Liebe hat so viele Möglichkeiten Mit der 223. Ballett-Werkstatt erläuterte John Neumeier „Bernstein Dances – weiter!“ - und wurde mal wieder kultmäßig umjubelt

Die 223. Ballett-Werkstatt war den "Bernstein Dances" gewidmet

John Neumeier beim Schlussapplaus nach der 223. Ballett-Werkstatt, die den „Bernstein Dances“ gewidmet war. Da gab es viel Glück im Zuschauerraum wie auf der Bühne! Foto (Ausschnitt): Kiran West

Es war wohl eine der schönsten Ballett-Werkstätten, die sich denken lassen. Gestern, am Sonntag um 11 Uhr, empfing John Neumeier als langjähriger Chef(choreograf) vom Hamburg Ballett wieder in der Hamburgischen Staatsoper zur Matinee, zur Ballett-Werkstatt I der Saison, die zugleich die 223. Veranstaltung dieser beliebten Art war. Eine Woche zuvor wurde erstmals „Bernstein Dances“ in einer aktuellen Besetzung gezeigt – jetzt folgte mit „Bernstein Dances – weiter!“ die dazugehörende Werkstatt mit spannenden Erläuterungen, Erklärungen, Erzählungen – und natürlich vielen getanzten Beispielen. Neumeier erzählte viel von sich, vom Komponisten Leonard Bernstein, von den gemeinsamen Erfahrungen – und natürlich von den choreografischen Arbeiten, die Neumeier zu Bernsteins Musik kreiert hat. Die Mischung aus Erzählungen und getanzten Ausschnitten aus Balletten aus dem Repertoire des Hamburg Balletts bezauberte, riss mit, klärte auf und machte Mut. Thematisch ging es sowohl ums Überleben als Künstler als auch um die Liebe eines Künstlers zu Menschen. Liebe als Leitfaden des Menschseins und auch als Leitmotiv in der künstlerischen Arbeit – das passt auf beide Weltkünstler, auf Neumeier wie auf Bernstein.

In der edelgrauen Trainingsjacke überm swimmingpoolblauen T-Shirt sowie mit dem Mikrofon in der Hand verlor John Neumeier keine Zeit, sondern begann nach der Begrüßung sofort rasch, die Inhalte der ausgewählten Ballette zu erläutern. Der Titel seines aktuell neu angesetzten Stücks, und das war ihm wichtig, sei nicht nur als „Bernstein-Tänze“ zu übersetzen und zu denken, sondern auch als „Bernstein tanzt“.

Denn Leonard Bernstein (LB), der dieses Jahr 100 Jahre alt würde, war zwar kein Tänzer, aber ein durchaus tänzerischer Mensch: sinnlich, körperhaft, mit starkem Bezug zur Einheit von Körper, Geist und Seele.

Und seine Musik hat soviele Rhythmen, dass sie für viele Tänze, für viele Ballette genügen. In den Gedanken tanzaffiner Menschen tanzt Bernstein also – und zwar schier endlos.

Als Pianist, Komponist und Dirigent wurde er weltberühmt – John Neumeier weiß zudem, dass Bernstein auch ein „großartiger Pädagoge“ war. Und für Neumeier war er „auch ein Freund“, was die anregende Kraft seiner Musik für den Ballettschöpfer nur noch verstärkte.

Als Teenager, etwa mit 16 oder 17 Jahren, so Neumeier, habe er sein erstes prägendes Erlebnis mit LB gehabt. In einem sommerlichen Zelt-Theater wurde damals das Musical „On the Town“ gegeben, und der Matrose, der darin auf Landgang seinen Erwartungen und Ängsten im Song „Lonely Town“ („Einsame Stadt“) Ausdruck gibt, rührte den Jungen John Neumeier im Besucherraum zutiefst: „Er war ein wirklicher Mensch, der seine Gedanken und Gefühle an diesem Tag ausdrückte.“

Für Neumeier war das tatsächlich ein Schlüsselerlebnis. Und als er 1991 „On the Town“ selbst in Hamburg inszenierte, schloss sich für ihn „ein Lebenskreis“.

Er geht ein wenig in die Knie, um das zu betonen, und als ehemaliger Ballerino hat John Neumeier immer noch ein sehr hübsches Plié, wie man bei dieser Gelegenheit sieht.

Das Besondere an Bernstein aber waren sein Talent und sein Fleiß, es auszuformen.

Die 223. Ballett-Werkstatt war den "Bernstein Dances" gewidmet

Xue Lin, Sängerin Dorothea Baumann (mittig) und Alexandr Trusch bei der 223. Ballett-Werkstatt in Hamburg. Foto: Kiran West

Die Ergebnisse erreichten die Menschen auch schon zu seinen Lebzeiten, und JN, also John Neumeier, hat ein besonderes Sensorium dafür, die Qualität von Musiken aufzugreifen und nicht nur zu empfinden, sondern auch schöpferisch zu reflektieren.

