Feuer, Wasser, Erde – Tanz Annette von Wangenheim drehte einen Kinofilm über den Choreografen Martin Schläpfer

Martin Schläpfer in jeder Hinsicht im Film.

Auf der Bühnenprobe: höchste Konzentration und Kreativität mit Martin Schläpfer. Videostill aus dem Werbetrailer für „Feuer bewahren – nicht Asche anbeten“: Gisela Sonnenburg

Das Feuer aus dem Titel gibt es tatsächlich, wortwörtlich, und nicht nur als Aphorismus des Komponisten Gustav Mahler. „Feuer bewahren – nicht Asche anbeten“ heißt der Portraitfilm von Annette von Wangenheim, Mahler zitierend, über den modernen Choreografen und Chef vom Ballett am Rhein, Martin Schläpfer, 56. Dessen Lieblingsort zum Entspannen liegt in den Bergen im Tessin, in den Alpen: eine kleine Hütte, in der es neben einem gusseisernen Herd einen Kamin gibt. Wie selbstverständlich der Tanzschöpfer dort die Scheite einwirft, zeigt seine enge Verbundenheit mit dem einfachen Leben. Der Rest aber ist Kunst: im Ballettsaal, auf der Bühne, im Gespräch.

Martin Schläpfer in jeder Hinsicht im Film.

Ein Blick ins Internet zeigt: Annette von Wangenheim ist in der Theater- und Fernsehszene keine Unbekannte. Faksimile: Gisela Sonnenburg

Die Autorin ist keine Unbekannte. 2010 legte die studierte Kölnerin Annette von Wangenheim, die 1985 über den Komponisten Béla Bartók promovierte, den viel beachteten Fernsehfilm „Nijinsky & Neumeier. Eine Seelenverwandtschaft im Tanz“ vor – und damit eine ultimative filmische Doku über John Neumeier und sein Hamburg Ballett. Zuvor drehte sie bereits erfolgreich TV-Filme über Josephine Baker, Kurt Jooss und das Dance Theatre of Harlem, und auch eine Doku über „Tanz unterm Hakenkreuz“, also im Dritten Reich, stellt ihren scharfen Blick und ihr Können, atmosphärisch dichte Dokumentarfilme zu drehen, unter Beweis.

Die Arbeit über den zweifelsohne aus Fleiß heraus genialen Martin Schläpfer ist Wangenheims erster Kinofilm – aber dem fernseherprobten Feature-Prinzip der einfühlsamen Beobachtung, abgemischt mit der Zusammentragung von Fakten, die wie Puzzleteile zueinander passen, bleibt sie treu. Warum auch nicht?

Martin Schläpfer in jeder Hinsicht im Film.

Der Choreograf als Wanderer: nicht auf Goethes Spuren, aber in ein eigenständiges Naturverständnis. Matin Schläpfer unterwegs in den Alpen. Videostill vom Werbetrailer zu „Feuer bewahren – nicht Asche anbeten“: Gisela Sonnenburg

Ein ungewöhnlicher Vorspann macht den Anfang. Als Erstes hört man das Schnaufen des Künstlers. Es klingt unverstellt, echt erschöpft, voll körperlicher Anstrengung und auch voll schöner Konzentration. Martin Schläpfer, jenseits seiner sonstigen Sphären, erklimmt hier die Berge, zünftig mit Rucksack und Wanderschuhen, blanken Waden und viel Hingabe an die einsame Natur. Vogelzwitschern, wuchernde Vegetation, schroffe Felsen – und aus dem Tal ragt, vor einem steilen Gipfelzug, plötzlich der Titel des Films empor. Diese Montage schrammt zwar haarscharf am Kommerzkitsch vorbei, passt aber zum Film und zur Stimmung: etwas pathetisch, aber nie überfrachtet, geht es um Stimmungen und Gedanken, um tänzerische Taten und um Musik.

