Lust und Transzendenz Tanz, Architektur und Poesie im Schlossmuseum Sondershausen in Thüringen: „Lauter ewige Lieben“ mit dem BALLETT-JOURNAL

"Lauter ewige Lieben" in Sondershausen

„Wann du willst“ von Gisela Sonnenburg zeigt Daria Suzi am Anfang und am Ende in der Position einer anmutig Stehenden. Ein wenig Porzellanfigur, ein wenig „Raymonda“ – genau so ist die Figur gedacht. Foto: Gisela Sonnenburg

Samstag, 08. November 2025, 14 Uhr im Schlossmuseum Sondershausen in Thüringen, nahe Erfurt. Es ist neblig bis aufgeklärt, aber nicht regnerisch. Eine 30-köpfige Gruppe lässt sich von der „Schlossherrin“, der Museumsleiterin Dr. Carolin Schäfer, in „Geheime Räume des Barock“ entführen. Nur selten sind diese Säle zu besichtigen, und ihre Schönheit erstrahlt gerade deshalb so anheimelnd, weil sie weniger möbliert als vielmehr pur geblieben und mit authentischer Malerei und mit prächtiger Stuckarbeit ausgestattet sind, zudem mit bezaubernden Kachelöfen und mit historischem Parkett. Die opulente Schönheit der Räume und auch die zarte Erotik der Details bringen die Wangen vieler Mitgehenden zum sanften Erröten. Diese mehr als einstündige Führung ist der Auftakt zum zweiten Teil der Veranstaltung, welcher im Vestibül – dem antik inspirierten Empfangsaal – des Schlosses im Erdgeschoss stattfindet. „Lauter ewige Lieben“ heißt er.

"Lauter ewige Lieben" in Sondershausen

Daria Suzi vom Ballett Dortmund beim Tanz im Vestibül vom Schlossmuseum Sondershausen. Foto: Gisela Sonnenburg

Er lädt dazu ein, sich die Liebeslyrik des Kölner Meisterdichters Erasmus Schöfer von seinem Sohn, dem Fernsehstar Timo Ben Schöfer, mit ausdrucksstarker, männlich tiefer Stimme vorlesen und von mir als Moderatorin mehr oder weniger charmant und hoffentlich ausreichend kenntnisreich erläutern zu lassen.

"Lauter ewige Lieben" in Sondershausen

Daria Suzi im Vestibül vom Schlossmuseum Sondershausen: Tanz zu Musiken von Jochen Brusch und Gedichten von Erasmus Schöfer, choreografiert von Gisela Sonnenburg. Foto: Gisela Sonnenburg

Vor allem aber brilliert, ergänzend zu besonders wortgewaltigen Poemen, Daria Suzi vom Ballett Dortmund mit drei passgenau eingestreuten, somit uraufgeführten Soli, die ich zuvor für sie kreiert und mit ihr einstudiert habe.

Die Stimmung ist intensiv, das Publikum ist wissbegierig und aufmerksam. Für „Lauter ewige Lieben“ sind zusätzlich etwa 20 Zuschauer eingetrudelt, weil die Führung auf 30 Teilnehmende begrenzt sein musste. Jetzt zeigt sich, ob all unsere Vorbereitungen und Proben, alle Mühen mit der Kunst und auch die Kämpfe mit technischen Kleinigkeiten sich gelohnt haben.

"Lauter ewige Lieben" in Sondershausen

Daria Suzi vom Ballett Dortmund tanzt Sonnenburg im Vestibül vom Schlossmuseum Sondershausen. Foto: Gisela Sonnenburg

Vorab sei verraten: Ja, es hat sich alles gelohnt! Auch all die Bahn- und Autofahrten aus fünf verschiedenen Richtungen, aus fünf verschiedenen deutschen Städten, aus denen wir Kreativen und Organisatoren angereist kamen.

15.15 Uhr. Ab jetzt ist das Schlossmuseum Sondershausen für 45 Minuten ein Knotenpunkt der internationalen Kunst, eine Nabelschnur und ein Mekka der an hochkarätigem Crossover interessierten Rezipienten.

"Lauter ewige Lieben" in Sondershausen

Sehnsucht nach Liebe: Daria Suzi in „Der Wind hat dich im Arm“ von Gisela Sonnenburg im Vestibül vom Schlossmuseum Sondershausen. Foto: Gisela Sonnenburg

Antike – Barock – Gegenwart: Diesen Bogen schlagen wir gedanklich und mit Worten sowie mit unseren Künsten. Natur und Bildhauerei, Lyrik und Bewegung verschmelzen, zumal die ausgewählte Musik des Tübinger Konzertgeigers Jochen Brusch – meinem erklärten Lieblingsmusiker – original barocke Klänge von Johann Sebastian Bach thematisiert und mit der Violine und der Gitarre romantisch fasslich und kammermusikalisch intim macht.