Die Künstler Xue Lin, Jacopo Bellussi und Alexandr Trusch vom Hamburg Ballett zeigen dann mit dem Song „Lonely Town“ – aus den „Bernstein Dances“ – die ich hier, man verzeihe mir diese Sturheit, weiterhin vorrangig als „Bernstein-Tänze“ sehe (man muss sich beim Deklinieren ja entscheiden) – was abgeht, wenn Neumeier den rythm von LB choreografisch umsetzt.

Diffizile, dennoch mitreißende Miniaturen von Beziehungsportraits ergeben sich, aus Soli werden Pas de deux und Pas de trois – ganz nonchalant.

So entstanden auch Choreografien zu „New York, New York“ und „Coney Island“, die von Schülerinnen und Schülern der Ballettschule vom Hamburg Ballett – John Neumeier (und zwar der Theaterklassen VII und VIII) mit viel Swing in den Beinen dargeboten wurden. Die Jungs in klassischen Schwarz-Weiß-Outfits, die Mädchen in feinem Dunkelrot, tobte sich hier die Jugend auf höchst zivilisierte Weise aus.

Learning by swinging könnte das Motto sein – wüsste man nicht, wieviel Disziplin und schweißtreibende Arbeit hinter so anspruchsvollen Ballettkünsten steckt.

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Das sind die Jungs der beiden Theaterklassen im September 2018 in der 223. Ballett-Werkstatt von John Neumeier: yeah! Foto: Kiran West

Und noch ein Künstler kommt mit ins Spiel, und zwar der New Yorker Choreograf Jerome Robbins. Er war gleichaltrig mit LB, würde also ebenfalls dieses Jahr seinen Hundertsten feiern können. Neumeier holte schon 2010 mit der Premiere von „Chopin Dances“ (auch hier ist der Titel doppelt deutbar, als „Chopin tanzt“ und als „Chopin-Tänze“) zwei der wichtigsten Stücke von Robbins ins Hamburg Ballett.

Drei Mal ist dieses erquickende Programm übrigens noch in Hamburg zu sehen, und zwar in dieser Woche. Also ranhalten und Tickets sichern!

Neumeier betonte die balletthistorische Bedeutung des ersten Stücks darin, also von „Dances at a Gathering“, den „Tänzen bei einem Treffen“, die Robbins in Angedenken an seine polnischen Vorfahren choreografierte. Neumeier: „Das ist eines der Wunderwerke des Balletts“. Und aus seiner Sicht zähle es sogar „zu den drei wichtigsten Balletten des 20. Jahrhunderts“. Man muss nun eigentlich dazu sagen: „ohne die Neumeier-Ballette“, denn „Ein Sommernachtstraum“, die „Dritte Sinfonie von Gustav Mahler“ und „Die Kameliendame“ sind ganz sicher im objektiven Kanon der bedeutendsten Ballette des 20. Jahrhunderts zu listen. Ganz sicher.

Aber man darf mal spekulieren, welche weiteren Werke des vergangenen Jahrhunderts noch von größter Wichtigkeit wären: „Le Sacre“ in der Choreografie von Vaslav Nijinsky vielleicht, obwohl auch hier die Choreo von John Neumeier des Stücks meiner Meinung nach noch um Etliches gewichtiger ist und es sowieso diverse interessante Versionen gibt, von Maurice Béjart bis zu Pina Bausch; „Les Sylphides / Chopiniana“ von Mikhail Fokine gehören als erstes im modernen Sinne gelungenes, rundum abstraktes Ballett ganz sicher in die Balletthistorie; „Jewels“ oder die „Sinfonie in C“ von George Balanchine könnten dazu zählen, wie auch „La Fille mal gardée“ oder „The Dream“ von Frederick Ashton. „Spartacus“ von Yuri Grigorovich ist aber ebenso wenig zu vergessen wie „Onegin“ von John Cranko oder auch „Mayerling“ von Kenneth MacMillan.

Jerome Robbins nun hatte den Vorteil, mit sehr großem Erfolg den Broadway zu bedienen („West Side Story“, „Anatevka“) und sich ohne persönlichen finanziellen Druck der anspruchsvolleren Ballettkunst hingeben zu können. Seine „Dances at a Gathering“ subsummieren viele menschliche Grundkonstellationen, wie sie in scheinbar tändelnder, choreografisch aber durchaus tiefgehender Weise von ihm ausgearbeitet sind.