Bild und Text sind dabei perfekt aneinander angepasst, schmiegen sich in den Takten spätromantischer Musik förmlich ineinander. In den Bergen etwa erklärt Schläpfer seinen Bewegungsdrang, bald auch, was Ballett in seinen Augen von anderen Künsten unterscheidet: das Energetische, das sich auch wortlos durchsetzt und trotz aller Lyrik voller Dramatik ist.

Sein Selbstverständnis ist dabei gut nachvollziehbar, gerade weil es auch voll Skepsis ist: „Ich finde das immer sehr schwierig zu sagen: ‚Ich bin Künstler’.“ Denn: „Was ist das genau?“ Und: „Man muss immer stochern, bis es wieder Flammen gibt.“ Das Mahler-Zitat vom „Feuer bewahren“ zieht sich darum wie ein Leitmotiv durch den Film, als Sinnbild fürs Künstlersein, fürs unermüdliche Schöpfen, fürs redliche Arbeiten, immerzu weiter strebend, nie mit sich in Zufriedenheit stagnierend.

Martin Schläpfer in jeder Hinsicht im Film.

Ein Choreograf macht Feuer in der Einöde der Tessiner Berge: Martin Schläpfer im Zweitwohnsitz in den Alpen. Videostill aus dem Werbetrailer für „Feuer bewahren – nicht Asche anbeten“: Gisela Sonnenburg

Auch wenn Schläpfer die „Class“ gibt, also das tägliche Training leitet, gibt er keine Ruhe. „Inside leg!“ Das Bein, das sich nah an der Ballettstange befindet und bislang Standbein war, muss auch mal rasch zum Spielbein werden. Da muss dann langsam ein Rond de jambe par terre zu Dreiviertel ausgeführt und dann blitzschnell beendet werden.

Jeder Schönheit, die sich aus einer besonderen Anstrengung beim Training ergibt, jagt er hinterher, da ist Schläpfer ganz Ballettmeister. Er legt Wert auf Kombinationen, die die Muskeln und die Koordination im Hinblick auf seine Choreografien schulen. Schnelle seitliche Tendu jetés wechseln mit lang gestreckten, aus der fünften Position ins Plié des Standbeines fallenden Vor- und Rückwärtsübungen. Bis zu drei Mal wöchentlich, erzählt er, leitet er ein Training, wobei die Tänzer es sich aussuchen dürfen, ob sie sich mit ihm oder mit einem anderen Training fit halten.

Schläpfers Muse, die sympathische Ballerina Marlúcia do Amaral, kommt auch zu Wort. Sie spricht darüber, wie der Meister ihr half, ihren Körper zu formen. Wie Bildhauer haben die Tänzerinnen und Tänzer ein Idealbild von sich im Kopf oder auch nur vorbewusst im Gefühl – und um dieses in die Realität umzusetzen, schinden sie sich. Täglich. Ausdauernd. Zumeist unter Hochdruck.

Martin Schläpfer in jeder Hinsicht im Film.

Marlúcia do Amaral ist im Film wie im wahren Künstlerleben die Muse von Martin Schläpfer. Videostill aus dem Werbetrailer zu „Feuer bewahren – nicht Asche anbeten“: Gisela Sonnenburg

Marlúcias extravagant-kräftigen Körper beschrieb ich schon in einem anderen Text (siehe Link unten), er ist ein delikates, für Ballett sehr ungewöhnliches, stark faszinierendes Instrument aus Muskeln, Sehnen, Bewegungsbefähigung. Es handelt sich um eine Schönheit, die ihren eigenen Maßstab mitbringt.

Auch Schläpfer orientiert sich keineswegs an dem, was er vor seinem Werdegang als Choreograf als Tänzer (etwa bei Heinz Spoerli in Zürich) als ballettöse Normalität erfahren hat. Er weiß: Er muss als Schöpfer über Grenzen gehen, jedes Mal, wenn er sich und sein Publikum – und natürlich auch seine Mitstreiter – überzeugen will.

