An sich wartet man in Berlin natürlich ganz gespannt auf die Eröffnung der sanierten Staatsoper Unter den Linden. Aber soweit sind die Dinge noch nicht gediehen, als dass man dort eine Art Sommerfest für alle veranstalten könnte. Also wurde von den Berliner Ballettfans am heutigen Sonntag wieder zum „Eröffnungsfest“ in die Deutsche Oper Berlin (DOB) gepilgert – zur letzten Veranstaltung dieser Art, die von Noch-Ballettintendant Nacho Duato begleitet wurde. Bei der Probe seiner Version von „Romeo und Julia“ mit Stargast Polina Semionova und Marian Walter in den Titelrollen sowie dem Staatsballett Berlin (SBB) auf der Hauptbühne fiel allerdings aus technischen Gründen die Musik aus. Immerhin konnte Duato dadurch zeigen, dass er – in ausreichendem Maße für eine solche Gelegenheit – auch singen kann. Einen Job als Gesangskünstler wird ihm aber wohl dennoch niemand anbieten, wenn er mit Ende der Saison Berlin verlassen wird.Die Choreografie von Duatos „Romeo und Julia“ entstand 1998 in Spanien, für die Compania Nacional de Danza in Madrid. Duato war damals dort Ballettchef. Beim Mikhailovsky-Theater in Sankt Petersburg, wo er danach und unmittelbar vor seiner Berliner Zeit wirkte, wurde das Stück dann ebenfalls getanzt: auch schon mit Polina Semionova in der Rolle der Julia, aber auch zum Beispiel mit Natalia Osipova als Julia und Leonid Sarafanov als Romeo.
Wer jetzt Polina und Marian damit auf der Bühne sah, war beglückt – einfach, weil die beiden in solchen Lover-Parts fantastisch harmonieren.
Die Polina-Fans geraten ja zudem ohnehin – und nicht zu Unrecht – bereits in einen Ekstase-ähnlichen Zustand, wenn sie der schönen und eleganten, vor allem auch ausdrucksstarken Künstlerin nur ansichtig werden.
Man muss es doch mal deutlich sagen: Es ist ein Verdienst von Nacho Duato, dass er die tolle Polina zurück zum Staatsballett Berlin holte, wenn auch nur als Stargast und nicht als reguläres Mitglied.
Die Premiere von „Romeo und Julia“ wird allerdings erst am 29. April kommenden Jahres, also 2018, sein – und zwar in der Staatsoper Unter den Linden. Der preußisch anmutende Rahmen des Hauses wird dann einen Kontrast zum Bühnengeschehen bilden: Es ist ja eine moderne Version des Balletts zur Musik von Sergej Prokfjew.
Kenner werden ganz sicher ihre Vergleiche mit anderen ballettösen „Romeos“ anstellen.
Vor allem mit dem von John Cranko, den das SBB bisher ja auch im Repertoire hatte, aber auch mit den bekannten Versionen von John Neumeier, Rudolf Nurejev, von Kenneth MacMillan und Frederick Ashton. Oder auch mit denen von Mauro Bigonzetti und Stijn Celis.
Aus stilistischen Gründen empfiehlt sich Letzeres, um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen: Duatos „Romeo“ ist, anders als sein „Dornröschen“, nicht wirklich klassisch zu nennen, sondern enthält überwiegend moderne Elemente. Und zwar solche, die die Choreo auf den ersten Blick typisch für Duatos Stil erscheinen lassen. Sie ist also etwas völlig anderes als die Cranko-Version.
Herzzerreißend rührend bleibt die Geschichte von den am Ende sterbenden Liebenden im Teenager-Alter dennoch.
Nach diesem gelungenen Auftakt zur Saison drängte sich das willige Ballett-Publikum zu Probeneinblicken ins Ballettzentrum.
Für den späteren Nachmittag waren dann auch noch Pas-de-deux-Proben in der „Tischlerei“, der Zweitspielstätte in der DOB, angesagt. Mit den Stars Iana Salenko und Dinu Tamazlacaru. Deren Miteinander im Paartanz ist seit Jahren bestens bewährt! Und um Paartanz-Spezifika ging es auch fürs Publikum. Die Wichtigkeit der Hebekraft der Jungs im Ballett, aber auch die Körperspannung der Damen, wenn sie hochgehoben werden, ist ja nicht zu unterschätzen!
Soweit, so schön die Planung.
Über die Organisation dieses Tages und inwieweit sie gelungen war, lässt sich allerdings streiten. So zankte sich ein Besucherpärchen hemmungslos mit dem Pförtner, weil es angeblich von Mitarbeitern des SBB ständig falsch und sozusagen wild herumgeschickt worden war.
Die Wege waren den beiden nicht mehr ganz jungen Leutchen dabei einfach zu weit, denn die „Tischlerei“ hat einen eigenen Eingang an der Rückseite der DOB, und von dort wieder zurück nach vorn ist es eine ganz hübsche Strecke. Nun ja.
Sowas kann man unter „unvermeidlich“ verbuchen, man kann aber auch genauer hinsehen und sagen: „So was ist konkret durch eine gute Organisation vermeidbar!“
Und auch ich selbst fand die Organisation diesen wichtigen Einstiegstags in die Droge „neue Spielzeit“ durch die Pressestelle vom SBB nicht nur professionell.
So entstammen die Fotos hier im Beitrag dem (Eröffnungsfest-)Archiv vom Ballett-Journal. Denn leider hatte Corinna Erlebach, die Pressesprecherin vom Staatsballett Berlin, es vorab völlig verabsäumt, darauf hinzuweisen, dass man sich dieses Jahr für Fotos vom Eröffnungsfest gesondert anmelden sollte. Schade!
Dennoch macht so ein Tag natürlich Lust auf mehr. Und die freundliche hübsche Leserin vom Ballett-Journal, die mich gegen 15.05 Uhr im Treppenhaus der DOB ansprach und begeistert von Polina und Marian war – sowie mitfühlend mit Alexej Orlenco (der verletzt ist und an den von dieser Stelle aus liebe Besserungswünsche gehen!) – würde mir einen großen Gefallen tun, wenn sie sich bei mir via E-Mail oder auch telefonisch mal meldet. Ich habe nämlich noch etwas mit ihr zu fachsimpeln…
Gisela Sonnenburg
„Dornröschen“ von Nacho Duato gibt es am 15. September 2017 wieder in der DOB – als erste SBB-Vorstellung dieser Saison!