Eros kommt aus Spanien Das Staatsballett Berlin zeigt mit „Don Quixote“ von Victor Ullate eine erotisierte Fassung des bliebten Stoffs – olé!

Don Quixote ist ein Publikumsrenner

Alle tanzen! Das Staatsballett Berlin präsentiert „Don Quixote“, auf den Punkt gebracht in der Inszenierung von Victor Ullate: mit Pepp, Flamenco und viel Erotik. Foto: Fernando Marcos

Was für ein leicht entflammbares Mädchen ist diese Kitri! Der spanische Altmeister der Choreografie Victor Ullate schuf fürs Staatsballett Berlin (SBB) eine ganz neue, mit Gitarrenmusik und Flamencosteps gepeppte Version von „Don Quixote“ – und trifft damit voll ins Herz der Erotik. Allerdings verzichtet er keineswegs auf Spitzenschuhe und auf die bekannten technischen Hochleistungssprünge des Stücks. Mit dem Weltstar Polina Semionova als zauberhafter Kitri punktete die Premiere, aber auch durch die Verbindung von Alt und Neu, in glamourös-modernisiertem Outfit und mit viel Lebenslust auf typisch spanische Weise. Wer sich da nicht wie mitten in La Mancha fühlt, hat Pech gehabt – alle anderen freuen sich über das temperamentvolle Treiben in blumenseligen Kostümen und nach dem ländlichen Spanien duftenden Dekors.

Sie stammen von Roberta Guidi di Bagno – und lassen keine Wünsche nach sommerlichen Farben und fröhlichen Ornamenten offen.

Ornamentik prägt auch die choreografischen Muster von Victor Ullate, der hiermit einerseits mit den ersten und letzten Szenen eine Referenz an die „Don Quixote“-Version von Marius Petipa, teils in der Überarbeitung von Alexander A. Gorski von 1900 bzw. 1903 abliefert, andererseits aber mit einem modernen, den Flamencostil abwandelnden Mittelteil einen guten Schuss anspruchsvoller Folklore-Interpretation von heute beisteuert.

Nacho Duato als scheidender Ballettintendant Berlins hat es mit dem Engagement seines Landsmanns Ullate geschafft, noch einmal einen ballettösen Bestseller beim Staatsballett Berlin zu platzieren. Bravo, yeah und olé!

Don Quixote ist ein Publikumsrenner

Glücklicher Applaus für Polina Semionova und Marian Walter nach „Don Quixote“ von Victor Ullate beim SBB. Foto: Gisela Sonnenburg

Die Deutsche Oper Berlin (DOB) dürfte somit ihr Leiden des Bühnenraums an der weihnachtlichen Wasser-Havarie vom letzten Jahr bestens vergessen können.

Auch das Licht von Marco Filibeck passt sich den einschränkenden Gegebenheiten organisch an – und irgendwie ist man sogar ganz dankbar, mal keinen kitschigen Sonnenuntergang oder übertriebenes Mondlicht aufgedrückt zu bekommen.

Dafür serviert uns das Staatsballett Berlin ja auch spanische gute Laune satt!

Und das Orchester der DOB spielt die walzerselige Partitur von Ludwig Minkus so fröhlich und beschwingt wie dramatisch und präzise unter ihrem Meisterballettdirigenten Robert Reimer, der zudem den sehr guten Ruf zu verteidigen hat, sich den Notwendigkeiten der Tänzer ohne Qualitätsverluste anpassen zu können. Was stets ein Balanceakt mit dem Taktstock ist. Bravo!

Eine Uraufführung ist es zwar nicht, denn Ullate hat das Stück bereits 1997 in Madrid inszeniert. Aber mit den neu und speziell für Berlin erstellten Kostümen in ganz hellen, frischen Farben und mit reichlichen Kontrasten bietet sich ein ungewohnter, absolut überzeugender Anblick.

So sind nur Kitri und Basil von tiefem Himbeerrot und Weiß beseelt, das grelle Tomatenrot, das sonst als typisch spanisch gilt, ist hier gar nicht nötig.

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Auch das verwendete Orange ist weich und pastellen, während dem Espada und seiner Partnerin, der Straßentänzerin Mercedes, die Knallfarben Silber und Tiefblau zugeordnet wurden. Das Ensemble prunkt mit verschiedenen Rosétönen und Gelb-Rot-Kontrasten bei den Torerotüchern – modern und erfrischend statt muffig und miefig wirkt das.

Hier hatte auch der gute Geschmack von Nacho Duato ein Wörtchen mitzureden: „Ich wollte kein Spanien aus dem Haus der Strenge, in dem man befürchten muss, gleich käme Bernarda Alba auf die Bühne“, sagte er mir, in Anspielung an das berühmte, von Kenneth MacMillan auch zu einem Ballett („Las Hermanas“) gemachte düstere Theaterstück „Bernarda Albas Haus“ von Garcia Lorca.

Angeklebte Sechserlocken an den Koteletten von Kitri, in den Petipa-Versionen sonst ein Muss, sollten hier tabu sein!

Statt dessen wirken die Frisuren und Kostüme zwar nicht nachlässig, aber natürlicher, viel weniger jahrmarkthaft als in anderen Ausstattungen. Sie sind von spanisch inspiriertem, aber nicht von zwanghaft folkloristischem Flair.

Ebenso ergeht es der traditionellen Choreografie, die Ullate aufgelockert und ergänzt hat. Der große Druck, die Steifheit, unter dem der klassische „Quixote“ mitunter leidet, ist hier einer fließenden, lässigeren Energie gewichen.

