Come back to class! Zum World Ballet Day 2020 beginnen einige Compagnien unter zahlreichen Auflagen wieder ihr Training: etwa das Stuttgarter Ballett und das Ballett Vorpommern. Ist das richtig?

Das BallettVorpommern trainiert wieder – im ausgeräumten Theatersaal in Greifswald und mit Hochsicherheitsabständen. Gut so? Faksimile von Facebook: Gisela Sonnenburg

In Greifswald wurde das Theaterparkett von den Stühlen befreit – und somit viel Platz geschaffen für eine Ballettarena in Corona-Zeiten. Auch das Stuttgarter Ballett traut sich, nach zwei (toitoitoi!) längst gut überlebten Corona-Infektionsfällen im Ensemble, wieder an die Stange. Und zwar nicht nur daheim, sondern – in kleinen Trupps von zwei, drei oder vier Tänzern – in den BallettsälenPianisten und Trainer werden allerdings lediglich digital via Internet zugeschaltet: Damit sieht die neue Stuttgarter Anordnung genau anders herum aus als seit sechs Wochen bei den Ballettprofis üblich. Was vor einigen Wochen in München noch unmöglich war, wird jetzt, nachdem die meisten Geschäfte in Deutschland wieder geöffnet sind, vom kleinen BallettVorpommern und der deutlich größeren Stuttgarter Truppe mit ausdrücklichen Erlaubnissen diverser behördlicher, medizinischer und ministerialer Stellen durchexerziert: Training auf freiwilliger Basis im professionellen Raum. Mit genügend Platz für Sprünge und Pirouetten, hochgeworfene Beine und weitgreifende Armarbeit. Und: Mit reichlich Abstand – sozusagen Hochsicherheitsabständen – zwischen den einzelnen Trainierenden. Ohne Maske, aber auch ohne Duschgel: Die Garderoben und Duschräume bleiben geschlossen, Vor- und Nachbereitung müssen die Tänzerinnnen und Tänzer zuhause erledigen. Bei sommerlichen Temperaturen ist das gerade noch machbar, ohne eine normale Erkältung oder gar Grippe zu riskieren.

Gesetzlich gesehen, wurden die Ballettprofis dafür in die Riege der Profisportler aufgenommen, denen derzeit ebenfalls Ausnahmegenehmigungen vom Sportstättenverbot zugestanden werden können.

Proben und vorstellungsähnliche Auftritte sind allerdings nicht geplant.

Es geht vielmehr darum, den staatlich beschäftigten Tanzkünstlern die Gelegenheit zu geben, ihre Instrumente – also ihre Körper – wieder in den richtigen Schwung zu bringen.

Tendus dort, wo sonst das Publikum sitzt: Das BallettVorpommern trainiert im Theatersaal. Im Hintergrund die Bühne, sonst der Ort aller Sehnsüchte, jetzt als schwarzes Loch. Wie lange noch? Diese Frage bewegt alle. Faksimile von Facebook: Gisela Sonnenburg

Natürlich sind die Ballettchefs Ralf Dörnen (Greifswald) und Tamas Detrich (Stuttgart) darüber heilfroh, und auch viele der Tänzerinnen und Tänzer atmen auf, weil so ein Stück Normalität in ihren Alltag zurückkehrt. Weitere ungeduldige Truppen wie etwa das Bayerische Staatsballett werden auch womöglich bald nachziehen.

Insgesamt stellt sich dennoch die Frage:

Ist das nun großartig oder zu riskant? Ist es in Ordnung, manchen Staatskünstlern eine solche Ausnahmegenehmigung zu erteilen, während die nicht in staatlichem Auftrag Tanzenden darben, weil ihre Studios geschlossen bleiben müssen? 

Wer möchte, kann seine Meinung gern per E-Mail an info@ballett-journal.de schicken. Es findet zwar keine Verlosung etwa von Masken mit Werbeschriftzug unter den eingehenden Kommentaren statt, aber eine anonymisierende Auswertung und deren Präsentation wird gern zugesagt.

Und wenn ein Sponsor – eine Firma oder eine Privatperson – die Herstellung von Masken mit ballett-journal.de-Schriftzug spendieren möchte, so werden diese beim nächsten Mal ganz sicher verlost.

Apropos: Wann wird es  wohl passend zu den entsprechenden T-Shirts auch Masken mit dem Logo der Ballett-Compagnien geben?!

Für die meisten Ballerinen und Ballerinos gilt allerdings weiterhin und auch am heutigen World Ballet Day (WBD): Trainiert wird daheim.

Die Bayern brauchen Extrawürste

Ballettmeister Felipe Diaz vom San Francisco Ballet in Aktion: Daheim stützt er sich am Klavier ab, die Pianistin wie seine Tänzer erreicht er live online. So soll es sein, und das Training ist erste Sahne! Videostill von facebook: Gisela Sonnenburg

An der Küchenzeile, am Bügelbrett, an der Kommode, dem Regal, dem Treppengeländer, dem beschwerten Stuhl oder sogar der Mini-Barre im Heimstudio.

Der Fantasie sind höchstens praktikable Grenzen gesetzt, und das Erlernen von eigenständig organisiertem Training – unter tatkräftiger Hilfe der zum Glück reichlich vorhandenen Internet-Ballettmeister – hat sicher auch seinen Vorteil.