Martin Schläpfer in jeder Hinsicht im Film.

„Deep Field“ von Martin Schläpfer: Choreografische und musikalische Qualität erlauben ein intensives Tanzerlebnis beim Ballett am Rhein. Foto: Gert Weigelt

Der Film dokumentiert denn auch verschiedene Probenphasen von „Deep Field“ („Tiefes Feld“), jener abendfüllenden Uraufführung aus dem Jahr 2014, für die es eine Auftragskomposition bei Adriana Hölszky gab. Die ungarisch-deutsche Musikerin ließ sich, wie sie der Kamera erzählt, wiederum von Schläpfer inspieren. Das abstrakte Ballett, nicht das Handlungsballet, liege ihr besonders nahe, sagt sie wunschgemäß – und ihre Collage aus klanglichen Fetzen und einander durchdringenden Motiven haben dennoch einen ganz eigenen Stellenwert.

Als hätte man Werke von Igor Strawinsky durch den Wolf gedreht, neu zusammen gesetzt und kaleidoskopartig mit Chor- und Orchester-Fragmenten von Arnold Schönberg und Arnold Dreyblatt versetzt: Hölszkys Werk ist eine auf hohem Niveau angesiedelte akustische Zumutung, muss das vielleicht auch sein, um das Themenfeld von existenziellen menschlichen Zusammenhängen auch wirklich abzudecken. Dafür unterstützt das Werk die optische Darbietung, Schläpfer konnte punktgenau dazu und auch dagegen choreografieren.

Martin Schläpfer in jeder Hinsicht im Film.

Auf der Probe: höchste Konzentration und Kreativität mit Martin Schläpfer. Videostill aus dem Werbetrailer für „Feuer bewahren – nicht Asche anbeten“: Gisela Sonnenburg

Nett sieht es aus, wenn er sich dennoch bei der Komponistin vergewissert, dass bestimmte „Regelverstöße“ auch in ihrem Sinn sind.

Die vier Elemente zeigen sich jedenfalls in der Naturverbundenheit von Künstler und Filmemacherin: die Berge stehen am Anfang, ein Meeresrauschen hört man am Schluss des wirklich erhebenden Films.

Feuer, Wasser, Erde – Tanz: So könnte seine heimliche Formel lauten, in der alle Schönheit auch der Natur letztlich in die hohe Kunst der tanzenden Körper mündet.

Und nur in Einem überzeugt dieser Film nicht wirklich: und zwar darin, dass er Handlungs- und sinfonisches Ballett gegeneinander aufrechnen will. Beides hat nun mal seine Berechtigung, und beides muss unabhängig voneinander wie miteinander korrespondierend existieren dürfen.

So betont Schläpfer nachdrücklich, dass er glaubt, Tanz sei ohne Handlung besser. Das wird im Film auch nie hinterfragt, sondern von Zeugen wie der Hölszky nur nochmals bestätigt und unterfüttert. Das wirkt schon fast gewollt.

Nun haben aber auch Schläpfers Werke eine Art innere Handlung, eine Aktion, eine Kette von Geschehnissen, die sich aus dem Miteinander und aus dem Verändern dieses Miteinanders der tanzenden Menschen ergeben. Handlungslosigkeit wäre hier ja auch bitter langweilig!

Und ob eine konkrete Libretto-Handlung den motivischen Leitfaden vorgibt oder ob es sich um lose collagierte Emotionsausbrüche handelt – die innere Handlung ist ja immer entscheidend beim Ballett.

Die drei Gattungen abstraktes (sinfonisches) Ballett, Themenballett und Handlungsballett durchdringen einander ohnehin – es gibt kein Handlungsballett ohne sinfonische Anteile (in denen nur getanzt, nicht agiert wird), und es gibt kaum Themen- und abstrakte Ballette ohne zumindest eine innere, oft auch streckenweise äußere Handlung. Zu Themen in seinen Stücken hat Martin Schläpfer sich ja auch selbst immer bekannt, nicht zuletzt in seinem  „Forellenquintett“ .

