Kurz vor dem morgigen Abschied von John Neumeier als langjährigem Chef vom Hamburg Ballett platzt die Zukunft ins tänzerische Geschehen in Deutschland: Das Hamburg Ballett, die Spielstätte Kampnagel in Hamburg und das K3 – Zentrum für Choreographie / Tanzplan Hamburg werden künftig alle drei Jahre ein Festival ausrichten: die so genannte Tanztriennale. Hamburg hat seit 1999 die Triennale der Photographie als erfolgreiches Festival im Dreijahresrhythmus; 2026 kommt das des Tanzes dann dazu. Demis Volpi, ab kommender Spielzeit Boss vom Hamburg Ballett, freut sich darüber sehr. Auch Amelie Deuflhard, seit 2007 Chefin in Kampnagel, ist hoch erfreut, ebenso ihre Mitstreiterin Kerstin Evers vom K3 – Zentrum für Choreographie / Tanzplan Hamburg.
Was die neue Zeit, die dann da anrollt, dem Ballett bringen wird, bleibt abzuwarten.
Für Menschen, die gern selbst als Laie auf der Bühne mit herumhopsen, statt als Zuschauende verstärkt das Gehirn einzuschalten, brechen wunderbare Zeiten an.
Denn wie Kerstin Evers – eine studierte Tanzwissenschaftlerin – es sagt: „Ob im Zuschauen oder im Selbst-Tanzen, Hamburg wird mit der Triennale konsequent zum Tanz einladen!“
Sprachlich fragwürdig ist dabei der Gebrauch der Präposition „im“. Man lädt nämlich im Deutschen zum Tanz oder zum Tanzen ein, zum Zuschauen oder auch zum Zuhören. Wenn man einen Nebensatz mit „ob“ einleitet, könnte man grammatisch richtig auch noch so weiter dichten: „Ob fürs Zuschauen oder fürs Selbst-Tanzen“… und zwar bitte ohne Apostroph. Aber „im Zuschauen“ und „im Selbst-Tanzen“ zum Tanz einzuladen, nun ja, das zeugt von wenig Bildung. Denn es ist objektiv grammatisch falsch.
Oder platziert Kerstin Evers in ihrem offiziellen Statement absichtlich eine deutliche Missachtung der sprachlichen Regelungen? Können wir das gar als dichterische Freiheit durchgehen lassen? Nein, blicken wir tiefer: Hier soll das Alte konsequent zerstört und Neues auf Biegen und Brechen durchgesetzt werden.
Die Akteur*innen dessen werden selbstredend gegendert – ein Sprachexperiment, das das Ballett-Journal nach fleißigem zweijährigen Praktizieren schon längst wieder abgeschafft hat, weil es außer hässlicher Sprache und hässlichem Schriftbild nichts bringt.
Emanzipation und Aufklärung gehen ganz anders, sind auch viel anstrengender – und brauchen vor allem nicht so viel Heuchelei, die wiederum beim Gendern im Vordergrund steht.
Vielleicht aber lernt der Bund, der dieses große Hamburger Hopsen über die Kulturstiftung des Bundes mit 960.000 Euro fürs erste Mal finanziert, ja auch noch mal vom Ballett-Journal und begreift, dass Kultur etwas ganz anderes ist, als Menschen in formalistischen Sprachunfug zu zwingen. Weitere 600.000 Euro sagte übrigens die Stadt Hamburg zu. Sponsoren werden da mit Geld und Sachmitteln sicher noch aufstocken.
Das Gendern indes wird unter vorgehaltener Hand von vielen hinterfragt.
Andererseits macht gerade den heutigen Machtpolitikern und Machtpolitiker*innen Unfug generell so viel Spaß, dass mit einem Unterlassen von Unsinn durch die Obrigkeit in naher Zukunft nicht wirklich zu rechnen ist.
Schauen wir mal in die Glaskugel Terpsichores: Künstlerisch wird uns bei der Tanztriennale wohl eine Menge von dem erwarten, was im Zuge der neuen Zeit ohnehin als Kunst verkauft werden wird.
Laut und bunt wird es sein, es werden möglichst viele technische Neuheiten und Spielereien angeboten werden, womöglich auch mit reichlich KI, die allesamt maximal aufwändig umgesetzt werden. Falls man das bezahlen kann.
Trotz heftiger und auch teurer Phrasendrescherei mit Pseudomoral auf allen Ebenen – vor allem werbetechnisch und in der Außenwirkung wird man die Tanztriennale nicht übersehen können – wird es inhaltlich jedoch ziemlich mager und sinnentleert zugehen. Wie von der Politik und der Wirtschaft erwünscht.
So hat sich bisher auch kein einziger der beteiligten Sich-selbst-Vorabgratulierenden inhaltlich geäußert – es geht wohl ausschließlich um eine berieselnde Bespaßung mit dem Thema Tanz auf ganz neuem Niveau.
Der Begriff „Tanz“ wird dabei sicher erweitert werden.
Hoffen wir also auf Scheunendrescher, die in sanierten Altbauten zur Zwischennutzung im Schaufenster stehen und Pirouetten drehen.
Oder wir begrüßen international anerkannte Bewegungstheatermenschen, die im Takt rülpsen und dazu die Hüften schwingen lassen, von ihren Mitarbeiter*innen. Techno-Klänge werden mit ihrem elektronisch verstärkten Gerülpse konkurrieren.
Wir erwarten außerdem Künstler*innen, die mindestens fünf Studiengänge in acht Ländern absolviert haben, um dann zu erklären, dass sie eigentlich gar nichts mit ihrer künstlerischen Vision wollen, außer zu gefallen und möglichst viel Geld und Aufmerksamkeit einzuheimsen.
Und weil sie sich in Therapie befinden, tragen sie ein staatlich anerkanntes Siegel für Sensibilität. Oder früh einsetzende Senilität? Egal. Ob jung, ob alt: Sie werden es schon schaffen, das Budget auszugeben, ohne mit Bildung auch nur im entferntesten zu tun zu haben. Und nicht vergessen: Laut und bunt muss es sein, nur dann ist es Kunst.
Denn Redlichkeit ist Untergang – und Ausschweifung der neue Erfolgsgarant!
Da jedoch die Hoffnung niemals stirbt, kann es passieren, dass auch hier mal die eine oder andere Perle ins Programm kullert – wer weiß, warten wir es ab.
Auf einen konstruktiven Umgang mit Kritik wird ebenfalls gehofft: Von kompetenter Kritik zu lernen oder sogar über sich selbst zu schmunzeln – das werden die wahren Meilensteinprobleme sein, die ein modernes Festival zu wälzen hat.
Wir sind gespannt und drücken alle Daumen!
Gisela Sonnenburg
Eine Website hat die Tanztriennale noch nicht, sie wird gerade erst gegründet.