Die Generalprobe für „Don Quixote“ letzte Woche fand noch mit einigen Masken auf der Bühne statt. Denn manche Tänzer:innen – vor allem die Ungeimpften im Staatsballett Berlin (SBB), die es durchaus gibt – wollten sich möglichst umfassend vor dem Corona-Virus schützen. Das Orchester der Deutschen Oper Berlin unter Robert Reimer wirkte hingegen musikalisch nicht wirklich ausgeschlafen, was sich zur Wiederaufnahme-Vorstellung am Freitagabend hin aber änderte. Da waren dann alle gut drauf, auch die Orchesterleute, der versierte Dirigent sowieso, und das Corps de ballet zeigte sogar Bestleistungen. Die etwas verwickelte Handlung des erotisch modernisierten Klassikers lief dann in üppigen Kostümen wie am Schnürchen ab. Olé! Nun ist „Don Quixote“ in der ausladenden, mehr als dreistündigen Version von Victor Ullate nicht unbedingt ein großer inszenatorischer Wurf, aber er ist ziemlich hübsch anzusehen – und er wird jetzt in der seit der Berliner Premiere 2018 komplettierten Ausstattung von Roberto Guidi di Bagno sowie im neuen Lichtkonzept von Marco Filibeck mit viel Freude an reichlich pseudo-spanischem Theaterflair aufgeführt.
Yolanda Correa – bildhübsch im rot-weißen Look – und Dinu Tamazlacaru – ein Parade-Ballettspanier mit Torrero-Anklängen nicht nur im Kostüm – reüssieren als Kitri und Basil in der Premierenbesetzung.
Evelina Godunova und Daniil Simkin werden ihnen als nicht weniger glamouröses Dreamteam in der Zweitbesetzung folgen.
Weitere Highlights: Elisa Carrillo Cabrera als ballettöse Straßentänzerin Mercedes in eleganten Schuhen, Alexei Orlenco als temperamentvoller Espada und Murilo de Oliveira als leichtfüßig-sprungfertiger Amor sowie Krasina Pavlova mit ihrem Debüt als Königin der Dryaden.
Von ihr träumt der etwas dösbaddelige Don Quixote (Eoin Robinson), wenn er mit dem herausragend komischen Alexander Abdukarimov als Sancho Pansa auf Reisen geht.
Liebe, Triebe, Sehnsüchte; Kämpfe gegen Windmühlen, Tänze mit Multikulti-Ambiente, dazu Spaniens Sonne am Bühnenhorizont – ein wenig erinnert die Inszenierung an einen verlängerten Werbeclip für Reisen Richtung Andalusien.
Eine ausführliche Rezension gibt es von 2018 genau hier.
Es handelt sich also um einen bunten Kuddelmuddel, mit mächtig viel Humtata auch in der Musik von Ludwig Minkus – und dass Ullate sich nicht nur die Urversion von Marius Petipa (1869), sondern auch die ab 1900 am Moskauer Bolschoi getanzte Überarbeitung dessen durch Alexander Gorski zum Vorbild nahm, macht das Ganze stilistisch nicht eben puristischer.
Die Tänze der Gitanos darin, die zu moderner Gitarrenmusik stattfinden, sind alles andere als authentisch. Sie bilden eine Mischung aus klassischem und modernem Tanz und sind mit einzelnen Folklore-Elementen wie den unvermeidlichen Kastagnetten des Flamenco versehen.
Insgesamt haben sie aber nicht halb so viel mitreißenden Pep und authentischen Elan wie etwa die Zigeunertänze in Rudolf Nurejews Version von „Don Quixote“, die sich im Repertoire vom Wiener Staatsballett und vom Hamburg Ballett befindet.
Wer es genauer wissen will, besorgt sich bitte die im Handel problemlos erhältliche DVD dieser hochkarätigen Nurejew-Version. Das ist ein echt fetziger spanischer Don Quixote, und man bedauert, dass das SBB nicht so etwas für sein Publikum parat hat.
Dagegen ist wirklich beinahe wurscht, was die in jüngerer Zeit durch absurde Nestbeschmutzung auffallende kommissarische Leiterin vom SBB, Christiane Theobald, zur Vermarktung ihres Ladenhüters so vorträgt.
