Liebe, Lust und Lloyalität In Hamburg wurde mal kein Neumeier, sondern der romantische Klassiker „Napoli“ mit der choreografischen Ergänzung von Lloyd Riggins uraufgeführt

Napoli!

Ein neckisch getanztes Postkartenidyll als hintergründige Weltflucht: „Napoli“ von Bournonville und Riggins in der Hamburgischen Staatsoper. Foto: Holger Badekow

Man steigt hinab in die Untiefen der ballettösen Kleinteiligkeit – und erklimmt zugleich einen Himalaja der Virtuosität. So in etwa könnte man den Stil von Auguste Bournonville beschreiben. Der dänische Ballettmacher, 1805 unehelich geborener Sohn eines französischen Ballettmeisters, hatte mehr Talent im kleinen Finger als viele seiner Zeitgenossen im gesamten Tanzkörper. 1842, ein Jahr nach der Pariser Uraufführung des romantischen Blockbusters „Giselle“, kreierte Bournonville in Kopenhagen sein Ballett „Napoli“ – mit einer brisant-lustigen Vorgeschichte.

Bournonville hatte von der Bühne herab, als er ausgebuht worden war, den im Publikum sitzenden dänischen König gefragt, ob er überhaupt weiter tanzen solle. Das empfand man als Affront und Anmaßung. Man wollte den Tänzer und Choreografen erst einmal nicht mehr sehen. Bis sich der Skandal gelegt haben würde, machte er eine Art Zwangsurlaub in Italien. Mit künstlerischen Folgen: Kaum zurück in Dänemark, setzte Bournonville seine Eindrücke der mediterranen Lebensweise in ein Handlungsballett um, eben in „Napoli“. Ein Ballett nach einer Stadt zu benennen, mag schon seltsam anmuten – aber das Exotische der süditalienischen, erzkatholischen Metropole sorgte bei den Zeitgenossen Bournonvilles bereits für Neugier. Es konnte sich schließlich längst nicht jeder damals eine Italien-Reise leisten, auch wenn diese schon seit Goethe (der 1832 verstarb) ein hoch begehrtes Medium zur Bildung von Geschmack und Kulturkenntnissen war.

Das Libretto von „Napoli“ ist für unser Empfinden denkbar einfach, es war für die Zeitgenossen Bournonvilles, die ansonsten auch ziemlich komplizierte Handlungsvorgänge duldeten, angenehm nachvollziehbar, dabei puppenstubenhaft theaterwirksam: Gennaro, ein einfacher neapolitanischer Fischer, liebt Teresina. Deren Mutter hätte aber gern einen reicheren Schwiegersohn. Bei einem Sturm verunfallt Gennaros Boot mit Teresina an Bord – und während er gerettet wird, landet die schöne Maid als Gefangene im Harem eines Wasserdämons. Gennaro überwindet seine Ängste und Bedenken, geht auf die Suche nach ihr und schafft es, sie aus den erotischen Fängen des Wasserdämons zu befreien. Die Rückkehr der beiden ins neapolitanische Treiben wird den ganzen dritten Akt lang aufwändig gefeiert: mit Tanz, Tanz, Tanz und nochmals Tanz.

Lloyd Riggins, designierter Stellvertreter von Ballettintendant John Neumeier beim Hamburg Ballett und wie dieser aus den USA stammend, hat sich dieser dänisch-italienischen Sache angenommen und sie mit historisch gültigem Impetus auf die Bühne der Hamburgischen Staatsoper gestellt. Riggins ist mit dem Stück bestens vertraut, denn er kam einst über Kopenhagen nach Hamburg und hatte, bevor er in Hamburg als Erster Solist reüssierte, beim Königlichen Dänischen Ballett bereits eine Karriere auch als Erster Solist hinter sich. 1992 tanzte er dort erstmals die Hauptrolle, den Gennaro, in „Napoli“.

Jetzt tritt er erstmals auch als Choreograf mit dem Abendfüller in Erscheinung. Denn die Choreografie des mittleren Akts des dreiteiligen Balletts ist verschollen und wird – im Gegensatz zu den erhaltenen beiden anderen Akten – von jedem Inszenator neu kreiert. Riggins fand sowohl für die Einstudierung der überlieferten Bournonville-Passagen als auch für die Neufindung des Mittelstücks die richtigen Wege. Der eigenwillige Stil, der sich mit Bournonville als typisch für das dänische Ballett ausgeprägt hat, wird auf den Punkt und äußerst zuschauerfreundlich serviert.

