Aufruhr im Hühnerstall! Ein Hahn kräht – er hat ein schnatterndes Geschwader von Hühnchen im Gefolge. Tanzen kann diese Combo auch noch! Höchst graziös setzt der Hahn seine weißen Beine voran, scharrt mit den Krallen, streckt die befederte Brust raus – und hüpft mit seinen vier Hühnern in einer Reihe munter mit Échappés und Steptanz-ähnliche Schritten umher. Man wähnt sich nicht im klassischen Ballett, sondern in einer Parodie darauf. Das ist schon mal einen Lacher wert – und das Bayerische Staatsballett erhält dafür zumeist auch einigen Applaus. So tierisch witzig und absolut ungewöhnlich beginnt „La Fille mal gardée“ („Das schlecht behütete Mädchen“) in der Version des britischen Choregrafen Frederick Ashton von 1960.
Aber flugs folgt auf das anti-ballettöse Tierballett die holde Weiblichkeit. Auftritt der jungen Maid Lise! Sie steht hier im Zentrum, sie ist das Mädchen, das (schlecht) behütet wird, und ihr Leben ist gar nicht mal so einfach, wie es die dörfliche Kulisse auf den ersten Blick zu suggerieren scheint.
Zuletzt tanzten, seit 2012, Ilana Werner, die später nach Toulouse ging, um dort zum Beispiel als Myrtha zu brillieren, und Ivy Amista, die in München blieb, diese Partie beim Bayerischen Staatsballett. Betonte Ilana den komödiantisch-kindhaften Aspekt, gab Ivy vor allem den lyrisch-eleganten Posen den Vorzug.
Lise ist ein zugleich glückliches und unglückliches Mädchen.
Glücklich, weil es von seinem Geliebten Colas wiedergeliebt wird. Unglücklich, weil Simone, die verwitwete Mutter von Lise, ihre Tochter gern mit dem deppenhaften Sohn eines reichen Farmers verkuppeln möchte. Im Klartext: Mal wieder (wie auch in „Romeo und Julia“ und in „Don Quichote“) ist die Heldin eines Balletts von einer Zwangsehe bedroht.
Aber Lise lässt sich nicht so leicht aus der Ruhe, aus dem Takt bringen. Sie weiß ihren Hausrat, etwa das Butterfass, zu schätzen – und sie ist ein optimistischer Charakter. Außerdem hat sie es faustdick hinter den Ohren!
Lise ist gern ein Mädchen und lebt auch gern in diesem entzückenden kleinen Dorf, das Ashton als Inbegriff der typisch ländlichen Idylle zeigen und zugleich vorführen wollte – und das nur einen Fehler hat: Die Mädels werden hier gelegentlich verschachert, als handle es sich um tote Fische, nicht um menschliche Seelen.
Überhaupt scheinen die Töchter hier kaum Rechte zu haben. Ihren Arbeitspflichten müssen sie nachgehen – aber widersprechen dürfen sie anscheinend gar nicht. Witwe Simone verhaut Lise denn auch mal kräftig den Hintern – es gibt wenige Ballette, in denen heiratsfähige Töchter körperlich so stark gezüchtigt werden wie hier. Und man weiß zunächst nicht, ob man das nun grotesk-überzogen oder klamaukig-witzig finden soll.
So manch einer wird sich da sicher auf die Schenkel klopfen, aber ob das im Sinne von Frederick Ashton ist?
Sir Frederick Ashton (1904 – 1988) prägte den englischen Ballettstil des 20. Jahrhunderts maßgeblich, zusammen mit dem moderner orientieren Kenneth MacMillan. Eine gewisse Niedlichkeit, aber auch Detailfreude ist für Ashton typisch, und etwas Besonderes sind seine Ballette, weil sie nicht selten auch Hintersinn und Ironie beinhalten.
So auch „La Fille“, das auf den ersten Blick harmlos daher kommt, auf den zweiten aber sowohl von den Tänzern als auch vom Publikum außerordentliche Einlassung verlangt.
Denn so manches hier hat einen doppelten Boden, bedeutet also etwas ganz anderes, als es zunächst scheint – und technisch hat vor allem die Rolle der Lise derartig auffallende Raffinessen vorzuzeigen, dass man meinen könnte, Ashton habe demonstrieren wollen, was mit „Balance“ im Höchstfall gemeint sei könnte.
Auch das Ensemble ist gefordert, muss immer mal wieder mit bunten breiten Bändern in den Händen tanzen und diese zu mannigfaltigen Mustern verweben.
Der Holzschuhtanz der Witwe Simone mit männlichem und weiblichem Gefolge ist gar ein Bubenstück für sich – dazu später mehr.
Nun ist Ashtons Version dieser dörflichen Liebesgeschichte aber nicht die einzige. Und obwohl ich kein unbedingter Fan von Heinz Spoerli bin, muss ich die im Handel erhältliche DVD mit seiner Version von „La Fille mal gardée“ und mit dem Basler Ballett wärmstens empfehlen.
Zum Ansehen, zum Vergleichen der beiden Versionen lohnt sich die Anschaffung unbedingt!
Zumal hier der junge Martin Schläpfer in der Rolle des reichen Dorfdeppen Alain zu sehen ist – und mit sauberer Klassik sowie herzhaftem, köstlich amüsantem Spiel begeistert.
Schläpfer ist heute Chef des Balletts am Rhein, ein bedeutender moderner Choreograf, der seinen Weg jenseits der abendfüllenden Handlungsballette fand. Aber hier sieht man, wo er seine Wurzeln beim Ballett hat. Und als sei es ein Bild mit Symbolkraft, darf er als Alain bei Spoerli zunächst mit einem Kinderdrachen am Seil auftauchen – und nicht mit dem anzüglich als Zeichen der Homosexualität zu deutenden Regenschirm wie bei Ashton.