Statt umfassender, wissenschaftlich überprüfter Kenntnisse verbreitet Christiane Theobald trotz ihres Doktortitels auf der Homepage vom SBB einige Halbwahrheiten, mit denen sie ihre vorgebliche Political Correctness beweist.
Was für Windmühlenk(r)ämpfe!
Aber da bleiben viele Fragen offen.
Vor allem zur Selbstbezeichnung der im deutschen Sprachraum lebenden Sinti und Roma scheint ja großer Wissensbedarf zu herrschen.
Also: Das Wort „Zigeuner“ (bei Theobald ist es das „Z-Wort“) ist eine historische Fremd- und Eigenbezeichnung der deutschen Sinti und Roma, die jahrhundertelang isoliert von der sonstigen Bevölkerung im deutschsprachigen Raum lebten, weshalb sie untereinander traditionell kaum deutsch, sondern vorwiegend Sprachen wie Romanes sprachen.
Das Wort „Zigeuner“ ist keineswegs eine Erfindung von Adolf Hitler, der sie verfolgen und ermorden ließ. Man verbietet oder ächtet ja auch nicht das Wort „Jude“, das von Hitler ebenfalls zwecks Genozid benutzt wurde. Und auch das Wort „Jude“ ist – wie das Wort „Zigeuner“ – viel älter als der Hass der Nazis.
„Zigeuner“ hat persische und türkische Wurzeln, indische, byzantinische und altgriechische. Nach einem Ort auf dem griechischen Peleponnes entstand dann auch das englische Wort „Gypsy“ (nach „Gyppe“). Das übrigens niemand verbieten will.
Schriftlich überliefert sind im Deutschen „Cingari“ und „Cigawnar“ als mittelalterliche Frühformen des Wortes. Und aus dem 15. Jahrhundert ist die mutmaßliche Selbstbezeichnung „Secaner“ (ohne Genderform) überliefert.
Ursprünglich handelte es sich bei „Zigeunern“ um Völker, die aus dem indischen Raum Richtung Westeuropa wanderten. Vor allem in Rumänien und Ungarn, aber auch etwa in Spanien und Frankreich konnten sie durch ihre künstlerischen Begabungen arrivieren.
Es gibt übrigens auch Funktionäre der Sinti und Roma in Deutschland, die nichts gegen das Wort „Zigeuner“ einzuwenden haben und die sich dezidiert für die Verwendung von Begriffen wie „Zigeunerschnitzel“, „Zigeunertanz“ und „Zigeunermusik“ zur Bezeichnung von Kulturgütern aussprechen.
Der modische „Zigeuner-Look“, der mich neulich fast dazu verführt hätte, einen für mich leider zu teuren, bodenlangen, weit ausgestellten, ganz bezaubernden Rock in einer Berliner Boutique zu kaufen, ist ebenfalls keineswegs diskriminierend.
In Spanien und Frankreich, wo Mode und die heiteren Künste bekanntlich im Alltagsleben triumphieren, ist das Verhältnis der Sinti und Roma zur Restbevölkerung mit Ausnahme der Zeit des Franco-Regimes seit Jahrhunderten weniger angespannt als in Deutschland, wo sie nicht selten vor allem durch organisierte Bettel- und Diebesbanden auffielen.
In den mediterranen und slawischen Ländern waren die oft sehr professionell tanzenden und musizierenden Zigeuner:innen durch ihre anerkannten Befähigungen besser in die jeweiligen Gesellschaften integriert und sprachen auch ganz gern die Landessprachen.
Sie nennen sich darum dort selbst „Gitanos“ (Spanisch für „Zigeuner“) und „Gitanes“ (Französisch für „spanische Zigeuner“), während es im deutschen Sprachraum in den letzten Jahrzehnten bei „Sinti“ und „Roma“ blieb.
Kulturgeschichtlich ist mal wieder festzustellen: Wenn Künstler:innen für ihre Kunst und Kreativität entlohnt werden, müssen sie nicht als gemeine Diebe stehlen gehen. Aber das wird in Deutschland in der Tat nicht so gut verstanden.
Der „Zigeunerjunge“ der Chanson-Sängerin Alexandra machte aber auch in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts schon klar: „Zigeuner-Romantik“ mit fahrendem Volk, Lagerfeuer und erotisch ansprechenden Gesichtern ist sogar in Deutschland beliebt.
