Die Avantgarde von gestern Mit „New / Works“ präsentiert sich das Stuttgarter Ballett zurück auf der Bühne sowie im Porsche-Livestream

"New / Works" vereint vor allem Nieten beim Stuttgarter Ballett

Paare paaren sich – so einfach kann das Leben sein, oder? Mit Christian Spucks „Cassiopeia’s Garden“ wird es sehr simpel. Videostill vom Livestream des Stuttgarter Ballett: Gisela Sonnenburg

Der Ballett-Stream aus Stuttgart ist mal wieder eine Frechheit, ist wieder eine unverhohlene Werbeaktion für den Sponsor Porsche, und man fragt sich, wann sich dieser Hersteller von präpotenten Autos endlich in den Namen vom Stuttgarter Ballett schleimen darf. Was das wohl kosten soll? Auf mehr als drei Stunden streckt Porsche den Livestream einer zwar vierteiligen, dennoch an sich nicht wirklich langen Premiere namens „New / Works“ – und bis es mit dem Tanz losgeht, vergehen online mehr als 20 Minuten. Das ist kein „Live-Stream“, sondern ein sterbenslangweiliger „Death-Stream“. Und auch das tänzerische  Programm flasht nicht wirklich, sondern bietet vielmehr die Avantgarde von gestern im dritten oder vierten Aufguss an. Dafür nach Stuttgart zu reisen, lohnt sich nicht, und im Grunde lohnt es sich noch nicht mal, den Computer dafür einzuschalten. Da mag sich Tamas Detrich, Ballettintendant in Stuttgart, noch so oberlässig mit weißen Sportschuhen zum dunkelgrauen Anzug vor Beginn dem Publikum präsentieren, nur um Plattitüden abzusondern und nicht einen inhaltlich oder künstlerisch relevanten Satz von sich zu geben. Das Stuttgart Ballet sei „back“ – na, das haben wir uns schon gedacht, denn die Lockerungen vom Lockdown haben die gestrige Premiere vor maskiertem Publikum ja überhaupt erst möglich gemacht. Leider zeigt der dusselige – inhaltlich keinen Sinn ergebende – Schrägstrich zwischen den beiden Wörtern des Titels „New / Works“ bereits an, dass hier nicht das Hirn, sondern nur die Lust auf Zerstreuung bedient wird. Wer sich also gern berieseln lässt, etwa mit Barmusik, Synthi-Gedröhne oder R & B, der ist hier richtig. Aber wer hochwertige Kultur erleben will, sollte der peinlichen Veranstaltung live wie online besser fernbleiben, um sich nicht von Porsche oder wem auch immer seine Lebenszeit rauben zu lassen.

Allen voran blamiert sich Christian Spuck, seit kurzem designierter künftiger Berliner Ballettintendant, mit einer nagelneuen Arbeit, die ohne Inhalt und ohne wirkliche Form unter dem Titel „Cassiopeia’s Garden“ vorgeblich einen Bezug zur altgriechischen Mythologie auffährt, dieses Versprechen aber nicht einlöst und stattdessen beliebige dynamisch-akrobatische Bewegungen zu einer Klang- und Musikcollage zeigt, die unter anderem Bach und Synthi-Gekratze miteinander verwurstet.

Von erlesener Schönheit sind die Linien nicht, die wir hier bei den Tänzer:innen sehen, aber immerhin strengen diese sich an, das ist an ihren Gesichtern abzulesen.

Banale Synchron- und Paartänze spielen sich ohne Emotionen ab, es gibt gedankenlos einige exaltiert-elegante Hebungen, und zudem kommt viel Ödnis in den Tanz der Protagonist:innen und prägt somit diese Stuttgarter Kreation.

Vielleicht soll sie ein Beitrag zum Thema „Beziehungsarbeit“ sein?

"New / Works" vereint vor allem Nieten beim Stuttgarter Ballett

Menschen halten einander fest, auch vertikal: eine schöne Pose aus dem gerade uraufgeführten Stück  „Cassiopeia’s Garden“ von Christian Spuck, zu sehen in „New / Works“ beim Stuttgarter Ballett. Videostill vom Porsche-Livestream: Gisela Sonnenburg

Christian Spuck war mal Hauschoreograf beim Stuttgarter Ballett, und er hätte sich für sein kurzes Comeback – das mehr ein Abstecher auf dem Weg von Zürich, wo er derzeit Ballettdirektor ist, nach Berlin ist – ruhig mehr Mühe geben können.

