Das hat es in Berlin noch nie gegeben: eine Ballett-Gala mit Stars, die live auf der Bühne zu Aspekten aus dem Leben von Rudolf Nurejew tanzen, und dann, thematisch passend, wird ein toller Ballettfilm über Nurejew auf der Leinwand gezeigt, in einer Version, die nie im Fernsehen zu sehen ist. Und all das für den Ticket-Preis von nur 24 Euro. Ist das nun gut oder sehr gut? Sogar traumhaft? Die Veranstaltung „Schicksalstanz mit Nurejew“ macht‘s am Sonntag, den 29. Mai 22, um 19 Uhr im Babylon in der Rosa-Luxemburg-Straße in Berlin-Mitte möglich. Eine einmalige Gelegenheit – präsentiert und organisiert als Benefiz fürs Ballett-Journal. Die Superstars Lucia Lacarra und Matthew Golding, die vielseitige Roxanne Grosshans aus Berlin und Javier Cacheiro Alemán vom Ballett Dortmund geben sich live die Ehre! Und kein geringerer als Rudolf Nurejew, der Tanzgott, der bis heute ein wandelndes Synonym für die Kraft, Poesie und Ausdrucksstärke des Balletts ist, steht dabei im Zentrum. Sein dramatisches Leben inspirierte das tänzerische Live-Programm ebenso wie den weltweit begeisternden Kinofilm „Nurejew – The White Crow“ („Nurejew – Die weiße Krähe“) von Ralph Finnies. 2018 erschien die Originalversion, die hier mit Untertiteln gezeigt wird.
Hier gibt es es weitere Infos und vor allem die Tickets.
Inklusive Kinofilm wird die Veranstaltung etwa bis 22.30 Uhr dauern.
Wie in einem edlen Auftaktspiel findet vorab der Gala-Teil statt, und da sind die international umjubelten Superstars Lucia Lacarra und Matthew Golding mit einem erlesenen Beziehungs-Pas-de-deux von Christopher Wheeldon live auf der Bühne vor der Leinwand zu sehen: mitsamt einer Lichtshow.
„After the Rain“ heißt ihr seelenhafter Paartanz des britischen Meisterchoreografen, der intensiv wie kaum ein anderer von der vielschichtigen emotionalen Arbeit erzählt, die es kostet, eine Beziehung mit Liebe und Hingabe aufrecht zu erhalten.
Nurejew hatte einige wichtige Beziehungen in seinem Leben, er liebte meist Männer – aber beruflich war die enge Partnerschaft mit Margot Fonteyn für ihn die bezeichnendste. Sie galt als bedeutendste Ballerina im westlichen Europa ihrer Zeit.
Die am häufigsten preisgekrönte Ballerina unserer Tage ist die Spanierin Lucia Lacarra – und sie, ein Ausbund an Grazie und Expressivität, für viele die beste Tänzerin überhaupt, tanzt nun mit dem weltgewandten, souveränen und sehr musikalischen Kanadier Matthew Golding in einem neuen Kontext den Pas de deux „After the Rain“. Es ist ein hochsensitiver, inniger Tanz, der mit einem reichhaltigen Bewegungsvokabular jeden Moment einer komplizierten, von Liebe und Fleiß bestimmten Beziehung fasslich macht.
Tanz als Schicksal – wer könnte das vornehmer und doch ergreifender illustrieren?!
Die Verbindung verschiedener Künste – man darf auch vom Crossover sprechen – liegt mir nun stets besonders am Herzen. Und auch Rudolf Nurejew liebte die bildende Kunst. Während seiner Ausbildung in Leningrad besuchte er fast täglich – auch unter Schulstunden- und Ballettunterrichtschwänzen – die Eremitage. Deren Pendant in Paris, den Louvre, besuchte er denn auch während des verhängnisvollen Gastspiels im Mai 1961.
Und auch in Berlin ist die Kommunikation und Inbeziehungsetzung von großartiger bildender Kunst und meisterlichem Ballett möglich. So im Tanzvideo „Pour Adeline“, das ich für die Essener Primaballerina Adeline Pastor schuf und das sie vor der „Prinzessinnengruppe“ von Schadow in der Alten Nationalgalerie in Berlin aufführte.
Hier gibt es mehr dazu – nebst Link zum Video.
Wir sind gespannt, es auf der großen Leinwand im Babylon neu zu sehen!
