Teuer bezahlte Gastfreundschaft Die „Sym-Phonie MMXX“ von Sasha Waltz wird zwar vom Staatsballett Berlin bezahlt, aber es tanzen „Sasha Waltz & Guests“: ein Fest der Langeweile

"Sym-Phonie MMXX" von Sasha Waltz

Ein schönes Tableau, aber ohne sinnstiftenden Kontext: Szene aus „Sym-Phonie MMXX“ von Sasha Waltz beim Staatsballett Berlin. Foto: Bernd Uhlig

Die Uraufführung war nicht mal annähernd ausverkauft. Die „Sym-Phonie MMXX“, das neue Stück von Sasha Waltz, konnte außer ihren eingeschworenen Fans nicht wirklich viele Menschen in die Staatsoper Unter den Linden locken. Dabei wartet Berlin seit zwei Jahren auf das bestellte Werk, dessen römische Ziffern „2020“ bedeuten, zumal auch die Musik hier nagelneu ist: eine Auftragskomposition an den aus Graz stammenden Georg Friedrich Haas. Er ist Spektralmusiker und bevorzugt die Arbeit mit Mikrointervallen, was seinen Klängen eine stets leicht verwischte Anmutung verleiht. Nur: Es tanzen keine Tänzer:innen vom derzeit rund 80-köpfigen Staatsballett Berlin (SBB), das den Budenzauber präsentiert, sondern 21 Tänzer:innen von „Sasha Waltz & Guests“. Man sah bei der Premiere denn auch ein anderes Publikum als sonst bei Berliner Ballettvorstellungen, und zumindest eine Eigenschaft kann man diesem zuschreiben: Toleranz gegenüber künstlerischer Hinhaltetaktik. Denn wirklich was los war auf der Bühne nur selten.

Der sonstige Stab der Produktion wurde aber sehr sorgfältig zusammengesucht:

Pia Maria Schriever hat als Bühnenbildnerin schon des öfteren sinnfällige Ideen für Waltz-Stücke umgesetzt, und der Designer Bernd Skodzig, ein Schüler des legendären Ballettbühnenbildners Jürgen Rose, hat nicht nur schon mit Waltz gearbeitet (unter anderem auf Einladung von Valery Gergiev für das Mariinsky-Theater in Sankt Petersburg), sondern er bestückt auch regelmäßig das Ballett Dortmund unter Xin Peng Wang mit Costumage.

Das Licht schließlich kommt bei Waltz von David Finn, der bei Jennifer Tipton in New York lernte und der auch schon fürs Bolschoi in Moskau sowie für Waltz in Paris kreierte.

So weit, so schön – aber die Choreografie von Waltz, die von ihren Spezialanhänger:innen in der Presse vermutlich als „neues Meisterwerk“ und „kongeniale Schöpfung mit Zeitgeist-Bonus“ gefeiert wird, ist unterm Strich vor allem eins: langweilig, sehr langweilig.

"Sym-Phonie MMXX" von Sasha Waltz

Menschen im Pulk, Menschen im Kampf, Menschen auf der Flucht – die Deutungsmöglichkeiten obliegen hier dem Publikum, Foto aus „Sym-Phonie MMXX“ von Sasha Waltz: Bernd Uhlig

Dass das 90-minütige, pausenlose Stück sich im Untertitel reichlich unoriginell als für „Tanz, Licht und Orchester“ geschaffen wähnt, macht die Sache ebenso wenig besser wie die Tatsache, dass es darin eine Passage von mehreren Minuten gibt, in der alle Lichter ausgeknipst werden, sodass das Hauspersonal zur Überwachung in den Zuschauersaal kommen muss.

Denn die totale Finsternis stellt im Publikumsraum ein normalerweise verbotenes Sicherheitsrisiko dar. Wenn jetzt jemand – etwa, weil ihm übel ist oder er früher gehen muss – die Vorstellung verlassen will, ist das ohne zu stolpern praktisch nicht möglich.

Zu Beginn aber weiß man noch nicht, was auf einen zukommt. Man erblickt die goldmattierte Bühnenrückwand von Schriever, die zugleich eine profane und sakrale Ausstrahlung hat.

Alle Aufmerksamkeit liegt zunächst auf dieser Wand, die von Finn exzellent beleuchtet wird. Mal satt goldfarben, mal mehr rotgoldfarben.