In vielerlei Hinsicht ist Ullates Berliner „Don Quixote“ darum sogar authentischer als andere Versionen, in dem Sinn, dass hier das eigentliche Ziel Petipas, ein „spanisches Parfum“ auf die Bühne zu bringen, mit modernen Möglichkeiten komplettiert worden ist.

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Olé! Victor Ullate und Marian Walter haben Spaß beim Schlussapplaus nach der „Don Quixote“-Premiere in der Deutschen Oper Berlin! Olé! Im Hintergrund: Federico Spallitta, der den Camacho tanzt. Olé! Foto: Gisela Sonnenburg

Der Begriff vom „spanischen Parfum“ stammt von Petipa selbst – und insbesondere Polina Semionova verkörpert dieses Flair aus rasantem Temperament und augenzwinkernder Strenge exorbitant.

Zuvor aber gibt es das komische Vorspiel zu sehen, in welchem der nicht mehr ganz junge, aber traumbesessene Don Quixote – ganz exquisit vom hoch gewachsenen, starken Rishat Yulbarisov getanzt und gespielt – aufwacht, als seine Hausangestellten seine Bücher verstecken wollen.

Er liest nämlich so viel, dass er zwischen Bücherwahrheit und Realität kaum noch zu unterscheiden weiß!

Im Programmheft des SBB zum „Don Quixote“ zu blättern, hatte er allerdings wohl noch keine Gelegenheit. Wir aber! Sehr zu empfehlen ist es, zumal Marlene Kuhle uns darin mit einem klugen, freundlichen Plädoyer für Don Quixote und seinen Erfinder Miguel de Cervantes einzunehmen weiß.

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Soraya Bruno beweist ihr komisches Talent als Haushälterin bei „Don Quixote“ von Victor Ullate beim SBB. Foto vom Schlussapplaus: Gisela Sonnenburg

Die Haushälterin des Don – die schlanke Soraya Bruno beweist als solche ihr ultrakomisches Talent – bespitzelt alsbald ihren Herrn, um herauszufinden, was der mit seinen Büchern so treibt, wenn er allein mit ihnen ist.

Und siehe da: Er hat Visionen! Und zwar von einer gewissen Dulcinea, die für ihn die heilige Geliebte auf Erden wie im Himmelreich ist.

Diese Traumfigur ist hier mit reichlich Schleiern ausgestattet, die ihren chimärenhaften Charakter auf parodistische Art deutlich machen sollen. Ballettmeisterin Barbara Schroeder gibt, mit mächtig Tüll ausstaffiert, diese köstlich witzige Karikatur einer holden Schönheit ab.

Nebelschwaden tun ein übriges…

Wie gut, dass dann der putzige Sancho Pansa hereinpurzelt! Er wird den abgehobenen Don etwas erden können.

Der ohnehin seit Jahren ständig unterforderte, hervorragende Ballerino Vladislav Marinov holt aus dieser Rolle eines tumben Gesellen heraus, was nur herauszuholen ist.

Mit akrobatischer Finesse tobt und tollt er über die Bühne, dass es ein clownesker Freudentaumel ist!

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Rishat Yulbarisov als „Don Quixote“ und Vladislav Marinov als sein Knappe Sancho Pansa – ein melodramatisch-komisches Duo… Foto vom Staatsballett Berlin: Fernando Marcos

Sancho trägt hier zwar auch – wie in den meisten „Don Quixote“-Versionen – einen Deko-Wanst vor sich her, aber er ist auch biegsam und artistisch wie ein Zirkusmensch. Dazu atmet er jene Poesie, ohne die der Tanz nicht leben kann. Und dabei hat er doch unter den unfrisierten Haaren eine dunkel geschminkte, verworrene Visage wie ein echter Kleinkrimineller… als sei er aus einem alten Heinz-Rühmann-Film just zu uns herüber gekommen.

Da hat er ja soeben auch eine Gans gestohlen, und schon wird sie ihm in einer wilden Verfolgungsjagd von Don Quixotes Leuten (fabelhaft ästhetisch auch im Kleinen: Cécile Kaltenbach, Marina Tkachenko, Pamela Valim und eben Soraya Bruno) wieder abgenommen.

Dafür erhält Sancho einen neuen Job: Fortan wird er beim Don dienen, um seine von Fressgier getriebene Diebestat wieder wett zu machen.

Wenn das man gut geht…

Und tatsächlich muss Don Quixote, der beschließt, auf ritterliche Art und Weise seine Aventuire zu beginnen, den neuen Knappen regelrecht in sein neues Leben hineinzerren.

Olala, was für ein dubioses Pärchen!

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Ach, ist der Applaus laut! Vladislav Marinov als Sancho Pansa nach „Don Quixote“ in der DOB. Schlussaplaus-Foto: Gisela Sonnenburg

Auf geht’s, auf die Suche nach der heiligen Jungfrau!

Warum die Leitfigur der im Vornamen wörtlich „süßen“ Dulcinea hier wie auch im Roman „Don Quixote“ von Miguel de Cervantes den Beinamen „del Toboso“ hat? Weil sie in des Don Fantasie aus dem kleinen Örtchen Toboso stammt. Wer sonst nichts hat als Träumerei, denkt sich eben gern auch mal das eine oder andere fassliche Detail aus.

Die idealisierte ewige Jungfrau hat in der mediterranen Allegorie ja eine große Tradition; man findet sie nicht zuletzt mit Beatrice in Dantes „Göttlicher Komödie“ (auf die Cervantes sich auch explizit bezieht), aber auch im stark ausgeprägten Marienkult der katholischen Länder.

Die Abenteuerfahrt des ungleichen Ritter-Knappen-Duos reicht indes im Roman und in anderen Ballettversionen immerhin bis Barcelona.