Und dennoch öffnen auch weitere Blicke in die Tanzszene verstärkt den Horizont. Die modern-klassische Tänzerin Roxanne Grosshans – sie kommt aus Frankreich, ist aber Wahlberlinerin – wird zu den sanften Live-Piano-Klängen der „Mondscheinsonate“ von Ludwig van Beethoven ein sensibles, mondsüchtiges Solo zeigen.
Es spielt dazu Anna Vavilkina, die fabelhafte, zu Recht sehr beliebte KinoOrganistin vom Babylon, die dieses Mal dem Konzertflügel im Saal sanftmütige Klänge entlocken wird. Ihr starkes musikalisches Verständnis, das die Welten von Ost- und Westeuropa zu verbinden weiß, wird den nicht ganz unbekannten Beethoven-Melodien ein neues Leben einhauchen.
Die Newcomerin im Tanz Roxanne Grosshans nutzt mit ihrem außergewöhnlichen Talent den Charme der Musik, aber auch dessen psychologische Tiefe, um ein von mir im letzten Jahr kreiertes Solo als Psychogramm von Clara Saint zu zeigen. Also jener jungen Frau, die Rudolf Nurejew maßgeblich bei seiner Krise während des Gastspiels in Paris aus der Patsche half. Es ist eine Beziehung der gegenseitige Hilfe gewesen.
Denn aus Claras Sicht war ihre Hilfe vor allem als ein Dank zu verstehen: Als sie Nurejew erst kurz vorher kennen lernte, rettete der Anblick seines Tanzes sie aus einer Depression.
Clara Saint ist noch jung, aber sie hat bereits viel durchgemacht. Ihr Verlobter kam bei einem Autounfall ums Leben – und das brachte auch ihr Leben fast zum Einsturz. Die Verbindung zu Nurejew gab ihr Hoffnung, auch wenn sie erkennen musste, dass der auf der Bühne brillante und mitreißende Künstler privat ein durchaus schwieriger Charakter war.
Aber welcher Mann ist schon einfach nur simpel?
Ein wenig Narzissmus gehört zum Tänzersein außerdem dazu – seien wir froh darüber, denn sonst würden sich die schönen Männer im Ballett kaum die Mühe machen, uns gefallen zu wollen.
Der gebürtige Kubaner Javier Cacheiro Alemán, der in großen Partien und als Muse des choreografischen Genies Xin Peng Wang beim Ballett Dortmund erstrahlt, wird beim „Schicksalstanz mit Nurejew“ die Uraufführung des Abends tanzen: ein kraftvoll-melancholisches, aber auch temperamentvolles Solo von mir, speziell für diesen Abend sowie zu Ehren von Nurejew kreiert.
Javier – von den Fans für seinen geschmeidigen, zugleich aber auch kraftvollen Stil geliebt – tanzt in Dortmund die Titelpartie von „Petruschka“, dem jüngsten Werk von Wang, ebenso wie er im „Mitternachtstraum“ von Alexander Ekman und im „Schwanensee“ in der Fassung von Wang reüssiert.
Die Musik kommt vom schon als Teufelsgeiger bezeichneten, hoch begabten Jochen Brusch, und Violine und Akkordeon verbinden sich darin zu einer folkloristisch angehauchten, dennoch klassischen Weltmusik, die niemanden kalt lässt.
Das Fluidum von rauschhaft erlebten Glücksgefühlen, aber auch die Traurigkeit über all die Dinge, die man als Einzelner nicht beeinflussen kann, vereinen sich hier zu einer Art getanztem stream of conciousness. Stellen wir uns Rudi in einem Hotelzimmer vor, von Sehnsucht erfüllt…
Na, Lust auf solchen Schicksalstanz bekommen?
Wenn ja, dann bitte rasch ran an die Karten, denn die Plätze sind nummeriert und können online bequem zum Einheitspreis gebucht werden. Wer zuerst kommt, hat also die beste Auswahl! Das Parkett und der erste Rang im Babylon, dem Filmtheater mit Jugendstil-Flair am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin-Mitte, warten darauf, Sie empfangen zu dürfen!
Und falls Sie befürchten, nichts zu trinken zu bekommen: Zwischen den beiden Programmteilen, also dem Live—Tanz mit Moderation und dem Kinofilm, gibt es eine Pause, in der Sie zu fairen Preisen Erfrischungsgetränken und, wenn Sie mögen, kleineren Naschereien zusprechen können.