Die Bühne von der kompetenten Ausstatterin Rikke Juellund ist genau so, wie sie in „Napoli“ sein muss, sie ist in den beiden neapolitanischen Akten sogar so, dass man von „Werktreue“ sprechen kann: Erst lockt der Blick auf den Vesuv im Hintergrund, am Ende dann ein hier doppelter Stadtmauer-Torbogen mit begehbarer Galerie. Zudem ist die Bühne in den beiden äußeren Akten ziemlich dicht bevölkert: mit adrett und bunt gekleideten Menschen, darunter sind etliche Kinder, die allesamt dem romantizistischen Ideal des dörflichen Lebens im 19. Jahrhundert entsprechen.

Ein Postkartenidyll, das mit dem realen Neapel schon damals nicht viel zu tun gehabt haben dürfte. Städtisch muten denn auch weder die Kulisse noch das Personal an: Bournonville, der in Süditalien herum gereist war, verdichtete seine Impressionen zu einer eher dörflichen Idealvorstellung. So gleichen die Kostüme in manchen anderen Inszenierungen von „Napoli“ sogar denen des ersten Aktes von „Giselle“ aufs Haar.

der zweite Akt von Napoli

Im zweiten Akt von „Napoli“ versucht der Wasserdämon (total erotisch: Otto Bubenicek), die zarte Teresina (Silvia Azzoni) zu verführen… zu allem! Foto: Holger Badekow

Die Feuerprobe des Hamburger Abends aber bestand im zweiten, neu zu schöpfenden Akt. Für die Grotte, in der er spielt und die von der Kulisse her allzu leicht in Kitsch abgleiten kann, zumal, wenn man sich an der real existierenden „Blauen Grotte“ orientiert, haben sich Riggins und seine Ausstatterin indes etwas ganz besonders Schickes einfallen lassen: Fransige Vorhänge in graublauen Nebelfarben hängen zottelig aus dem Schnürboden herab, illuminert von grünblau wabernden Lichtprojektionen. Das ist gruselig und elegant zugleich!

Die Farben sind mit knallblauem Himmel, grauem Vulkan, terracottafarbener Stadtmauer und dem blaugrauen, auch violett schimmernden Grottenoutfit geradezu idealtypisch fürs die Imagination italienischer Lichtverhältnisse. Dazu dann das Gewimmel und Getümmel, am Ende noch mit Blick auf eine Nischenmadonna – es ergibt sich ein Italien wie aus der Operette.

Operettenhaft fröhlich, dabei stark stilistisch überformt, mutet auch das eigentlich Wichtige hier an, nämlich der Tanz. Silvia Azzoni als Teresina und Alexandre Riabko als Gennaro – so hieß übrigens der Bootsmann, mit dem Bournonville in seiner neapolitanischen Phase häufig raus aufs Meer fuhr – sind einfach nur entzückend! Den kniffligen Bournonville-Stil mit seinen vielen kleinen Hüpfern, den eng gesprungenen Battements und den rund gebogenen Armen haben sie drauf, als hätten sie nie was anderes getanzt. Und auch die anderen Ballerinen und Ballerinos, bishin zu einem an Synchronizität und Harmonie kaum noch zu überbietenden Corps de ballet, reißen mit, begeistern, vermitteln die künstlerisch gestaltete Volkstümlichkeit dieses Stils.

Nur das Hin- und Herschwanken des Oberkörpers, das den Tanzenden mitunter die Anmutung von in stürmischem Wasser schaukelnden Bojen verleiht, müssten Solisten wie Corps noch etwas üben. Auf die Gefahr hin, vor lauter historischer Reinheit dann doch auch etwas geschmäcklerisch zu wirken. Den Esprit der Romantik und künstlichen Volkstümlichkeit, den die Bournonville-Ballette unbedingt verströmen müssen, transportiert das Hamburger Ensemble aber par excellance, und darauf kommt es an.