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Victor Ullate kniet vor Polina Semionova, beim Schlussapplaus nach der „Don Quixote“-Premiere in der DOB. Rechts Ullates Assistent Eduardo Lao. Foto: Gisela Sonnenburg

Victor Ullate übernimmt einen Scherz aus der Gorski-Version – und siedelt den alsbald auftauchenden Marktplatz mit dem stürmischen bunten Treiben nur einen Steinwurf von Quixotes Haus an: Wir bleiben somit in La Mancha. Da findet die großartige Aventiurenfahrt rasch ein vorläufiges Ende.

Das ist aberwitzig und passt zu dem ganz klamaukig gemeinten Schema des Balletts, was den ersten und den dritten Akt angeht.

Die Hauptpersonen hier sind die kesse Kitri und der schelmische Barbier Basil. Sie lieben sich, obwohl Lorenzo, Gastwirt und Kitris Vater, seine Tochter lieber anderweitig und sehr reich verheiraten möchte.

Berlins liebster Stargast, Polina Semionova, ist, wie schon gesagt, eine Kitri mit ganz besonderem Output! Ihr Kitri-Sprung – der diagonal gelegte Spagatsprung mit gebeugtem hinteren Bein – sprüht nur so vor erotischer Lust. Keine Spur von Anstrengung!

Oftmals wird Kitri ja als durchtriebenes Luder, nachgerade als leichtlebiges Flittchen interpretiert, und auch Maja Plisetzkaja, die legendäre Kitri des Bolschoi, tanzte sie in diese Richtung.

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Polina Semionova als Kitri im Hochzeitsoutfit in „Don Quixote“ von Victor Ullate beim SBB: kess, aber authentisch! Bravo! Foto: Fernando Marcos

Polina aber macht etwas ganz anderes: Sie reißt Kitri die meist auch etwas aufgesetzt wirkende Operettenmaske herunter – und verleiht ihr das Fluidum des netten, aber willensstarken Mädchens von nebenan.

Sie spielt mit volkstümlichem, aber anmutigen Stil, und sie tanzt wie eine Göttin, beflügelt von der Lebensfreude und dem Willen zu lieben.

Ganz toll, ganz patent wirkt das! Zumal das Kostüm mit himbeerroten Rosendetails und die Rosen im Haar zu Polina Semionova passen, als habe sie sich sie selbst ausgesucht.

Und schon mit ihrem ersten Auftritt auf dem Marktplatz von La Mancha verdient sie sich ihren Szenenapplaus nicht nur durch ihre Prominenz und Beliebtheit, sondern auch durch die Leichtigkeit und Anmut ihrer Sprünge.

Mit einem großen Satz – dem klassischen Spagatsprung Grand jeté – entert Kitri in dieser Version von rechts, relativ rampennah, die Bühne.

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Polina Semionova als Kitri mit Marian Walter als Basil – oh ja! Beim SBB in „Don Quixote“ von Victor Ullate zu sehen! Foto: Fernando Marcos

Um erst einmal eine Runde mit zwei galanten Kavalieren zu tanzen!

Es sind Konstantin Lorenz und Taras Bilenko, die als Basils Freunde mit sorgloser, lässiger Eleganz bestechen.

Ah, aber dann! Dann kommt auch schon Basil, mit der Gitarre im Arm, und Ullate ließ es sich einfallen – sehr sinnvoll – die Partitur von Ludwig Minkus hier teilweise auf Gitarre zu übertragen.

Detlev Bork aus Heidelberg spielt diese Passagen mit heiterer Perfektion, ganz so, als seien sie das akustische Pendant zum außerordentlich gewitzten, aber auch heißblütig-verliebten Gemüt von Basil.

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Spanier von Geburt an? Man kommt ins Grübeln… Der elegante Marian Walter als Basil mit der entzückenden Polina Semionova als Kitri im perfekten Gleichklang in „Don Quixote“ beim Staatsballett Berlin. Foto: Fernando Marcos

Marian Walter ist fraglos ein echt spanischer Basil, und wer behauptet, dieser Erste Solist vom Staatsballett Berlin sei in Thüringen geboren, der geht wohl irgendwelchen Märchen auf den Leim. Wurden wir bisher über seine wahre Herkunft belogen?

Nein, im Ernst: Er tanzt und charmiert als Basil, als sei er für diese Rolle speziell ausgebildet worden. Dazu biegt er sich stets elegant in die spanische Linienführung, hat bei jedem Stehenbleiben einen Hauch Torerokult an sich.

Das beglückt und nimmt für ihn ein, und dass er Polina ein treuer und ergebener Partner ist, sieht man, wenn die beiden in technischen Finessen schwelgen und sie ganz freudestrahlend unter seinen Händen ihre vielfachen Pirouetten dreht.

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Polina Semionova beim Schlussapplaus nach „Don Quixote“ in der DOB: glücklich und beglückend! Foto: Gisela Sonnenburg

Man muss allerdings auch sagen: In dieser Version ist die Kitri (und ist auch der Basil) keineswegs eine so derart anstrengende, fast übermenschlich fordernde Partie wie in einer traditionellen „Don Quixote“-Fassung, etwa in der von Rudolf Nurejew.

Denn viele choreografische Passagen, etliche Soli und auch Pas de deux, wurden hier von Kitri und Basil auf andere Tänzer übertragen.

Diese Umverteilung bewirkt zweierlei:

Erstens gewinnt das zweite Liebespaar, Espada und Mercedes, an Bedeutung, denn es tanzt jetzt ja auch choreografisch und technisch höchst anspruchsvolle „Publikumsknaller“.

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Olé! Elisa Carrillo Cabrera und Alexej Orlenco als Mercedes und Espada in „Don Quixote“ von Victor Ullate beim SBB. Mitreißend und faszinierend! Foto: Fernando Marcos

Alexej Orlenco und Elisa Carrillo Cabrera machen damit auch eine rundum erlesen gute Figur, bezaubern als temperamentvolles, ausgelassenes, den Glamour verkörperndes Duo.

