Schon bei Proben sehr ergreifend: Olga Smirnova und Artem Ovcharenko in „Anna Karenina“ von John Neumeier beim Bolschoi Theater in Moskau. Glücklich, wer eine ihrer Vorstellungen sehen darf! Foto: Darian Volkova / Faksimile von Facebook: Gisela Sonnenburg
Das Neueste ist eigentlich noch nicht spruchreif. Aber: John Neumeier verhandelt in Hamburg über eine Verlängerung seines Vertrages. Das ist insofern eine beglückende Novität, als der Großmeister des klassischen und modernen Balletts seit September 2013 für das Ende der Spielzeit 2018/2019 stets seinen freiwilligen Abgang als Chef vom Hamburg Ballett proklamiert hatte. Jetzt aber gibt es berechtigte Hoffnung auf sein Bleiben! Außerdem wird – voraussichtlich ab dem 6. April 2018 – seine jüngste DVD bald lieferbar sein: „Nijinsky“, getanzt von der Hamburger Truppe. Am 15. April wird dieses ballettöse Schmuckstück auch schon auf Arte ausgestrahlt. Vorher sind in Hamburg Neumeiers „Illusionen – wie Schwanensee“ in dreifacher Besetzung zu sehen, während des Meisters jüngste ballettöse Kreation vom letzten Sommer, „Anna Karenina“ nach Tolstois Roman, seit gestern am Bolschoi Theater in Moskau Triumphe feiert.
Beginnen wir mit „Anna Karenina“. Auch hier sind es gleich drei Besetzungen, die am Bolshoi bejubelt werden dürfen. Die gestrige Premiere bestritten die superbe Superballerina Svetlana Zakharova in der Titelrolle (sie hatte die Stoffwahl mit angestoßen) und der junge, blonde, starke Denis Rodkin als Wronski. Überflüssig zu erwähnen, dass es sich dabei um einen prallen Erfolg handelte.
So innig proben sie für die Aufführungen: Olga Smirnova und Artem Ovcharenko als füreinander gühende Liebende in „Anna Karenina“ von John Neumeier am Bolschoi in Moskau. Was für ein Flair! Foto: Darian Volkova / Faksimile von Facebook: Gisela Sonnenburg
Dabei verspricht auch eine andere Besetzung höchstes Vergnügen und maximale Erschütterung: Der schöne Artem Ovcharenko und die liebliche Olga Smirnova – ein Team mit allen Talenten, die man im Ballett finden möchte – haben heute abend ihre Premiere. Man beneidet jeden, der hier live dabei sein darf. Toitoitoi!
Und bereits heute nachmittag premiert „Anna Karenina“ in Moskau in einer weiteren Besetzung, und zwar mit Kristina Kretova und Artemy Belyakov. Auch hier darf man gespannt sein – und sich deutlich mehr Erkenntnisse über Liebe, Lebenslust und ihre Hindernisse versprechen, als wenn man den Roman von Leo Tolstoi liest.
Leidenschaft pur herrscht zwischen Anna Karenina und Graf Wronski… hier Anna Laudere, die die Titelrolle kreierte, und Edvin Revazov, der „Ur-Wronski“, in John Neumeiers Tolstoi-Ballett auf einer Probe vor der Uraufführung. Foto: Gisela Sonnenburg
Und in jedem Fall lebt auch der Geist von Anna Laudere in all diesen Besetzungen weiter – sie kreierte die Rolle der Anna Karenina in Hamburg im letzten Jahr, und jeder, der sie darin sah, muss sie einfach unvergesslich gefunden haben.
Die komplizierte Beziehung von „Anna Karenina“ zu Graf Wronski zeigt sich natürlich auch in der Choreografie von John Neumeier. Und Artem Ovcharenko gibt alles, wenn er Olga Smirnova auf tänzerische Weise liebt. Hier auf der Probe im Bolschoi Theater. Foto: Darian Volkova / Faksimile von Facebook: Gisela Sonnenburg
Als Gastballettmeister aus Hamburg reüssierten dieses Mal am Bolschoi übrigens der Erste Solist und Erstinterpret der Wronski-Rolle Edvin Revazov, die Neumeier-Choreologin Sonja Tinnes und der coming up Coach Ivan Urban, der – wie Revazov – auch in Hamburg noch oft selbst auf der Bühne steht. Es ist schön zu sehen, wie sich Karrieren im Ballett entwickeln können, weil genügend Möglichkeiten dafür vorhanden sind.