UND BITTE SEHEN SIE HIERHIN: www.ballett-journal.de/impresssum/

Das gilt auch für die ausführlichen Pantomimen der beiden Rahmenakte. So simpel der Handlungsverlauf im großen Abriss ist, en detail sind dann doch viele kleine Fallstricke eingebaut. Hier erzählt jemand etwas, dort reagiert jemand. Hier wird etwas ausbaldowert, dort zerschlagen. Die soziale Interaktion ist drastisch präsent wie in einem Stummfilm – fehlt eigentlich nur noch die Übertitelung, etwas, das man eigentlich auch noch machen könnte, um die Gestiken und Pantomimen deutlich zu enträtseln. Putzig muten sie aber allemal an. Da „singt“ der clowneske Pascarillo (hervorragend: Zachary Clark) stumm mit offenem Mund ein ganzes Lied, das von der Trompete als seiner Stimme akustisch illustriert wird. Es ist zum Piepen komisch! Andere Musikinstrumente wie die Gitarre werden auf die Bühne geholt und bleiben zwar stumm, damit das klassische Orchester weiterhin zur ästhetischen Geltung kommt. Aber raffiniert wirkt der Kunstgriff, Gennaro zum Liebhaber mit Gitarristenanmutung zu machen – o, sole mio! – allemal.

Arm, aber sexy ist dieses Wunschtraum-Dasein. In Kopenhagen, wo es nicht immer nur sommerlich schön ist, wollte man Italien nun mal auch als Beinahe-Paradies sehen. Zumal die dänische Monarchie nicht besonders tolerant war. Ihren großen Aufklärer Johann Friedrich Struensee, einen deutschen Arzt und Staatsphilosophen, hatten die Dänen im 18. Jahrhundert schlichtweg hingerichtet, als er auf dem Gipfel seiner Einflussnahme vor Ort dem dänischen Staat ein drastisches Sparprogramm verschreiben ließ. Man lebte unter Druck, politisches Gerangel kam dazu – da kam die Illusion vom richtigen Leben im falschen, wie es das Ballett „Napoli“ tänzerisch formuliert, gerade recht.

Napoli. Akt 3

Der dritte Akt von „Napoli“ ist ein einziges Tanzgelage sprich eine Tanzorgie: außer Rand und Band – und wird dennoch detailfreudig synchron getanzt… Foto: Holger Badekow

Den Weltflucht-Gedanken betont auch Choreograf Lloyd Riggins: Die „Wirklichkeitsflucht“ sei „ein wichtiger Schlüssel im Verständnis für jene Zeit“, erklärt er. Tatsächlich hat die dänische Kultur außer dem Ballett und den Kopenhagener Gebäckstücken noch eine weniger materielle Qualität von Welt anzubieten, und zwar das Werk des Philosophen Sören Kierkegaard (1813-1855). „Wiederholung und Erinnerung sind die gleiche Bewegung, nur in entgegen gesetzter Richtung“, notierte er. Und weiter: „Daher macht die Wiederholung, falls sie möglich ist, den Menschen glücklich, indessen die Erinnerung ihn unglücklich macht, unter der Voraussetzung nämlich, dass er sich Zeit nimmt zu leben und nicht schnurstracks in seiner Geburtsstunde einen Vorwand zu finden trachtet, sich aus dem Leben wieder davon zu stehlen, z. B. weil er etwas vergessen habe.“

Vulgo: Wiederholung mache glücklich und sei sogar ein probates Mittel gegen Suizidgedanken! Dem folgen die Tänze in Bournonvilles Stücken – ein anderes bekanntes ist „Das Blumenfest von Genzano“ – unbedingt und unmittelbar. Da sehen wir die Lebensfreude und die Überschwänglichkeit der Südländer – gegossen in folkloristisch angehauchte, aber äußerst kunstvoll ziselierte choreografische Formen. Kein Zweifel: Das Stück ist ein temperamentvoller Stimmungsmacher, es hebt die Laune ungemein, schon allein dadurch, dass hier lyrisch, lieblich und auch niedlich gehüpft und pirouettiert wird.

Auch die Musik von verschiedenen Komponisten, der gelegentlich melodische Gassenhauer-Zitate wie aus „Oh, du fröhliche“ eingebaut sind, unterstreicht diesen überschäumend glücklich machenden Charakter des Ganzen. Den Philharmonikern Hamburgs gebührt größtes Lob für ihre Leistung bei der Premiere unter Markus Lehtinen: akkurat und fein temperiert setzten sie die Pointen und Melodiebögen auf die walzernden rhythmischen Unterlagen. Jawoll, das ist Swing auf balletisch!