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Lucia Ríos, Priscilla Tselikova, Patricia Friza, Yun-Su Park, Greta Jörgens und Emilie Mazon in der Satire auf Ballett, die sich Jerome Robbins in „The Concert“ mit dem „The Mistake Waltz“ traut. Wirklich ziemlich witzig! Foto: Kiran West

Und „The Concert“, der zweite Teil der „Chopin Dances“ beim Hamburg Ballett, ist laut Neumeier „das komischste Ballett“, ich darf ergänzen: von Neumeiers „Sommernachtstraum“ oder auch seiner Ballettparodie in „Die Möwe“ mal abgesehen. Aber tatsächlich hat „The Concert“ das Flair eines Charlie-Chaplin-Films, mit viel Slapstick und Übertreibungswitz, mit Situationskomik und akrobatischer Ironie dazu.

Manchmal ist ein Ballett ja ein Gesamtkunstwerk – auch ohne filmische Mittel – wenn Bühnenbild, Kostüme, Musik und Choreografie eng verzahnt und aufeinander abgestimmt sind, dennoch aber jedes für sich auch eigene, im Kontext sinnstiftende Bedeutungsfelder mitbringt.

Jeder Neumeier-Kenner weiß, dass er diesen vielschichtigen Genuss am stärksten bei Werken des Meisters selbst erhält. Aber auch andere Stücke sind wirklich sehenswert, nicht zuletzt, um die Bezüge und Vorläuferkultur zu Neumeiers Arbeiten lustvoll unter die Lupe zu nehmen.

In der Werkstatt demonstrierten Patricia Friza, Greta Jörgens, Emilie Mazon, Yun-Su Park, Lucia Ríos, Priscilla Tselikova und das Ensemble, vor allem einige hübsche Herren, mit dem so genannten „The Mistake Waltz“, dem „Walzer der Fehler“, aus „The Concert“, wie putzmunter Robbins’ Komik ist. Viele Lacher mit Applaus waren ihnen sicher! Die Musik für die „Chopin Dances“ stammt übrigens selbstredend in beiden Teilen von Frédéric Chopin, dem starken Romantiker mit der melancholisch-sinnlichen Pianistenseele.

Aber auch ganz ernsthafte Tänze bot die Werkstatt.

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Edvin Revazov und Carsten Jung in dem Pas de deux „To What You Said“ aus „Songfest“ von John Neumeier. Stark. Foto: Kiran West

Ungeheuer ergreifend und unter die Haut gehend: Carsten Jung und Edvin Revazov in „To What You Said“ aus dem „Songfest“, dem „Fest der Lieder“, das 1979, als John Neumeier es choreografierte, das jüngste Werk von Leonard Bernstein war. Es ist eine tiefe Verbindung zwischen zwei Menschen, die sich in diesem Pas de deux zeigt, und es würde mich wundern, wenn man nicht auch darauf kommen darf, dass es sich um ein verkapptes Selbstportrait Neumeiers mit Bernstein handelt.

Ob Eros und Sex hier gleichzusetzen sind, sei dahingestellt. Es spielt für die Kunst im übrigen überhaupt keine Rolle, denn der Tanz steht für sich, ebenso wie die Musik – und beides ist weit davon entfernt, in irgendeiner Weise zu eindeutig oder gar obszön zu werden.

Freundschaft und Liebe finden wir hierin, aber auch das Wissen, dass jeder seinen eigenen Weg gehen muss. Am Ende, nach etlichen Balancen und wunderschön synchron getanzten Bewegungen – etwa dem im Profil gezeigten rhythmischen, schüttelhaften Nachhintenwerfen des Kopfes beim Stehen im breiten Ausfallschritt – befinden sich die beiden Protagonisten im Liegestütz in Zeitlupe am Boden, nicht synchron, sondern exakt rhythmisch zeitversetzt. Die Musik endet, plätschert aus, während die beiden Tänzer wie ein perpetuum mobile in ihrer slow motion verbleiben. Sehr, sehr eindrucksvoll.

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Die literarische Vorlage dieses Songs stammt von Walt Whitman, dem bedeutenden – homosexuellen – nordamerikanischen Lyriker, der 1892 starb. Der Text ist im Kontrast zur Musik und zum Tanz deutlich eindeutig in seiner Metaphorik. Da ist von der „neuen amerikanischen Begrüßung“ die Rede, die darin bestehe, dass man sich auf die Lippen küsse. Es geht um junge Männer, die mit einem auf Reisen sind, am Ende, und es geht, zu Beginn, um einen leidenschaftlichen Händedruck. Vor allem geht es auch hierin um Liebe und Zuneigung sowie um das Finden von unkonventionellen Wegen des Miteinanders.

Man darf nicht vergessen, dass das 19. Jahrhundert ja noch stark verregelt war in seinen Etiketten, die sich die Menschen aus der Angst heraus, einander sonst zu lynchen, immer wieder neu erschufen.

Kunst ist der wichtigste Weg, um dieser Gefahr zu begegnen.

