Vom Unglück der Denunziation Hochaktuell: „Hexenjagd“ von Arthur Miller in der Inszenierung von Stefan Pucher am Hamburger Thalia Theater

"Hexenjagd" von Arthur Miller beim Thalia

Dieses Programmheft zur „Hexenjagd“ von Arthur Miller in der Regie von Stefan Pucher beim Thalia Theater in Hamburg hat bereits eine nächtliche Zugfahrt nach Berlin hinter sich, die mit 40 Minuten Verspätung begann. Zufall oder witchcraft? Nein, wir glauben nicht an Hexerei, wohl aber an die Deutsche Bahn mit all ihren Vorzügen und Schwächen… Faksimile: Gisela Sonnenburg

Er war deutlich mehr als der letzte unglückliche Gatte von Marilyn Monroe: Arthur Miller (1915 – 2005) galt schon zu seinen frühen Lebzeiten als der bedeutendste amerikanische Dramatiker. Heute ist sein 1953 uraufgeführtes Stück „Hexenjagd“, das übrigens 1957 mit Yves Montand verfilmt wurde, auf die Liste der wichtigsten Theaterspiele überhaupt zu setzen. Denn darin rechnet der engagierte Schriftsteller, der die Welt verändern wollte, in einer sinnlich fasslichen Allegorie mit einer fanatisch-faschistoiden Gesellschaft ab, die ihre vermeintlichen Kritiker grausam zu vernichten trachtet – statt von ihnen zu lernen. Als Ballett sollte man „The Crucible“ übrigens unbedingt auch mal machen, am besten mit dem 1950 überarbeiteten, aus den 20ern stammenden  Klavierkonzert von Igor Strawinsky sowie mit Musik aus dem dizzigen Bereich des Free Jazz. Aber auch dem Sprechtheater bietet das Drama immer neue Möglichkeiten der Interpretation an. Der gewiefte Pop-Regisseur Stefan Pucher beweist das gerade am Hamburger Thalia Theater – mit fantastischen Schauspieltalenten wie Antonia Bill, Kristof Van Boven, Toini Ruhnke und Jörg Pohl. Man muss nur den schrägen Gospel-Rock der Hausmarke von Christopher Uhe aushalten, dann ist alles gut: Die Inszenierung sprüht vor Power und wirkt auf eine positive Weise alarmierend. Dass es davon leider keine Aufführungsfotos in diesem Beitrag gibt, weist auf ein spezifisches Problem des Thalia Theaters hin: Als vermutlich einzige Spielstätte in ganz Europa stellt das nach der altrömischen Theatergöttin benannte Haus den Redaktionen keine kostenlosen Bilder zwecks Dokumentation zur Verfügung. Aber die freundliche Presseabteilung hat fest zugesagt, daran zu arbeiten… Und vielleicht ist es ja ganz gut, mal verstärkt das eigene Vorstellungsvermögen anzustrengen.

Die Bühne – das sieht man schon vor Spielbeginn – bezeichnet ein Haus mit einem großen spitzen Dach. Darunter passt alles, was sich in den kommenden drei Stunden abspielt: Wir sitzen sozusagen alle in einem Boot, leben alle unter einem Dach, und um es mit Millers Kollegen William Faulkner zu sagen: „Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen.“

Die Bühnenbildnerin Barbara Ehnes schuf eine dreh- und wandelbare Konstruktion aus Holz, die mal wie ein Konglomerat aus Beichtstühlen, mal wie ein Sperrholz-Trümmerfeld anmutet. Zudem gibt es einen avantgardistischen Laufsteg in Treppenabsatzform, mit gefährlichen Klippen und Kanten für die Darsteller. Da will jeder Schritt gut überlegt sein; dennoch turnen und tummeln sich die Protagonisten auf der schiefen Holzebene – mit klaffendem Loch als Ein- und Ausstieg – ebenso souverän, wie sie über die lückenreichen, auf Höhe der Rampenmitte in den Zuschauerraum ragenden Holzlatten am Boden tänzeln.