Die Divertissements, also die Einlagen, sind dabei musikalisch wie tänzerisch das Wichtigste: Die Jungs haben viele kleine Sprünge zu absolvieren, oftmals von einem Bein aufs andere und zurück, ohne das jeweilige Spielbein vorher absetzen zu können. Das geht ins Kreuz und auf die Waden – beide Muskulaturen werden vom Bournonville-Stil herzlich gestärkt. Die Mädchen hingegen dürfen fleißig mit den gestreckten Füßen ihrer Spielbeine vor dem anderen Fuß, der auf dem Boden steht, Kreise beschreiben, also sozusagen die Luft durchquirlen: neckisch schaut das aus, und obwohl es nur wenig Raum benötigt, hat man den Eindruck, die jungen Damen seien agil und heftig in Bewegung.

SO SCHNELL WIE VON DER TARANTEL GESTOCHEN

Beide Geschlechter müssen die Attitüden zudem betont niedrig, dafür besonders elegant und ruhig halten. Bei den Sprüngen drehen sie dann jedoch voll auf, ebenso bei den schnurgerade zu präsentierenden Drehungen. Wowowowow – das macht Effekte, gerade im Kontrast zu den kleinteiligen, auf der Stelle hüpfenden Passagen. Der Gipfel dessen, der Himalaja sozusagen, ist die finale Tarantella. Diese italienische Folklore, die so schnell getanzt werden muss, als sei man von der Tarantel (einer giftigen Spinnenart) gestochen worden, lernte Bournonville während seines Neapel-Aufenthalts kennen, und es ist für die Tanzgeschichte wichtig, dass er sie in den Kanon des romantischen Balletts überführte.

Besonders glänzen hier neben den exquisiten Hauptdarstellern auch Yuka Oishi und Thomas Stuhrmann, die – was in der Kombination mit Balletttanzen sehr schwer ist! – sogar noch mit Tambourin bewaffnet die schönsten Hüpfer absolvieren. Aber auch die Pas-de-Six-Teilnehmer mit den vier Damen Madoka Sudai (für die verletzte Hélène Bouchet), Winnie Dias, Leslie Heylmann und Anna Laudere sowie den Jungs Karen Azatyan (Neumeiers Neuerwerbung aus München) und Silvano Ballone heben einen in den siebenten Himmel, wenn man Sinn für den anmutig wippenden „Blitzkrieg“ der Füße gegen die Schwerkraft hat.

Vom ersten Akt bis zum Finale, das in einer rasanten Tarantella besteht: Da greifen sich die Pärchen voller Lust gegenseitig in die Taillen, kreiseln munter wie beim Volkstanz, und sogar „Hacke-Spitze-Eins-zwei-drei!“-Elemente sind zu sehen (beim Liebespaar Teresina und Gennaro). Zudem funktioniert all das in einem Affentempo – eine hervorragende Kondition der Tänzerinnen und Tänzer ist dafür die Voraussetzung.

Napoli mit LIebesbonus

Ein Paar, das sich einfach lieben muss: Silvia Azzoni als Teresina und Alexandre Riabko als Gennaro. Foto: Holger Badekow

Lloyd Riggins und seine beiden Assistentinnen in dieser Produktion – seine Gattin, die Ballettmeisterin Niurka Moredo, und deren Kollegin Laura Cazzaniga – haben ganze Arbeit geleistet. Es ist, als hätte der Erste Ballettmeister Kevin Haigen, der hier nicht selbst tätig war, seine jüngeren meisternden Mitarbeiter in bestimmte Geheimnisse der Kunst eingeweiht.

Die sichtbaren Ergebnisse jedenfalls sind exzellent. Dabei gibt es noch eine nennenswerte Schwierigkeit zusätzlich in „Napoli“ zu meistern: All die kleinen Virtuositäten dürfen nicht zu sehr „ausgestellt“, nicht zu gewollt lustig wirken. Das ist durchaus schwer zu machen, verführt die neckisch-einladende runde Armhaltung im Bournonville-Stil doch leicht zu einer etwas eitlen Selbstbespiegelung auf der Bühne. Das würde dann aber kitschig und selbstbezogen wirken.

Doch keine Angst! Das Hamburg Ballett hat sich und somit uns fest im Griff, man ist gefesselt, ohne sich unfrei zu fühlen. Und das gilt auch für den mittleren Akt, auf den Kenner der Materie besonders gespannt waren. Tatsächlich passt der ein etwas modernerer Stil fraglos in diese fransige Traumwelt aus Nymphen mit Haremsboss, und die schlichten Kostüme tun auch hier ein übriges: Sie unterstreichen die vornehmen Linien der Tanzenden.

