Zwei Herzenskünstler: ein Power-Paar! Beide sind Professoren, beide widmen sich „Herzensangelegenheiten“ – und beide sind zugewanderte Hamburger: Ballettintendant John Neumeier und Herzchirurg Hermann Reichenspurner haben geheiratet

John Neumeier heiratet Hermann Reichenspurner

Ein glückliches Paar, jetzt auch mit Trauschein: Ballettgenie John Neumeier, der Gründer und Boss vom Hamburg Ballett, und sein Mann, Herzchirurg und Universitätsprofessor Hermann Reichenspurner, im Spiegel der Bildersuche bei Google. Faksimile: Gisela Sonnenburg

Normalerweise widmet sich das Ballett-Journal der Kunst und weniger den privaten Themen von Kulturschaffenden. Aber wenn John Neumeier keine Ausnahme wert sein sollte, wer dann?! Am Freitag, dem 21.12.2018, gaben er und sein langjähriger Lebenspartner, der Herzchirurg Hermann Reichenspurner, sich im Hamburger Rathaus das Jawort zur Ehe. Da kann man ja nur gratulieren: Herzlichen Glückwunsch! Und vielleicht ist auch ein Stoßseufzer erlaubt: Endlich! Denn seit über zehn Jahren treten die beiden offiziell als Paar auf, und da beide katholisch sind, ist die Ehe in diesem Fall nachgerade unvermeidlich gewesen. Eine kirchliche Trauung steht zwar noch aus – soweit sind der Papst und seine Mannen einfach noch nicht. Aber rein rechtlich sind Neumeier und Reichenspurner nun einander das, was sie gefühlt schon lange sind: liebende Gatten. Der hanseatischen High Society entging derweil ein entsprechender Festakt. Denn die Hochzeitsfeier fand nicht unter Blitzlichtgewitter in irgendeinem Schickimicki-Laden statt, sondern in John Neumeiers Haus in Hamburg-Eppendorf: mit dem Hamburg Ballett.

John und Hermann: Dass in dieser Beziehung so manches ungewöhnlich war und ist, wird niemanden überraschen, der sich mit dem Leben von Neumeier beschäftigt. Er hat seine Existenz seiner Arbeit, seinem Werk, gewidmet – und das ist auch für seinen Ehemann keine Neuigkeit. Das Hauptproblem der beiden sind nicht etwa Konflikte, sondern schlicht Zeitmangel. Beide sind viel beschäftigt, und das vorweihnachtliche Heiratsdatum war insofern keine Absicht, sondern eine Entscheidung der Terminkalender.

Ein Freudensprung, wie gemacht als herzlicher Glückwunsch: Lucia Ríos in John Neumeiers „Weihnachtsoratorium I-VI“ beim Hamburg Ballett. Foto: Kiran West

Ihr Lebensmotto ist schon von daher zukunftsbezogen: „Never look back“ ist die Devise. Ein bewegtes Dasein haben beide, jung sind sie nicht, aber jung geblieben, wie man so sagt. Und es ist erstaunlich, wie intensiv sie aufeinander eingehen.

John Neumeier, der am 24. Februar 2019 seinen 80. Geburtstag feiern wird, ist ein umschwärmter, viel beschäftigter Künstler: Choreograf, Intendant, „Macher“ vom weltweit gelobten Hamburg Ballett. Nach Hamburg kam der am Michigan-See gebürtige Amerikaner 1973. Nach anfänglichen Ängsten vor den „kühlen“ Norddeutschen hat er heute „ein Gefühl von Wärme in Hamburg“, sagt er. Die Lust, sich auf Menschen einzulassen, verbindet das Paar. Und Neumeier genießt die späte Liebe bewusst, kostet sie aus, ist, wie er mal sagte, glücklich, „so etwas nochmal erleben zu dürfen.“

Er kreierte über 150 Ballette – und tourt für seine international begehrte Kunst rund um den Globus.

Kein Wunder, dass ein Teil seines Privatlebens in der ersten Reihe im Parkett stattfindet! Dort sitzt Neumeier bei Ballettabenden in der Hamburgischen Staatsoper stets rechts außen, oftmals neben seinem Stellvertreter Lloyd Riggins, während sein Liebster in der Reihenmitte Stellung hält.

Querverbindungen von Ballett und Klinik ergeben sich über Freunde und über den Förderverein des Herzzentrums vom Universitätsklinikum Eppendorf, in dessen Kuratorium John Neumeier ist. Als Repräsentant und Bussi-Geber ist Professor Hermann Reichenspurner aber manchmal auch eine Art Vertretung für den Ballettchef. Etwa, wenn der mal wieder aus dienstlichen Gründen das Bolschoi-Ballett in Moskau oder das Chinesische Nationalballett in Peking besucht.

Für einen Klinikchef ist „HR“, wie Neumeier seinen Geliebten im Tagebuch kürzelt, jedenfalls ziemlich oft im Ballett – und er berät zudem regelmäßig auch die Tänzerinnen und Tänzer vom Hamburg Ballett in gesundheitlicher Hinsicht. Dann hat er sogar beruflich im Ballettzentrum Hamburg – John Neumeier zu tun.

Über Neumeier ist im Ballett-Journal nicht wenig nachzulesen. Aber wer ist denn nun der Mann an seiner Herzensseite?

Hermann Christoph Konrad Reichenspurner kommt aus München, wurde 1959 als Sohn eines Drogisten geboren. In seiner Jugend tanzte er nicht, sondern war ein begeisterter Reiter. Aber auch das Musiktheater begeisterte ihn früh, und er sang in einem ergänzenden Chor in der Bayerischen Staatsoper in München.