Man hat zudem zunächst die Muße, sich auf die surrende Musik zu konzentrieren, denn der Tanz lässt sich nur langsam an. Die Staatskapelle Berlin unter Ilan Volkov spielt die durchaus exotischen Klänge von Haas mit Verve: brummende, summende Töne, die mal harmonisch, mal disharmonisch einherkommen.

Vor allem die Streicher sind zu Beginn im Einsatz, dann kommt das Blech dazu. Oft schwillt der Klang an, wird laut, dann ebbt er ab, bis zu kalkulierter Stille. Haas frönt einem zwar nicht gefälligen, aber anheimelnd eigenwilligen Sound, der dank der Miniaturintervalle oftmals etwas Schwebendes an sich hat.

Außerdem steht er laut Wikipedia bekennend zur sadomasochistischen Beziehung mit seiner vierten Ehefrau, und irgendwie hört man das: Geduld ist hier das A und O, und wenn es am Anfang mal überraschend laut wird, kann man sich darauf verlassen, dass es das nicht zum letzten Mal war.

Wellen von Energie schwappen hoch und runter – ein wenig erinnert das Ganze an ein illustriertes Landschaftsportrait etwa der Nordsee. Tatsächlich gibt es später auch Passagen, die zu einer Sturmflut passen würden, ebenso gibt es andere, die eine schwüle, feuchte Sommerhitze bezeichnen könnten.

Szenisch ist von so konkreten Locations aber nichts zu sehen.

"Sym-Phonie MMXX" von Sasha Waltz

Die Wand tanzt mit: Szene aus „Sym-Phonie MMXX“ von Sasha Waltz beim Staatsballett Berlin. Foto: Bernd Uhlig

Der Horizont wirkt weiterhin wie aus mattiertem Gold. Doch Bühnenbildnerin Pia Maria Schriever hatte nicht viel zu tun. Im Stück gibt es noch zwei weitere solche Goldwände, sonst nichts.

Bei den Stylings wird erst später aufgedreht. Die Kostüme von Bernd Skodzig zeigen dann extrem raffinierte Schnitte in Schwarz, zu Beginn aber gibt es simulierte Nacktheit.

Bei einigen Tänzerinnen sind die rot gefärbten Brustwarzen durch den dünnen hautfarbenen Stoff zu sehen – das ist wohl für den Altherrengeschmack gedacht und schrammt knapp am Tadel „sexistisch“ vorbei.

Übermäßig erotisch wirkt die Masse Mensch, die da übereinander und verschlungen liegt, um sich dann zu erheben und in kleinen Gruppen Posen vorzuführen, aber sowieso nicht. Eher hilflos.

Und ob das Stück nun im Lazarett oder im Meditationszentrum spielt, macht auch das bilderreiche Programmheft nicht klar. Kurzzitate von Gilles Deleuze und Félix Guattari darin sollen die Schizophrenie als Normalprogramm emanzipieren – aber so aus dem Kontext gerissen, überzeugt das nicht.

Das Thema ist also beliebig von der Zuschauer:in selbst festzulegen.

Zum hier eigentlich Wesentlichen: In Waltz‘ modernem Tanzstil, der immer ein wenig an Tai Chi erinnert, wird oft wie in Zeitlupe getanzt. Wenn man so ein Mittel gezielt einsetzt, kann es Charme haben und den Tanz ätherisch wirken lassen. Wenn aber ständig verlangsamt wird, wird auch die Stimmung stark gebremst.

Fast somnambul wirkt das Ensemble häufig, und die Posen, die mitunter wie schlecht gemachtes Ballett konstruiert sind, werden lang, seltsamerweise allzu lang gehalten.

Lesen Sie hier, was nicht in BILD und SPIEGEL steht! Und spenden Sie bitte! Journalismus ist harte Arbeit, und das Ballett-Journal ist ein kleines, tapferes Projekt ohne regelmäßige Einnahmen. Wir danken, wenn Sie spenden, und versprechen, weiterhin tüchtig zu sein!

Im Ballett oder auch im Modern Dance wird eine Balance als Akt der Schönheit, der Selbstbeherrschung, der überirdischen Aura präsentiert. Bei Waltz wirkt sie wie artistische Vorführkunst: gediegen und von erlesener Machart in der Zelebration, aber ohne choreografische Pointe, ohne innere Dramaturgie, ohne tänzerische Folgen, also nicht ausdrucksgeladen.