Die Übergänge sind also fließend, und es wirkt ein bisschen vermufft, hier so zu tun, als wolle man das Rad oder das Ballett neu erfinden, indem man die äußere Handlung weglässt. Zudem spricht der Tanz, sprechen die Stücke für sich selbst.

Martin Schläpfer in jeder Hinsicht im Film.

Ein elektrisierend schönes Tanzbein – so zu sehen beim Ballett am Rhein in Martin Schläpfers Choreografien. Videostill aus dem Werbetrailer für „Feuer bewahren – nicht Asche anbeten“: Gisela Sonnenburg

Und so tanzt Marlúcia do Amaral ein Solo voller Gefühle und auch mit der Bereitschaft, sich von einer Befindlichkeit in die nächste zu stürzen. Suche, Laufen, Hoffen, Aufgeben – sich Abfinden, etwas Neues Wollen: Auf Spitzenschuhen stakt sie in zartem Takt seitlich, während sie die Hände in „Hundepfötchen“-Pose vor dem Busen hält. Dann versiegt die Musik von Johannes Brahms – und die Ballerina findet in der Stille einen neuen eigenen festen Stand. Es scheint, eine Frau ist verlassen worden und muss nun ihr Leben neu organisieren. Ihre Arme greifen sich Raum, sie dreht sich langsam, sie reckt sich, sie bezieht die Füße mit ein, geht, steht – und formuliert eine hoheitsvolle Körpersprache, ein neues Selbstbewusstsein, aus dem sich ein Rückwärtstrippeln und auch freudig grüßende, betont Freude gebende Handgesten wie von selbst entwickeln.

Das ist ganz große Kunst, an den Stummfilm und die Bildhauerei gleichermaßen erinnernd, und tatsächlich könnte ich mir zum Beispiel diese Tanzpassage auch in einem Handlungsballett vorstellen. Sie entstammt übrigens Schläpfers 2013 uraufgeführtem Stück „Johannes Brahms – Symphonie Nr. 2“, und gerade das Miteinander von Konkretion und Abstraktion macht den großen künstlerischen Wert dieses Balletts aus.

Annette von Wangenheim ist zu danken, dass sie gerade dieses Solo im übrigen hervorragend abfilmte – es zeigt viel von der Seele des Choreografen Schläpfer wie auch seiner Interpretin do Amaral. Es ist ja auch kein Zufall, dass sie die Kamerafrau Monika Eise zusammen mit einem männlichen Kamera-Team eingesetzt hat, wie schon im Neumeier-Film, obwohl die Frauen es in dieser Branche auch, aber nicht nur aus körperlichen Gründen, extrem schwer haben.

Martin Schläpfer in jeder Hinsicht im Film.

Martin Schläpfer und Hans van Manen – zwei bedeutende Ballettmacher bei der Arbeit im Balletthaus in Düsseldorf. Foto: Gert Weigelt

Und auch die Proben mit dem älteren Choreografenkollegen Hans van Manen zu „Alltag“, mit dem er Schläpfer für als Tänzer auf die Bühne zurück schickte, sind wunderbar anzuschauen. Da sitzt der Ballettchef Schläpfer auf dem Stuhl, der zum Bühnenbild gehört, und tanzt, ohne zu tanzen – erst im Ballettsaal, dann bei der Aufführung. Dann steht er auf, und als Marlúcia do Amaral den Raum entert, zelebriert er mit ihr ein gefühlvoll-poetisches Duett.