Diese Gesellschaft, das suggeriert die Bühne, ist bereits zerschlissen, wirkt von innen und außen abgenutzt und ist im Grunde eher ein Schlachtfeld als eine wohnlicher Lebensumgebung.

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Wie um 1700 üblich, werden hierin bei Gericht die Zeugen einfach auf Strohballen gesetzt, wenn genügend Bänke oder Stühle fehlen. Angegammelte Ölfässer, Requisiten der Gegenwart, zitieren hingegen den heute gescheiterten amerikanischen Mythos, etwa den vom nie versiegenden Reichtum für alle wahrhaft Fleißigen.

Bei soviel Sinnstiftung mittels Kulissen hat es die Kostümdesignerin Annabelle Witt schon fast schwer, mitzuhalten. Aber sie schafft es, mit einer historisierten Cowboy-Welt aus Jeansstoff, blauseidigen Rüschen und schwarzem Edeltuch das Abbild einer armseligen, kleinkarierten Klassengesellschaft zu illustrieren. Kommt einem irgendwie bekannt vor, oder?

 Arthur Miller beim Thalia

Dieser Blick ins Programmheft zur „Hexenjagd“ beim Thalia Theater trifft auf eine Doppelseite, die mit einem längeren Zitat von Arthur Miller, dem Dramatiker, gefüllt ist. Auch ohne Brille gut zu entziffern! Faksimile: Gisela Sonnenburg

Stefan Pucher, der 1963 geborene Regisseur, legt denn auch gern den Finger in die Wunde. Er studierte nicht nur Theaterwissenschaften, sondern auch Amerikanistik – mit der Wildwestgesellschaft vergangener Jahrhunderte wie der Gegenwart kennt er sich aus, und regelmäßig demontiert er in Inszenierungen an großen Häusern erfolgreich den American Dream. So auch hier.

Hervorragende Voraussetzungen sind das für die Schauspieler – und sie nutzen diese, vor allem im ersten Teil bis zur Pause, in dem man atemlos jeder Regung und jeder Phrase der Akteure folgt.

Wir befinden uns dem Libretto nach im historisch traurig berühmt gewordenen Provinznest Salem in Massachusetts, wo es 1692 zu einem späten Ausbruch von spekulativ gesteuerten Hexenverfolgungen kam.

Die Vorfahren der schottisch-englischen Puritaner, die hier leben und dabei „um jeden einzelnen Getreidehalm kämpfen“ müssen, wie es im Stück heißt, wurden in Europa ob ihrer strikt religiösen Lebensweise verfolgt. Im gelobten Land der USA wurde der Rückzug auf Religion ohne sonstige Kulturgüter – ohne Kunst, ohne Wissenschaft, ohne Aufklärung – ihr gesellschaftliches Verderben.

Denn eine Gesellschaft, die sogar den Tanz verbietet, kann nur in Gewalt münden, so auch in Salem.

Mehr als zwanzig Menschen wurden 1692 wegen Hexerei hingerichtet – und später (zu spät) rehabilitiert. Das Theaterstück zeigt, wie das zufällige Zusammenspiel verschiedener Faktoren – Machtgeilheit, Herrschsucht, Neid und Missgunst, aber auch der unterdrückte Sexus – quasi aus dem Nichts eine wahnhaft agierende, aufgehetzte Meute entstehen lassen.

 Arthur Miller beim Thalia

Das ist das aktuelle Profilbild von Antonia Bill bei Facebook – ein feines, melancholisches Portrait, auf dem die hoch begabte Schauspielerin ein wenig entrückt dreinschaut. Genau richtig für die „Hexenjagd“-Stimmung. Faksimile von Facebook: Gisela Sonnenburg

Alles beginnt so harmlos: Als der mit Glitzerkreuz am Hals reichlich stolz auf sein Amt wirkende Pastor Parris (noch etwas zu sehr auf Brüllton getuned: Julian Greis) eine Gruppe junger Mädchen, darunter seine Tochter Betty, nachts im Wald beim (Nackt-)Tanzen erwischt, befällt ihn Angst um seinen Posten. Haben in seiner Gemeinde unkontrollierbare Heiden die Macht übernommen? Er stellt Abigail, seine Nichte, die er unschwer als Anführerin der Girls ausgemacht hat, zur Rede, zumal Betty daheim in eine hysterische Lähmung verfiel.

