Wie sich eine schlechte Tänzerin zum Opfer stilisiert Beim Staatsballett Berlin rumort es: Angeblich wurde die dunkelhäutige Ballerina Chloé Lopes Gomes rassistisch diskriminiert. Aber ist es Zufall, dass sie als schlechteste Corps-Tänzerin aller Zeiten auffiel?

Sensationelle Romantik: Yolanda Correa und Dinu Tamazlacaru als neues Dreamteam vom  Staatsballett Berlin in „Giselle“

Auf der Bühne stand Chloé Lopes Gomes (vierte von rechts und zugleich vierte von links hier im Bild) nur selten im Mittelpunkt. Vorne verbeugen sich Yuka Matsumoto (links) und Cécile Kaltenbach (rechts) als Novizinnen der Wilis mit dem Staatsballett Berlin nach „Giselle“. Foto: Gisela Sonnenburg

Die Reihenfolge in solchen Fällen ist immer dieselbe: Erst kommt die Kündigung, dann das Whistleblowing. Verbunden damit: blindwütige Beschuldigungen. Jetzt hat es ein deutsches Staatsballett erwischt: Dem Staatsballett Berlin beziehungsweise einer dortigen Ballettmeisterin wird vorgeworfen, eine dunkelhäutige – und zum Saisonende gekündigte – Tänzerin rassistisch behandelt zu haben. Aber ist das glaubhaft? Seit sich aus der „Black Lives Matter“-Bewegung eine Masche entwickelt hat, mit der Menschen, die sonst nicht viel zu sagen haben, sich wichtig machen können, war damit zu rechnen, dass auch im Ballett ein solcher Knall kommt. Natürlich kann man über Rassismus im Ballett reden. Natürlich fällt auf, dass nur wenige Stars und Sternchen im Ballett dunkelhäutig sind. Aber rechtfertigt das die konkreten Berliner Vorwürfe, die deutlich unwahrscheinlich klingen? Und wo bleiben die Beweise? Chloé Lopes Gomes, in Nizza geboren und seit 2018 Tänzerin im Corps vom Staatsballett Berlin, hätte ihr angebliches Leiden, wenn es denn existiert hat, entweder von sich aus durch Kündigung ihrerseits beenden können – oder sie hätte beizeiten, zumindest, bevor ihr gekündigt wurde, mit dieser angeblichen Wahrheit herausrücken können. Eine gute Gelegenheit dafür wäre der Abgang des vormaligen Intendanzduos Johannes Öhman und Sasha Waltz gewesen. Damals wäre das angebliche Opfer vielleicht ein gutes Stück glaubwürdiger gewesen. Stattdessen aber schwieg Lopes Gomes – und erzählte jetzt gleich dem Magazin „Der Spiegel“, das noch von seinem früheren guten Ruf als Aufklärungsorgan zehrt, das angeblich erlittene Horrorszenario. „Immer wieder“ sei sie im Ballettsaal rassistisch verbal diskriminiert worden. Von immer derselben Ballettmeisterin. Und niemand habe etwas dagegen getan. Aber jetzt: Jetzt wirbelt die Sache immerhin so viel Staub auf, dass besonders Erregte den Vorfall ohne irgendeinen Beweis zum Musterfall hochstylen. Fakt ist: Nicht eine durchschnittlich gute Ballerina, sondern die mit Abstand schlechteste Tänzerin des klassischen Corps vom Staatsballett Berlin stilisiert sich hier zum Opfer.

Sasha Waltz und Johannes Öhman bei ihrer zweiten PK in Berlin

Nicht alles, was sie mitzuteilen hatten, stieß auf Begeisterung: Sasha Waltz (rechts), Johannes Öhman (mittig) und ihre Übersetzerin bei einer Pressekonferenz 2018 beim Staatsballett Berlin. Am Rassismus-Vorwurf schrammten die damaligen Ballett-Intendanten aber vorbei, obwohl der Großteil der angeblichen Vorfälle in die Zeit ihrer Intendanz fiel. Foto: Gisela Sonnenburg

Ich erinnere mich sehr gut an die Vorstellung von „Giselle“ vom 29. Oktober 2020. Es war eine umjubelte Show und eines der wenigen abendfüllenden Handlungsballette, die in dem knappen Zeitfenster zwischen Sommerpause und November-Lockdown stattfinden konnten.

Aber im weißen Akt, dem zweiten Teil des Abends, trübte zeitweilig eine Ballerina im Corps das Vergnügen, indem es ihr manchmal nicht gelang, harmonisch synchron mit den anderen Mädchen zu tanzen.

Irgendwie schienen vor allem ihre Beine ihr nicht so gut zu gehorchen, wie es hätte der Fall sein müssen: Sie hielt die Arabeske oft zu niedrig und schaffte es auch nicht immer, das Bein im Takt anzuheben.

Das war die schlechteste Leistung, die ich je in einer klassischen Truppe gesehen habe. Aber es war keine Solistin, die so durchhing, sondern nur ein Mädchen aus den hinteren Reihen.

Ich habe das damals nicht geschrieben, weil ich jeder Tänzerin auch mal einen schlechten Tag zugestehe, solange sie keine tragende Rolle damit verhunzt.

