsleuten derzeit in irgendeiner Weise helfen, ist übrigens bisher nicht bekannt. Was machen die Superreichen der Ukraine, derer es mehr als ein Dutzend gibt? Bisher haben sie noch nicht mal für gute PR den Flüchtenden ihres Landes geholfen.

Aber Deutschland darf mit Sanktionen gegen Russland vor allem sich selbst treffen – und außerdem bodenlos diskriminierend handeln. Viele Russ:innen sehen sich unter Generalverdacht gestellt – und das finden nun anscheinend alle Ukrainer:innen und viele Deutsche einfach toll. Was für eine unschöne Wiederholung der Geschichte.

Der zurzeit noch mangelnde Protest gegen die Scholz-Regierung – auch was den Ausstieg aus der Atomkraft angeht – trägt derweil schon Züge einer Diktatur, etwa einer Diktatur des Geldes, in der jeder, der sich mit Millionengeldern irgendwelcher Konzerne an die Macht bringen lässt, tun und lassen kann, was er oder sie will.

"Passagen" beim Bayerischen Staatsballett

Vier Damen, sieben Herren – aber keine Funken sprühen in „Sweet Bone’s Melody“ von Marco Goecke beim Bayerischen Staatsballett. Foto: Carlos Quezada

Trumpland lässt schön grüßen – und die weitere Amerikanisierung Europas wird dadurch leider noch weiter voranschreiten.

Wo waren eigentlich all die Flüchtlingshelfer:innen, als es mitten in Europa, nämlich im ehemaligen Jugoslawien Krieg gab?

Falls es im Ballett noch mutiger Künstler:innen gibt, die sich trauen zu sagen, dass es ihnen nicht passt, dass auf deutschen Bühnen die ukrainische Flagge geschwenkt wird, damit nur ja keine Fragen zu den politischen Hintergründen aufkommen – ihnen möchte man zureden, von der Meinungsfreiheit laut und deutlich Gebrauch zu machen.
Gisela Sonnenburg (Informant:in: Anonymous)

P.S. NACHLESE – Eine hübsche Stilblüte aus der Kolleg:innenschaft will zitiert werden: Die Münchner AZ stellte in ihrer Rezension fest, Goecke würde es vermögen, „in seiner inhaltlich von Power nur so strotzenden Verschwommenheit“ das Publikum anzusprechen. Da kann man schon auf den Gedanken kommen, dass Goeckes Zappelwiederholungen irgendwie dumm machen. Laut Georg Lúkacs haben Kunst und Architektur ja einen massiven Einfluss auf das, was sich im Hirn abspielt. Und auch Sylvia Schreiber von br-klassik – hier eher als brrrrrrr-klassik  zu denken – hat wohl Probleme in der Vorstellung bekommen. Sie bezeichnet die Musik für Dawsons Ballett als „ein schmerzliches Violinkonzert“. Schmerzliche Musik gibt es allerdings nicht, rein logisch nicht – man kann aber schmerzlich den Verlust des eigenen Intellekts beklagen. Wohlauf, Kolleg:innen, es kann ja nur besser werden! GS

www.bayerisches-staatsballett.de

 

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