Funkelnde Juwelen Das Bayerische Staatsballett eröffnet seine letzte Saison unter Ivan Liška als Ballettdirektor: „Vorhang auf! Ein Ausblick auf die Saison“ lockt zur Matinee

"Vorhang auf" ist der festliche Auftakt!

Ein exzellenter Spagatsprung, von Ekaterina Petina in „Illusionen – wie Schwanensee“ von John Neumeier beim Bayerischen Staatsballett vollführt. Foto: Charles Tandy

Es ist keine gewöhnliche Spielzeit, die in München beginnt. Ivan Liška, seit 1998 Ballettdirektor vom Bayerischen Staatsballett, wird dessen Leitung in einem Jahr an Igor Zelensky abgeben, um sich ganz der Heinz-Bosl-Stiftung zu widmen. Wie mit einer glanzvollen Ouvertüre beginnt diese letzte Liška-Saison mit einer Matinee, die durchaus Gala-Charakter hat: dreizehn live getanzte „bits and pieces“ sowie ergänzendes Filmmaterial gibt es in „Vorhang auf! Ein Ausblick auf die Saison“ nach einem öffentlichen Training zu sehen, moderiert vom Hausherren Ivan Liška und seinen Dramaturgen Bettina Wagner-Bergelt und Wolfgang Oberender.

Wie ein Schatz aus ausgewählten Juwelen funkelt das Programm. Die Namen der Choreografen Jerome Robbins und Nacho Duato, George Balanchine und John Neumeier, John Cranko und Leonide Massine werden genannt werden, ebenso wie die von Richard Siegal, von Patrice Bart und Frederick Ashton. Und die von Marius Petipa und Ivan Liška: um den Münchner „Le Corsaire“ anzukündigen, dem eine festliche Wiederaufnahme bevorsteht.

"Vorhang auf" ist der festliche Auftakt!

Sie sind eines der beliebtesten Paare der Ballettgeschichte: Lenski und Olga – hier Javier Amo und Ivy Amista – in John Crankos „Onegin“. Es tanzt das Bayerische Staatsballett. Foto: Charles Tandy

Ein elegisch-verliebter Pas de deux aus „Jardi Tancat“ von Nacho Duato wird von zwei begabten Mitgliedern des Bayerischen Staatsballetts II getanzt: von Isidora Markovic und Marten Baum. Das Stück, ein Frühwerk des genialischen Duato (der heute Ballettintendant in Berlin ist), stammt vom Dezember 1983 – doch es ist heute noch genauso frisch und mitreißend wie damals. Folkloristische Momente mischen sich mit melancholisch-dramatischem Temperament; der Paartanz bedeutet hier sowohl Flirt als auch Trost ob all der Unbill des Alltags.

Die Leichtigkeit des Seins beschwören auch der kraftvolle Adam Zvonar als Lenski und die frohgemute Mai Kono als Olga in „Onegin“ – sie sind ein charmant-seliges Pärchen, das den Ernst des Lebens erst versteht, als es schon fast zu spät ist.

ABSOLUTE HIGHLIGHT-STIMMUNG!

Das hochkarätige Trio Daria Sukhorukova, Lucáš Slavicky und Tigran Mikayelyan sorgt dann mit dem Grand pas de deux und dem Adagio aus „Le Corsaire“ für absolute Highlight-Stimmung! Die technischen Finessen, aber auch die surreal-märchenhafte Grundierung des Stücks sind für Gala-Abenteuer ja wie gemacht.

Auch „La Bayadère“ (in der Inszenierung von Patrice Bart) versetzt in Entzückung: Die energiegeladene Ivy Amista, die energische Zuzana Zahradniková und der energetische Maxim Chashchegorov interpretieren den großen Pas de trois gen Stückende. Ein Mann zwischen zwei Frauen ist darin zu sehen – und gegensätzlicher könnten die beiden weiblichen Schönheiten nicht sein… zumal die eine von ihnen die Braut, die andere aber ein Geist ist. Die Geschichte ist bestes 19. Jahrhundert!

