
„Surrogate Cities“ statt „Demian“: Demis Volpi kneift und bringt keine Uraufführung im Sommer beim Hamburg Ballett raus. Foto: Homepage Hamburg Ballett
Und die Letzten sollen die Ersten sein: Die letzte Uraufführung, die Demis Volpi beim Ballett am Rhein hatte, soll jetzt, anstelle des monatelang angekündigten „Demian“ nach Hermann Hesse, die Hamburger Sommerpremiere der Saison werden. „Surrogate Cities“ („Ersatz der Städte“) heißt das Stück, das jetzt am 6. Juli 25 zur Eröffnung der Hamburger Ballett-Tage auf den Spielplan rutschte, und es versammelt in sich sechs musikalische Parzellen der gleichnamigen Musik von Heiner Goebbels. Der Zyklus des renommierten Komponisten entstand 1994 und ist laut Amazon „eine Erkundungsreise in die Komplexitäten der Großstadt“. In der Tradition des Films „Berlin – die Sinfonie einer Großstadt“ und des Mega-Films „Metropolis“ analysiert Goebbels mit viel jazzigem Krach, aber auch mit unverhoffter Stille, wie Menschen dicht an dicht gedrängt existieren. Volpi fühlte sich im ersten Halbjahr 2024 von der „Kraft“ dieser Musik fasziniert, hörte die wilden Klänge täglich, empfand sie als „sinnlich“, aber auch als „fragil“ und gelegentlich als „gewaltig“. „Experimente und Schritte ins Unbekannte“ wollte er choreografisch dazu wagen – ob ihm das gelang, darüber sind die Meinungen uneins.
Zumindest aber hofft Volpi wohl, dem sicheren Eklat, den „Demian“ in wenigen Wochen in Hamburg bedeutet hätte, zu entgehen. Die kritischen Stimmen zu seiner „wenig komplexen Choreografie“ (Presse-Zitat) wollten nach seiner von Buhrufen eingeläuteten „Ballett-Werkstatt“ zum „Demian“-Thema nämlich nicht verstummen.
Jetzt hofft Demis Volpi, an alte Erfolge anzuknüpfen. Für die Tänzerinnen und Tänzer bedeutet das einen Wahnsinnsstress zusätzlich. Aber wer sind sie schon, im Vergleich zu einem zwar noch jungen, aber anscheinend allmächtigen Ballettintendanten?
John Neumeier hätte man dafür schier gelyncht, wenn er seinem Ensemble einen solchen Wechsel abverlangt hätte.
Aber Volpi versucht so, seine Haut zu retten. Seinen Bonus an Vertrauensvorschuss dürfte er dennoch beim Gros des Publikums schon verspielt haben. Und übermäßige Professionalität kann man ihm jetzt eher auch nicht mehr nachsagen.

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Jener Teil der Fans vom Hamburg Ballett, die nach den Skandalenthüllungen der letzten Wochen eigentlich auf einen unkomplizierten Intendantenwechsel hoffen, sehen sich zurück versetzt in eine Zeit des ständigen Wechsels trotz gleichbleibender Mondphase. Surreal, das Ganze…
Aber vielleicht hat Demis Volpi ja auch heimlich die Mission, das Hamburg Ballett in seiner Qualität zu zerschlagen. Motto: Es ist halt nicht massentauglich genug, was Kunst am Ballett ist. Also muss her, was besonders laut ist.
„Surrogate Cities“ jedenfalls besorgt zur lauten (!) Jazzmoderne orgiastische Bühnenbilder, gewollt sexy Kostüme und wenig Inhalt. Also einen Zirkus, wie ihn sich ein Herr Kühne, in Hamburg bekannt als Opernhauskiller, sicher nur wünschen kann. Fehlt dann eigentlich nur noch der HSV, den Kühne sponsert, im Finale auf der Bühne der Staatsoper für die Hamburger Version– mit Maskottchen Peter Tschentscher als Überraschungsgast. Aber bitte im Spiderman-Kostüm!
Die Tickets behalten übrigens ihre Gültigkeit, können wegen der Programmänderung aber auch zurück gegeben werden. Und „Demian“ soll dann, womöglich nach gründlicher Überarbeitung, ab Dezember zu sehen sein. Ob die Oper dann noch steht, bei soviel Lärm um nichts?
Gisela Sonnenburg

Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister von Hamburg (zweiter von links) als Maskottchen des HSV, bei der so genannten „Aufstiegsfeier“, live vom NDR am Montag, 19.05.25, übertragen. Videostill: Gisela Sonnenburg