Fröhlich, fetzig, fulminant! Mit „Don Quixote“ in der Version von Carlos Acosta – nach Marius Petipa – lockt das Londoner Royal Ballet am 7. November 23 live in die deutschen Kinos

"Don Quixote" kommt live ins Kino

Marianela Nunez und Vadim Muntagirov im köstlichen „Don Quixote“ in der Version von Carlos Acosta beim Royal Ballet in London. Foto: Andrej Uspenski

Das sonnige Gemüt, das wilde Temperament, das sinnliche Flair und die Schönheit der Landschaft – all das zeigt Spanien als Hintergrundkulisse im klassischen Ballettknüller „Don Quixote“. Im Vordergrund dessen stehen allerdings Ballettkünste vom Feinsten, und diese Mischung ist genau richtig, um den europäischen Herbst und den anrollenden Winter zu vergessen und sich Träumen von hochkarätigem Liebestanz hinzugeben. Das Royal Ballet aus London lockt mit seiner Version des „Don Quixote“, die Carlos Acosta 2013 premieren ließ, am 7. November 23 zur Live-Übertragung aus dem Covent Garden in die Kinos. Um 20.15 Uhr geht es an dem Dienstag los – und gleich nach Beginn sorgen exquisite, aber auch ausgelassene Tänze, begleitet von cineastisch gepeppter Musik von Ludwig Minkus länger als zwei Stunden für glückliche Power. Nicht nur die jungen Stars Mayara Magri als Kitri, bereits erfahren in der Partie, und Cesar Corrales, ein in Sachen Pirouetten kaum zu übertreffender Meister im Rollendebüt als Basilio, werden begeistern.  Sondern auch die weiteren Solisten und das Ensemble des Royal Ballet. Denn das hier ist ein unverzichtbares Kernstück des Repertoires! Die Musik von Ludwig Minkus wurde zudem von Martin Yates neu orchestriert und mit gefühlvollem Schmiss arrangiert. Die Rhythmen hat Yates betont und dadurch das typisch Spanische und Mitreißende der Musik noch stärker herausgearbeitet. Valery Ovsyanikov wird mit Verve dirigieren. Und die Tänzerinnen und Tänzer in ihren bunten Kostümen tragen dem Rechnung. Mehr spanische Energie im klassischen Tanz geht nicht!

Heißes Rot. Tiefes Schwarz. Blendendes Weiß. Dazu viele Rosa- und Mauve-Töne, romantische Sonnenuntergänge, ein blauweißer Wolkenhimmel und dunkelblaue Nacht: Wie ein wohl geordnetes Farbenmeer muten die Szenenerien oft an.

Die Stimmungen eines spanischen Dorfes, eines ländlichen Gasthauses, der nächtlichen Pampa und schließlich einer festlichen Hochzeit finden sich in der Ausstattung von Tim Hatley wieder. Das facettenreiche Lichtdesign dazu stammt von Hugh Vanstone.

In dieser nachgerade heilen Welt lebt Kitri als Tochter eines etwas schrulligen Gastwirts – und liebt den Barbier Basilio, wiewohl ihr Vater sie mit dem reichen Geck Gamache verheiraten will.

Da kommen Don Quixote, der Ritter von der traurigen Gestalt, und sein Gefährte Sancho Panzo als reisende Abenteurer gerade recht. Sie helfen, ohne es zu wissen, und sie unterhalten, ohne es zu wollen. Aber mit Willenskraft, Humor und Tollpatschigkeit wird dem Liebespaar eine tolle Zukunft bereitet.

"Don Quixote" kommt live ins Kino

Liebe bei Sonnenuntergang: Mayara Magri als Kitri mit Alexander Campbell als Basilio in „Don Quixote“ von Carlos Acosta beim Londoner Royal Ballet. Bald im Kino! Foto: Andrej Uspenski

Kitris diagonal die Luft durchpflügende Sprünge sind ohnehin legendär; und in den Pas de deux mit Basilio läuft jede Primaballerina zur Hochform auf. Auch Anna Pawlowa reüssierte in der Doppelrolle als Kitri und Dulcinea. Von Maya Plisetzkaya ganz zu schweigen: Filmdokumente versprühen immer wieder diesen Charme des klassisch interpretierten südländischen Stils.

Kein geringerer als Rudolf Nurejew brachte das Stück in 60er-Jahren den Westen. Zuvor war es tatsächlich außerhalb der Sowjetunion und einigen osteuropäischen Ländern kaum bekannt.

Es war ein Geschenk, das Rudi der internationalen Kultur machte, und seine eigene Stückversion wird ebenfalls noch von verschiedenen Compagnien getanzt. Denn für „Don Quixote“ gilt:

Hier ist die gute Laune sozusagen Programm!