Die Konflikte in Spanien haben hingegen ebenfalls traurige politische Exzesse. Der Diktator Francisco Franco verfolgte in seiner Regierungszeit von 1939 bis 1975 die Gitanos, wegen angeblicher „Landstreicherei“.
Man könnte sich also in einem modernisierten „Don Quixote“ auch damit auseinandersetzen.
Interessant ist außerdem, dass es in Frankreich als Sammelbegriff die nicht diskriminierende Bezeichnung „Tziganes“ gibt, welche denselben Wortstamm wie „Zigeuner“ hat.
Und nur die aus Spanien kommenden Zigeuner:innen werden im Französischen „Gitanes“ genannt, nach denen übrigens auch die bekannte würzige Zigarettenmarke benannt ist.
Damit wird eine Wanderung bezeichnet – von Spanien nach Frankreich – die vermutlich auch mit den Arbeitsmöglichkeiten als tourende Künstlertruppen zu tun hatte.
Dass nun viele Menschen in den letzten Jahren aufgehört haben zu rauchen, ist aber keineswegs als Diskriminierung zu verstehen. Bitte nicht wieder mit dem Rauchen anfangen, auch nicht für die in ihren blauweißen Verpackungen verlockenden „Gitanes“!
All dies ist hier nun notwendig zu erklären, weil das SBB unter Christiane Theobald in seinen aktuellen Eigenpublikationen so tut, als sei das Wort „Zigeuner:innen“ per se diskriminierend, während die Bezeichnung „Gitanos“ unbestreitbar politisch korrekt sei.
Ganz so einfach ist es aber eben nicht. Vielmehr hat man nach dem Horror-Regime von Hitler im deutschen Sprachraum nach Alternativen gesucht, um sich von der Verfolgungsgeschichte abzugrenzen. In Spanien tat man das nicht. Dabei wird aber verschwiegen, dass „Zigeuner“ ein bis ins Mittelalter zurückgehendes Wort ist, das ganz bestimmte verschiedene Ethnien zusammenfasst.
Und wer von den Ballettkundigen kennt nun nicht die tolle Esmeralda aus Victor Hugos „Glöckner von Notre-Dame“, die im Ballett „La Esmeralda“ verewigt ist? Auch diesen pompösen Klassiker um eine im Pariser Karneval tanzende Zigeunerin hat das Staatsballett Berlin schon aufgeführt, mit großem Erfolg übrigens.
Wenn man nun in Berlin in gehobenen Kreisen nicht übers Ballett als Ballett diskutieren mag, dann wenigstens umfassend über die Bezeichnungen und Herkünfte von Ethnien. Und bitte nicht gleich wieder alles verbieten wollen, was man nicht versteht, weil man es nicht kennt.
Wissen bedeutet nicht, alles nachzubeten, was kleine Vereine, die ein paar Fördergelder abgreifen, von sich geben.
So gibt es zum Zigeunertanz allgemein und speziell in diesem Stück auch weit mehr zu sagen – und auch etwa auf YouTube anzusehen – als man unter dem Begriff der „Escuela Bolera“ zu verorten vermag.
Die Escuela Bolera ist nämlich kein Volkstanz, sondern ein bereits stark überformter Bühnentanz, der vor allem eine bestimmte weibliche Erotik hervorbrachte. Seine Wurzeln gehen aus dem kleinen Glossar auf der Homepage vom SBB aber leider nicht so klar hervor.
Neben dem Flamenco-Einfluss auf ihre Kunst haben Zigeuner:innen nämlich typische eigene Tänze gepflegt, mit Gruppenreigen, Soli und Paartänzen. Und nicht nur mit weiblichen Soli. Weiter unten in diesem Beitrag gehe ich darauf noch weiter ein.
Zuvor aber scheint noch etwas wichtig.
Die wohl wirklich inkompetenteste Ballettchefin, die Deutschland – vielleicht Europa, vielleicht sogar die ganze Welt – derzeit zu bieten hat, also Christiane Theobald in Berlin, sollte sich, wenn sie schon so gern Wortklauberei betreibt, auch mal über die Bezeichnungen in der eigenen Bude Gedanken machen.