Versuchen wir mal, wenigstens den Zusammenhang zum Titel herzustellen:

Kassiopeia, wie die altgriechische Frauenfigur aus dem Titel im Deutschen heißt, ist der Sage nach die Mutter von Andromeda, die beinahe einer Bestie zum Opfer gefallen wäre, hätte der Held Perseus sie nicht in letzter Minute gerettet.

Schuld an der Beinahe-Katastrophe ist Mutter Kassiopeia, die mit ihrer Behauptung, schöner als die Meeresnymphen zu sein, den Zorn von Poseidon, dem Gott der Meere, auf sich zog.

Außer Überschwemmungen schickte Poseidon auch das Monster Keto, das am liebsten das Mädchen Andromeda gehabt hätte. Perseus unterbindet diese Sühne – da hat Kassiopeia noch mal Glück gehabt. Und Andromeda natürlich auch.

Diese Geschichte ist in Spucks Ballett nun nicht wirklich zu erkennen, und warum er es in einem Garten („Garden“) ansiedelt, ist auch nicht schlüssig herauszufinden. Vielleicht will Spuck einfach nochmal auf die Natur hinweisen. Das ist ja gerade ein Trend-Thema. Kann man ja mal antippen. Oder mitnehmen. Ist ja ganz dekorativ.

Als Hintergrundprospekt sieht man denn auch einen rudimentären Wald, der offenbar von Porsche-Abgasen und der Klima-Katastrophe schon schwer geschädigt ist und der nur durch seine Darstellung als schwarz-weiße Zeichnung eine gewisse Ästhetik verströmt.

Alles in allem stellt man fest, dass das Publikum hier ein bisschen veräppelt wird, was es sich aber gerne gefallen lässt, denn es ist ja laut und bunt und das sind bekanntlich die aktuell gültigen Hauptkennzeichen für mit Millionen vom Staat geförderte neue Kunst.

Die Kunst-Inhalts-Beziehung geht dabei verlustig, und streng genommen haben wir es bei solchen Werken mit Kitsch zu tun, denn sie bestehen fast nur aus Form (was noch lange nicht heißt, dass ein nennenswertes Design zu erkennen wäre).

Da hoffen wir in Berlin aber auf deutlich bessere Neuschöpfungen, wenn Spuck dort ab 2023/24 das Zepter des größten deutschen Balletts schwingen wird!

"New / Works" vereint vor allem Nieten beim Stuttgarter Ballett

Damit nicht immer alles von ihm gleich aussieht, lässt Marco Goecke hier mal auf der Bühne zündeln: „Nachtmerrie“ ist eine Uraufführung von ihm im Programm „New / Works“ beim Stuttgarter Ballett. Videostill vom Porsche-Livestream: Gisela Sonnenburg

Als nächste Niete des Abends kommt ein neues Werk von Marco Goecke, der seit Jahren einen Zappelstil kultiviert, der immerhin viele Anhänger:innen hat, auch wenn man ihn nicht gerade abwechslungsreich nennen kann.

Goecke – auch er war mal Hauschoreograf in Stuttgart – ist derzeit Ballettdirektor in Hannover, wo man ihn gerne auch weiterhin sehen möchte. Ihm ein größeres Ensemble anzuvertrauen, wäre fahrlässig, wenn man daran denkt, dass er sich seit etwa zehn Jahren nicht mehr weiterentwickelt.

Aber unseren lieben Kulturpolitiker:innen ist natürlich alles zuzutrauen. Und so kann sich Goecke bestimmt einige Chancen ausrechnen, um Spuck eines Tages zu beerben. Erst in Zürich, dann in Berlin. Wer weiß? – Wir sprechen uns in zehn, zwölf Jahren!