Vor allem Carrillo Cabrera, der gebürtigen Mexikanerin, macht hier so schnell keiner was vor!

Später wird der traditionelle Messertanz der Mercedes für sie übrigens zu einem Tanz zwischen aufgestellten Flaschen, ohne dass man das mit dem Mexikanischen Flaschentanz, einer speziellen Folklore, verwechselt. Aber das Spiel mit der Requisite, auch mit der Gefahr, die von ihr ausgeht, ist da. Ach, und das Temperament von Elisa ist sprichwörtlich!

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Elisa Carrillo Cabrera und Alexej Orlenco als Mercedes und Espada beim Schlussapplaus nach „Don Quixote“ in der DOB. Olé! Foto: Gisela Sonnenburg

Mit Elan in den Beinen und Grazie in den Armen, mit Feingefühl bis in die Fingerspitzen und Sprungkraft bis in die Zehen absolviert sie das Profil einer versierten spanischen Tänzerin, die – auf dem Programmzettel ja traditionellerweise als Straßentänzerin bezeichnet – die Härte des Lebens kennt und dennoch mittels anmutiger Lebenskraft zu überwinden weiß. Olé!

Alexej Orlenco wiederum ist der hintergründige Torero Espada, der mit Mercedes verlobt ist. Er weiß, worauf es bei einer Frau ankommt – und er nimmt dieses Girl von der Straße, weil sie so viel inneres Feuer hat, dass ihm sein Leben lang mit ihr niemals kalt werden wird. Bravo!

Außerdem „erben“ auch die beiden Freundinnen von Kitri – sehr superbe getanzt von Marina Kanno und Iana Balova – Teile eines Pas de deux von Kitri und Basil: Synchron getanzte Grands pas de chat sind dann nicht nur Ausdruck von Harmonie und Freundschaft, sondern werden auch zur Präsentation und Werbung der Tanzenden nach außen hin.

Prompt finden beide mit den Freunden von Basil (siehe oben) ihre Partner – olé!

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Das Staatsballett Berlin verneigt sich nach der Premiere von „Don Quixote“, mit den Brautjungfern vorn. Bravo! Foto: Gisela Sonnenburg

In dieser heiter-erotischen Tanzwelt muss eben niemand einsam bleiben.

Auch das Ensemble vom SBB ist bestens aufgelegt: Jungs- und Mädchentänze, Paartänze, Gruppentänze klappen vorzüglich und werden mit sonniger Stimmung und wehenden Röcken kredenzt.

Das ist der zweite Effekt, den die Umverteilung der Choreografie bewirkt: Das Ensemble gewinnt an Aufmerksamkeit, an Bedeutung – das gemeinsame Miteinander steht hier sogar im Zentrum, statt nur Füllsel im Hintergrund zu sein.

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Das Publikum überschüttet sie mit Applaus: Polina Semionova und Marian Walter nach „Don Quxote“ von Victor Ullate beim SBB. Foto: Gisela Sonnenburg

Dann aber rocken doch die Stars die Szene: Polina Semionova und Marian Walter übernehmen in der dritten Wiederholungssequenz die Grands pas de chat von Kitris Freundinnen – und sie fliegen damit gemeinsam über die Bühne, ganz so, als bräuchten sie ihre Beine im Grunde nur zur tänzerischen Dekoration.

Dass das Ensemble bei Ullate schubweise laut „Olé!“ rufen und den Takt mitklatschen darf, entkrampft die Inszenierung zusätzlich. Hier müsste die Liebe doch freie Bahn haben, denkt man – und was für ein hoch und heilig verknalltes und glückseliges Paar sind Kitri und Basil!

Aber: Das passt Lorenzo, Kitris Vater und Besitzer einer Taverne, nun so gar nicht.

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Beste Laune beim Schlussapplaus mit dem SBB nach „Don Quixote“ in der DOB. Foto: Gisela Sonnenburg

Aymeric Mosselman tanzt Lorenzo mit gelungener heißblütig-pittoresker Komik, einem lecken orangefarbenen Kopftuch dazu, wie ein kleiner Gauner, wie ein Pirat mutet er an; und das ist er ja im Grunde auch: Er nimmt sich Rechte heraus, die er nicht haben sollte, denn er will sein Kind in eine Zwangsehe quälen.

Sein Erwählter für Kitri ist Camacho, der hier kein französischer Adliger in barockem Knallchargen-Outfit ist, sondern ein spanischer Edelmann von hohem Geblüt. Er trägt Gold auf seinem Mantel – und etwas zu bunte Federbuschen auf dem Kopf, um als ein Mann von Geschmack durchzugehen. Aber er vertritt hier den auf sich selbst sehr eingebildeten hohen sozialen Stand, und er ist dabei ein wenig Karikatur und doch noch ganz er selbst. Kein leichter Gratwandel für einen Ballerino!

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Federico Spallitta beim Schlussapplaus: Huch, er ist so vornehm – und so witzig! Foto vom Schlussapplaus nach „Don Quixote“ beim SBB: Gisela Sonnenburg

Federico Spallitta tanzt diesen jungen Fürsten zwischen Kitsch und Komik mit Grazie und Anstand, mit überzogener Vornehmheit und quirliger Akkuratesse. Und: mit Sinnlichkeit. Das hätte man so von Camacho gar nicht erwartet, denn oftmals tummeln sich in dieser Rolle alle bösen Klischees bezüglich alter Adelsklasse. Spallitta kann es in Ullates Version besser machen – und den Reichen als einen Mann mit Herz zeigen.