Zumal etliche urkomische Passagen Klamauk und Slapstick in die Bühnenhandlung einbringen. Die Titelfigur und der Schildknappe Sancho, aber auch der Geck Gamache und die erst diebischen, dann hilfreichen Zigeuner (es heißt hier „gipsy dance“, jawohl) sorgen für unvergessliches Kolorit.

"Don Quixote" kommt live ins Kino

Sprünge, so hoch, gibt es im klassischen Tanz und gerade im „Don Quixote“ ganz wunderbar. Hier brilliert Marcelino Sambé als Basis beim Royal Ballet in London. Foto: Andrej Uspenski

Als abendfüllendes Ballett wurde „Don Quixote“ von Marius Petipa 1869 am Moskauer Bolschoi Theater uraufgeführt. Es entstand nach der Vorlage von Weltliteratur: Miguel de Cervantes veröffentlichte seinen tragikomischen Roman über Don Quixote de la Mancha in zwei Teilen, 1605 und 1615. Darin zieht der von der Ritterwelt besessene Romanleser Don Quixote mit seinem Diener aus in die weite Welt, um Abenteuer zu bestehen und die wunderschöne Dulcinea zu erobern. Weder das Erste noch das Zweite können klappen – aber „Don Q.“, wie er von Fans liebevoll genannt wird, sorgt überall, wo er auftaucht, für Trubel und nach einigen Turbulenzen auch für Heiterkeit.

Der Roman schildert viele Episoden, die sich wie Perlen auf einer Schnur aneinander reihen. Das Ballett aber kennt nur die Liebesgeschichte von Kitri und Basilio, die mit Flucht und Verkleidung, List und Sieg der Leidenschaft über Vorbehalte ausgestattet ist. Der tollkühne Junge Basilio heißt in anderen Versionen übrigens schlicht „Basil“. Ansonsten aber ähneln sich die Grundzutaten gelungener Quixote-Inszenierungen – mit gepfefferter Dramatik in Handlung und Tanz.

Lebenslust und Liebeszauber geben hier den Ton an!

Der Startänzer Carlos Acosta, der selbst 2013 als Basilio bei der Premiere in London tanzte, kreierte das Ballett nun nicht komplett neu. Sondern er nahm die überlieferte Originalchoreografie von Marius Petipa zur Vorlage und reicherte sie mit eigenen Ideen an. Eine fantastisch-fantasievolle Version des Klassikers entstand, die man als Ballettomane ebenso wenig verpassen sollte wie als Einsteiger in die Tanzkunst.

Acosta trat damals mit der ebenfalls weltbekannten Marianela Nunez als Kitri auf. Sie tanzte die Partie bei der jetzigen Aufführungsreihe im September 23 mit ihrem Standardpartner, dem Vadim Muntagirov.

"Don Quixote" kommt live ins Kino

Mayara Magri glänzt in der Hauptrolle der Kitri in „Don Quixote“ von Carlos Acosta beim Royal Ballet in London. Am 7. November 2023 auch in den deutschen Kinos zu sehen – LIVE! Foto: Andrej Uspenski

Starballerina Mayara Magri – welche die Kitri bei der Live-Übertragung in die Kinos am 7. November tanzen wird – gilt, wiewohl nur zwölf Jahre jünger, in gewisser Hinsicht als so etwas wie die Nachfolgerin von Nunez. Doch während die vielseitig-brillante Marianela schon mit 14 Jahren im Corps de ballet am Teatro Colon in Buenos Aires tanzte und erst dann auf die Royal Ballet School kam, von wo aus sie ihre grandiose Karriere startete, erhielt die kraftvoll-elegante Mayara Magri durch ein Stipendium, das sie beim Prix de Lausanne 2011 gewann, Zugang zu dieser superben Ballettausbildung.

Die virtuose Marianela feierte  dieses Jahr übrigens ihre 25-jährige Zugehörigkeit zum Royal Ballet, aber die delikate Mayara gilt als aufsteigender Stern im Bereich des aufstrebenden Nachwuchses.

"Don Quixote" kommt live ins Kino

Marianela Nunez mit einem der vielen Fächer, die Kitri in „Don Quixote“ durch die Luft zu wirbeln weiß. Wow! Foto vom Royal Ballet: Andrej Uspenski

Wer beide Ballerinen in ihrer Unterschiedlichkeit schätzt, sollte sich den Vergleich ihrer Interpretationen der Partie der Kitri nicht entgehen lassen. Nunez und Acosta sind dafür auch auf einer „Don Quixote“-DVD zu sehen.

Das Kribbeln einer Live-Vorstellung gewährt die silberne Scheibe natürlich nicht. Das ist aber nicht nur im Opernhaus, sondern eben auch bei der Live-Übertragung im Kino zu genießen.

Darum nichts wie hin: Fröhlich, fetzig und fulminant kommt dieser „Don Quixote“ zu uns – ein echter Leckerbissen!
Gisela Sonnenburg

Tickets gern vorab hier buchen: https://www.rohkinokarten.com

 

 

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