Das Hamburg Ballett hat nun zum Glück nicht allzu viele Laienchöre als lukrative Konkurrenz bei den Fördergeldern, sodass man sagen kann: Hier ist die Welt der Staatskultur insofern noch in Ordnung, dank John Neumeier, der sich nicht so schnell die (Profi-)Butter vom Brot nehmen lässt.

Die überaus hochkarätigen Vorstellungen vom Hamburg Ballett ehren die Elbmetropole, die einen so starken Sinn für Ballett entwickelt hat. Und auch mit sehr kritischem Blick muss ich gestehen:

Ich erkenne in dieser Truppe den Olymp des zeitgenössischen Balletts – andere Ensembles sind da, und zwar weltweit gesehen, doch deutlich abgeschlagen.

http://ballett-journal.de/impresssum/

John Neumeier und sein Hamburg Ballett beim Applaus nach der 223. Ballett-Werkstatt: umjubelt wie bei einer großen Premiere – und der Genuss war ja auch galagleich. Foto: Kiran West

Die neue, junge Generation von Solisten und Corps in Hamburg – die sich an eine fantastische Reihe von Vorläuferinnen und Vorläufern anreihen – ist dafür einmal mehr der Beweis.

Aber auch John Neumeier – der heute in der 46. Saison in Hamburg arbeitet – war mal ein Jungspund, der noch um vieles kämpfen musste. So war es zunächst überhaupt nicht selbstverständlich, dass der damals schon seit langem erfolgsverwöhnte Komponist der „West Side Story“, also Leonard Bernstein, 1974 eine gute halbe Stunde mit Neumeier telefonierte, der ihn als Dirigent für die Uraufführung seines Balletts „Dritte Sinfonie von Gustav Mahler“ haben wollte.

August Everding, Sinnbild eines wirklich kreativen Intendanten und damals Chef der Hamburgischen Staatsoper, hatte Neumeier gefragt, wer das Mahler-Ballett dirigieren solle. Denn damals wurde noch heftig darüber diskutiert, ob man die hehren Klänge des zum Katholizismus konvertierten Juden Mahler überhaupt „vertanzen“ solle. Allerdings war die Premiere für die „Dritte“ als Ballett bereits für 1975 angesetzt, denn Everding war, so Neumeier, „wirklich für jeden Spaß zu haben“, hatte also für alle außergewöhnlichen konzeptuellen Inszenierungen Sinn.

Bernstein aber, als arrivierter Weltstar Jahre voraus ausgebucht, hatte so schnell keine Zeit für den Nachwuchsstar der Choreografie, der John Neumeier damals war. Dennoch beeindruckte das Telefonat wohl beide stark, es legte den Grundstein für die später so fruchtbare Künstler-Freundschaft.

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Mit einer bildschönen großen Geste: Jacopo Bellussi und Emilie Mazon, hier als Gastgeber-Paar bei Agathons Symposium oder vielmehr in der Fantasie auf Platon und Bernstein in „Bernstein Dances“ von John Neumeier. Ein Paar, sehr innig beim Schmieden von gemeinsamen Plänen! Foto: Kiran West

Warum er nicht die „Siebte“ von Mahler als Ballett inszeniere, fragte Bernstein. Neumeier erinnert sich, wie der Dirigent und Komponist enthusiastisch befand, die 7. Sinfonie von Mahler sei „ein Ballett“, was in seinen Ohren für die 3. Sinfonie offenbar weniger zutraf. Man mag hier spekulieren, ob Bernstein vielleicht gern die 7. dirigiert hätte. Zeit dafür hätte er aber nur ein Jahr später wohl auch nicht gehabt.

John Neumeier war jedenfalls ermuntert, dass seine Arbeit und seine Person generell viel Zuspruch von Leonard Bernstein erhielten, der dem Alter nach sein Vater hätte sein können – und dessen Musik gerade für ihn als gebürtigen Amerikaner viel bedeutete. Bernstein selbst, so Neumeier, habe wohl auch hart daran gearbeitet, einen typisch amerikanischen neuen Sound zu finden. Man mag hier an den New Yorker Choreografen George Balanchine denken, der nachgerade fanatisch amerikanisch sein wollte, und zwar als eingewanderter Russe. Aber, so JN, weiter als bis zur „West Side Story“ kam Bernstein mit dem Projekt nicht – dafür entstanden von ihm Werke, die, wie er selbst, zwischen Klassik und U-Musik nicht immer zu unterscheiden gewillt sind.