"Lauter ewige Lieben" in Sondershausen

Auch ein Abschied kann voller Sehnsucht sein… Daria Suzi vom Ballett Dortmund im Vestibül vom Schlossmuseum Sondershausen. Foto: Gisela Sonnenburg

Die zu diesen Musiken dargebotenen drei neuen Tänze sind nach Zeilen der Gedichte von Erasmus Schöfer benannt: „Wann du willst“, „Der Wind hat dich im Arm“ und „Was ich nicht weiß“ sind unbestritten die Höhepunkte der Veranstaltung.

"Lauter ewige Lieben" in Sondershausen

Daria Suzi noch einmal beim Tanz der Gedichte im Schlossmuseum Sondershausen. Foto: Gisela Sonnenburg

Bei Erasmus Schöfer heißt es im inspirierenden Gedicht „Sonnenblume“:

„Der Wind hat dich im Arm / Wer ist der Wind / Und wohin fällt das Licht / gebeugt von so viel Händen // Spinnen weben / durch die grünen Äste / dieser Blütentage / meine dünnen Totenfäden // Schwarze Sonne / Du hast in meinen Adern Wurzeln / Das gibt die Farbe Nacht / in mein Gesicht“

Sinnliches Welterlebnis, Auseinandersetzung mit Vergänglichkeit sowie eine Todesahnung mischen sich hierin.

"Lauter ewige Lieben" in Sondershausen

Und sie springt! Daria Suzi im Vestibül vom Schlossmuseum Sondershausen. Foto: Gisela Sonnenburg

Daria Suzi gibt alles – und das ist bei der Primaballerina, die in Sankt Petersburg am Waganowa-Institut ausgebildet wurde, nicht eben wenig.

Mal zart und soft, mal schelmisch, mal melancholisch, mal kämpferisch, mal entschlossen, mal resignierend, letztlich vor allem sehnsuchts- und hoffnungsvoll vereinnahmt uns Daria Suzi und bringt meine Choreografie zum Glitzern und Glänzen.

"Lauter ewige Lieben" in Sondershausen

Daria Suzi in „Der Wind hat dich im Arm“ von Gisela Sonnenburg nach Erasmus Schöfer im Schlossmuseum Sondershausen. Foto: Gisela Sonnenburg

Zum Nachklang: Schön war’s. Lust und Transzendenz fanden zueinander, und genau so sollte es sein.

Schön war auch, dass keine überflüssige Nervosität uns bei unserem Event störte. Wir waren gut vorbereitet und konnten uns auf das Publikum voll einlassen. Es hat einfach Spaß gemacht – und zudem die Dichtung, die Architektur, die Musik und den Tanz auf eine sehr wirksame Weise miteinander verbunden. Sie wurden dabei so lebendig präsentiert, wie es vielleicht wirklich selten angeboten wird.

Die glücklichen Gesichter auch der Zuschauenden sprachen dafür.

"Lauter ewige Lieben" in Sondershausen

Daria Suzi auf der Suche – im Vestibül vom Schlossmuseum Sondershausen. Foto: Gisela Sonnenburg

Wer nun als Andenken oder schon als Weihnachtsgeschenk ein Buch mitnehmen wollte, konnte dieses anschließend zu einem Vorzugspreis beim Bücherstand der Erasmus Schöfer Gesellschaft machen.

Vor allem der edel in rotes Leinen gebundene und mit lieblichen Aquarellen versehene Lyrikband „Sisyfos‘ Lust – Lauter ewige Lieben“ von Erasmus Schöfer ist für Liebhaber echter Gefühle unbedingt empfehlenswert.

"Lauter ewige Lieben" in Sondershausen

Timo Ben Schöfer las im Stehen, im Gehen und im legeren Sitzen bei der Statue der Athene die Gedichte seines Vaters Erasmus Schöfer. So zu erleben am 8. November 2025 im Schlossmuseum Sondershausen. Foto: Gisela Sonnenburg

Der Band vereint die niemals ermüdenden, prickelnden, mitreißenden, nachdenklich machenden, dabei sehr  verständlichen Liebesgedichte unserer Zeit aus der Feder eines echten Könners. Was für eine gute Entscheidung, dieses Flair ins Schlossmuseum Sondershausen nach Thüringen zu bringen!
Gisela Sonnenburg / Ballett-Journal

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