Adieu, Monsieur! Im Alter von 78 Jahren verstarb Michaël Denard in Paris

Michael Denard verstarb in Paris

Michaël Denard verstarb in Paris – vergessen wird er nie. Videostill aus der DVD „Die Kameliendame“ von John Neumeier mit dem Ballett der Pariser Oper: Gisela Sonnenburg

Er hatte diese Präsenz eines Mannes, der genau weiß, was er will. Körperlich, natürlich, als Tänzer – aber auch stimmlich. Michaël Denard war darum 1990 im kolossalen, fünfstündigen „Ring um den Ring“ von Maurice Béjart in der Deutschen Oper Berlin der Sprecher. Und noch 2008 stand er auf der Bühne: in der Pariser Opéra, als Monsieur Duval in „Die Kameliendame“ von John Neumeier. Jetzt ging er zu den ewigen Sternen, im Alter von 78 Jahren, am gestrigen 17. Februar 23. Paris trauert um ihn, aber auch in Deutschland hatte Michaël Denard viele Anhänger.

Zu Lebzeiten, als junger Mann, trug er den Sternentitel von Berufs wegen: Als Étoile des Pariser Balletts. Geboren wurde er aber in Dresden, am 5. November 1944, als Kind einer deutsch-französischen Verbindung, was damals ziemlich brisant war. Schließlich führte Deutschland Krieg gegen Frankreich.

Zum Glück konnte Denard später in Frankreich das Tanzen erlernen, wenn auch wirklich spät für einen angehenden Profi – doch 1963 begann er als Ensembletänzer beim Ballet du Capitole in Toulouse. Ein Jahr später wechselte er nach Nancy, um dann weiter nach Paris zu ziehen, wo er Unterricht bei der russischen Pädagogin Solange Golovine nahm. 1965 stand er dadurch erstmals auf einer Pariser Bühne, mit der Truppe von Lorca Massine.

Der entscheidende Glücksfall in seinem Leben: Pierre Lacotte – der zuvor auch Rudolf Nurejew geholfen hatte – lud Denard zu einem Festival ein, wo dieser erstmals mit Ghislaine Thesmar tanzte. Sie wurde seine häufigste Partnerin im Ballett, vor allem beim Ballett der Pariser Oper, wo Denard ab 1966 im Engagement war.

Breite Schultern, ein ebenmäßiger Körperbau, eine harmonische Koordination, schöne Beine, eine elegante, expressive Armarbeit und ein umwerfend attraktives Gesicht:

Sein Aufstieg zum Star war unvermeidlich – so sehr sah er nach Mann aus, wenn er tanzte, und nicht nach einem unsicheren Bübchen, was damals das Problem vieler eingeschüchterter junger Tänzer war.

1969 war er bereits Erster Solist, und schon führte ihn ein erster Gastauftritt nach Berlin an die Deutsche Oper, wo er mit Lynn Seymour im „Schwanensee“ in der Version von Kenneth MacMillan beeindruckte.

Weitere Berühmtheiten wurden Kolleginnen: von der alternden Yvette Chauviré und dem Superstar Natalia Makarova über Natalia Bessmertnova vom Bolschoi Ballett zu Élisabeth Platel und der noch jungen Sylvie Guillem an der Pariser Oper.

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Denard wurde von vielen Choreografen auch für Kreationen geschätzt: von George Balanchine, Jerome Robbins, Antony Tudor und Yuri Grigorovich, aber auch von Alvin Ailey, Hans van Manen, Merce Cunningham und Lucinda Childs. Von Maurice Béjart und John Neumeier sowieso.

Er war  Béjarts Feuervogel, er war der James an der Seite von Thesmar als Sylphide. er war Apollon, er war Albrecht. Er brachte die Klassiker wie die neuen Kreationen zum Schwingen, zum Erbeben vor Gefühl.

Gastspiele, Preise – und die unaufhörliche Neugier auf weitere Arbeit bestimmten seinen Weg. Sein Bühnenabschied am 9. November 1989 war für alle, die dabei waren, ein Fest. Und es war auch für die Frontstadt Berlin ein besonderes Datum, nämlich das des Falls der Mauer.

Denard begann, als Ballettmeister zu arbeiten. Aber es war, als zöge ihn Berlin immer magischer in den Bann. 1990 fand hier denn auch die Uraufführung von Béjarts „Ring um den Ring“ statt, der mit dem Béjart Ballet Lausanne entstand. Denards Talent, mit der Stimme Tanz künstlerisch zu moderieren, war erstaunlich.

Er machte gewissermaßen Furore in Berlin.

Und von 1993 bis 1996 wurde er Ballettdirektor des Balletts der Staatsoper Unter den Linden, wo er mit Daniel Barenboim als Musikdirektor kooperierte, bis es ihn wieder nach Paris zog. Steffi Scherzer, ihr Partner Oliver Matz sowie die damalige Newcomerin Nadja Saidakova waren die tänzerischen Großtalente in seiner Berliner Ära.

Hochkarätige Filme entstanden unter seiner Mitwirkung, so mit dem Schauspielstar Jean Marais und dem Filmkomponisten Michel Legrand.

In der „Kameliendame“ von John Neumeier fand Denard dann eine späte Partie, in die er seine Ausstrahlung und gestische Präsenz, sein immer noch schönes Gesicht und seine sogar manchmal knallhart wirkende Männlichkeit hervorragend einbringen konnte:

Als Vater des in die Luxuskurtisane aus dem Titel verliebten Armand tanzte Denard mit der jungen Frau einen Pas de deux, in welchem er ihr den Verzicht auf ihre große Liebe abringt.

Michaël Denard als Monsieur Duval zu Beginn des Pas de deux mit Agnes Letestu als „Kameliendame“ auf der DVD mit dem Pariser Opernballett, die 2008 bei Opus Arte erschien. Videostill: Gisela Sonnenburg

Für viele Ballettliebhaber:innen ist er genau mit diesem Auftritt unsterblich geworden, denn man findet ihn auf der DVD, die im Handel erhältlich ist.

Falls man seine wohltönende, kraftvolle Stimme nicht noch im Ohr hat…

Adieu, Monsieur – und grüßen Sie die Sterne von uns!
Gisela Sonnenburg

ballett journal