Endlich was mit Wumms Das Bayerische Staatsballett hat ein „Montagskonzert“ mit ballettösen Schmankerln abgeliefert: „Don Quixote“ bringt den ersehnten Schwung

Fetzig und doch von feiner Schönheit: „Don Quixote“ mit Laurretta Summerscales und Yonah Acosta vom Bayerischen Staatsballett am Abend des Pfingstmontag, live aus dem Nationaltheater in München. Videostill: Gisela Sonnenburg

Kastagnetten klackern, dieses aufmunternde Geräusch macht den Anfang – und dann saust die Primaballerina Virna Toppi wie von der Tarantel gestochen über die Bühne, springt den „Kitri“-Sprung mit Verve, dreht sich, dass ihr gestreifter Stufenrock nur so fliegt – und verströmt jenen Charme, den die weibliche Hauptrolle aus „Don Quixote“ seit jeher so anziehend macht. Nach ihrem kurzen, aber heftigen Solo aus dem ersten Akt folgt der groß angelegte Hochzeits-Pas-de-deux aus dem Meisterwerk „Don Quixote“ in der klassischen Choreografie von Marius Petipa: in der Besetzung mit dem virtuosen Ehepaar Laurretta Summerscales und Yonah Acosta. Und nichts daran ist so verquält und gehemmt, oberflächlich und verkrampft wie die meisten bisherigen Tanznummern der Online-Live-Shows der Bayerischen Staatsoper. Endlich klappt mal die Illusion, hier würde wie in einer abgefilmten Gala ein Bravourstück getanzt, mit galantem Glanz und souveränem Stolz. Da hat jetzt mal was richtig Wumms gehabt, das hier am Abend des Pfingstmontag live übers Internet als „9. Montagskonzert“ aus dem Münchner Nationaltheater gesendet wurde. Demnächst wird es auf staatsballett.de als Video on Demand zu sehen sein – nicht verpassen!

Mit seinen Stars und sauber, aber virulent getanzter Tradition hat das Bayerische Staatsballett allerdings auch wirklich etwas zu bieten, und endlich dürfen die Zugpferde des Ensembles zeigen, was sie drauf haben. Trotz Corona– aber hoffentlich mit Proben unter definitiv ausreichenden Sicherheitsbedingungen.

Man hätte sich die vorangegangenen Tanzeinlagen bei den Montagskonzerten mit deren  stimmungsarmen Unentschiedenheit eher sparen sollen und dafür konzentriert auf so ein Highlight hinarbeiten. Wenn man schon nicht auch mal Improvisationen zu Live-Musik wagen will!

Was die Klassik angeht, so funkelte und sprühte jetzt aber endlich jenes Temperament, für das das Ballett allgemein so sehr geliebt wird.

Yonah Acosta mit wachem Auge und Laurretta Summerscales mit strahlendem Lächeln – und natürlich fabelhafter Balance. So demnächst wieder zu sehen: online auf staatsoper.tv beim 9. Montagskonzert. Videostill: Gisela Sonnenburg

Vor allem der Grand Pas de deux aus „Don Quixote“ besticht. (Er stammt allerdings aus dem letzten Akt des Stücks und nicht, wie fälschlich live eingeblendet, aus dem ersten Akt.)

Das Paar Summerscales-Acosta zelebriert vom ersten Atemzug an ein tänzerisches Hohelied auf die Liebe. Im Stück ist es ja so, dass die Wirtstochter Kitri ihren Basilio erst nach einigen Abenteuern heimführen kann. Aber dafür wird bei ihrer Hochzeit ganz besonders aufgetanzt!

Die Sprünge und Manegen von Yonah Acosta sind von erlesener Schönheit, von ausgewogenem Rhythmus, von fliegender Leichtigkeit. Er kann sich zurücknehmen, wenn er vorwiegend seiner Partnerin Halt gibt, und er kann voll aufdrehen – schier ohne Ende – wenn es darum geht, männliche Kraft und Anmut in quirlige Bewegung umzusetzen.

Laurretta Summerscales steht ihm in nichts nach. Im Gegenteil: Ihre akkuraten Posen und auch mal auffallend grandiosen Balancen, ihre wilden Fouettés mit mehrfachen Pirouetten und ihre exzellenten Ports de bras und auch ihr berückendes strahlendes Lächeln, das von Tanzlust pur kündet, machen aus ihr auch in einer so merkwürdigen Situation wie einer Show aus dem leeren Opernhaus eine First-Class-Ballerina.

Großartige Tänzer, auch vor leerem Haus in Corona-Zeiten: Laurretta Summerscales und ihr Ehemann Yonah Acosta am Pfingstmontagabend 2020 im Nationaltheater in München. Olé! Videostill: Gisela Sonnenburg

Vor allem, wenn sie und ihr Gatte gemeinsam – oder auch zeitweise hervorragend synchron – diese in ihrer ersten Version 1869 uraufgeführte Choreografie tanzen, mutieren die beiden zu lebenden Sinnbildern der Harmonie.

Das ist unbedingt auch mehrfaches Ansehen wert!

Einige Male Anlauf brauchte das Bayerische Staatsballett allerdings dafür; noch letzte Woche hatte man den Eindruck, das Fehlen des Publikums und der Druck, den die Direktion auf die Leistungskünstler ausübt, könnten genau das verhindern, worum es im Ballett geht: um die Freude am Ausdruck und die Hingabe an die Kunst.
Gisela Sonnenburg

www.staatsballett.de

 

 

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