Vorerst tröstet er sich übrigens gern mit Kitris Freundinnen, was diese wiederum auch ganz fein finden…

Doch Lorenzo meint es Ernst, er will eine gute Partie für seine Tochter, er will in den Palast von Camacho einheiraten.

Zu allem Unglück hält der Don – wie in jeder bekannten „Don Quixote“-Version – Kitri auch noch für seine Dulcinea. So kann sich das Mädchen vor unerwünschten Verehrern kaum retten.

Auch Basils schalkhafter Trick, Lorenzo seinen eigenen Geldbeutel als Brautwerbung unterjubeln zu wollen, hilft da nichts.

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Marian Walter in der Luft – ein virtuoser Springer und schelmischer Akteur, zu sehen als Basil in „Don Quixote“ von Victor Ullate beim SBB. Foto: Fernando Marcos

Langsam dräut der Abend, und in den Fenstern der sechs Häuser, die im altspanischen Stil auf der Bühne angedeutet sind, wird es hell.

Nach allerhand ansehnlichem Getändel und unterhaltsamen Eifersüchteleien entschließen sich die stets mit dem Fächer wedelnde, damit auch vorzüglich springende Kitri und ihr heiß geliebter Basil zur Flucht nach vorn.

Nach der ersten Pause findet sich das Liebespaar allein in der Einöde wieder. Anders als etwa bei Rudolf Nurejew ziert sich Kitri bei Ullate nicht – und tanzt mit ihrem Basil ein wunderschönes Adagio, voller Zartheit und Geschmuse.

Doch bevor sie kuschelnd einschlafen können, rücken die Gitanos an. Olé! Die Zigeuner sind bei Ullate tänzerisch vom Flamenco geprägt, und sie bringen so viel zeitlos-ästhetisches – teils folkloristisches, teils modernes – Flair mit, dass es sich anschauen lässt wie ein Stück im Stück.

Es ist zwar in Deutschland noch ungewöhnlich, für journalistische Projekte zu spenden, aber wenn man die Medienlandschaft um das Ballett-Journal ergänzt sehen möchte, bleibt keine andere Möglichkeit. Im Impressum erfahren Sie mehr. Danke.

Statt des vortanzenden Zigeuners, der in der Urfassung von Petipa ein wildes folkoristisches Solo hat, sind es hier die Königin und der König der Gitanos, die ihr Volk und die Zuschauer aufheizen.

Elena Pris allen voran, sie sprang kurzfristig für die verletzte Aurora Dickie (gute Besserung!) ein: Lasziv und majestätisch, mit kleidsamem Stirnband (mit Glitzereffekt) und edler, bodenlanger Robe turnt sie an!

Ihr Gatte, sehr intensiv getanzt vom feurigen Arshak Ghalumyan, ist ein maurischer Galan, der seine Frau ehrt und ihr gern den Freiraum gönnt, sich als Priesterin der Sinnlichkeit zu bewähren.

Das geht so weit, dass sie und die anderen Damen a capella in die Hände klatschen, um die Jungs so richtig in einen rhythmischen Rausch zu versetzen, dem sie nicht widerstehen können – sie müssen einfach aufstampfen und tanzen. Olé!

Und so geraten alle in Stimmung, die jungen, schönen Gitanos besonders…

Aber auch Don Quixote, Sancho Pansa, Lorenzo und Camacho tauchen hier in der Ödnis auf. Plötzlich sind sie alle wieder da, die Gecken aus dem ersten Akt! Denn sie erfuhren von der Flucht des Liebespaares und folgten ihm.

In anderen Versionen erscheinen hier nur Quixote und Sancho, aber es erhöht den Faktor munteren Klamauks, dass hier der ganze Dorfadel wieder beisammen ist. Und auch im übertragenen Sinn ergibt sich so eine interessante Note: Es gibt demnach kein Entrinnen. Man trifft überall dieselben Menschen und ähnliche Probleme an.

In seiner goldglitzernden Rüstung ist dieser Don jedenfalls eine recht skurrile Erscheinung.

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Elena Pris im Kostüm der Dryadenkönigin beim Schlussapplaus nach „Don Quixote“ beim SBB – hinter ihr Murilo de Oliveira, Marina Kanno und Iana Balova (von rechts nach links). Wow! Foto: Gisela Sonnenburg

Als das Zigeunerfest – Quixote hält die Gitanos für Ritter – von einem Gewitter gestört wird, übernimmt der merkwürdige Abenteurer für kurze Zeit die Rolle als Anführer. Im Sturm bringt der Don die Menschen hinter sich, optisch ist das schön gelöst, indem sie sich wörtlich hinter Don Quixote sammeln und ihn als Speerspitze nutzen.

Doch dem Unwetter kommt man so nicht bei. Die Versammlung löst sich auf, übrig bleiben ein leicht ramponierter Quixote und sein mittlerweile treuer Diener.

Es wird endgültig Nacht, und Sancho bringt seinen Herrn in einen Wald. Doch Schutz finden sie hier kaum: Quixote wird von Dämonen heimgesucht, Alpträume quälen ihn.

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Das Staatsballett Berlin beim Applaus nach „Don Quixote“ von Victor Ullate. Ganz rechts: Alexander Abdukarimov, der als Dämon zu beeindrucken weiß. Foto: Gisela Sonnenburg

Immerhin ist das für Alexander Abdukarimov eine fantastische Gelegenheit, endlich mal zu zeigen, was in ihm steckt. Als Fantasie-Dämon in Netzstrumpfhose springt und aalt er sich in der Sphäre, als sei er ein Wesen von einem anderen Stern. Das geht unter die Haut, ist anregend, mysteriös und schauderhaft zugleich. Eine tolle getanzte Geisterbahn!