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Noch eine köstliche Impression von der 223. Ballett-Werkstatt von John Neumeier: ein Ausschnitt aus „Bernstein Dances“ mit der hinreißenden Madoka Sugai,dem charmanten Jacopo Bellussi, dem elegatnen Christopher Evans, der femininen Hélène Bouchet, dem temperamentvollen Karen Azatyan, dem lyrischen Alexandr Trusch, dem Klavier spielenden Ondrej Rudcenko und der Sopran singenden Dorothea Baumann. Da ist was los auf der Bühne! Foto: Kiran West

Als JN 1978 die „West Side Story“ in Hamburg inszenierte – eine atemberaubende Leistung seiner damaligen Balletttruppe – kam die Idee dazu von Christoph von Dohnány, der von 1977 bis 1984 Opernintendant in Hamburg war. Neumeier zögerte damals, weil er den Stoff ein wenig „altmodisch“ fand. Und tatsächlich machte ihm das Stück dann doppelte Mühe, weil er ursprünglich sehr viele Textpassagen herausstrich, sie auf Befehl der Lizenzinhaber aber wieder hereinnehmen musste. Womit das ganze Musical dann 45 Minuten länger wurde, als von JN geplant. Man bedenke die Mühsal auch der Darsteller, eine an sich prima fertige Inszenierung solchermaßen zu überarbeiten!

Das Verhältnis zwischen LB und JN zerbrach aber an solchen Differenzen keineswegs. Das ist auch ein Vorteil von Verträgen: Sie schmieden zusammen. Und avisiert war ja gleich noch ein Bernstein-Abend: eben „The Age of Anxiety“ (das Jerome Robbins zuvor als Ballett gemacht hatte) und „Songfest“, dem der auf der Werkstatt gesehene Männer-Paartanz „To What You Said“ entstammt.

Zurück zu den „Bernstein Dances“, die man ja auch als „Bernstein dances“ imaginieren darf.

1998 wurden sie vom Hamburg Ballett uraufgeführt, und sie bilden eines von aktuell drei großen choreografischen Komponisten-Portraits von John Neumeier. JN subsummmiert darin die innere Entwicklung Bernsteins zum Superkünstler. Von der Entscheidung für die Musik als vorrangigem Lebensinhalt über den harten Kampf, damit auch in New York sowie dem Rest der Welt zu überleben, bis zur privaten Wandlung von jemandem, der zunächst unentschieden war, bis er sich endlich und schrittweise dazu bekannte, mehrere Personen zu lieben – und nicht nur eine.

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Madoko Sugai springt – fantastisch! Und die Stimmung ist delikat… Hier noch eine Szene aus „Bernstein Dances“ bei der 223. Ballett-Werkstatt von John Neumeier. Foto: Kiran West

„Er war jemand, der die Menschen liebte“, bestätigte auch JN, und das wiederum passt hervorragend zu der witzig-philosophischen Geschichte, die in Platons Symposium erzählt wird, welches Bernstein wiederum in Tonkunst umsetzte. Dabei ging es dem Komponisten weniger um Platon und Sokrates als vielmehr um die selbst gemachten Erfahrungen und Beobachtungen. Die „Anniversaries“, kleine musikalische Portraits, die LB anlässlich der Geburtstage von manchen Freunden schuf, geben hier Aufschluss.

Aber die Soli, Paar- und Gruppentänze in „Bernstein Dances“ referieren auch auf die Spannungen und Konflikte, die die Liebe mit sich bringt. Manches Paar trennt sich, andere finden zusammen. Dass die kugelrunden Wesen, von denen Sokrates beim Abendmahl des Agathon erzählt, auch vier Arme und vier Beine hatten, sollte man indes nicht vergessen: Auch die ersten Menschen waren schon Tänzer, so würde ich diese Beschreibung deuten, auch wenn sie vornehmlich quietschvergnügt durch die Landschaft kullerten. Bis der eifersüchtige Zeus sie für ihren Übermut bestrafte und mit einem Blitz halbierte. Suche deine bessere Hälfte, Mensch! So heißt es seitdem.

Der Prolog der „Bernstein Dances“ fragt jedoch „Who am I?“, „Wer bin ich?“, und es geht hier um eine tiefschürfende Selbstfindung.

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Noch einmal die Ballettschule vom Hamburg Ballett in Aktion bei der 223. Ballett-Werkstatt: ein supergeradliniger männlicher Spagatsprung und lauter kesse Mädels dazu. Foto: Kiran West

LB, so Neumeier, habe sich lange Zeit seines Lebens gefragt, wer er selbst wirklich sei. Und so sitzt der elegant-expressive Christopher Evans in der Komponistenrolle am Flügel auf der Bühne, während mit „Love“ Alexandr Trusch sowie mit Hélène Bouchet, Emilie Mazon, Madoka Sugai, Jacopo Bellussi und Karen Azatyan ebenfalls hervorragende Solisten Steh- und Hebefiguren bilden, die die Selbstsuche des jungen angehenden Maestro illustrieren.

Was wird er beruflich machen, wen wird er lieben, wer werden seine Freunde sein?

Es geht JN ja auch die darum, ein „Dokumentarballett“ zu machen.

