Die Unvergessliche tanzte ihren Weg zuende Mit 84 Jahren verstarb die Mailänder Weltballerina Carla Fracci – kürzlich hatte sie noch Manuel Legris bei der Einstudierung der „Giselle“ geholfen

Carla Fracci verstarb

Carla Fracci im Januar 2021 im Ballettsaal der Mailänder Scala: eine fleißige Grande Dame bis zuletzt. Videostill von YouTube: Gisela Sonnenburg

„Ich bin unter Bauern aufgewachsen, frei und inmitten echter Zuneigungen und Bedürfnisse“ – das sagte eine der größten Ballerinen der Welt von sich, Carla Fracci. Sie wurde in Mailand geboren, machte von dort aus Karriere – und verstarb jetzt dort im Alter von 84 Jahren an Krebs. Tapfer hat sie die letzte Wegstrecke gemeistert, und noch im Januar diesen Jahres stand sie, zart, aber energisch, mit Maske und ganz in Cremeweiß gehüllt, im Ballettsaal der Scala in Mailand bei Ballettdirektor Manuel Legris: um zwei Besetzungen für die dann als Stream online zu sehende Wiederaufnahme der „Giselle“ in der Version von Yvette Chauviré einzustudieren.

Mit 84 Jahren verstarb die Mailänder Weltballerina Carla Fracci – kürzlich hatte sie noch Manuel Legris bei der Einstudierung der „Giselle“ geholfen

Carla Fracci, 84, zeigt hier in Mailand, wie „Giselle“ im ersten Akt leidet. Bravourös! Videostill von Youtube: Gisela Sonnenburg

Ihre Krankheit verriet sie zumindest der Öffentlichkeit mit keiner Geste, mit keiner Silbe. Aber ihre Authentizität – die Grandezza einer Dame, einer Königin der Herzen, einer einstigen Virtuosin und einer liebenden Ballettmeisterin – war überwältigend.

Sie hatte die Giselle einst selbst direkt von Yvette Chauviré gelernt – und sie unter anderem mit Erik Bruhn getanzt. Dessen privater Partner, der Übertänzer Rudolf Nurejew, war ebenso ihr Bühnenpartner wie dessen stärkster Konkurrent Mikhail Baryshnikov.

Hinter ihr standen die Stars Nurejew und Bruhn: Carla Fracci als junge Frau bei der Tanzarbeit an der Stange. Foto: anonym/Facebook

Choreografien der Klassik, aber auch der Moderne wie etwa von Maurice Béjart, Glen Tetley und John Cranko machte sie sich mit ihrer feingliedrigen Raffinesse zueigen.

Von Mailand aus eroberte ihr Tanz die Welt, bis nach New York City, wo sie beim American Ballet Theatre tanzte, aber auch bis zum Stuttgarter Ballett, wo sie eine große Fangemeinde fand.

Carla Fracci verstarb

Carla Fracci als „Giselle“ im zweiten Akt – soviel Exzellenz und Eleganz! Foto: anonym/Facebook

Viele trauern jetzt um dieses Juwel aus der guten alten Zeiten, und es erscheint nicht gerecht, dass so eine Persönlichkeit ihre Kunst und ihr Wissen um das Ballett nicht noch länger weitergeben darf. Ciao, bella Carla! Non ti dimenticheremo mai!
Gisela Sonnenburg

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