Eineinhalb Preise und echte Chancen Während sich in Hamburg das Establishment selbst feiert und Berlin eine Uraufführung vorbereitet, gewährt die Stuttgarter John Cranko Schule dem Nachwuchs berufliche Chancen

Dornröschen von Marcia Haydée ist komisch und tiefsinnig.

Einst standen sie als die sieben Zwerge vom Schneewittchen auf der Bühne, jetzt wurden aus den Kindern Leute – und die suchen einen Job. Die John Cranko Schule in Stuttgart tut was für ihre Zöglinge. Foto: Gisela Sonnenburg

So geht das: Um den tänzerisch glänzend ausgebildeten Nachwuchs unter die Haube sprich in ein Engagement zu bringen, ließ man sich in der Tanzmetropole Stuttgart etwas einfallen. Schon zum dritten Mal findet am 15. und 16. Februar 25 die Job Fair des YAGP (Young American Grand Prix) in der John Cranko Schule statt. Der weltweit größte Ballettwettbewerb, eben der YAGP, zeigt somit die Potenz, wirklich was für junge Leute zu tun, statt sie nur für unterhaltsame Wettbewerbe zu benutzen. Das Netzwerk vom YAGP sorgt nämlich dafür, dass junge Tänzerinnen und Tänzer einmal jährlich in Stuttgart vor versammelten Vertreterinnen und Vertretern talentesuchender Compagnien aus dem In- und Ausland vortanzen können. Ohne von Stuttgart nach Essen, von dort nach Gera, dann in die USA, von dort nach Norwegen, dann nach München und Dresden und schließlich nach Prag zu reisen.

In Hamburg werden derweil einige Preise, die an ziemlich etablierte Künstler gehen, vor- und nachbereitet. Teilweise sind es aber nur halbe Preise. Denn die Berliner Choreografin Sasha Waltz wird, wie jetzt bekannt wurde, am 22. Mai 25 in Hamburg im Thalia-Theater den halbierten Helmut-Schmidt-Zukunftspreis erhalten, den sie sich mit dem bekannten Installations- und Projektkünstler Olafur Elíasson teilen muss. Pro Nase springen immerhin 10.000 Euro Preisgeld dabei raus – es wird eben immer denen Geld gegeben, die eh schon zu viel davon haben.

Ob Waltz nun spezifisch wegen ihres von uns prognostizierten, gloriosen Scheiterns als einstige Kurzzeitchefin vom Staatsballett Berlin (SBB) für die Bepreisung auserkoren wurde, bleibt Spekulation.

Waltz und Öhman und ihr neues Programm

Sasha Waltz (links) und Johannes Öhman (rechts) zu Beginn ihrer dann gescheiterten Co-Intendanz beim Staatsballett Berlin. Foto: Gisela Sonnenburg

Ihre guten Beziehungen zu dem Anwalt Peter Raue, SPD-nah und Förderer in etlichen Kunstvereinen in Hamburg und Berlin, dürften ihr so oder so dafür nicht schädlich gewesen sein.

Vielleicht soll der Preis aber auch ein später Trost dafür sein, dass die einzige Uraufführung von Waltz beim SBB nicht mal annähernd ausverkauft war und auch sonst beim besten Willen kein großer Erfolg wurde.

Offiziell heißt es aber zur Preisvergabe, man befinde, dass Sasha Waltz  Gesellschaftliches auf humane Weise in ihre Kunst einwebe. By the way: Welche Künstler, außer Florentina Holzinger, tun das nicht?

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Denn Sashas deutlich jüngere Konkurrentin Florentina Holzinger, die künftig als Teil eines so genannten Artistic Board (was für ein dämliches Wort) dem neuen Intendanten der Volksbühne in Berlin, also Matthias Lilienthal, performativ zur Seite stehen soll, ist aus etwas derberem Material geschnitzt.

Holzinger verwechselt schon mal Kacken mit Kunst (wirklich: Sie ließ schon punktgenau auf die Bühne machen und sollte sich darum mit Marco Goecke den Scheißpreis für Tanz teilen). Sie ist aber mit der versammelten, abgehalfterten Feuilleton-Meute aus dem Mainstream des Landes vermutlich gemeinsam überaus stolz darauf, zart Besaitete im Theater so stark zu schockieren, dass diese wegen Zusammenbrüchen ärztlich behandelt werden müssen. Kein Witz.

Diese Königin aller Grobiane – die im übrigen aus Österreich stammt – ist in der Tat ein extremes Beispiel dessen, was man moderne Kunstberieselung nennen kann: Kunst ist da nicht zum Denken da, sondern nur zum zynischen Ablachen. Falls man einen entsprechend schlechten Geschmack hat.

John Neumeier mit seinem gefühlt 2222. Preis, den er am letzten Wochenende in Hamburg entgegen nahm. Foto: Kiran West

Richtig schön geschmacklos sieht auch der soeben ganz neu erfundene Tanzpreis aus, der die Weltgemeinde des Balletts ab jetzt erfreuen soll: Ein Fachblatt, dem wohl langsam, aber sicher die zahlenden Abonnenten ausgehen, vergab am Sonntag eine weiße Mini-Skulptur im Format eines Kringels an den Obermogul aller lebenden Choreografen, also an John Neumeier.

Das Ding aus scheinbarem Plastik, das entfernt an eine tanzende Acht erinnert (wenigstens nicht an eine 88, was ein Nazi-Zeichen für Adolf Hitler wäre), soll immerhin in Paris hergestellt worden sein. Auch wenn man ihm das nicht unbedingt ansieht. Von Pariser Chic war bei der Preisverleihung in Hamburg jedenfalls nichts zu sehen.

Vielleicht bekommt 2026 ja die Holzinger dieses krumme Ding, das würde gut zur Kontraststrategie seiner Erfinder passen – oder auch Sasha Waltz, die bekanntlich an Preisen immer einen sehr großen Bedarf hat.

Leroy Mokgatle vom Staatsballett Berlin im Werbebild für „Ein Sommernachtstraum“ von Edward Clug. Foto: Caroline Mackintosh / Staatsballett Berlin

Für alle, die auch ohne Preisverleihungen glücklich sind, sei auf die kommende Balletturaufführung am Freitag, 21.02.25 in Berlin hingewiesen, die mit großer Spannung erwartet wird: Edward Clug choreografiert für das Staatsballett Berlin eine nagelneue Version von „Ein Sommernachtstraum“, frei nach Shakespeare und mit ebenfalls neuer, impressionistisch-leichter Musik von Milko Lazar unterlegt. Hoffen wir, dass Clug an seinen größten Wurf – den er mit seinem rundum faszinierenden „Peer Gynt“ hatte – anknüpft.

Das sommerlich-exotische Flair, das den Vorankündigungen entströmt, lässt jedenfalls Originalität, Sinnlichkeit und Würde erwarten. Wohlan!
Gisela Sonnenburg

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