Unterstützt wird der Gruseleffekt von sechs gesichtslosen Hutträgern in weiten, dunklen Umhängen, die aussehen wie Antonio Salieri als Requiem-Besteller in Milos Formans Film „Amadeus“. Also wie die spätbarocke Vorstellung der Personifikation des Todes.

Als allegorisches Personal verkörpern sie Hunger, Krankheit, Krieg, Adel (!) und den Tod selbst, verlautbart das Libretto. Hieran merkt man, dass es sich um eine sozialistisch geprägte Version des Stücks handeln könnte, die Ullates Arbeit zu Grunde liegt: Der Adel gilt hier offenkundig als ebenso große Plage wie Hunger, Krankheit oder Tod. Das ist typisch für das sowjetische Weltbild und würde bedeuten, dass Gorskis Fassung vom Beginn des 20. Jahrhundert in diesem Sinne später am Bolschoi in Moskau weiter entwickelt wurde.

Es wird aber auch Zeit, Victor Ullate näher vorzustellen.

1947 in der spanischen Provinz geboren, wurde er unter anderem bei Rosella Hightower in Cannes ausgebildet. Den entscheidenden Auftrieb erhielt seine Karriere durch Maurice Béjart. Vierzehn Jahre lang tanzte Ullate in dessen „Ballett des XX. Jahrhunderts“. Nacho Duato wiederum kennt Ullate aus dieser Zeit; der damals 18-Jährige sah mit staunenden offenen Augen, wie Victor Ullate als exponierter Solist dem Tanz immer wieder neue Facetten abrang. So als „Nijinsky, Clown de Dieu“, ein Stück, das Béjart 1971 mit Ullate in der Titelrolle kreierte.

1979 gründete Ullate in Madrid das Ballet Nacional de Espana, die Vorläufertruppe der Compania Nacional de Danza, die Nacho Duato leitete. 1983 gründete Ullate eine eigene Ballettschule und begann verstärkt zu choreografieren. Es entstanden sowohl ganz neue Eigenkreationen, die gelegentlich sichtlich von John Neumeier beeinflusst sind, als auch erneuerte Klassikerversionen. Auch den „Don Quixote“ richtete er, wie „Giselle“ und andere, erstmals in Madrid, für seine eigene Company ein.

Tänzerisch prägte er mit seiner Ausbildungsstätte wie auch durch seine Arbeit mit schon erwachsenen Künstlern Weltstars wie Tamara Rojo und Lucia Lacarra (mit der er gerade erst eine „Carmen“ auf die Bühne brachte).

Sein sympathisches Lächeln trug ihm übrigens auch auf dem Empfang nach der Premiere seines Berliner „Don Quixote“ viel Aufmerksamkeit ein. Als wandelnden, vielfach ausgezeichneten Träger des spanischen Kulturguts, vor allem aber als einen Ballettkünstler von hohem und höchsten Rang, der mit Tänzern und Publikum gleichermaßen umzugehen weiß, würde man ihn sehr gern hier wiedersehen. Auch wenn er sich sprachlich am liebsten in spanischen Gefilden aufhält. Wozu gibt es Übersetzer?!

Dass er gründlich arbeitet, zeigt auch die Tatsache, dass er gleich zwei Assistenten mitbrachte, um seine „Don Quixote“-Version einzustudieren: Ana Noya und Eduardo Lao. Die Herzlichkeit, mit der diese mit dem Berliner Team und mit den Berliner Tänzern umgingen, lässt vermuten, dass die gemeinsame Arbeit nicht nur viel Fleiß erforderte, sondern auch jede Menge Spaß gemacht hat.

Jetzt ist das Kind geboren, das Werk ausgeliefert – und das Staatsballett Berlin muss es hüten und pflegen, damit es an Glanz und Glamour nicht verliert.

Gleich zwei weitere Stars werden dazu auch beitragen, nämlich in der Alternativbesetzung: Iana Salenko wird mit Dinu Tamazlacaru als Kitri und Basil selbstredend erstrahlen wie ein Stern am Himmelszelt. Die beiden touren ja schon seit Jahren als klassisches Don-Q-Pärchen höchster Güte durch die Galas dieser Ballettwelt, man vermutet sie gefühlt quasi jedes zweite Wochenende damit irgendwo auf diesem Erdball, zwischen New York und Sibirien.

Don Quixote ist ein Publikumsrenner

Iana Salenko und Dinu Tamazlacaru, wie sie auf Facebook kursieren und auf vielen Galas weltweit schon präsent waren: im klassischen „Don Quixote“ mit Sechserlocke und Tomatenrot. Faksimile: Facebook / Foto: Jack Devant

Salenko ist mit der Rolle der Kitri ja auch wahrscheinlich schon geboren worden, Terpsichore hat sie ihr vermutlich eigenhändig in die Wiege gelegt. Das Frivole in Verbindung mit komplizierter Technik liegt ihr sehr! In Rom tanzte sie die Kitri soeben in der Version von Mikhail Baryshnikov, und vor Jahren gastierte sie in der Version von Ray Barra als Kitri beim Bayerischen Staatsballett in München. Vor allem aber sind ihre Gala-Auftritte mit dieser Partie im Gedächtnis. Tamazlacaru erwies sich dabei stets als ihr perfekter Basil, mit Schmiss und Wums und Charme und Souveränität. Nun möchte man die beiden gern das ganze Stück tanzen sehen, gern auch mit dem besonders erotischen spanischen Schmelz der Ullate-Fassung versehen, wiewohl sie in der Hochleistungsversion von Nurejew ganz sicher auch schwer glänzen würden.