Aber ich weiß noch, dass ich damals überlegte, ob ich Chloé Lopes Gomes, die betreffende Tänzerin, tadelnd erwähnen solle.

Vielleicht war es ein Fehler, so nachsichtig zu sein und es nicht zu tun. Vielleicht lag es sogar auch daran, dass sie schwarz war und darum im Corps der weiß gekleideten weißhäutigen Ballerinen erst recht auffiel. Vielleicht war ich zu nachsichtig.

Aber kann nicht auch eine eher schlechte Tänzerin mit ihren Anwürfen glaubwürdig sein?

Nun kenne ich das Staatsballett Berlin nicht erst seit einem Jahr.

Mag sein, dass sich auch dort im Ballettsaal mal jemand im Ton oder in der Wortwahl vergreift. Aber kontinuierliche rassistische Verbalattacken?

Sorry, aber das scheint mir bei einem Ensemble, das seit Jahrzehnten fast ausschließlich aus „Ausländern“ besteht und das bei einem Streik über alle kulturellen Brücken hinweg stark solidarisch zusammenhielt – inklusive BallettmeisterInnen – absolut nicht glaubwürdig.

"Der Nussknacker" hebt die Stimmung!

Gregor Glocke (vorn als zweiter von rechts im Bild) – er gab sein Debüt in diesem Part an seinem Geburtstag – und die ihn begleitenden Damen vom „Danse Orientale“ beim Schlussapplaus von „Der Nussknacker“ beim Staatsballett Berlin. Bravo! Foto: Gisela Sonnenburg

Allein die Thematisierung der Hautfarbe auf der Bühne ist keineswegs Rassismus.

Die Feststellung, dass eine stark dunkelhäutige Ballerina in einer Reihe hellhäutiger Tänzerinnen unweigerlich auffällt, ist schlichtweg richtig.

Die Hautfarbe darf nicht zum Tabu werden!

Und ob man nun weiß überschminkte schwarze Körper in solchen Fällen schöner findet als den natürlichen dunklen Farbton, ist eine Frage der Ästhetik. Und nicht irgendwelcher politischer Korrektheiten.

Als die Starballerina Iana Salenko die Titelrolle von „La Esmeralda“ beim Staatsballett Berlin tanzte, schminkte sie Gesicht und Körper jedes Mal mit einem rotbraunen Body-Make-up. Das gehörte zur Rolle.

Und nun soll eine Angleichung an die Rolle einer weißen Geisterfrau unter lauter weißen Geisterfrauen oder die Angleichung an einen weißen Schwan unter lauter weißen Schwänen verpönt sein? Wozu dann überhaupt noch schminken und kostümieren?

Die Hetzjagd nach vermeintlichen Rassismen klingt genau nach jener lobbyistischen Verdreherkultur, die von den Unbegabten in diesem Land so sehr gerne ausgeübt wird. Wer nix kann in Deutschland, wird Denunziant! Neu ist das nicht.

Es gibt übrigens mit Gregor Glocke auch einen männlichen dunkelhäutigen Tänzer im Staatsballett Berlin, und er tanzt seit 2017, also ein Jahr länger als Lopes Gomes, im Ensemble. Bisher war von ihm nicht zu hören, dass er sich an seinem Arbeitsplatz rassistisch diskriminiert und einschlägig verbal verunglimpft fühlt.

Das Ballett ist schließlich auch kein verhüllter Bereich. Man kann hier nicht irgendeinen Mief und Muff unter bodenlangen Talaren verstecken.

Die Probleme, die es im Ballett gibt, sind offensichtlich. Dass es nur wenige Dunkelhäutige gibt, hat viele Ursachen. Aber bestimmt nicht die, dass eine einzelne Ballettmeisterin in Berlin eine einzelne schwarze Tänzerin verächtlich gemacht hätte.

Übrigens: Auch in den Orchestern gibt es nur wenige Dunkelhäutige.

Und die meisten MalerInnen, die in Europa Erfolg haben, sind auch nicht gerade schwarzhäutig.

Auch die „Spiegel“-Journalisten sind zumeist hellhäutig.

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Mir fällt sowieso keine Berufsgruppe ein, in der Schwarze in Deutschland stark vertreten wären. Das liegt vielleicht auch daran, dass Schwarze in Mitteleuropa keine Mehrheit sind.

Kann man darum umso leichter seine Wut und seinen Frust über eine Kündigung mit Anwürfen in Sachen Rassimus ausgleichen wollen?

Berlin hat nun schon seinen zweiten ballettösen Skandal in diesem Jahr.

Aber: Im Falle von Ralf Stabel und seinem teilweise haltlos schlechten Lehrpersonal an der Staatlichen Ballettschule Berlin gab es Dutzende von ZeugInnen, die – auch schriftlich – Glaubhaftes von sich gaben. Die sich befragen und auf Herz und Nieren prüfen ließen. Die sowohl vor wie hinter der Linie standen. Die übereinstimmend von Vorfällen aus verschiedenen Jahrgängen berichteten, obwohl sie sich untereinander nicht mal kannten.

Und hier? Hier genügt es, beim „Spiegel“ abzujammern.

Mir genügt das nicht!
Gisela Sonnenburg

www.staatsballett-berlin.de

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