Die vielen verschiedenen Möglichkeiten, die allein das Gefühl der Liebe bietet, klingen hier bereits an – und dass LB bisexuell war, sagt John Neumeier nicht wörtlich, aber in den Tänzen, die Bernstein tanzen lassen, zeigen sich Momente von noch größerer Deutlichkeit und Wahrheit, als Worte sie vermitteln könnten.

Die fließenden Bewegungen und ausdrucksstarken Posen lassen jedenfalls erahnen, wie vielschichtig Beziehungen sind – da ist eben viel mehr Potenzial, als es oftmals den Anschein hat.

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Madoko Sugai noch einmal im Sprung – wie eine Welle, die die Luft durchpflügt. Kunst, nicht Sport! Foto: Kiran West

Bis Bernstein Erfolg hatte, musste er übrigens diversen untergeordneten Musikerjobs frönen, die ihn persönlich nicht weiterbrachten. Schon als Junge musste er, um Geld für seinen eigenen Klavierunterricht zu verdienen, weniger begabten Kinder gegen Bezahlung Klavierunterricht geben. Später waren es Transkriptionen, Unterrichtsstunden, Gelegenheitsjobs etwa als Barpianist, die ihn über Wasser hielten, obwohl er bereits 1940 recht erfolgreich als klassischer Pianist in Erscheinung getreten war.

Aber als er als Assistent Conductor der New Yorker Philharmoniker war, ergab sich durch eine Erkrankung des Dirigenten Bruno Walter eine große Chance, die er nutzte. Ein großes Konzert, das auch im Radio live übertragen wurde, war 1943, mitten im Zweiten Weltkrieg, zu dirigieren, Bernstein übernahm diese Aufgabe – und über Nacht wurde er damit berühmt und galt fortan als kommender Star der Dirigentenszene.

Eine kleine Anmerkung: In Europa wurde LB zum Rivalen von Herbert von Karajan stilisiert, was wohl auch politisch begründet war: Karajan, der jähzornige Autokrat, galt als Megastar der Konservativen, Bernstein hingegen als liberaler und linker Aufsteiger.

Tatsächlich sammelten Bernstein und seine Gattin einmal Spenden für die extrem linken Black Panthers, die damals Geld für eine Kaution brauchten. Manche lasteten Bernstein das als Schickeria-Engagement an, aber Neumeier ist davon überzeugt, dass es dem Musiker ernst war mit Bekenntnis, den Black Panthers – die gegen den Rassismus kämpften – helfen zu wollen: „Es war ihm eine Herzensangelegenheit.“

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Aleix Martínez im „Beethoven-Projekt“ auf der 223. Ballett-Werkstatt: ein Ballerino mit so prägnanter, uneitler Ausdruckskraft und so viel Hingabe, dass man sich wundert, dass er (noch) nicht Erster Solist ist. Aber er ist unbedingt ein wichtiger Teil vom aktuellen Hamburg Ballett. Foto: Kiran West

Ebenfalls versöhnend wirkt die Kraft von Ludwig van Beethoven, einem Komponisten, dem JN sich just in diesem Jahr verstärkt widmete. Sein „Beethoven-Projekt“ hat indes „eine völlig andere Sprache“, einen ganz anderen Stil als die „Bernstein Dances“ (man ist geneigt, hier „Bernstein Dancers“ zu sagen).

Aleix Martínez, der überaus brillante Ballerino, der die Rolle des Beethoven bei Neumeier kreiert hat, zeigt auch jetzt wieder, welche Energie und auch Poesie in der Thematik stecken. Ein Komponist, der aus der Wiener Klassik kam und zunächst als Klaviervirtuose Erfolg hatte, ist hier als Tänzer zu sehen, der mit dem Flügel, am Flügel entlang zu tanzen weiß, als sei das Musikinstrument ein Stück von ihm selbst.

Man wünscht Martínez, endlich auch die verdiente Beförderung zum Ersten Solisten zu erhalten, weiß aber zugleich, dass diese Posten heiß umkämpft sind und ihre Vergabe manchmal von Kleinigkeiten abhängt. Jedenfalls ist der gebürtige Spanier aus dem Hamburg Ballett nicht mehr wegzudenken, er prägt sowohl Repertoire-Stücke als auch Uraufführungen schon seit einigen Jahren nachhaltig.

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Aleix Martínez vom Hamburg Ballett: technisch virtuos, ausdrucksvoll und wandelbar wie nur wenige Ballerinos. Typisch, dass das Hamburg Ballett über solch einen Solisten verfügt. Foto: Kiran West

Ganz stark und nachdrücklich übermittelt Martínez das auch hier in der Werkstatt – und seine Mittänzer Edvin Revazov, Matias Oberlin und David Rodriguez illustrieren mit Witz, Charme und Obsession die Fantasien und Ängste von Beethoven, dessen Leben im übrigen auch nicht nur aus eitel Sonnenschein bestand.

Welch ein Konzert aus Körpern!