Nach fünfzehn Minuten tanzen die Tänzer dann erstmals synchron: eine Armbewegung verbindet sie alle. Waren es bisher Kleingruppen oder Paare, die menschliche Beziehungen symbolisierten, sind es jetzt erstmals alle zusammen – und dass sie trotzdem mit ansehnlichem Abstand auf der großen Bühne stehen können, zeigt, dass Waltz sehr wohl ein Gefühl für den Raum hat.

Warum nur setzt sie das nicht öfter ein? Zu oft wirken die Tänzer:innen wie Verlorene, ohne dabei aber Unwohlsein zu zeigen. Ob ihre gezeigte Stimmung ganz gut oder gedrückt sein soll, ist oftmals unentschieden. Irgendwie schamanisch, irgendwie taumelnd ist das tänzerische Credeo – zu wenig konkret, um mitzureißen.

Später kommt wenigstens Tempo in die Truppe. Wer will, kann an Kämpfe oder sogar an Krieg denken. Körper, die am Boden liegen, werden hochgehoben und getragen, zum Stehen und zu neuem Leben gebracht. In mehreren Pulks stampfen die Tänzer aufeinander zu und voneinander weg. In der Musik gibt es Anklänge an Sirenengeheul, aber ohne Dröhnen.

Dieser erste Teil hat schon Momente, die aufhorchen lassen.

Manchmal denkt man, man könne die Szene auf den Krieg in der Ukraine beziehen. Aber das ist reine Deutungssache, zumal echtes Grauen hier niemals auf der Bühne zu sehen ist. Stumme Schreie und harte, eckige Bewegungen künden vielmehr von harten Arbeitsalltagen, die auch mit heftigen gestisch-pantomimischen Körpereinsätzen illustriert werden.

Das geht so eine halbe Stunde hin und her. Dann herrscht Stille. Wirklich: Die Musik verstummt, und das für volle 20 Minuten. Trotzdem wird weiter getanzt, als wäre nichts geschehen. Man hört das Keuchen der Tänzer:innen und das Aufkommen ihrer Fußsohlen auf dem Boden. Sie haben denselben Rhythmus in sich – aber wirklich raumfüllend ist die getanzte Stille nicht.

"Sym-Phonie MMXX" von Sasha Waltz

Sasha Waltz kreierte die „Sym-Phonie MMXX“ entgegen ursprünglichen Plänen für ihr eigenes Ensemble statt fürs Staatsballett Berlin, das das Stück aber jetzt präsentiert. Foto: Bernd Uhlig

Die lange Zeit der akutischen Ruhe war nun auch nicht Waltz’ Idee, sondern der Komponist Haas hat es so vorgeschrieben. Im Programmheft ist die detaillierte Benennung der einzelnen Teile seiner Partitur abgedruckt. „Lautlose Wiederholung“ des Vorangegangenen heißt es da immer dann, wenn die Orchestermusiker eine Auszeit nehmen dürfen.

Die Zwischentitel der Partitur könnten außerdem Aufschluss geben, aber das tun sie nicht: „Beginn einer Sonate“ heißt der Anfang, „Polyphonie der ‚Massen‘“ heißt ein anderes Unterkapitel, die meisten heißen „Viele kleine Geschichten“ oder eben „Lautlose Wiederholung“, etwa der „vielen kleinen Geschichten“.

Hier wurde sich keine Mühe gegeben, bloße Assoziationen zu etwas umzuarbeiten, das dramaturgisch irgendwie nachvollziehbar sein könnte.

Und so liegen mal alle am Boden, dann wird wieder gerannt oder solistisch gesprungen. Wenn die Truppe barfuß stampft, scheint sie Einverständnis zu signalisieren. Aber worum es geht, ob um Macht, um Überleben, um Liebe gar – bleibt tatsächlich im Dunkeln.

Letztlich ist es die Musik, die einen ab und an aus der Lethargie herausreißt. Die Harfe schwallt, das Horn ruft. Dazwischen jazzt die Pauke. Aber tänzerisch ist all das nicht umgesetzt.

Nach weiteren zehn Minuten mit Musik herrscht dann wieder Stille. Das ist nicht wirklich aufregend.