Das Berufsbild der Herzchirurgie erschloss sich ihm in Kapstadt in Südafrika: bei Christiaan Barnard, jenem Pionier, der mit der ersten Herztransplantation berühmt wurde – diese Heldentat bewunderte Hermann Reichenspurner schon als Kind im Fernsehen. Dass er selbst mal als Operateur in Kapstadt tätig sein würde, war damals noch nicht abzusehen. Aber: Den engen Umgang mit einem hochkarätigen VIP in seiner Nähe ist Reichenspurner von daher schon früh gewohnt gewesen.

Seit er 2001 nach Hamburg kam, wo er 2005 die Leitung vom Universitären Herzzentrum übernahm und zudem als Professor der Medizin an der Uni wirkt, hat sein Society-Flair nicht eben abgenommen.

Tagsüber beschäftigt er sich mit der anstrengenden, auch rührenden Kinderherz-Chirurgie sowie mit minimal-invasiven Operationstechniken. Die sind dank speziellen Instrumenten für Patienten schonend und hinterlassen nur kleine Narben. Ein Spezialgebiet von Reichenspurners Klinik ist auch die schwierige Mitralklappe. Diese Herzklappe ist besonders anfällig, kann aber, statt ersetzt zu werden, auch einer „Reparatur“ unterzogen werden.

Abends zeigt sich der renommierte Herz-Professor gern an der Seite seines Mannes. In der Oper oder auch woanders: Das illustre Power-Paar besucht gerne gemeinsam Veranstaltungen, den Fotografen stets herzlich zulächelnd. Einmal verbrachten sie einen Geburtstagabend Neumeiers bei der „Matthiae-Mahlzeit“ beim Hamburger Bürgermeister, zusammen mit 400 „Glitzer-Promis“.

Ihre Kleidung ist dann nicht selten aufeinander abgestimmt. Meist sind beide krawattenlos in nobles Grau gewandet. Aber manchmal lieben sie es exzessiv farbenfroh! Wer im Internet stöbert, findet Fotos, die durchaus Humor abstrahlen.

Das führende Element in der Beziehung ist fraglos der geniale Ballettschöpfer Neumeier, der den Professoren-Titel ehrenhalber für sein Wissen zur Tanzgeschichte bekam und mit seinem guten Geschmack auch Bühnenkostüme entwirft. Ein Mensch von universeller Begabung und großartigem Charme. Wirklich: Wenn Neumeier lacht, ist es unmöglich, nicht mitzulachen. Und es ist zwar nicht urkundlich verbürgt, aber glaubhaft, dass Reichenspurner zuerst dieses Lachen liebte: Es ist glucksend, giggelnd wie ein erfrischender Felsquell, von einem wie rufenden „aaah“ gekrönt.

Neumeier wirkt nach über vierzig Jahren in Deutschland total europäisch: Er spricht sehr gut deutsch, legte die US-typische, plakative Mimik und den leicht hysterischen Tonfall der Amis weitgehend ab. Nur im Ausland spricht er seinen Namen noch englisch aus: „Njumeier“.

Für die Deutschen ist er längst der Herr Professor Neumeier. Die Hamburger Ehrenbürgerwürde kam 2007 fast spät. Sein Leben ist im ständigen Aufbau befindlich und wurde von wechselnden erotischen Beziehungen, die meist nicht öffentlich wurden, begleitetet.

John Neumeier heiratet Hermann Reichenspurner

Auch online macht die Stiftung von John Neumeier eine gute Figur! Faksimile: Gisela Sonnenburg

Neumeier gründete die Stiftung John Neumeier mit Sitz in seiner auch privat von ihm bewohnten Villa in der Geffckenstraße in Hamburg-Eppendorf: für sein Werk und seine Sammlung, die Fotografien, Skulpturen, Gemälde und Artefakte umfasst und die um die Themen Tanz und Ballett kreist.

Und während bei ihm das Herz als Sitz der Emotion, auch als Spürsinn für Ästhetik eine Rolle spielt, rettet sein Lebenspartner – der mit etwas Fantasie Filmstar Rock Hudson ähnelt – Herzschläge im OP-Saal. Fünf bis zehn Stunden können Herzoperationen heute noch dauern.

Dabei und danach hört Reichenspurner, der im Gespräch einfühlsam den Kopf seitlich neigt, zur Entspannung Musik, bevorzugt vom Spätromantiker Richard Wagner.

Eines seiner liebsten Neumeier-Ballette ist die spirituell inspirierte „Matthäus-Passion“, in deren DVD-Version John Neumeier selbst den Jesus tanzt. Es geht darin um Liebe, Geduld, Leidensfähigkeit, aber auch um Menschen und gruppendynamische Prozesse.

Als Herzbuben nahm „Jesus“ Neumeier sich aber keinen Jünger vom Ballett, sondern einen Vertreter des Establishment, der ihm auf gesellschaftlicher Augenhöhe begegnet: Sie wohnen beide schon lange im Hamburger Villen-Bezirk Eppendorf nahe dem Ortsteil Harvestehude, schätzen beide die Luxus-Insel Sylt sowie gutes italienisches Essen.

Aber es gibt natürlich auch Unterschiede.

In ihrer Beziehung ist der jüngere der schlicht-glänzende Cabochon, während der ältere funkelt wie ein Kristall. Sie ergänzen einander, und so sollte es in einer guten Ehe auch sein!
Gisela Sonnenburg

www.johnneumeier.org

www.hamburgballett.de

www.uke.de/kliniken-institute/zentren/universitäres-herzzentrum-(uhz)/kliniken/index.html

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