„Foyer de la Danse“ – so heißt die seit einigen Jahren existierende moderne Vorhalle im Ballettzentrum in der Deutschen Oper Berlin, wo das Staatsballett Berlin beginnt. Die DOB ist da nun unverdächtig, aber:
In der Pariser Operngeschichte, in seiner historischen Verankerung, ist dieser Begriff nicht unproblematisch. Im „Foyer de la Danse“ in Paris, das Edgar Degas in romantisierenden Gemälden zeigt, fanden nämlich im 19. und auch noch im 20. Jahrhundert die Anbahnungen der Mätressenschaften zwischen Ballerinen und Adligen oder auch begüterten Bürgern statt.
Die deutsche und auch die französische Ausgabe von wikipedia sind hier recht schamhaft zurückhaltend. Aber Fakt ist: Das „Foyer de la Danse“ ist traditionell eigentlich ein Ort, der auch zur Prostitution gehört. Erin Blakemore klärt darüber in einem Essay von 2018 explizit auf.
Weiß Frau Doktor Theobald das nun nicht? Oder findet sie es gerade pfiffig und frivol, wenn ihre Halle, in der auch Publikumsveranstaltungen stattfinden, danach heißt?
Soll man den Namen „Foyer de la Danse“ (was zunächst soviel wie „Tanzfoyer“ oder auch „Vorraum zu den Tanzsälen“ bedeutet) im Gebäude der Deutschen Oper Berlin nun also so belassen oder vielleicht mal ändern?
Um es in Theobalds Vokabular zu sagen: Sollte man den Namen neu kontextualisieren? Oder in der DOB besser abschaffen? Immerhin ist er kein Kunstwerk (wie die abgesetzten Ballette „Der Nussknacker“ und „La Bayadère“) und in Berlin auch keine historisch gewachsene Ortsbezeichnung.
Das „Foyer de la Danse“ sei der „offizielle Zugang zum Staatsballett Berlin“, so steht es online beim SBB zu lesen. Außerdem habe hier „Tanz ist KLASSE“, ein Education-Verein, seinen Sitz – und die Garderoben für die an Workshops teilnehmenden Kinder seien darin zu finden.
Hm, so richtig passend ist die Bezeichnung „Foyer de la Danse“ dafür eigentlich nicht.
Man geht wohl davon aus, dass die meisten Berliner Zuschauer:innen über einen eher kleinen Bildungshorizont diesbezüglich verfügen – und sich darum nicht darüber ärgern, dass der von ihren Steuergeldern finanzierte Foyersaal so eine anrüchige Herkunft impliziert.
Die Opéra in Paris, die ihre Probebühne in der Opéra Garnier aus historischen Gründen weiterhin „Foyer de la Danse“ nennt, hat da tatsächlich eine andere Bindung zu verzeichnen.
Wie ist es nun in Berlin? Soll man über das „Z-Wort“ diskutieren, über das „Foyer de la Danse“ aber nicht?
Eine weitere, noch andere Diskussion müsste aktuell beim Staatsballett Berlin aber auch anlaufen, und sie betrifft die Person von Victor Ullate.
Er hat mit zehn Vorstellungen seines „Don Quixote“ allein im Dezember 2021 aktuell eine recht große Plattform beim Staatsballett Berlin. Aber seit der Premiere seines „Don Quixote“ im Jahr 2018 in Berlin hat sich Einiges verändert.
Ullate hat nämlich 2019 sein eigenes, in Madrid ansässiges spanisches Ballettensemble namens „Victor Ullate Ballet“ nach 31 Jahren für alle überraschend geschlossen, nachdem er zunächst vollmundig mit dem Weltstar Lucia Lacarra eine Nachfolgerin angekündigt hatte.
Er hatte aber sowohl Lacarra als auch seinen Mitarbeiter:innen und Tänzer:innen verschwiegen, in welch prekärer finanzieller Lage sich seine Company befand.
Ullate konnte sich auf sein Altenteil zurückziehen, aber die Künstler:innen, die sich auf ihn verlassen hatten, standen von einem Tag auf den anderen auf der Straße. Etliche Rechtsstreits waren die Folge.
Tänzer:innen, die auch einen Ort fürs tägliche Training benötigen, um fit für ihren Job zu sein, erhalten darum üblicherweise ein Dreiviertel Jahr Vorlauf vor einer Kündigung. Damit sie sich trotz Vollzeitjob eine neue Stelle suchen können.
Was Ullate gemacht hat, gleicht in der Branche einem „Pfui“. It is not done, Mister Ullate!