Manche genießen dabei sogar die Freiheit, Zeitpunkt und Länge ihres Trainings selbst zu bestimmen.

So räumten Anna Laudere und Edvin Revazov vom Hamburg Ballett ein Zimmer ihrer Wohnung leer und rüsteten es zum Arbeitsraum um. Ihr regelmäßiges Training erhalten sie allerdings auch von ihren angestammten Ballettmeistern, die zwei Mal am Tag ein Exercise online anbieten. Zwei Mal deshalb, damit auch die nach Übersee abgereisten Mitglieder der Truppe und der Schule etwas zum kontrollierten Trainieren haben.

Derweil besorgen sich andere Stars ihr Heimtraining gern auch selbst.

Die Bayern brauchen Extrawürste

Starballerina Maria Kochetkova stylt sich im heimischen Badezimmer für ihre jüngste Version von „Don Quixote“ – mit viel Sinn für Humor. Videostill von facebook: Gisela Sonnenburg

Maria Kochetkova (die überall zuhause ist) und Herman Cornejo(American Ballet Theatre) probierten dabei schon verschiedenste Möbel und Haushaltsgegenstände als Trainingshilfen aus. Ihre originellen Experimente halten an…

Die Bayern brauchen Extrawürste

Wer kommt denn da? Starballerino Dinu Tamazlacaru tanzt für uns in Corona-Zeiten in seiner Wohnung unterm Kronleuchter: voller Schalk und Verspieltheit. Immer wieder ein Genuss! Videostill von facebook: Gisela Sonnenburg

Dinu Tamazlacaru (SBB, also Staatsballett Berlin) hat sich hingegen für viel freihändigen Center-Dance entschieden – und tanzt online ein Stück aus schelmischer Freude mit Sonnenschein unter dem heimischen Kronleuchter.

Seine Kollegin Aurora Dickie vom SBB wiederum feiert heute nicht nur WBD, sondern auch Geburtstag – und gibt live um 17 Uhr auf dem Instagram-Account vom Staatsballett Berlin ein öffentliches Training! Happy Birthday und Dankeschön für diese tolle Idee!

Beim Stuttgarter Ballett heißt der World Ballet Day „International Dance Day“ – und auf YouTube grüßen sich Marcia Haydée aus Lateinamerika und Tamas Detrich in Stuttgart. Faksimile: Gisela Sonnenburg

Auf Facebook wird außerdem Marcia Haydée beim Account vom SBB im Laufe des heutigen Tages mit einer Videobotschaft zum Word Ballet Day zu sehen sein – die Uhrzeit soll eine Überraschung bleiben. Aber wer zu spät kommt, wird in diesem Fall nicht bestraft: Videobotschaften halten sich online bekanntlich eine Weile.

Zum Glück!

Die Bayern brauchen Extrawürste

Das hat künstlerisch und menschlich Niveau: Daniil Simkin vom Staatsballett Berlin und dem American Ballet Theater tanzt mit Gemüse auf dem heimischen Balkon. Wow!  Unbedingt preisverdächtig. Videostill von facebook: Gisela Sonnenburg

Denn Daniil Simkin (ebenfalls vom Staatsballett Berlin, zeitgleich auch beimABT zuhause) begeisterte schon zu Beginn der Corona-Verbotswelle mit einem Solo auf seinem Berliner Balkon, zu sehen bei Facebook: Das ist höchst ballettöse Anbetung von gesundem Gemüse. Einmalig, preisverdächtig und immer wieder zu goutieren!

Humoristische Qualitäten werden ja in Corona-Zeiten zweifelsohne gefördert.

Humor hat Konjunktur in diesen Zeiten: Katherina Markowskaja aus München – vielen Ballettfans bekannt aus ihrer Zeit beim Bayerischen Staatsballett – zeigt Flagge mit Tutu und Spitzenschuhen, mal ganz anders präsentiert: Happy World Ballet Day, Corona zum Trotz! Faksimile vom Facebook-Schnappschuss: Gisela Sonnenburg

Doch Humor hin oder her: Alle Ballettprofis freuen sich darauf, eines Tages wieder in die Ballettsäle ihrer Company zu kommen. Noch stärker freuen sie sich auf Proben und dann, ja dann, natürlich auf den Abend der ersten Wiederaufnahme auf der Bühne!

Auch wenn man derzeit noch nicht sicher weiß, wann und wo und wie die Ballettvorstellungen wieder beginnen können: Man rechnet mit reduzierten Auftritten vor drastisch reduziertem Publikum ab September oder Oktober 2020. Das diktiert den Profis zumindest ihre verstandesmäßig nicht ganz unbegabte Hoffnung

Aber sie alle sind tapfer und trainieren auch allein daheim weiter, um am Tag X, wenn die erste Vorstellung nach Corona wieder auf dem Plan stehen kann, für ihr Publikum topfit zu sein.

Dafür sei allen herzlich gedankt!
Gisela Sonnenburg

www.theater-vorpommern.de

www.stuttgarter-ballett.de

www.staatsballett-berlin.de

www.hamburgballett.de

www.abt.org

 

 

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