John Neumeier regt an. Auch Ricardo Fernando, der das Tanztheater beim Staatstheater Augsburg leitet, holt sich offenkundig beim Hamburg Ballett seine Inspiration. Immerhin ist er großzügig genug, seine Ballettpremiere kurz vor dem November-Lockdown ins Internet zu verlegen. Kostenfrei ist daher heute abend um 19.30 Uhr Fernandos brandneues Tanzstück „Die Winterreise“ mit den Musiken von Franz Schubert und Hans Zender zu sehen, auf staatstheater-augsburg.de – für die künstlerische Qualität dessen wird an dieser Stelle aber keine Garantie übernommen. Kenner werden sich an die ergreifend schöne, ebenfalls mit Zender und Schubert agierende „Winterreise“ von Neumeier erinnert fühlen, die dieser 2001 beim Hamburg Ballett kreierte. Auch mit jüngeren Tänzergenerationen gab es Aufführungen, von denen man noch jahrelang schwärmt! Ob Fernando in Augsburg nun auf so ein Level kommt, sei dahingestellt. Aber wer an diesem Samstagabend eine Anregung sucht, begebe sich bitte online und lasse sich überraschen! Auch, um Kraft für den kommenden großen überregionalen Ballett-Event zu sammeln. Denn am Sonntag, den 1. November 20, geht es für Ballettfans bitte ab ins Kino! Um 16 Uhr beginnt in ausgewählten Kinos bundesweit „Die Kameliendame“, und es ist natürlich die echte von John Neumeier. Die dreistündige Aufzeichnung von 2015 ist mit Interviews und Erklärungen backstage angereichert – und einem fantastischen Staraufgebot. Die Aufführung aus dem Bolschoi Theater in Moskau punktet mit Svetlana Zakharova in der Titelpartie, mit dem damals angereisten Edvin Revazov vom Hamburg Ballett als Armand Duval sowie mit Anna Tikhomirova als Manon Lescaut und Semyon Chudin als Des Grieux. Ach, und die Geschichte ist so herzzerreißend, die Choreografie so mitreißend und das Bühnen- und Kostümdesign von Jürgen Rose so schmeichelnd!
Die Liebesgeschichte zwischen einer Luxuskurtisane und einem jungen, unbedarften Mann ist ebenso unsterblich wie die der romantischen „Giselle“; mit ihr hat Brigitte Lefèvre einst „Die Kameliendame“ verglichen.
Jetzt erhält auch „Die Kameliendame“, dieses klassisch-moderne Ballett, nochmals eine besondere Aufgabe.
Es geht nämlich darum, noch einmal in Gemeinschaft einen besonderen Touch of balletzu fühlen, bevor am Montag, dem 2. November 2020, der zweite Lockdown in Deutschland beginnt.
Auch das Stuttgarter Ballett bemüht sich vorher nochmal nach Kräften – und zeigt mit „Response II“ ein experimentelles Programm mit mehreren Uraufführungen im Schauspielhaus, allerdings ohne erkennbares Konzept.
Prinzipiell ist dann bis Ende November alles geschlossen, bis auf Schulen, Kitas – und Geschäfte!
Das Weihnachtsgeschäft soll demnach anrollen, aber die Kulturliebenden müssen sich auf Konserven und aufs Internet besinnen. Mal wieder.
Vor allzu sorglosem Shoppen und auch vor Spaziergängen ohne Distanzen wird allerdings gewarnt. Denn der Corona-Virus fühlt sich bei kalten Außentemperaturen pudelwohl, vermehrt sich rasant – und ist darum um ein Vielfaches gefährlicher als im Sommerhalbjahr.
Nutzen wir also die Gelegenheit der im Herbst sowieso angebrachten Ruhe und Kontemplation für all die Dinge, die in diesem seltsamen Jahr liegen geblieben sind.
Und wenn wir daheim sind und mehr als vier Personen zählen: einfach eine Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) tragen! In Luxemburg ist das bereits Pflicht, für Deutschland würde ich es auf freiwilliger Basis dringend empfehlen.
Abstände und eine gewisse Vorsicht beim gemeinsamen Essen und Trinken sollten mittlerweile ohnehin ganz normal sein. Bitte lieber eine Couch oder ein paar Stühle mehr aufstellen, als sich ohne MNB dicht aneinander zu drängeln!
Visiere sind übrigens auch eine gute Lösung, vor allem, wenn sie eng am Gesicht anliegen und über das Kinn deutlich hinausgehen. Es ist nicht wahr, dass sie keinen Schutz bieten. Denn ein eng anliegendes Visier lässt nicht einen Virus nach vorne durch. In dieser Hinsicht ist es sogar sicherer als eine textile Maske.
Getränke lassen sich mit Visier mit Strohhalmen – den oft geschmähten aus Plastik oder besser noch mit den umweltfreundlichen aus Bambus – relativ sorgenfrei aufnehmen. Maskenträger müssen sich hier hingegen entblößen.
Vorsicht beim Herumfummeln mit der Maske beim Wiederaufsetzen! Autoinfektionen durch Schmierviren sind da sehr wahrscheinlich. Also bevorzugt an den Halterungen anfassen!
Ein Desinfektionsmittel gehört in diesen Zeiten so selbstverständlich auf den Esstisch wie Pfeffer und Salz. Um die Finger nochmals von etwaigen Viren zu säubern, bevor man das Brot anfasst oder die Gräte aus dem Fisch zieht.
Lebensmittel kann man nach dem Einkaufen daheim in Spüli-Wasser eintauchen und klar nachspülen – auch Flaschen oder Verpacktes kann sonst Schmierinfektionen verursachen.
Andere geshoppte Ware ist mit einem seifenwasserfeuchten Tuch kurz abzuwischen – eine reine Vorsichtsmaßnahme im Eigeninteresse!
Zur Erinnerung: Seife bringt die Haut des Virus zum Platzen, zerstört ihn also schnell und nachhaltig. Darum ist Händewaschen ohne Seife nicht so sinnvoll. Und darum sollten Gegenstände mit glatter Oberfläche entsprechend abgewischt werden. Auf unebener Oberfläche, etwa auf Wolle oder Fell, leben die Viren eh nicht lange – da darf man mal etwas sorgloser sein.
Wer Kinder zu erziehen hat, freut sich sicher darauf, all die simplen, aber wirkungsvollen Schutzmaßnahmen immer wieder durchzupauken. Und mit gutem Vorbild voranzugehen!
Dann kann man auch Hand in Hand ins Kino gehen – aber vor dem Naschen von Popcorn oder Süßkram unbedingt die Hände desinfizieren!
Wer ganz vorsichtig sein will, desinfiziert auch die Cola-Flasche von außen, schließlich haben da viele Leute angefasst. Und durch die Kühlung hält sich der vermaledeite Virus ganz schön gut auf dem glatten Glas!
Und muss es noch ein Bier sein? Jeder Schluck Alkohol verzerrt die Gesichtsmimik und lässt den Mund mal eben rasch offen stehen. Wer will das in Corona-Zeiten?!
Jetzt also noch einmal ganz tief Luft holen – und das Ballett online wie auf der Kino-Leinwand genießen!
Wenn wir alle schön brav sind und uns schlau an die Regeln halten, werden uns zur Belohnung im Dezember köstliche Live-Vorstellungen in den Opernhäusern erwarten. Bis dahin sind wir hoffentlich alle wahre Superprofis im neuen richtigen Verhalten!
Gisela Sonnenburg