Für die aktuelle Situation schuf Goecke nun wieder zappeliges Liebesglück, von Corona kein Wort und keine Geste, vielmehr gibt es schnulzige Barmusik mit einem Touch von Jazz, wofür ich meinen Hintern ganz sicher nicht in ein Opernhaus heben würde. Ein bisschen echtes Feuer gibt es auf der Bühne auch, als metaphorisches Zeichen eines Flirts unter zwei freundlich-gefassten Wesen, was mich nun nicht unbedingt heiß macht. Aber wer’s braucht, das wörtliche Flackern einer Flamme, der kann sich das hier angucken.

Die unspektakulären Kostüme – unifarbene olivgrüne, schlichte, eng anliegende Tops zu weiten, Goecke-üblichen Hosen – stammen übrigens vom derzeit unvermeidlichen Thomas Lempertz, der zwar nichts so richtig kann, dafür aber der Lebensgefährte des Stuttgarter Ballettweltstars Friedemann Vogel ist. Lempertz fiel in den letzten Monaten mehrfach als Kostümbildner auf (leider nie angenehm) und versuchte sich vor Ort in Stuttgart sogar schon als Installationskünstler, indem er ausgebaute Ballettstangen auf einen Haufen legte.

Vermutlich plant Goecke ein Ballett mit Startänzer Vogel – und was wäre besser, um sich die Sympathie von diesem Vielbeschäftigten zu sichern, als seinen freiberuflichen Partner mit einem lukrativen Job zu versorgen?

Ach, es ist so durchsichtig, was an deutschen Opernhäusern geschieht. Aber wo bleiben die Menschen mit echtem Talent oder gar Genie? Die werden unter den hochbezahlten Machern von Thalias und Terpsichores Gnaden immer seltener.

Heute reicht es schon, wie Marco Goecke eine prägnante Bewegungsphrase zu entwickeln (in seinem Fall ein bestimmtes Zappeln mit den Händen und Armen zu stramm gestreckten Beinen, die vorzugsweise in der fünften klassischen Position wie festgefroren wirken) – und schon kann man damit ein Ballett nach dem anderen variierend ausfüllen.

Während Goecke sich früher noch manchmal auf ein Thema einließ (auch nicht immer), etwa mit „Nijinski“, fabriziert er, seit er so richtig viel Erfolg hat, nur noch Kopien seiner eigenen choreografischen Anfänge.

Bedenklich ist vor allem, dass das Publikum sich das bieten lässt. Aber so ist es eben: Der Wiedererkennungseffekt macht manche Menschen viel glücklicher als innovative Neuschöpfungen.

„Nachtmerrie“ heißt ja nun das stolze neue Werk von Goecke, und diesen Titel ernsthaft  interpretierend zu kommentieren, ist nun doch unter meiner Würde.

Kleiner Tipp für Wissensdurstige: „Nightmare“ heißt im Englischen „Alptraum“, und „merrie“ könnte ein Abwandlung von „merry“, also „fröhlich“, sein. Es könnte sich also um ein Wortspiel handeln, bei dem aus einem Alptraum eine Lustigkeit wird.

Oder ist kryptischerweise gar ein munter ausgerufenes „Nacht, Mary!“ gemeint?

Vielleicht weil sich der Pförtner des Stuttgarter Opernhauses allabendlich so zur Ruhe begibt und beim Abschließen des Bühneneingangs seiner Erbtante am Handy noch einen guten Abend wünscht?

"New / Works" vereint vor allem Nieten beim Stuttgarter Ballett

Ein kreisrunder Wald aus herabhängenden Textilstreifen ist der Hauptdarsteller in „Source“ von Edward Clug beim Stuttgarter Ballett. Videostill vom Porsche-Livestream: Gisela Sonnenburg

Eine Frage erhebt sich allerdings ganz seriös: Ob Goecke beim Scrabbeln jemals in seinem Leben eine Chance hatte zu gewinnen?

Viel Spaß wünsche ich nunmehr beim Knobeln, was „Nachtmerrie“ in Verbindung mit zappelndem Tanz von Gestalten in metallbesetzten Hosen wirklich heißen soll.

Falls es etwas heißen soll. Wir befinden uns ja in den Gefilden der Avantgarde von gestern, und da durfte Vieles auch mal einfach sinnfrei sein.

Die Grundhaltung dieser Avantgarde stammt übrigens aus den 70er- und 80er-Jahren, als man die Umweltproblematik noch nicht ernst nahm und tatsächlich glaubte, die Menschheit würde eigentlich keine großen Probleme mehr haben.

