
Ana Torrequebrada probt mit dem Papiervogel im Tschechow-Ballett „Die Möwe“ von John Neumeier beim Hamburg Ballett. Foto: Kiran West
Das Hamburg Ballett bereitet sich auf eine wichtige Wiederaufnahme vor: Auf „Die Möwe“ frei nach Anton Tschechow von John Neumeier. Letzten Sonntag wurde Neumeier bei der „Ballett-Werkstatt“ für sein 2002 uraufgeführtes Stück gefeiert, als er von der Entstehungsgeschichte berichtete. Die „Theaternacht Hamburg“ tags zuvor war aber auch mal wieder ein voller Erfolg: Im Ballettzentrum, das den Namen von John Neumeier trägt, wurde letzten Samstag fleißig vor Publikum trainiert und geprobt. Zudem gab es Mitmach-Hüpfstunden für die nicht so begabte Bevölkerung. Doch hinter der Freundlichkeit brodelt es. Das Hamburg Ballett, weltweit renommiert, verlor zum Spielzeitbeginn sein eigenes Logo und seine eigene Homepage. Jetzt ist es ganz an die Hamburgische Staatsoper angegliedert. Deren neues Logo besteht wiederum aus einem Piktogramm, das in strengen Linien das zentral gelegene Opernhaus abbildet. Doch gerade diesem Gebäude will der Hamburger Senat den Garaus machen. Darum wurde die Linksfraktion jetzt mit einer Online-Petition aktiv.
Die Vorgeschichte: Seit Mai 2022 bedrängt der Milliardär und Steuerflüchtling Klaus-Michael Kühne seine Heimatstadt Hamburg, er wolle ihr ein neues Opernhaus finanzieren. Und zwar genau dort, wo in finsteren Kolonialzeiten die Schiffe gen Afrika ablegten: auf einer Landzunge im Hafen namens Baakenhöft. Der Senat lehnte Kühnes Ansinnen zunächst ab. Aber dann, ganz plötzlich, verkündeten im Februar 2025 Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD), der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und die Kühne-Stiftung, man wolle das angebliche „Geschenk“ umsetzen (das BALLETT-JOURNAL berichtete).

Selig: Der Choreograf und Ex-Chef vom Hamburg Ballett, John Neumeier, und sein Wunschnachfolger Lloyd Riggins, aktuell der Ballettdirektor vom Hamburg Ballett, bei der Umarmung. Foto von der „Ballett-Werkstatt“ am 14.09.25: Kiran West
An Protest dagegen mangelt es nicht. Zu teuer, zu groß, zu unpraktisch, zu wenig zentral – ein Sinn des neuen Opernhauses erschließt sich kaum. Und die Kühne-Stiftung will zwar die Baukosten tragen. Aber auf den restlichen Ausgaben wie denen zur Vorbereitung der Baufläche, dem Hochwasserschutz und dann dauerhaft auf den Betriebskosten bliebe Hamburg sitzen.
Mitarbeiter und Besucher der Kühne-Oper müssten zudem oft quer durch die Stadt und dann noch Richtung Küste fahren: Zentrale Lage geht anders. Trotzdem behauptet jetzt derselbe Kultursenator, der noch vor wenigen Jahren angab, das Traditionshaus der Hamburgischen Staatsoper könne in kleinen Schritten gut saniert werden, man müsse das Haus für eine zeitgemäße Sanierung mindestens zehn Jahre schließen. Diesen Selbstwiderspruch des Senators Brosda deckte die Hamburger Linksfraktion auf.
Pünktlich zum Saisonbeginn startete eine Initiative, mit dabei: Marco Hosemann von der Linksfraktion, der übrigens über die Wahlkreise Eppendorf und Winterhude sowie Hoheluft-Ost in die Bürgerschaft einzog, eine Online-Petition. Deren Tenor: „Wir brauchen nicht noch ein Wahrzeichen, sondern eine demokratische, geschichtsbewusste und nachhaltige Stadtentwicklung!“ Und: „Kein Mega-Denkmal für Kühne auf unsere Kosten“.