In beiden Versionen, in der von Nurejew ebenso wie in der von Ullate, kehrt Kitri in Don Quixotes Traum als Dulcinea wieder. Es ist also eine Doppelrolle, mehr noch: wo Kitri sinnlich-verliebt und irdisch-kess bis zum Anschlag wirkt, ist Dulcinea ätherisch-entrückt und so würdevoll, das sie zweifelsohne als überirdische Erscheinung gelten muss.

Kein leichtes Spiel, auch nicht für die besten aller Ballerinen!

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Olé, aber gestöhnt! Elena Pris tanzt die Rolle der lasziven Königin der Zigeuner in „Don Quixote“ von Victor Ullate beim SBB. Oh! Foto: Fernando Marcos

In Ullates Version tanzt zudem auch die Königin der Gitanos eine zweite Partie, in der Traumwelt von Quixote: als Königin der Dryaden, der Baumnymphen.

Denn die Baumnymphen erscheinen dem geplagten Ritter von der traurigen Gestalt, als er den Angriff der Dämonen auf sein Seelenheil endlich überstand. Lieblich, in hellen grünen Tutus und mit glitzernden Kronen auf den Häuptern stehen sie da und tanzen so anmutig wie Abgesandte von Terpsichore selbst – so lässt man sich den Wald gefallen!

Polina Semionova – die ja nun auch eine der besten „Gisellen“ unserer Zeit ist – tanzt mühelos ihren Traumzeitpart hier. Edelmütig, leichtfüßig, delikat distanziert – ein Spagatsprung jagt den nächsten, ohne dass man davon jemals zuviel bekommen könnte.

Auch Elena Pris gelingt die Verwandlung von der feurig-modernen Zigeunerin zum vornehmen, würdevollen Dryadenoberhaupt.

Gemeinsam machen sie den Don überglücklich, und anders als etwa bei Nurejew darf er hier auch mit ihnen tanzen!

Aber da ist noch jemand… der auch glücklich macht. Es ist Murilo de Oliveira als Cupido!

Don Quixote ist ein Publikumsrenner

A star is born this season in Berlin: Murilo de Oliveira kam, sah und siegte – und verleiht auch dem zweiten Akt von „Don Quixote“ von Victor Ullate als Cupido gehörig Schwung. Foto vom Schlussapplaus: Gisela Sonnenburg

Während in den traditionelleren Don-Q-Varianten ein weiblicher Amor auf Spitzenschuhen auftritt, hüpft bei Victor Ullate ein männlicher Cupido herein, so vorwitzig und elegant, so geschmeidig und erotisch zugleich, dass man sich fragt, warum er eigentlich keine Hauptpartie ist und als Traumgestalt durch alle drei Akte sowie durch den Prolog tänzeln darf. Als Pendant zu Dulcinea hat er doch allerhand zu bieten!

Als da sind: kleine Sprünge, große Sprünge; „fließende“ Handbewegungen, achtsam aufgestellte (Zeige-)Finger; stets wunderschöne Linien, flüssige Glissades, elegante Beinstreckungen, vornehme Cous de pied – und Ports de bras zum Anbeten. Und: eine entzückende Kopfarbeit! All das in rasant-quirligem Tempo, kreuz und quer und im Rund über die Bühne, mit einer erotischen Attitüde, die eines Cupido würdig ist. Achtung, der Eros ist los!

Und er trägt hier Gold, die Farbe der Ewigkeit, er glitzert und schimmert damit im nächtlichen Wald wie ein lebendes Juwel.

Während in anderen Don-Q-Fassungen der Waldtraum mit den Dryaden vor Ehrfurcht fast erstarrt, ist hier ein glückliches Gewusel und Gezwirbel anzutreffen, ausgelöst von dieser herzigen, köstlich jungenhaften Cupido-Gestalt.

Oh, Eros kommt aus Spanien, das ist ganz gewiss angesichts dieser Aufführung!

Immer wieder unterbricht dieser Gott der Sprünge und der Leidenschaft das Vortanzen der Dryaden, rundet es solchermaßen ab und verweist mit seinem lockenden, freundlichen Wesen ganz diskret auf die Begierden der Liebe, die sich in ätherischem Gewaber allein nun mal leider nie erfüllen können.

Don Quixote ist ein Publikumsrenner

Ein Pas de quatre mit Don Quixote, Cupido hinter ihm und der Königin der Dryaden sowie Dulcinea neben sich – mit dieser Schlusspose. Reizvoll und romantisch! Foto: Fernando Marcos

Ein kurzer, zauberhafter Pas de quatre zwischen Quixote, seinem erträumten Eros (Cupido), seiner Traum-Dulcinea (Kitri) und der Dryaden-Königin (Zigeunerkönigin) lässt für einige Momente eine Utopie aus Schönheit, Frieden. Erotik und Harmonie aufleben, ohne die Ideale der Klassik und des klassischen Tanzes anheim zu geben.

Ach, zu schade, dass auch dieser Traum einmal zu Ende geht…

Nach der zweiten Pause weiß man dann, warum: Damit es auch in der Realität der Spielhandlung ein großes Glück geben darf.

Bis dahin gibt es für die Tänzer aber noch viel Arbeit!

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In Spanien pflegt man indes bekanntlich eine gehobene Lebensart, und nach so anstrengenden Abenteuern wie Ausflügen in die Einöde oder Nächten im Wald schleppt man sich am besten ins Wirtshaus, um dort in vergnüglicher Stimmung wieder zu seinem wahren Ich zu finden.

Fandango heißt hier der Tanz der Wahl, und wer will, tanzt einfach mit.

Und wieder sind alle versammelt, die schon im ersten Akt miteinander so viel Spaß, aber auch etlichen Kummer hatten: Lorenzo, Don Quixote, Sancho, Kitri, Camacho, Basil…

Und: Mercedes und Espada sind da! Na, da steigt die Stimmung doch gleich auf Highnoon-Qualität!