EIN UNGEHEUER EROTISCHES UNGEHEUER

Der Wasserdämon Golfo ist mit Otto Bubeníček aber auch wirklich fantastisch besetzt. Bubeníček, Zwillingsbruder des weltweit gastierenden und auch hoch begabt choreografierenden Tanzstars Jiří Bubeníček (der häufig in der Dresdner Semperoper auftanzt), blüht hier auf und entfaltet eine Sexiness und Unverklemmtheit, wie man sie ihm fast schon nicht mehr zugetraut hätte. Es ist einfach wunderbar, Otto mit rückenlanger Dreadlock-Perücke und nacktem Oberkörper, übrigens auch mit nackten Füßen, so dermaßen erotisch tanzen zu sehen, als wolle er nicht nur seine Najaden und die in seiner Sphäre neu angekommene Teresina verführen, sondern auch gleich das gesamte Publikum.

Lloyd Riggins schuf für ihn eine laszive, lässige, nichtsdestotrotz erhabene und elegante Körpersprache, die bei aller modernen Anmutung auch noch nach Bournonville duftet. Fein. Für Experten des erotisch-sinnlichen Tanzes ist schon allein dieser Wasserdämon von Otto Bubeníček ein Grund, mehrfach diese Inszenierung zu besuchen. Wie er es unternimmt, seine vierzehn Najaden zu becircen und zu kontrollieren, sie sich geschmeidig und willig zu machen, ist einzigartig zu sehen. Mit Teresina, bei der Premiere auch in diesem Akt superzart von Silvia Azzoni getanzt, hat er eine sanfte Einbürgerung vor, allein, die junge Dame ist zwar offen für alles und keineswegs erschrocken von der Freizügigkeit in der Grotte. Aber es funkt nicht genügend zwischen ihr und dem Meereswesen, was sicherlich an ihrer starken Verliebtheit in Gennaro liegt. So wird sie in den entscheidenden Momenten, wenn Golfo sie hoch hebt, körperlich stumm, also steif, und trotz mehrfacher Hinführungen und Versuche muss der erotische Macker erkennen, dass seine Macht hier noch nicht ganz ausreicht.

Napoli beim Hamburg Ballett

Furios: Verzwickt komplizierte Sprünge, Drehungen, Formationen, dann ein hübsches finales Standbild. „Napoli“! Foto: Holger Badekow

Folgsam wurde Teresina ihm allerdings schon, und es sieht auch ganz so aus, als würde nach einiger weiterer Zeit des Kierkegaard’schen Wiederholens das Bestreben von Golfo erreicht werden. Riggins nennt die Öffnung zur totalen Hingabe übrigens transzendierend „die Seele übergeben“ – Golfo, der in anderen „Napoli“-Inszenierungen als plumper Sexprotz dasteht, ist hier ein Seelenfischer und somit ein hübsch passendes Gegenstück zu dem „normalen“ Fischer Gennaro.

Dieser kommt gerade noch rechtzeitig, um das Abgleiten seiner Geliebten in die nymphoman inspirierten Najadengefilde zu verhindern. Auch einen Zweikampf mit Golfo überlebt er, weil Teresina für ihn bittet und sogar ihr Leben für ihn aufs Spiel setzt. Schließlich ermöglichen die Najadenmädchen, gerührt von soviel wahrer Liebe, dem Pärchen die Flucht… So finden Liebe, Lust und Loyalität ein glückliches Stelldichein, wobei man Loyalität als wortspielerische Referenz an den Choreografen auch so schreiben könnte: „Lloyalität“. Bleibt als Fazit: Rasant, rasanter, am rasantesten – Napoli!
Gisela Sonnenburg

Termine: siehe „Spielplan“

Und zu weiteren Besetzungsrezensionen bitte hier:

www.ballett-journal.de/hamburg-ballett-napoli-vorspiel-jubete/

www.ballett-journal.de/hamburg-ballett-napoli-komik/

www.ballett-journal.de/virtuose-flugbewegungen/

www.hamburgballett.de

UND BITTE SEHEN SIE HIERHIN: www.ballett-journal.de/impresssum/

Und noch was:

Fotografische Impressionen von der Premierenfeier 2014 in der Hamburgischen Staatsoper: 

 

ballett journal