Bei gutem Wetter lockt außerdem ein kleiner Spaziergang in der theaterhistorischen Gegend zwischen Rosa-Luxemburg-Platz und Alexanderplatz in Berlin-Mitte. Ernst Lubitsch hat hier einst gewirkt, der berühmte Filmregisseur, der schon früh erkannte, auf welchem Weg sich Europa in den 20er-Jahren befand, und der darum in die USA emigrierte – und so ein Hollywood-Erfolgskind wurde.
Das moderierte Programm ist allerdings nicht auf Berlin, sondern mit Bezug auf den Kinofilm entworfen: Die Tänze spiegeln einzelne Aspekte der Nurejew’schen Lebensweise.
Die Intensität, mit der „Rudi“ Nurejew, auf russisch „Rudik“ genannt, seiner Kunst und auch der Liebe im realen Leben frönte, wird hier lebendig.
Übrigens: Wer im letzten Jahr bei den „Mitternachtstänzen“ im Babylon in Kombination mit jeweils einem Stummfilm dabei war, dürfte jetzt ja erst Recht Appetit auf mehr bekommen haben.
Ein Stummfilm ist es dieses Mal allerdings nicht, im Gegenteil: Der Originalsound in Russisch, Englisch und Französisch ist hier nicht synchronisiert, sondern wirkt zusätzlich zu den Bildern wie ein Hörspiel aus Sprache, Musik und Geräuschen.
Der 2018 entstandene Ballettfilm „Nurejew – The White Crow“ („Nurejew – Die weiße Krähe“) von Ralph Finnies begeistert denn auch alle Sinne, indem er vom Thema wie von der Umsetzung her klug zu vereinnahmen weiß.
In Rückblenden und mit viel Gefühl werden die Kindheit und Jugendzeit von Rudolf „Rudik“ Nurejew gezeigt. Wie die familiäre Situation ihn prägte, aber auch das Fernweh, das ihn beim Anblick der Eisenbahnzüge ergriff. Wie schließlich der Tanz immer wichtiger in seinem Leben wurde.
Die ersten Liebeserfahrungen (sowohl mit Männern als auch mit Frauen), die ersten Erfolge – in hochkarätiger Besetzung erleben wir Oleg Ivenko in der Titelrolle. Er ist gebürtiger Ukrainer, lebt und arbeitet aber in Russland. Seine Partner:innen im Film sind unter anderem der hier stark blondierte Sergej Polunin (der auch einige Tanzszenen hat) als auch Anna Urban, die aus dem damaligen Leningrad, also Sankt Petersburg, stammt und unter dem Namen Anna Polikarpova einst eine gefeierte Primaballerina beim Hamburg Ballett war.
Die dramatischen Vorgänge backstage – auch auf dem Dach der Pariser Opéra – sowie am Flughafen, der für Nurejew eine Fluchtburg wird, sind packend in Szene gesetzt.
Im Abspann endlich tanzt dann der echte unvergessene Rudolf Nurejew, dessen sinnlich-spektakuläre Ausstrahlung diesen Abend hier überhaupt erst ermöglichte.
Nurejew steht für ein Ideal, das über Politik und Weltgeschehen schwebt, er verkörpert eine sogar die Schwerkraft überwindende Kraft, Schönheit und Toleranz, die aus uns, gewöhnlichen Menschen, Anhänger:innen einer wesentlichen Weltenliebe macht.
Die kann, wer will, nach der Veranstaltung gleich im praktischen Leben austesten.
Fußläufig sind vom Babylon aus die Parkbank unterm Baum ebenso wie diverse hippe Cocktailbars und weitere nette Berliner Locations. Gegen 22.30 Uhr wird die Veranstaltung beendet sein – und da ist für viele wohl immer noch genügend Zeit für einen kleinen Absacker auf Berliner Art. Ansonsten sind die Tram wie die U-Bahn nicht weit, um in verträumter Stimmung nachhause zu finden.
Also: Auf die Plätze, fertig, los – das Kartenangebot ist ja nicht unendlich!
Gisela Sonnenburg
Hier geht’s nochmal gleich zu den Tickets für nur 24 Euro! Oder Sie reservieren per E-Mail: info@ballett-journal.de
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