Doch das fröhliche Getümmel wird von Lorenzo, der Camacho mit Kitri vermählen will, gestört. Da stürmt Basil herein, mimt den verzweifelten Liebhaber, er hat ein Messer in der Hand – und ersticht sich scheinbar.

Don Quixote ist ein Publikumsrenner

Und noch ein Verbeugen! Das SBB mit Dirigent Robert Reimer beim Schlussapplaus nach „Don Quixote“ in der DOB. Foto: Gisela Sonnenburg

Hier greift die traditionelle Petipa-Pantomime und –Choreografie: Alle erstarren, wenden sich ab, erschaudern – und Basil kann sich in aller Ruhe scheinbar entleiben und zuvor noch dafür sorgen, dass er weich auf seinen Umhang fällt. Kitri ist zunächst entsetzt, doch dann bemerkt sie, dass Basils Herz weiterhin schlägt – und er küsst sie sogar blitzschnell! Wohin seine Hände sich quasi automatisch bewegen, na, das kann man sich jetzt schon fast denken.

Don Quixote aber macht sich jetzt nützlich. Aufgebracht wirbelt er mit seiner Lanze alles durcheinander und scheucht Lorenzo, bis dieser dem scheinbar unmöglichen Paar post mortem seinen Segen erteilt. Flugs springt Basil fröhlich auf, verdeckt dem künftigen Schwiegervater mit seinem Umhang noch den Blick – und saust mit seiner Kitri von dannen.

Don Quixote muss jetzt den Zorn des gekränkten Camacho erdulden und sich mit diesem duellieren. Ein eher seltsames Duell ist das, nicht wirklich gefährlich, aber komisch anzuschauen.

Während in Petipas Version die Hochzeit noch auf dem Marktplatz stattfand, ziehen jetzt alle – zu einem fein gezirpten Gitarrensolo hinterm verschlossenen Vorhang – in den Palast von Camacho.

Der Adlige hat in dieser Version nämlich märchenhafterweise eingesehen, dass es nichts Schöneres gibt, als wenn zwei Menschen sich lieben, und Kitri und Basil dürfen ihre Hochzeit auf seinem Grund und Boden feiern.

Don Quixote ist ein Publikumsrenner

Viel Applaus auch nach der Vorstellung für „Don Quixote“ von Victor Ullate mit dem Staatsballett Berlin! Foto vom Schlussapplaus: Gisela Sonnenburg

Feiern? Es gibt was zu feiern? Das lassen sich Mercedes und Espada nicht zwei Mal sagen: Sie tanzen, als ginge es um ihre Hochzeit, und im Glitterlook wirkt das nochmal so festlich.

Die Brautjungfern haben sich aber auch vorab schon angestrengt, um zu gefallen, denn ihre feinen Kostüme haben es in sich: weiß und roséfarben sind sie, aus Spitze bestehend und dennoch als Tellertutus konstruiert.

Man könnte an eine Art zeitliche und räumliche Verlängerung des Tauf- oder Kommunionkleidchens denken. Oder an ein Negligee! Allerdings so oder so mit dem gewissen Etwas anbei.

Iana Balova und Marina Kanno tanzen darin so begeisternd auf, dass sie vermutlich die nächsten Bräute sein werden.

Der Hochzeits-Pas-de-deux von Kitri und Basil nach ihrer Blitztrauung von einem Kardinal aber ist das unbestrittene Highlight.

Polina Semionova handhabt dabei den Fächer, als gehöre er immer zu ihrer Tanzausstattung. Und Marian Walter wirbelt sie durch die Luft, als sei dieses sein oberster Lebenszweck.

Sie sind ein Dreamteam, und das beweisen sie im „Don Quixote“ nicht erst im Hochzeitstanz.

Ob Hebung, ob „Fisch“, ob Pirouetten oder Sprünge: Es ist mitreißender artistisch-freudvoller Ausdruck von Liebe und Freude bei ihnen, der seinesgleichen sucht.

Die rubinrot glitzernden Troddeln an den raffinierten, überwiegend weißen Kostümen des Paares als Hochzeitstracht sind übrigens ziemlich witzig und auch liebenswert.

Aber es besticht, wie immer bei diesem Highlight vom „Don Quixote“, die Choreografie:

Schwierige Balancen für die Dame, die ihr Herr vorbereiten helfen muss, sind nur eine der vielen Arten von Delikatessen hier.

Das Publikum, das bei der Premiere ohnehin schon seit dem ersten Akt vor Freude am Rasen war, steigert sich jetzt ganz schnell in Beifallsstürme.

Don Quixote ist ein Publikumsrenner

Hey, what a dreamteam! Polina Semionova als Kitri und Marian Walter als Basil nach „Don Quixote“ in der DOB. Foto: Gisela Sonnenburg

Die großartigen Soli finden selbstredend ebensolchen Anklang. Was für eine Grandezza in Semionova steckt! Und welches Temperament Walter in sich entfesseln kann!

Fouettés und Pirouetten à la seconde inklusive, aber auch komplizierte Drehsprünge, Spagatsprünge in der Rotunde, dazu hoch akrobatische Hebungen und raffinierter weiblicher Spitzentanz bilden die Zutaten dieses Glanzstücks der Klassik.

Danach ist das vom ganzen Ensemble getanzte Finale, ebenfalls im Sinne Petipas choreografiert, ein Versprechen aller an die Zukunft: Sie nie wieder sein zu lassen, diese Sache mit dem Tanzen und mit der Liebe. Olé!
Gisela Sonnenburg

Termine: siehe „Spielplan“

www.staatsballett-berlin.de

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