Dann folgt ein Sprung ins 20. Jahrhundert. „Le sacre du printemps“ („Das Frühlingsopfer“) existiert zwar in vielen Versionen, die seit der Uraufführung 1913 geschaffen wurden, und stetig kommen neue hinzu. Hier aber wird die von Mary Wigman getanzt, es ist also ein Stück aus den sorgsam zu entdeckenden Tiefen des Schatzkästchens der Tanzgeschichte. Das Solo der „Erwählten“, des Opfers, in der Handschrift von Wigman, der Pionierin des Ausdruckstanzes, wird von der ausdrucksstarken Katherina Markowskaja interpretiert – Igor Strawinsky, der Komponist, hätte sich drüber gefreut.

"Vorhang auf" ist der festliche Auftakt!

„Le Corsaire“ ist das Gala-Stück schlechthin, aber auch als Ganzes bietet es viel Märchenhaftes, viel Begeisterndes, viel Charme. Und viel Raffinesse! So auch beim Bayerischen Staatsballett. Foto: Charles Tandy

Dann wird es, zu Musik von Frédéric Chopin, nochmal ganz heiter-hintergründig. Zuzana Zahradniková, Adam Zvonar und Elaine Underwood tanzen die munterste Passage aus John Neumeiers Jahrhundertballett „Die Kameliendame“: das Leben auf dem Lande, von den Charakteren Gaston, Prudence und Nanina dargestellt.

Die „Sinfonie in C“ von Mister Balanchine rechnet dann auf tiefsinnig-ironische Art mit dem klassischen Ballett an sich ab: Pose und Gegenpose, Tradition und Bruch mit ihr wechseln einander ab. Zur Musik von Georges Bizet tanzt das Ensemble!

Die „Illusionen – wie Schwanensee“ – wieder von John Neumeier – zeitigen dann Pathos und Tragik, aber auch die Sehnsucht nach Liebe und Freiheit: Ekaterina Petina und Léonard Engel beschwören die große Kraft dieses Balletts.

Séverine Ferrolier tanzt dann ein Solo aus dem 2. Satz von „Choreartium“ von Leonide Massine: Johannes Brahms, der die Musik dazu liefert, hätte gestaunt!

Ein Pas de deux aus „In the Night“, wieder zu Klängen von Frédéric Chopin, zeigt dann den Stil und die Liebesauffassung von Jerome Robbins: Ivy Amista und Adam Zvanar walzern sich durch diesen romantisch-verliebten Paartanz.

MODERNES UND KLASSISCHES 

Exzessiv modern dann die beiden Auszüge aus „Portrait Richard Siegal“. Zuerst ist da ein Pas de deux aus „In A Landscape“ mit Ekaterina Petina und Léonard Engel zu sehen, dann das Ensemble mit „Metric Dozen“. Das ist jetzt unübersehbar und unüberhörbar zeitgenössische Kunst, die Romantik hat mal Pause, hier geht es zur Sache – existenzielle Fragen zum modernen Leben mit- und ohne einander fallen einem dazu ein…

Das „Birthday Offering“ zur bewegend-feierlichen Musik von Alexander Glasunov – Choreo: der vornehmste Brite des 20. Jahrhunderts, Frederick Ashton – tanzen Ivy Amista und Cyril Pierre. Eine schöne Gelegenheit, die vielseitige Nachwuchsballerina und den arrivierten Meistertänzer mal zusammen zu sehen!

Das Finale kommt dann vom feurigen Ensemble mit dem „Pas de manteaux“ der Zigeuner aus „Paquita“: in der von Alexei Ratmansky besorgten Originalversion von Marius Petipa. Das gibt Power für die kommenden Wochen und Monate!

"Vorhang auf" ist der festliche Auftakt!

Feurig, festlich, furios: „Paquita“ ist ein Lehrstück über Temperament im klassischen Ballett, gerade auch in der Version von Alexei Ratmansky beim Bayerischen Staatsballett. Foto: Wilfired Hösl

Sind da nun etwa noch Wünsche offen? Ach so: Man möchte natürlich alles gern in voller, abendfüllender Länge sehen… und genau dazu ist die Spielzeit jetzt da!
Gisela Sonnenburg

Sonntag, 11.30 Uhr (ab 11 Uhr: öffentliches Training): „Vorhang auf! Ein Ausblick auf die Spielzeit“ im Prinzregententheater in München

Und so wurde schon vor der Sommerpause für die neue Saison gearbeitet: 

www.ballett-journal.de/bayerisches-staatsballett-ballett-extra-outlook/

www.staatsballett.de

 

 

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