Darin hat nun das Hamburg Ballett vermutlich schon einen Weltrekord nach dem anderen aufgestellt. Denn keine andere westliche Truppe hat so viele Aufführungen und Gastspiele – und Neumeier ist zudem als international vertretener Choreograf und Regisseur (zuletzt der Oper „Orphée et Eurydice“ von Christoph Willibald Gluck in den USA) wahrscheinlich der am meisten gebuchte lebende schöpferisch tätige Künstler.
Dancewear Central macht das Einkleiden fürs Tanzen leicht! Einfach hier anklicken und in vielen tollen Angeboten unter anderem von der Marke Capezio in Ruhe stöbern – die Bestellung ist dann online auch ganz unkompliziert! Faksimile: Anzeige
Vielleicht ist es gerade die gute Vereinbarkeit seiner Tätigkeit als Ballettintendant in Hamburg mit all diesen zusätzlichen Gastauftritten, die ihn zum Umdenken in puncto Vertragsverlängerung bewog.
Dennoch ist es schade, dass sein Geniestreich „Nijinsky“, der nun endlich auf DVD gebannt ist, von Arte zu nachtschlafender Zeit ausgestrahlt wird. Die Programmangabe „0.45 Uhr“ am 15. April 2018 macht darum nicht nur euphorisch. Aber man kann sich online trösten. Bis zum 22. April wird das gute Stück nämlich auf arte.tv zu sehen sein. Und zwar so oft man möchte.
Olga Smirnova Hand in Hand mit Artem Ovcharenko: auf der Probe zu „Anna Karenina“ am Bolschoi Theater in Moskau. Wow! Foto: Darian Volkova / Faksimile von Facebook: Gisela Sonnenburg
Immerhin zwei Mal hintereinander sind Neumeiers „Illusionen – wie Schwanensee“ bereits am 8. April zu sehen, in der Hamburgischen Staatsoper. Und: Man probt das Tanzdrama um Ludwig II. von Bayern aktuell in gleich drei verschiedenen Besetzungen der beiden männlichen Hauptrollen! Die sonntägliche Doppelvorstellung der Wiederaufnahme dürfte also nicht ausreichen, um alle Brillanz dieser Truppe in diesem beliebten Stück zu genießen. Aber auf die Aufführungen mit Alexandr Trusch wird man sich natürlich ganz besonders freuen dürfen.
Es ist zwar in Deutschland noch ungewöhnlich, für journalistische Projekte zu spenden, aber wenn man die Medienlandschaft um das Ballett-Journal ergänzt sehen möchte, bleibt keine andere Möglichkeit. Im Impressum erfahren Sie mehr. Vielen Dank!
Noch mehr News – vor allem auch bezüglich der kommenden Spielzeit 2018/2019 – gibt es nach der annoncierten Pressekonferenz mit John Neumeier in Hamburg am 27. März 2018.
Danach, ab dem 30. März, können die Fans des gefeierten Balletterneuerers sich – übrigens auch am Ostermontag in einer Nachmittagsvorstellung – zudem mit dem vierstündigen Sakralwerk der „Matthäus-Passion“ trösten, falls sie es jetzt nicht nach Moskau schafften. Und auf einen neuen Hamburger Ballettfrühling hoffen!
P.S. Am 26. März 2018 kam denn auch die Nachricht, dass John Neumeier seinen Vertrag in Hamburg bis 2023 verlängert hat. Allen Beteiligten und nicht zuletzt dem Publikum sei gesagt: Herzlichen Gückwunsch! Außerdem konnte Neumeier aushandeln, dass bereits ab September 2018 drei zusätzliche Tänzerstellen beim Hamburg Ballett möglich sind. Auch hierfür gilt: Herzliche Gratulation!
Gisela Sonnenburg