Eine gute Seele ging für immer Das Staatsballett Berlin trauert um Birgit Brux, die seit 1980 im staatlichen Ballettbetrieb der Hauptstadt wirkte: als Tänzerin, Tanzpädagogin und Charaktersolistin

Eine schöne und sanfte Verbeugung einer Charaktersolistin: Birgit Brux als Gamsattis Dienerin (mittig), umrahmt von Evelina Godunova als Gamsatti (links) und  Iana Salenko als „La Bayadère“ (rechts) nach der Vorstellung beim Schlussapplaus in der Staatsoper Unter den Linden. Foto: Gisela Sonnenburg

Sie konnte herzhaft lachen wie ein Bierkutscher und lautlos entsetzt sein wie eine Tragödin: Birgit Brux verbreitete – je nach Bedarf – gute Laune oder heiße Dramatik. Den Ruf einer guten Seele des Staatsballetts erwarb sie sich spielend. Als Tanzpädagogin wirkte sie viele Jahre engagiert im Education-Bereich vom Staatsballett Berlin, und als Amme oder Dienerin stand sie seit über einem Jahrzehnt als Charaktersolistin in Schreitrollen auf der Bühne: in „Onegin“ und „Romeo und Julia“, also in Choreografien von John Cranko, aber auch in „Die Bajadere“ in der Version von Vladimir Malakhov sowie in „La Bayadère“ in der Inszenierung von Alexei Ratmansky. Was sie auch tat: Sie wirkte stets spontan, warmherzig, gutgläubig, glaubhaft. Rückhaltlose Liebe zum Ballett prägte sie: Das Erklären und Zeigen von Tanz für ihre kindlichen Zöglinge im Studio und die künstlerisch-tänzerische Darstellung auf der Bühne waren ihr Leben. Beides übte sie leidenschaftlich und mit Temperament aus, ohne falsche Angst oder Scheu. „Bruxi“, ihr Spitzname, klang nicht nur nach Ferienlager, sondern drückte auch den unprätentiösen Charakter der Künstlerin aus. Für Opernverhältnisse war sie oft regelrecht kumpelhaft, was ein tolles solidarisches Verhalten beinhaltete. Für die Einen war sie dennoch vor allem eine Stimmungskanone, für die Anderen aber eine ernstzunehmende Autorität. Ignoranz oder gar Arroganz waren ihre Sache nicht. Ballett und Überspanntheit? Das gab es woanders! Mit Bruxi wandelte das Ballett als Selbstverständlichkeit durch die heiligen Opernhallen. Birgit Brux war denn auch Ostdeutsche, gelernte DDR-Bürgerin, sie definierte sich über das Kollektiv – und war eine hochrangige Bühnenkünstlerin dazu. Ausgebildet wurde sie ab 1973 an der damals weltweit renommierten Staatlichen Ballettschule Berlin. Die guten Beziehungen ihrer Schule zur damaligen Sowjetunion nutzte sie für ein halbjähriges Zusatzstudium in Kiew. 1980 trat sie ihr erstes Engagement an: im Ballett der Deutschen Staatsoper Berlin (heute Staatsoper Unter den Linden).

Den Arbeitgeber wechselte sie nur, als dieser selbst ausgetauscht wurde.

Als 2004 das Staatsballett Berlin gegründet wurde, um mit einer Balletttruppe alle drei Opernhäuser der Hauptstadt zu bespielen, war Bruxi selbstredend mit dabei. Seit 1985 hatte sie mit Solo-Verpflichtung getanzt, und sowohl moderne Stücke wie die von William Forsythe als auch den klassischen Tanz, mit dem sie aufgewachsen war, konnte sie sich mit Charme und Eleganz immer wieder zueigen machen.

Ab 2006 war Birgit Brux maßgeblich darin, das Education-Programm vom Staatsballett Berlin mit aufzubauen.

„Die Bajadere“ von Vladimir Malakhov beim Staatsballett Berlin: noch mehr Liebesgefühle als sonst mit Bayaderen…

Auch in der Vorgänger-Version „Die Bajadere“ reüssierte Birgit Brux. Hier verbeugt sie sich zusammen mit Alexander Shpak (vorn) und Tomas Karlborg vom Staatsballett Berlin in der Deutschen Oper Berlin. Foto: Gisela Sonnenburg

Auch Feinheiten konnte Birgit Brux ohne großen Aufwand den Jüngeren und Jüngsten vermitteln –  sie war fraglos ein pädagogisches Talent. Durch den Verein „Tanz ist KLASSE!“ erfuhren Hunderte Berliner Schulkinder dank ihr in tanzpraktischen Unterrichten, wie befreiend und kreativ Ballett auch im Laienbereich sein kann.

Am 11. November 2020 verließ sie uns Lebende, nach einer schweren Erkrankung, gegen die sie standhaft gekämpft hat. Mit ihr verlor das Staatsballett Berlin eine loyale und gutherzige Seele, welcher Alltagsrassismus ebenso fern lag wie hinterhältiges Intrigantentum.
Gisela Sonnenburg 

www.staatsballett-berlin.de

 

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