Antonia Bill brilliert hier auch ohne viel Make-up als bildhübsche, fleischbeinige, zudem brennend lüsterne junge Frau Abigail, die in den verheirateten Farmer John Proctor verliebt ist, der seine Affäre mit ihr indes nicht fortsetzen will. Weil Onkel Parris ihr zwar nicht den Ehebruch entlockt, aber immerhin, dass es sich bei der nächtlichen Performance in der freien Natur um Geisterbeschwörungen mit Frosch-Suppenzulage handelte – unter Anleitung der dunkelhäutigen Sklavin Tituba – muss Abigail sich irgendwie herausreden.

Den Skandal des verbotenen nächtlichen Tanzens sehen wir als verwackeltes Video als Vorspiel. Da hätte man sich noch mehr vorstellen können. Dann aber entspinnen sich live auf der Bühne die feinen psychologischen Fäden, die intrigante Charaktere zu verbreiten wissen.

Tituba, in anderen Inszenierungen als stark geschminkte Pseudo-Schwarze zu sehen, wurde von Pucher kurzerhand in ein beerenfarbenes Plüsch-Oktopus-Gewand gesteckt. Sylvana Seddig, die hier auch mit viel Gespür für die Choreografien verantwortlich zeichnet, ist somit eine bildhübsche jugendliche Quasi-Außerirdische, eine Außenseiterin wie aus einem fiktiven Tierreich genäht, den monströsen Eros an sich unschwer verkörpernd.

 Arthur Miller beim Thalia

Die Verfasserin dieses Beitrags, Ballett-Journal-Gründerin Gisela Sonnenburg, in einem Selfie vor der Hamburger Alster, kurz vor Beginn der Vorstellung von „Hexenjagd“ am Sonntag, 30.09.2018, Foto: Gisela Sonnenburg

Sie kriecht und schlängelt sich durchs Bühnenbild, hört viel still zu, verbiegt sich, dreht aber auch auf – und zwar mit betont sachlich-klarer Stimme – vor allem dann, wenn es etwas aufzuklären gibt. Diese Tituba übernimmt nämlich zugleich den Part der Ratio, der Vernunft, des Chores, und das ist passend: Vernunft ist in einer hysterisierten, vornehmlich aus Repressionen und Zwang bestehenden Gesellschaft ebenso exotisch wie der unverhüllte Trieb.

So trägt John Proctor, der eigentliche Held des Stücks, ein schweres Kreuz. Mit markigem Macho-Gehabe, Schmalztolle und Koteletten à la Elvis kommt Jörg Pohl ganz wunderbar typisch amerikanisch einher. Seine Western-Boots erlauben ihm auch gar keinen anderen Schritt als das Stampfen des Farmers. Aber seine Seele ist weich, und seine facettenreiche Stimmlage macht von Beginn klar: Hier hat ein Kerl nicht nur Testosteron im Angebot.

Man kann verstehen, dass Abigail ganz heiß auf ihn ist. Doch die liebestolle Frau muss sich eine Abfuhr holen; Proctor beteuert, seiner Frau in Zukunft treu zu sein.

Weil aber auch ein anderes Mädchen nach dem Genuss der Frosch-Suppe auf der Wald-Party von Übelkeit und somnambulen Lähmungen befallen ist, wittert Parris weiterhin Gefahr – und lässt einen Hexenspezialisten nach Salem rufen.