"Sym-Phonie MMXX" von Sasha Waltz

Man liegt am Boden, lässt sich wie leblos tragen – aber was ist es szenisch: Ist es ein Lazarett? Oder ein Meditationszentrum? „Sym-Phonie MMXX“ von Sasha Waltz entscheidet das nicht. Foto: Bernd Uhlig

Die zweite Goldwand schiebt sich von links nach rechts über die Bühne, drängt die Hälfte der Tanzenden ins Aus. Allerdings wehren sie sich nicht dagegen, sie nehmen es hin und hüpfen weiter vor sich hin, als sei doch letztlich alles in Ordnung.

Soll die Goldwand das big money darstellen? Dann wäre mit Aufruhr der Verdrängten zu rechnen oder wenigstens mit Missmut. Steht sie für eine göttliche Macht? Dann würde sie  stärker verehrt. Steht sie einfach nur für eine Wand auf der Bühne? Wahrscheinlich.

Stimmung schafft die Goldwand jedenfalls nur zu Beginn des Stücks – die am Bühnenhintergrund wird ohnehin bald versenkt, der Hintergrund bleibt dann schwarz, und die über die Bühne wandernde Wand hat ihren Dienst vollendet, als sie rechts ankommt.

Bleiben die Kostüme als Stimmungsmacher. Einige Damen wechseln im Verlauf des Abends zu hellen Abendkleidern. Sollten sie an die aggressiv-sinnlichen Tänzerinnen von Pina Bausch erinnern, so ist ihre schlaffe Sanftheit dagegen aber peinlich.

Dass man dann noch minutenlang in absoluter Finsternis sitzt, macht es nicht besser. Es ist die eingangs erwähnte totale Dunkelheit, die in deutschen Theatern an sich untersagt ist. Denn sollte ein:e Zuschauer:in jetzt austreten müssen, könnte es wirklich leicht zu einem Unfall kommen.

Man hofft also, das alle urologischen Patienten sowieso durchhalten und auch sonst niemand Panik bekommt bei dieser inszenierten Finsternis, die natürlich nicht eben angenehm ist.

Übrigens richtet diese Finsternis sich nach der Partitur von Haas, indem sie diese wörtlich – vielleicht zu wörtlich – nimmt. Der entsprechende Teil der Komposition, der übrigens höllisch wütet und wüst brandet (man könnte an eine melodisch übersetzte Sturmflut denken), heißt denn auch schlicht „Finsternis“.

Aber: Die hier tosende Musik hätte man auch im Halbdunkel bestens wahrnehmen können.

Danach – großes Aufatmen, als die Lichter wieder angehen – kommt nur noch das „Finale“.

Ein furioses Solo kommt von einer der Ersten Violinen. Und: Es gibt nochmal neue Kostüme.

Da wachsen den Damen doch glatt ausladende, schwarze Flügel auf den schmalen Schultern – ein modisches Accessoire und mythisches Rätselstück zugleich.

Todesengel sind die Tänzerinnen damit aber nicht. Vielmehr hat man den Eindruck, einer Versammlung von Untoten in undefinierbarer Sphäre beizuwohnen. Sie tanzen gymnastisch-elastisch, die spitz zulaufenden Mega-Ärmel (also die „Flügel“) stehen steif hoch und verleihen ihnen die Wirkung von dem Laufsteg entflohenen Mannequins.

Tanzen ist ja auch viel schöner als das immer so auf megacool getrimmte Vorführen von Klamotten!

Schließlich wird die Musik pompös, erinnert an Richard Strauss‘ „Also sprach Zarathustra“, aber auf der Bühne passiert Gegenläufiges:

Eine dritte Goldplatte senkt sich wie ein falscher, langsam fallender Himmel aus dem Schnürboden herab.

"Sym-Phonie MMXX" von Sasha Waltz

Hypnotisch, aber ohne Bedeutung… Das neue Tanzstück „Sym-Phonie MMXX“ von Sasha Waltz entzieht sich auch hier der konkreten Festlegung. Foto: Bernd Uhlig

Das engt die Tänzer:innen natürlich in ihrem Bewegungsradius nach oben ein, und man wird  an Sprechtheater-Inszenierungen von Michael Thalheimer erinnert. Er hat seine Künstler:innen oft in schmale Guckkästen „eingesperrt“, manchmal konnten sie nicht aufrecht gehen und mussten doch einen modernen Klassiker, etwa „Die Ratten“ von Gerhart Hauptmann spielen.