Entsprechend entzieht sich Goeckes Arbeit auch jeglicher Gesellschaftskritik. Ähnlich wie Sharon Eyal zeigt er allenfalls eine fleißige Arbeitswelt (mit seinen zappelnden Hand- und Armgesten), was wiederum die Sponsoren zutiefst erfreut.

Fleißig sollen die Angestellten sein, jawoll! Und bitte nicht zuviel nachdenken.

In diesem Sinne haben wir es hier mit sauberem Sponsorengehüpfe zu tun – fehlt nur noch der Kotau ganz direkt etwa vor der Firma Porsche.

Aber den hat schon Tamas Detrich sich geleistet. „Thank you, Porsche, so much!” – Das waren seine warmherzigsten Worte bei seinem kleinen Intro vor der Vorstellung.

"New / Works" vereint vor allem Nieten beim Stuttgarter Ballett

Tamas Detrich, geschätzter Ballettmeister und zunehmend verachteter Ballettintendant, beim Winken ohne weitere Gedanken vor der Premiere von „New / Works“ beim Stuttgarter Ballett. An seinem linken Handgelenk baumelt die schwarze Maske, während die trendigen Sportschuhe auffallend blitzweiß sind. Und vielleicht von Porsche stammen! Videostill vom Porsche-Stream: Gisela Sonnenburg

Nach der Pause darf dann Edward Clug ran, auch er ist in Stuttgart als Choreograf gepflegter akrobatischer Langeweile bestens bekannt.

Seine hiermit zur Uraufführung gebrachte neue Kreation nennt sich „Source“, also „Quelle“. Aber irgendwie fließt oder quillt da nicht so viel.

Stattdessen ist ein runder Wald aus von oben herab hängenden breiten Textilstreifen der eigentliche Hauptdarsteller. Gegen dieses Bühnenbild haben die Tänzer:innen keine Chance. Sie bewegen sich elegisch mitten in den vertikalen Streifen, gern und schön auch synchron – aber sie geben nichts weiter und vermitteln auch keine Art von Inhalt ans Publikum.

Man darf hingegen träumen, wovon man oder frau will – die Orchestermusik von Milko Lazar – eine teure Auftragskomposition – hat das Niveau von schlechter Fernsehfilmmusik, ist also für allerhand Träume geeignet, wenn man ein hübsch anspruchsloses Gemüt hat.

Schmusiger Mainstream – muss der Staat dafür wirklich Geld ausgeben? Die suppigen Kuschelstücke von Ludovico Einaudi sind dagegen noch echt kulturhaltig.

Was für ein daneben gegangener Ballettabend!

Man kann den drei Uraufführungen noch nicht mal das Etikett „Experiment“ gönnen, denn sie riechen allesamt stilistisch abgeschmackt und abgestanden.

"New / Works" vereint vor allem Nieten beim Stuttgarter Ballett

Szene aus „Blake Works I“ von William Forsythe beim Stuttgarter Ballett. Die Arbeit von 2016 wird mit mehrfachem Ansehen nicht besser. Videostill vom Porsche-Livestream: Gisela Sonnenburg

Da erhofft man sich Erholung von einer deutschen Erstaufführung des Altmeisters der Avantgarde, William Forsythe.

Seine „Blake Works I“ von 2016 nach Musik von James Blake spielen mit dem Kontrast von swingend-populistischen Klängen zu klassisch-traditionellen Posen.

Blake, Brite, ist ein Songwriter, ein Pop-Titan.

Man kann seine Musik als banal genug bezeichnen, um die Massen oberflächlich zu begeistern. An die Qualität etwa von Abba kommt Blake ganz sicher nicht heran, auch Witzigkeit kann man ihm eher nicht nachsagen. Aber es plätschert halt hübsch vor sich hin, was er komponiert – ein Grund, für teures Geld mit einem gekauften Ticket ins Opernhaus zu gehen, ist seine Musik nicht.

Ob Künstler:innen sich seit dem Aufblühen des Pop in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts nicht nur Erfolg beim Zielpublikum, sondern vor allem auch Sponsorenzuspruch davon versprechen, wenn sie Popmusik in die hohen Künste aufnehmen, sei dahingestellt.