Als ein jüngeres Paar kommt – das auch so bezeichnet wird – bleibt Schläpfer, er sieht es sich an. Weil van Manen es so will. Und man begreift, dass der illustrierende Tanz seiner, Schläpfers, Gemütslage gilt: Die jungen Leute tanzen für ihn, tanzen sein Innerstes, nicht etwa ihr eigenes Selbstportrait. Hans van Manen darf das auch erklären, und die Kamera lässt sein strenges, festgezurrtes, altes Gesicht seltsam schön ausschauen.

Streng ist oft auch der Blick von Martin Schläpfer, aber immer auch von Leidenschaft und Liebe und auch vom Flirten sprechend. Ob er sich selbst erklärt oder eines seiner Stücke – seine Bemühungen, zwinkernd und verstanden zu werden, fruchten. An Hans van Manen, sagt er, und damit bringt er dessen größte Stärke auf den Punkt, bewundert er „die dramaturgische Klarheit“. Das passt wirklich zur seltsam schönen Strenge des alten Herrn.

Martin Schläpfer in jeder Hinsicht im Film.

Martin Schläpfer ganz privat: Der Choreograf relaxt, ein Genie auf Kurzurlaub daheim. Videostill aus dem Werbetrailer für „Feuer bewahren – nicht Asche anbeten“: Gisela Sonnenburg

Und sogar privat beleuchtet der Film Martin Schläpfer so, dass man das Gefühl hat, er mache hier ganz weit auf, obwohl zugleich eine diskretionswahre Distanz geschaffen wird. Selbst- und Fremdbild des Künstlers verschwimmen, kommen überein – und wie schon in ihrer Neumeier-Doku lässt Annette von Wangenheim auch hier dem portraitierten Künstler den Raum, sich darzustellen, ohne als Selbstdarsteller zu wirken. Das ist, ganz sicher, eine Kunst für sich.

Im sommerlichen Garten fläzt sich alsbald der Meister in seinen rustikalen Holzsessel, um seine selbst gebratenen Geflügelschnitzel zu vertilgen. Zum Haus mit Garten kam er, weil er beim Umzug aus Mainz nach Düsseldorf acht Katzen hatte, wie er erzählt – und dafür keine Wohnung fand. Jetzt hat er sich, weil er bleiben will, sogar einen kleinen Kindheitstraum erfüllt – und Kaninchen in einen hübschen Stall gesetzt, und die goldschwarze Musterung ihres flaumigen Fells kennzeichnet sie als ästhetisch ausgefallene, wandelnde Schmuckstücke. Der Chef füttert sie denn auch mit großem Vergnügen selbst, mit Salaten und Möhren, die verdächtig nach bester Bio-Qualität ausschauen. Ein feiner Anblick, so gar nicht lebensfern, sondern ganz echt, ganz schau – und dennoch sicherlich nicht uninszeniert.

Die Kongruenz zwischen Schläpfer-Ich und Film-Draufschau spiegelt sich auch in den Blicken auf die Locations.

„Feuer bewahren – nicht Asche anbeten“, dieses Motto ist tatsächlich auch in Schläpfers trautem Heim zu lesen, er hat es einfach an die Wand gepinselt, wie er des öfteren mal die Wände zu Leinwänden macht und seiner Wut wie seiner Lust freien Lauf lässt. Mal kippt er einen Eimer Farbe aus, mal besprenkelt er wie weiland Jackson Pollock den Untergrund. Zeichnungen und Schlieren, oft aber eben Schriften zieren seine persönliche Sphären, auch sein Büro in Düsseldorf.

„Ich übe Leben mögen“, steht da groß in blauen Lettern. Denn natürlich fühlt er sich manchmal einsam, das ist der Preis für Erkenntnisse und schöpferische Arbeiten, die auch mit der eigenen Seelentiefe zu tun haben.