Da haben es die „Bernstein-Dances-Dancers“ schon fast schwer dagegen. Aber die seltsamen Erfahrungen, die man macht, wenn man in einer Großstadt wie New York auf Erfolg hofft, sind jedes Risiko wert.

„In den USA wollen alle Künstler nach New York, und alle denken, hier könnten sie die besten sein“, so Neumeier. „What a Waste“, „Was für eine Vergeudung“, ist ein mitreißendes, tragikomisches Ensemble-Stück aus Tanz und Gesang, aus Bernsteins Musical „Wonderful Town“, das im rasanten Tempo vom Scheitern erzählt. Sopranistin Dorothea Baumann, Bariton Oedo Kuipers und am Klavier Mark Harjes und Ondrej Rudcenko ergänzen das Ensemble der Tänzer, und in ultrakomischen Mini-Soli sowie in schmissiger Ensemble-Manier wird der Big Apple um etliche Illusionen ärmer.

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Greta Jörgens zeigt hier das eindringliche Solo „So pretty“: sehr zart und sehr tiefsinnig. John Neumeier choreografierte es 1998, Leonard Bernstein schrieb es für eine Benefiz-Show mit Barbra Streisand. Foto: Kiran West

Ganz ernst mutet dagegen „So pretty“ an, hier von Greta Jörgens interpretiert. Es ist ein aufs Spirituelle zielender Song, denn LB, so JN, war fest davon überzeugt, dass der Verlust an Glaube das größte Menschheitsproblem war. „Es ging ihm dabei nicht um die organisierte Form von Glauben, sondern um den Verlust an moralischer Struktur“, so Neumeier.

Das rücksichtslose Sich-nicht-um-den-anderen-Kümmern, das daraus resultiert, also das kalte Nur-an-sich-selbst-und-an-die-eigene-Familie-Denken – man kennt es aus der heutigen Gesellschaft nur allzu gut.

„Spirit“ heißt darum für JN sowohl „geistig“ als auch „geistlich“ – und es hat sogar eine politische Komponente für ihn wie für LB, was bei Bernstein unter anderem im Bekenntnis zur Hilfe für die Black Panthers mündete. Und auch für sonstige Benefiz-Veranstaltungen war Bernstein zu haben. So komponierte er „So pretty“ für eine Show namens „Broadway for Peace“, und keine geringere Sängerin als Barbra Streisand führte das Lied als erstes auf.

Greta Jörgens tanzt den zarten Song fast zaghaft, zurückhaltend, dennoch sehr präzise. Es geht darin um ein Mädchen, das seine Lehrerin fragt, warum viele Kinder in Elend leben und sterben müssen, wenn es doch so viel Pracht und Reichtum gibt. Diese Frage nach Gerechtigkeit und Humanität findet sich im Solo umgesetzt in hochintelligente Bewegungen. Die disziplinierten Füße in den Spitzenschuhen bilden einen starken Kontrast zu den herum wedelnden Armen und Händen. Der Kopf, der die klugen Fragen stellt, wird gedreht und in allen möglichen Positionen ausprobiert. Begeisterung und Depression wechseln einander ab. Tatkraft und ein Ohnmachtsgefühl vermischen sich – und eine Persönlichkeit wird im Tanz erkennbar, die den Kopf hoch hält, wenn es darum geht, Courage zu zeigen.

Aber auch der folgende Song berührt. „A simple Song“ heißt er (aus „Mass“), denn LB ging davon aus, dass Gott das einfachste überhaupt sei, wie JN erklärt. Das ist nun keine Antwort auf die Fragen des Mädchens nach Arm und Reich – aber eine Antwort auf die Frage, wie Leonard Bernstein die Gegensätze dieser Welt, die er erlebte, verkraftet hat. Im getanzten „simple Song“ geht es um den Monolog als Dialog, um den Disput, den das Ich mit seinem Spiegelbild, vielleicht auch seinem Ingenius sucht.

Alexandr Trusch und Ricardo Urbina tanzen diesen Männer-Pas-de-deux, der wie ein Selbstgespräch das Ich in zwei Antipoden aufteilt.

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Ricardo Urbina (links) und Alexandr Trusch (rechts): synchron, schön, von undurchdringlicher Tiefe im Ausdruck im Pas de deux „A simple Song“ zur Musik von Leonard Bernstein, höchst subtil choreografiert von John Neumeier. Foto: Kiran West

Sensibel und doch stark ist diese tänzerische Kommunikation, voll von Pirouetten, Sprüngen, Balancen – und auch von einem Miteinander, das von Sanftheit und Berührung erzählt.

Urbina erweist sich dabei – wie zu erwarten – als neuer Wundertänzer vom Hamburg Ballett. Er tanzt so blitzschnell, so akkurat, so stimmig in den Linien, dabei emotional so stark, dass es schon fast unglaublich ist.