Marco Hosemann von der Hamburger Linksfraktion bekennt Farbe gegen die geplante Kühne-Oper: zu teuer, zu inkorrekt, zu wenig nötig. Foto: Promo
Kühnes Ehrgeiz, auf dem Baakenhöft etwas zu errichten, das definitiv nicht an Hamburgs Schuld im Kolonialismus erinnert, ist aber auch geschmacklos. Zumal die Geschichte seiner Firma NS-involviert ist. Nah beim Baakenhöft verkümmert außerdem die teure Bauruine vom Elbtower. Auch in diesen hatte „Klaumi“ Kühne investiert. Dass andererseits die Elbphilharmonie beim Hafen blüht und gedeiht, liegt an ihren hohen Subventionen und am Marketing, das man ihr angedeihen lässt. Ob man diesen Aufwand für ein neues Opernhaus wiederholen will?
Mehr Spektakel, mehr Bühnentechnik, weniger menschliche Kunst – diese Ideen der Hamburger SPD zeichnen sich für das Innere der Kühne-Oper bereits ab. Demnächst soll die Bürgerschaft – das Hamburger Parlament – über die Sache beraten. Die SPD hat vorgebeugt: Eine Kritikerin aus den eigenen Reihen wurde bereits aussortiert. Und in der „Drucksache 23/943“ werden detailfreudig angebliche Unkosten vorgerechnet.

Wieso soll der Zuschauersaal der Hamburgischen Staatsoper auf einmal nicht mehr gut genug sein? Foto: Gisela Sonnenburg
Für Marco Hosemann von der Linksfraktion ist der Fall dennoch klar: „Wir haben eine herrliche Oper in der Innenstadt.“ Er fordert deren Instandsetzung, und zwar „zu vernünftigen Preisen“. Mehr als 250 Millionen Euro, so Hosemann, koste die Kühne-Oper die Hamburger Steuerzahler schon heute. Mindestens 149 Millionen Euro kämen ab Baubeginn noch dazu. Ungeklärt sind die Betriebskosten nebst eventuellen Reparaturkosten. Auch das dann stillgelegte Traditionshaus zwischen Gänsemarkt und Dammtorbahnhof würde weiterhin Kosten verursachen: Man kann es schlecht einfach wegzaubern.
Hosemann und die Linksfraktion sind nicht allein mit der Ablehnung der Senatspläne. 14 Netzwerke und Vereine waren die Erstunterzeichner der Petition. Pikanterweise mit dabei: das örtlich betroffene Netzwerk HafenCity, eine Nachbarschaftsinitiative. Insgesamt wurden bisher über 5.000 Unterschriften gesammelt. Dass es nicht mehr sind, liegt daran, dass die Mainstream-Medien die Petition verschweigen. So befragte der NDR in der Sendung „DAS!“ den Intendanten der Hamburgischen Staatsoper, Tobias Kratzer, nach seiner Meinung zur geplanten Oper. Aber die da schon laufende Online-Petition von Marco Hosemann fand nicht mal Erwähnung.
Sogar das Wort „Kühne-Oper“ wird von senatstreuen Hamburger Journalisten nicht mehr ausgesprochen. Die SPD möchte nämlich weg von diesem Schlagwort, das nichts Gutes verheißt. Denn Kunstverstand wird Kühne selten attestiert. Er ist eher fürs Derbe zuständig, sponsert seit langem einen Fußballclub: mit Millionensummen. Nur für das traditionsreiche, wenngleich moderne Opernhaus von 1955 hat er nichts übrig. Es ist ihm wohl nicht neu genug.
Und bitte nicht vergessen: Immer schön weiter von der „Kühne-Oper“ sprechen! Jeder andere Name für die geplante Monsteroper am Wasser wäre eine Verschleierung.
Gisela Sonnenburg
Zur Online-Petition: https://weact.campact.de/petitions/unterzeichne-unser-positionspapier-zu-den-opernplanen-von-senat-und-kuhne-in-hamburg

Die Hamburgische Staatsoper in der Dämmerung: ein schönes, weder kitschiges noch aufdringlich gestaltetes Haus mit vorzüglichen Vorführungen. Foto: Gisela Sonnenburg