Eine fantastische Ballett-Saison (2018/19) liegt hinter uns, und die Sommerferien werden absehbar ein Ende finden – und ab dann darf man sich wieder getrost ins Vergnügen der ballettösen Aufführungen stürzen! Die Ersten von den Großen in dieser neuen Spielzeit 2019/20, die ihre Tore fürs ballettaffine Publikum wieder öffnen, sind die Berliner, dicht gefolgt von den Hamburgern. So premiert am Freitag, dem 6. September 2019 in der Komischen Oper Berlin ein Stück, das weniger typisch für Ballett ist als dass es die neue Ära des Staatsballetts Berlin (SBB), welches ab sofort von Sasha Waltz und Johannes Öhman als Intendantenduo geleitet wird, wie eine Zäsur deutlich macht. „Plateau Effect“ heißt die Arbeit von Jefta van Dinther, die 2013 für das Stockholmer Cullberg Ballett entstand und die jetzt in Berlin premiert. Die kühne Idee, die Ballettspielzeit mit einer Premiere zu eröffnen statt mit einem bewährten Lockmittel, zeigt die Risikofreudigkeit des neuen SBB. Das Hamburg Ballett hingegen setzt zwei Tage später mit der bezaubernden Version von „Ein Sommernachtstraum“ von John Neumeier auf eines der genialsten Meisterwerke, die das Ballett überhaupt kennt. Fünf Vorstellungen gibt es ab dem 8. September 2019, im selben Monat, und zwar in zwei spannenden Besetzungen – für echte Fans ein absolutes Muss! Und wer es nicht erwarten kann und schon vorab Proben sehen möchte, hat dazu einen Tag zuvor, am Samstag, dem 7. September 2019 die Chance, denn dann ist das Ballettzentrum Hamburg – John Neumeier im Rahmen der Hamburger Theaternacht für die Besucher offen!
Das Staatsballett Berlin wird dann (ab dem 10. September) mit „La Bayadère“ in der Rekonstruktion der Alexander-Gorsky-Inszenierung nach Marius Petipa durch Alexei Ratmansky sowie vor allem mit der klassisch-romantischen „Giselle“ von Patrice Bart ab dem 26. September in der Staatsoper Unter den Linden punkten.
Da brennt die Vorfreude, von der es ja heißt, dass sie die schönste sei – was man nun allerdings nicht unbedingt bestätigt sehen möchte.
Das Semperoper Ballett in Dresden lässt es dieses Jahr denn auch eher langsam angehen und hat nach dem publikumsfreundlichen „Tag der offenen Semperoper“, der ebenfalls am Sonntag, dem 8. September 2019, stattfindet, noch etwas Zeit für Proben. Aber dann startet es ab dem 19. September mit der modernen „Giselle“ von David Dawson so richtig durch. Giselle ist hierin ein zartes Mädchen von heute, und ihr untreuer Albrecht bereut in einem poetischen Regen aus Kirschblütenblättern, dass er ihren Tod verschuldete. Immer wieder ergreifend!
Für große Überraschungen hochkarätiger Art sorgt das Ballett Dortmund, das nach einem Kostümverkauf (am Wochenende des 7. und 8. September) am Montag, dem 9. September, die TheaterFest-Eröffnung begeht. Aber am 21.und am 22. September rappelt es dann so richtig in der Kiste, bei den „Russischen Kulturtagen“: Die „Internationale Ballettgala XXX – Gala of St. Petersburg Ballet Soloists“ bietet Ballett der Spitzenklasse von verschiedenen Compagnien aus Moskau und Sankt Petersburg! Dortmunds Ballettchef Xin Peng Wang hat mit zwei Gastspielen, die sein Ballett Dortmund letzte Saison an der Newa, also in Petersburg, gab, nicht nur künstlerisch begeistert, sondern auch diplomatisch ganze Arbeit geleistet. Und so kommt es jetzt zu der Revange, die wirklich heiß ist und ganz unerwartet im September russisches Flair tief in den Westen der Republik bringt. Wir wünschen viel Genuss!
Das Stuttgarter Ballett, das bis Ende Juli mit Aufführungen fleißig war, erwacht am 22. September beim „Theaterfest“ zu neuem öffentlichen Leben, um dann am 28. September mit seinem in der Neuausstattung von Jürgen Rose heftig brillierenden „Mayerling“ von Kenneth MacMillan zu begeistern. Die sinnliche Tragödie über den morbiden letzten Thronfolger der Habsburger Monarchie wird zu Tränen rühren – und einmal mehr den Fokus auf ein modernes Handlungsballett legen, dessen Stil gerade für das Stuttgarter Ballett mit seiner Basis aus John-Cranko-Stücken wegweisend sein sollte.
Schließlich schaut der Ballettfan aber neugierig noch weiter südlich ins Gefilde – und entdeckt die blitzenden „Jewels“ von George Balanchine, die am 21. und 27. September vom Bayerischen Staatsballett getanzt werden. Menschen mit so richtig gutem Gehör haben zudem Grund, in München zu jubeln, denn die zauberhaften Musiken von Fauré, Strawinsky und Tschaikowsky werden von Robert Reimer dirigiert, den Münchens Ballettboss Igor Zelensky dem Staatsballett Berlin abspenstig machte.
Reimer dabei zuzuhören, wie er – ganz im harmonischen Einklang mit dem Tanzgeschehen auf der Bühne – den Musikern des Bayerischen Staatsorchesters Bestleistungen entlockt, ist immer wieder ein Ereignis.
Und welche flirrende Theatergestalt sagt wohl diese Verse?
„Ich bitte dich, du holder Sterblicher,
Sing noch einmal! Mein Ohr ist ganz verliebt
In deine Melodie; auch ist mein Auge
Betört von deiner lieblichen Gestalt;
Gewaltig treibt mich deine schöne Tugend,
Beim ersten Blick dir zu gestehn, zu schwören:
Dass ich dich liebe.“
Natürlich, es ist Titania, die Elfenkönigin, die sich beim Erwachen – dem Plan ihres garstigen Gatten Oberon gemäß – in den in einen Esel verzauberten Handwerker Zettel verliebt.
William Shakespeare schrieb die Komödie „Ein Sommernachtstraum“, die als Vorlage für das gleichnamige Ballett von John Neumeier so märchenhaft wie fast modern anmutet.
Das Neumeier-Ballett geht darüber hinaus und verbindet klassische mit moderner Eleganz, bietet die Lieblichkeit des Biedermeiers und die exotische Erotik avantgardistischer Fantasie.
Er, sie, es finden sich hier in tändelndem Liebesterror, in dramatischer Verwechslung, in schwelgerischer Harmonie.
Das Motto der allumfassenden Liebe lässt sich aber auch auf den Tanz beziehen: Es ist die Liebe zum Ballett, die es am Leben erhält.
In diesem Sinne wünscht Ihr Ballett-Journal Ihnen eine vergnügliche und reichlich Erkenntnis bringende neue Spielzeit! Herzlichst – Ihre
Gisela Sonnenburg