Normalerweise werden bekannte Künstler:innen nach so einem offenkundigen Fehlverhalten eine Weile geächtet. Aber Victor Ullate ist dank Christiane Theobald in Berlin hoch willkommen.
Trotzdem ein paar Worte zu ihm, da ja sein Stück nun mal in Berlin zu sehen ist. Er wurde 1947 in Saragossa geboren, und er kennt aus seiner Jugendzeit den Frankismus, der eine schlimme, diktatorische Zeit war, gerade auch für die Gitanos, recht gut.
Sein „Don Quixote“ umschifft aber die schwierige spanische Geschichte, indem er sich nur auf die schon genannten Ballettvorlagen bezieht, die wiederum episodenhaft den Roman von Miguel de Cervantes, der von 1605 bis 1615 erstmals erschien, aufgreifen.
Deutlich gesagt: Ullates Spanien ist Postkartenkitsch.
Für spanienkritische Anmerkungen ist in Ullates Arbeit kein Spielraum, ebenso wenig für eine Auflösung des Schicksals des „Ritters von der traurigen Gestalt“, als welcher Don Quixote in die abendländische Kulturgeschichte einging.
Wer sich mit diesem Thema wiederum tiefer beschäftigen möchte, dem sei die „Don Quixote“-Version von George Balanchine von 1965 ans Herz gelegt, die zwar selten aufgeführt wird, die aber den Titelhelden wirklich ernst nimmt.
Und Tatjana Gsovsky, nach der übrigens ein großer Ballettsaal im Berliner Ballettzentrum benannt ist, schuf 1949 einen Berliner „Don Quixote“ – im Osten, an der Staatsoper, und zwar zu Musik von Leo Spies. Auch hier erhält man Anregungen, die Victor Ullate nicht bieten kann.
Besonders begeisterndes Zigeuner-Ballett hält die schon erwähnte Version von Rudolf Nurejew in der Interpretation vom Wiener Staatsballett parat.
Der darin brillierende Solist Mihail Sosnovschi hätte für seine temperamentvolle Darbietung unbedingt einen Preis verdient.
Aber auch das Corps de ballet und die beiden Superstars Maria Yakovleva und Denys Cherevychko sind die Anschaffung dieser DVD wert.
Große Gesten aus dem Ballett vereinen sich hier mit rasanten Höhepunkten aus dem folkloristischen Bereich. So sollte es doch sein!
Die kleinen, anregend schönen Sprünge, die für die mediterran geprägten Zigeunertänze typisch sind, und die sich im Wechsel mit wiegenden und auch stampfenden Schritten zu großen Sprüngen mit wuchtigen Gruppeneffekten steigern, kann man derweil auch im nostalgischen Bereich, bei dem Choreografen Léonide Massine studieren: in einem „Spanish Fiesta – Capriccio Espagnol“ genannten Film von 1942, der knapp 20 Minuten lang ist und den Massine mit den Ballets Russes de Monte Carlo drehte. Er tanzt darin auch selbst, ganz vorzüglich, an der Seite von Tamara Toumanova und Alexandra Danilova.
Auch das Klopfen auf den Boden, das Hüpfen auf einem Bein, die schnellen Wechsel in der Fußarbeit – all das kann man als typisch für die Kunst des Zigeunertanzes sehen. Das ist sowohl bei Massine als auch bei Nurejew wiederzuerkennen.
Es ist im übrigen schade, dass die Sinti und Roma von heute in Deutschland praktisch nur wenig für ihre Tanzkunst tun. Allerdings ist hier wohl auch nie wirklich was gezielt gefördert worden – obwohl ihre Kultur ursprünglich stark von der leidenschaftlichen Musik mit den komplizierten Rhythmen und dem vereinnahmend sinnlichen Tanz geprägt ist.
Aber es ist letztlich natürlich eine gute Nachricht, dass Christiane Theobald – die die Folklore-Einflüsse in anderen klassischen Balletten willkürlich für so verwerflich hält, dass sie sie vom Spielplan streicht – die zigeunerisch angehauchten Flamenco-Impressionen von Victor Ullate am ballettösen Leben erhält. Solange ist das Staatsballett Berlin wohl auch in ihren Augen wenigstens noch zu irgendetwas gut.
Gisela Sonnenburg (Informant:in: Anonymous)