Damit kommt eine schauspielerische Attraktion auf die Bühne: Kristof Van Boven, der so teuflisch-perfide wie geschmeidig-ausladend im noblen schwarzen Anzug und mit fetten Ringen an den Fingern die Macht des Exorzisten demonstriert. Van Boven kam mit dem verflossenen Thalia-Intendanten Johan Simons nach Hamburg, mit dem er schon beim belgischen NT Gent ein Theater der Extraklasse schuf.

Hui, hier dreht Einer auf und zeigt, was man körperlich und stimmlich mit Schauspiel machen kann!

 Arthur Miller beim Thalia

Dieser Screenshot belegt: Online, bei Wikipedia, findet man Kristof Van Boven auch, nicht nur im Theater. Und sogar mit Foto – wenn auch ohne Urheberangabe. Dennoch: ein toller Künstler! Faksimile: Gisela Sonnenburg

Wie Van Boven schon bei seinen ersten Auftritten hüpft und gestikuliert, ist unglaublich scharf! Da verzeiht man, dass er im zweiten Teil, als der Hexenexperte vom Saulus zum Paulus mutiert, vielleicht noch ein bisschen mehr Ego in die charakterliche Wandlung legen könnte. Seine Figur ist dennoch präsent, eine eindringliche Karikatur des Guten in böser Gestalt.

Als bräuchte er gar keinen Text, um die Figur eines Karrieristen mit Deutungshoheit darzustellen. Jedes Grinsen hat da eine neue Nuance – und sein Fingerzeig auf die Möglichkeiten der Willkür in solch einem System lassen einen eine kribbelnde Gänsehaut bekommen.

John Hale, so der Bühnenname dieser Figur, „untersucht“ Betty und Tituba in quasi-koitalen Posen – und kommt, gewissenhaft und wissenschaftlich scheinbar ganz genau, vorerst zu noch keinem Ergebnis.

Weitere Verhöre, die der Diabolo höchst elegant von seinem zum Melkschemel umfunktionierten Regenschirm aus führt, lassen sich die Menschen selbst verpetzen. Er wirkt ja so korrekt, also vertrauen sie ihm! Cheever (mit naivem Blinzeln und schiefem Grinsen echt spannend: Steffen Siegmund) verrät darum gleich mal seine Ehefrau, die nachts heimlich mysteriöse Bücher liest. Eine Frau, die liest – schon mal verdächtig… später wird Martha abgeholt und als Hexe denunziert.

Auch John Proctor kann dem scharfsinnigen Hale nicht verhehlen, dass er den Pastor Parris nicht mag und darum „nur“ einmal im Monat zur Predigt kommt. Seine Gattin Elizabeth (leider in jeder Hinsicht zu fad: Marina Galic) und er können gemeinsam immerhin die zehn Gebote aufsagen.

Später nützt ihnen das nichts mehr. Beide werden inhaftiert, und John Proctors Schicksal – inklusive seiner Entscheidung, ein Märtyrer der Wahrheit zu werden – entspricht ganz dem klassischen Tragödienmuster. Übrigens mit retardierendem Moment im letzten Akt, was wohltuenderweise nicht von der Regie weggekürzt wurde.

 Arthur Miller beim Thalia

Das Facebook-Profil von Rafael Stachowiak zeigt ein sensibles Männergesicht in elegischer Schwarzweiß-Ästhetik. Geschmack hat dieser vielseitige Schauspieler also auch – und Temperament, wovon man sich in der „Hexenjagd“ im Thalia Theater überzeugen kann. Faksimile von Facebook: Gisela Sonnenburg

Die teils im Sprechgesang dargebotenen Tiraden des lüstern sich die Lippen leckenden, euphorischen Richters Danforth – Rafael Stachowiak gibt alles und ist ein Anti-Rockstar ohnegleichen! – erinnern an die Willkür schlechthin, die als Mangel in den verschiedenen Rechtssystemen zu orten ist. Es ist tragisch, wenn auch grotesk, dass dieses Gericht vor allem sich selbst Recht gibt.