Hier geht das Fiasko von oben relativ schnell vorbei. Bald können die Tänzer:innen nur noch im Sitzen tanzen, dann im Liegen. Das gefällt ihnen nicht, sie bekommen womöglich auch berechtigte Angst. Also kriechen sie von dannen.

Ein Solist mit einem Pendant bleibt übrig, bis der Solist allein noch im Liegen Bewegungen vollführt – und ebenfalls ins Off verschwindet.

Als alle geflüchtet sind, erreicht die goldene Platte den Boden. Sie hat gesiegt – wie eine unbarmherzige Maschine, die alle Natur vergrämt.

Die lautlich schillernde Harfe und auch das Orchester dürfen noch etwas nachwabern. Man weiß: Es ist vorbei, aber die Musik soll das letzte Wort haben. Also gut. Emotional ist die Mitteilung aber eher minimalistisch.

Nicht nur ich atme auf, als es endlich ganz vorbei ist. Das ist kein fertiges Stück, das ist der Versuch, aus Halbfertigem ohne genügend Kitt etwas Ganzes zu schustern.

Und es ist schade, denn sowohl in der Musik als auch bei den Tänzer:innen als auch bei Sasha Waltz ist natürlich Potential vorhanden. Der Ideenmangel in der Produktion ist allerdings zu stark offensichtlich, um zu sagen: eine leichte Überarbeitung könne hier wesentliche Besserung bringen.

Warum der Titel lediglich die Verhackstückung einer Symphonie impliziert, aber keinen inhaltlichen Hinweis gibt, bleibt auch unklar. Will Haas damit andeuten, man könne seit dem Jahr 2020 keine Sinfonie mehr schreiben? Man weiß es nicht.

Und wenn man sich schon als Choreograf:in darauf einlässt, weite Passagen ganz ohne Musik oder andere akustische Begleitung tanzen zu lassen, sollte man diese Entscheidung doch dramaturgisch begründen und auch entsprechend szenisch umsetzen. Sonst wird die Musik zum beliebigen Krachkanal erklärt, der im Grunde überflüssig ist.

Sasha Waltz plante ja ursprünglich mit diesem Werk ein Stück für die Tänzer:innen vom SBB. Die damaligen Proben, die im Rahmen ihrer kurzen Zeit als Intendantin vom Staatsballett Berlin stattfanden, führten aber wohl zu nichts. Das Stück blieb aber auf dem Spielplan, rutschte nur eben von 2020 ins Jahr 2022. Man könnte sagen: Es handelt sich also um eine üppige Altlast, die erledigt sein wollte und es nun endlich ist. Im Kurzurteil stelle ich fest: Es ist fade, inhaltsleer und bestenfalls gewollt originell.

"Sym-Phonie MMXX" von Sasha Waltz

Ein schönes Bild, darum nochmal hier am Schluss: Es fehlen nur die tänzerischen Verbindungen im Stück „Sym-Phonie MMXX“ von Sasha Waltz. Foto: Bernd Uhlig

Das ist schon eine etwas teure Gastfreundschaft, wenn man bedenkt, dass Sasha Waltz ihre Tanzstücke sonst meist im kleineren Rahmen zeigt.

Ich war mit dieser Empfindung nicht allein bei der Premiere. Zusätzlich zu den obligatorischen Bravos gab es auch Buhrufe – selten wurden diese im Ballett, gerade auch durch die Corona-Zeit, in der man besonders dankbar ist für die Kultur, die angeboten ist. Der Leidensdruck, so ist zu schließen, war also doch besonders hoch.
Gisela Sonnenburg

P.S. Es ist sachlich falsch, was im „Tagesspiegel“ steht, nämlich dass Sasha Waltz und dieses Stück stark  vom deutschen Ausdruckstanz geprägt seien – der deutsche Ausdruckstanz basierte auf pulsierenden Rhythmen und keineswegs auf langsam zelebriertem Pseudoballett. Die Autorin Sandra Luzina tut ihrer langjährigen Protektionsgenießerin Waltz  mit ihrer Falschbehauptung allerdings einen starken Gefallen, denn für künftige Fördergelder könnte das ein wesentlichen Kriterium sein. 

www.staatsballett-berlin.de

 

ballett journal