Fakt ist, dass die meisten großen Firmen auf Massenkultur und auf eine Vermassung der Kultur setzen. Da will man als braver Künstler halt nicht im Abseits stehen. Also ist jedes musikalische Geplänkel recht, wenn es nur ein Bestseller der Unterhaltungsindustrie ist.

Auch ein Forsythe ist nicht davor gefeit, sich in diese Niederungen akustischer Trivialität zu begeben. Immerhin konterkariert er den Musikschwall mit präzisen Posen im Tanz.

Eine Schar Ballerinen in hellblauen Tanzkleidchen illustriert dieses satirische Spielchen vorzüglich – aber leider folgt dann auf den ersten tänzerischen Auflauf nicht wirklich so etwas wie geistige Tiefe in den weiteren Tanzkonstellationen. Was sonst ja oft bei Forsythe der Fall ist.

Vielleicht gehen dem alternden Meister schlichtweg die Ideen aus.

Es ist eben nicht jeder ein John Neumeier, der seit Jahrzehnten unverdrossen alle Kraft und Fantasie, die man sich von einem Ballettkünstler nur wünschen kann, in sein Werk gibt und bis heute immer neu und immer anders zu schöpfen vermag.

"New / Works" vereint vor allem Nieten beim Stuttgarter Ballett

Hyo-Jung Kang und David Moore im Pas de deux aus „Blake Work I“ von William Forsythe beim Stuttgarter Ballett. Videostill aus dem Porsche-Stream: Gisela Sonnenburg

Immerhin darf am Ende die von Stuttgart scheidende Primaballerina Hyo-Jung Kang ihre Virtuosität im Pas de deux mit Primoballerino David Moore anklingen lassen.

Kang wechselt nächste Saison zu Martin Schläpfer ans Wiener Staatsballett.

Wenn man diese zusammengepuzzelte Premiere sieht, ist Schläpfer allerdings eine logische Konsequenz.

Ach, da fällt mir etwas ein, wieso sich der Live-Stream vielleicht doch lohnt: Marco Goecke erklärt darin in stramm durchgelispeltem Englisch, was ihn für sein neues Stück bewegt hat. Inhaltlich gibt es leider nicht viel einzukaufen. Aber da kommt aus Goeckes selbstzufriedenem Mund doch glatt der froh hinausposaunte Satz „Bring the people in!“

Ah! „Hol mal die Leute her!“ Genau. Irgendwie sollen in diesen schwierigen Zeiten möglichst viele Tickets verkauft werden, obwohl nicht wenige Kulturgänger:innen den Genuss mit stundenlanger Maskerade nur schwer ertragen und andere Stammzuschauer:innen schlicht noch Angst vor einer Infektion durch Aerosole haben.

Das aktuelle Level vom Stuttgarter Ballett ist jedenfalls trotz aller technischer Brillanz derart provinziell, dass man genauso gut ein Stück der freien Szene besuchen könnte, das mit Mitteln aus dem Budget von Kulturstaatsministerin Monika Grütters und ihren Hilfsprogrammen für die Tanzszene – immerhin Dutzende von Millionen Euros umfassend – zustande kam.

Grütters geförderte Projekte sind dafür berüchtigt, möglichst wenig Intelligenz und Gesellschaftskritik und dafür möglichst viel Buntheit und Lärm anzubieten.

Insofern ist das Stuttgarter Ballett derzeit wirklich vor allem Eines: staatstragend im negativen Sinn.

Wir hoffen auf Besserung, sollte Tamas Detrich sich auf das Stuttgarter Repertoire-Erbe von John Cranko und Kenneth MacMillan besinnen.

Doch was an Neuigkeiten aus Stuttgart noch kommen kann, wenn eine Truppe und ihr Publikum bereits auf so niedrigem Niveau sich selbst bejubelnd agierend, bleibt sogar für Intelligenzbestien ein Rätsel. Warten wir es also ab, trinken wir Tee und raten dabei all unseren Freund:innen vom jüngsten Porsche-Ballett-Livestream definitiv ab.
Gisela Sonnenburg

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Der Porsche-Livestream ist bis zum Montag, 21.6.21, online zu sehen. Mit vielen, vielen, vielen Leerstellen in etwa diesem Blau…

 

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