Nach zwei Jahren beim Bundesjugendballett, das auch von John Neumeier geführt wird, ist er seit dieser Saison Ensembletänzer in der Haupttruppe – und wurde bereits mit der zweiten Hauptrolle als „Love“ in der Zweitbesetzung der „Bernstein Dances“ betraut. So etwas ist ganz selten im Ballettbetrieb, in Hamburg erst recht – und es zeigt schon, dass hier ein ganz besonderes, in meinen Augen ein Jahrhunderttalent auftanzt. Trusch, der hier den Part von Bernstein sehr lyrisch zelebriert und der übrigens auch als blutjunges Anfängertalent bereits die eine oder andere Hauptrolle tanzte, wirkt gegen den stürmischen Wirbelwind, den Urbinas jugendliches Temperament auslöst, bereits erwachsen, aber auch verhalten.

Diese beiden Gegensätze vereinte auch Bernstein in sich: das Ruhige, Gelassene, Überlegen(d)e und das Quirlige, Feurige, Allesverzehrende.

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Ein neuer Star geht auf beim Hamburg Ballett: Ricardo Urbina, zweifelsohne ein Jahrhunderttalent, wechselte soeben vom Bundesjugendballett in die Haupttruppe – und begeisterte in der Zweitbesetzung als Love in den „Bernstein Dances“. Typisch für die Neumeier-Truppe, dass es hier solche Ausnahmetänzer gibt. Foto: Kiran West

Und von Ricardo Urbina wird man sicher noch viel Tolles sehen – es wäre gelogen zu sagen, dass man sich darauf nicht sehr freuen würde!

Neumeier betonte denn auch, dass man froh ist, den gebürtigen Mexikaner in Hamburg zu haben.

Was aber nicht heißt, dass man die anderen Ballerinen und Ballerinos vernachlässigen darf. Auch sie verlangen und verdienen höchste Aufmerksamkeit, und der witzig-sehnsüchtige Pas de deux von Xue Lin und Alexandr Trusch in „Der Erfolg, eine Erfolgsstory“ (auch aus „Bernstein Dances“) belegt, wie heiß, aber auch wie cool die Neumeier’schen Ballette sein können.

Die „Symphonic Dances“ aus der „West Side Story“ zeigen zuerst die heißen, temperamentvollen Tänzer der Puertorikaner – mit dem „Maria“-Motiv – und dann die typisch „weißen“, „coolen“, emotional zurückgenommenen, wie unter Spannung stehenden Tänze der Jets. Diese beiden Jugendbanden, die puerto-ricanischen „Sharks“ (Haifische) und die weißen „Jets“ (Jets) bilden den Grundkonflikt in der „West Side Story“, und ihre Songs drücken ihre jeweiligen Lebensgefühle aus. Hui, da kreischen die Girls, wenn die Jungs sie hochheben, und da kriecht aus jeder Bewegung echte Hipness.

Mit bildhübschen, ausdrucksvollen Damen wie der hellblonden, ranken Hayley Page und der brünetten, zierlichen Giorgia Giani verfügt das Hamburg Ballett auch im Corps über echte Blickfänge, deren Auftritte man genießt. Hier darf jede(r) eigene Qualitäten einbringen – das scheinbare Klonen von Girls für die Line überlässt man getrost den Nichtkönnern der Branche.

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Alexandr Trusch und Greta Jörgens beim elegischen Paartanz mit dem Leitmotiv „Maria“ aus der „West Side Story“ – ach, da werden Erinnerungen wach! Foto: Kiran West

Die Stücke, die sie tanzen, profitieren davon. Dadurch, dass es etwa um Migrationsfragen geht, ist die „West Side Story“ auch aktuell ziemlich brisant.

Aber ursprünglich dachten LB und Jerome Robbins, der Choreograf der Uraufführung, daran, die Story zwischen katholischen und jüdischen Jugendlichen ausfechten zu lassen. Es ist fraglich, ob sie dann den großen Erfolg gehabt hätte, der sie bis heute weltweit trägt.

Und dann wurde es Zeit für den „Zeitraffer“! Im solchen spielt eine Episode der „Bernstein Dances“ zur Ouvertüre zum Musical „Candide“. John Neumeier bekannte, dass er sich als Jugendlicher selbst zu dieser populären Musik gern dem ausgelassenen Herumtanzen hingab, lange, bevor er entschied, Choreograf zu werden.

„Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag und danke für Ihre Aufmerksamkeit“, sagte der Superchoreograf am Sonntag zur Vorab-Verabschiedung – und dann hottete das Hamburg Ballett nochmal so richtig zur „Candide“-Musik in der Choreografie von Neumeier ab, allen voran Christopher Evans und Hélène Bouchet.

Leonard Bernstein – wäre er bei dieser Ballett-Werkstatt dabei gewesen – hätte wohl am liebsten mitgetanzt.
Gisela Sonnenburg

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