Aber wie Miller es selbst sagte: „In der Tragödie muss es die Möglichkeit des Sieges geben“ – und die aufblitzenden Hoffnungsmomente sind es, die einen als Zuschauer hier bei der Stange halten. Bei Millers Dramatik heißt es: mitfühlen – ein Prinzip, das nie out ist, auch wenn manche Kulturpolitiker das nicht wissen.

Miller schrieb die „Hexenjagd“ zudem nicht als historisierende Kostümklamotte. Er studierte die Originalprotokolle von 1692, um eine als Metapher taugliche Parallelwelt zu finden, die das von Kommunistenhass geplagte weiße Amerika der 50er Jahre spiegeln sollte.

Denn anders, als es das Programmheft vom Thalia Theater suggeriert, war man damals nicht nur den Job und die Aussicht auf einen passenden Werdegang los, wenn man in den Ruch auch nur leichter Sympathie für den Kommunismus kam. Es war brandgefährlich, auch für Leute mit Vermögen. Die Denunziation vernichtete Existenzen.

Arthur Miller selbst wurde 1957, also vier Jahre nach der Uraufführung seiner „Hexenjagd“, zu einer Bewährungsstrafe von einem Monat sowie zu 500 Dollar Geldbuße verurteilt, weil er sich vor dem „Kongressausschuss für unamerikanische Umtriebe“ geweigert hatte, frühere Weggefährten zu belasten.

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Sein Schriftstellerkollege John Steinbeck verteidigte ihn im damals einflussreichen „Esquire“, mit entwaffnender rhetorischer Raffinesse: „Mir scheint, dass man von einem Menschen, der seine Freunde verrät, keine Loyalität gegenüber seinem Land erwarten kann… Wahrhaftig: Mit Arthur Miller befindet sich auch der Kongress vor Gericht.“

1958 wurde das Urteil gegen Miller in der Berufung kassiert. Aber der Schock über die Kommunistenhatz, die der republikanische US-Senator Joseph McCarthy organisieren ließ und die vor allem Intellektuelle und Kritiker betraf, saß schon lange vorher sehr tief.

Auch der als Exilant in die USA gekommene deutsche Weltdramatiker Bertolt Brecht musste vor dem besagten Ausschuss – der wie ein Inquisitionsgericht agierte – aussagen. Er konnte sich mit Uneindeutigkeit in der Sprache retten, floh aber den amerikanischen Gesinnungsterror und ging bald zurück nach Europa. Dieses war ja soeben – was für eine Ironie der Geschichte – auch mithilfe der Amerikaner von Hitlers Kommunistenfressern befreit worden.

Brecht musste fortan in Berlin, in der Hauptstadt der DDR, seine kommunistische Neigung aber nicht mehr verschweigen, wie man weiß.

Miller als amerikanischer Erfolgsautor hingegen schaffte es, in den USA zu überleben – auch den McCarthyismus.

Wie er nun in der „Hexenjagd“ die schrillen Stimmen hassgeladener Hysterie ertönen lässt und eine Horde scheinbar argloser Mädchen zu Denunziantinnen von Teufelsgnaden werden lässt, gehört zu den Meisterleistungen der Literaturgeschichte.

Die sich in kollektive Falschaussagen hineinsteigernden Menschen – in der Realität waren übrigens auch reichlich Männer darunter – erinnern denn auch nicht nur an McCarthys Schergen, sondern auch an die Nazis und, last but not least, an die AfD.

Sogar Mobbing unterliegt denselben Mechanismen!

Vom Unglück der Denunziation erzählt darum in vielen Schattierungen auch diese Inszenierung, in der neben Antonia Bill als Abigail auch Toini Ruhnke als Mary sehr virtuos die eigene Bosheit zum Anlass für Toberei und Geschrei nimmt.

Und dabei wollte Abigail doch eigentlich nur den Heuchlern in Salem mal so richtig eins auswischen – und Sex mit dem Mann haben, den sie begehrt. Wirklich verhext, was dann daraus wurde…
Gisela Sonnenburg

www.thalia-theater.de

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