Die Bühne ist der Tempel, der heilige Zielort. Auch beim Ballett am Rhein. Videostill aus dem Werbetrailer für "Feuer bewahren - nicht Asche anbeten": Gisela Sonnenburg

Paare treffen aufeinander – und bebildern die Fantasie des Choreografen Hans van Manen über den Choreografen Martin Schläpfer. Sehr reizvoll! Videostill aus dem Werbetrailer für „Feuer bewahren – nicht Asche anbeten“: Gisela Sonnenburg

Schläpfer tanzt. Wirbelt mit den Armen durch die Luft, rudert, dreht sich, den Oberkörper vorgebeugt. Die Arme finden bei  der nächsten Drehung schwungvoll von unten nach oben, die Hände verschränken sich weit über dem Kopf. Orient und Okzident verschmelzen in dieser Drehung, ein Reisender könnte sich so formulieren, ein vom Reisen Träumender vielleicht auch.

Dass er sich eigentlich auch immer wie auf Tour fühle, sagt er. Natürlich: von Station zu Station, von Werk zu Werk taumelt man als Künstler, da ist er sicher nicht der Einzige. Aber er ist einer der Wenigen, die darüber reden.

Die Düsseldorfer haben sich bereits bei ihm bedankt und ihm ein Balletthaus vom Feinsten spendiert (siehe Beitrag im ballett-journal, dazu ein Link unten). Man sieht hier die Proben darin, die Atmosphäre flirrt! Manchmal ist Gert Weigelt da, der Starfotograf des Balletts, der erst bekennender Schläpfer-Fan und dann sein Hausfotograf wurde. Oder Schläpfers langjährige Dramaturgin, die Musikwissenschaftlerin Anne do Paço, sitzt an seiner Seite und fiebert dem tänzerischen Geschehen entgegen.

Martin Schläpfer in jeder Hinsicht im Film.

Die Bühne ist der Tempel, der heilige Zielort. Auch beim Ballett am Rhein. Videostill aus dem Werbetrailer für „Feuer bewahren – nicht Asche anbeten“: Gisela Sonnenburg

Und immer wieder Impressionen von der Bühne. Dem heiligen Zielort. Dem sinnstiftenden Tempel. Ein bildschöner Tänzer springt sich ein, übt seine etwas schräg angelegten Spagatsprünge, ein übermenschlicher, dennoch sehr moderner Charakter brilliert mit seiner Kraft. Es ist der Charakter des Körpers, einer Freiheit, die dem Menschen sonst verwehrt ist, die sich hier artikuliert.

Zwei Männer tragen eine Mädchen, wobei die Frauen bei Schläpfer – bishin zu seiner Dramaturgin – eben nicht „Mädchen“ im ballettüblichen Sinne sind. Sie dürfen sich hier viel weiter vom Mainstream-Ideal der klapperdürren Spinnenbeinchen entfernen, sie dürfen sogar erdig tanzen, Bodenhaftung zeigen, nicht immer nur schwebende Grazie.

Martin Schläpfer in jeder Hinsicht im Film.

Kann auch choreografieren, nicht nur reden: Martin Schläpfer vom Ballett am Rhein. Videostill aus dem Werbetrailer für „Feuer bewahren – nicht Asche anbeten“: Gisela Sonnenburg

Er hätte all das Gerede vom handlungslosen Ballett also gar nicht nötig, der Martin Schläpfer. Aber vielleicht will er ja, dass einem ein ganz bestimmter Gedanke kommt: Wann, bitteschön, wird der bedeutende sinfonische Choreograf Martin Schläpfer sein erstes (abendfüllendes) Handlungsballett machen? Nur Mut!
Gisela Sonnenburg

Filmpremieren mit Martin Schläpfer live zu Gast:

23.1.16: Filmforum Köln

30.1.: Filmforum Duisburg

31.1.: Cinema Düsseldorf

Bundesweiter Kinostart: 11. Februar 2016

Links:

www.ballett-journal.de/ballett-am-rhein-schlaepfer-alltag/ 

www.ballett-journal.de/alles-gute-zum-einzug/

www.ballett-journal.de/buecher-gert-weigelt-kalender-2016/

www.operamrhein.de

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