Die Aufnahme von Spoerlis „Fille“ ist eine Studioaufnahme mit dem Basler Ballett aus Köln, von 1986. Dennoch ist der Standard der Tänzer auch für heutige Maßstäbe absolut okay – die Fassung des Stücks ist allerdings weniger deftig, dafür verspielter, weniger schwierig zu tanzen, dafür theatralisch besser nachvollziehbar als die von Frederick Ashton. Alles in allem kommen die Vereinfachungen, die Spoerli vornahm, dem Charme der „Fille“ durchaus entgegen!
Zurück nach München. Hier tanzt der tölpelhafte Alain mit einer gepuderten Barockperücke und dem zwischen die Beine (!) geklemmten Regenschirm zunächst als rechter Depp allein vorm bunt mit Landidyll-Kulisse bemaltem Vorhang. Bis er sich von einer Schar Dorfmädels verbandeln lässt… ohne so recht zu begreifen, was die jungen Frauen mit ihm machen. Sie veräppeln ihn nämlich auf das Köstlichste!
In den geschmackvoll-sonnigen Kostümen und dem harmonisch-impressionistischen Bühnenbild von Osbert Lancaster kommen der Übermut und das waghalsige Temperament dieser Dorfbewohner aber auch superbe zur Geltung. Pastellenes Gelb, Bleu, Creme und Rosé dominieren traditionell „La Fille“ – so auch hier. Wobei sich die Bänder, ob am Hals oder in den Händen, stets hübsch von der Kleidung der Tänzer absetzen.
Zwar tanzte schon Anna Pawlowa das Stück mit allerlei Bändern, die als Stola und Ranken verwendet wurden. Aber Ashton hat diese Traditionszutat sozusagen potenziert.
Das Corps de ballet hat in Ashtons „Fille“ über die Maße mit winkenden Tüchern, den schon erwähnten Textil gewordenen Liebesbanden, also den langen seidenen Bändern, und auch mit allerhand dazu passenden Walzerschritten, um aufgestellte Heugarben herum, zu tun.
Bis der junge schöne Colas – leicht am roten Halsband zu erkennen – eine Runde schöner Sprünge spendiert. Heißa, die Stimmung der Dörfler kocht dann rasch hoch!
Und wieder marschieren der gockelnde Hahn und seine Hühnchen auf… man switcht sozusagen in die Ballettparodie, nahtlos gehen hier die Welten des Fantastischen und Sarkastischen ineinander über. Oder sollen wir Hahn und Hühner als bare Münze und als ganz naiv und auch für Kinder gut verständliches Bauernidyll nehmen?
Jedenfalls paustert und trompetet und läutet die Musik (von Ferdinand Herold, arrangiert von John Lanchbery), sodass man schon fast ein verfrühtes Finale befürchtet. Aber dann glätten sich die Wogen, lieblich erklingen weitere Walzer, die Witwe Simone zeigt sich von ihrer angenehmen Seite – und die Dorfjugend tanzt und charmiert, dass es eine wahre Ländler-Freude ist!
Alain, in einer giftgrünen Hose, darf sich alsbald, zu aller Belustigung, mit einer kleinen Flöte blamieren – er hält sie beim Blasen so schief, wie er damit auch klingt, sodass man sie ihm schließlich entreißt, um dem Lärm ein Ende zu machen. Aber auch diese Szene ist als anzüglicher Seitenhieb in die Homosexuellenszene zu deuten, warum auch immer Ashton ihn tätigt. Nun ja, es ist vielleicht nicht allzu verwerflich, auch mal diese Jungs durch den Kakao zu ziehen, solange die Sache nicht in Diskriminierung ausartet. Und davon müsste der gediegen-vornehme britische Humor doch eigentlich meilenweit entfernt sein.
Alain hat derweil auch bei seinen Geschlechtsgenossen großes Pech. Die männliche Dorfjugend spielt hier nämlich mit ihm noch Hanswurst und macht Alain zum Hampelmann. Ja, junge Leute können grausam sein –und Ashtons ultrakomische Klamotte entpuppt sich als vielschichtiges Drama, das aus lauter Mini-Dramen zusammen gesetzt ist. Man muss etwas hinter die Fassade schauen, dann ergibt sich eine Alain, der, obwohl der der Tölpel vom Dienst ist, durchaus eine der tragenden Rollen darstellt, hat also auch seine eigene traurige Außenseitergeschichte.
Der psychologische Hintergrund schillert also immer durch, und er ist durchaus nicht banal. Das Leben auf dem Lande hat seine Ecken und Kanten, die Sitten sind roh, wenn auch ritualisiert – und Frederick Ashton war zu intelligent, um das verharmlosen zu wollen.
Auch das Frauenschicksal, das hier exemplarisch vorgelebt wird, ist keineswegs rund und akzeptabel.
Lise soll zwangsverheiratet werden mit einem Mann, den sie nicht will und der sie nicht will. Sie sollen in der Enge einer Dorfgemeinschaft die elterlichen Willenserklärungen realisieren – und dafür ihr Lebensglück opfern. Ashton stellt diesen Aspekt deutlich heraus, zeigt, dass die vermeintlich guten alten Traditionen im Grunde aus Menschen auch eine Ware machen können.
Und so ist diese zuckersüß einher kommende Komödie im Grunde eine Tragikomödie, mit einem Happy End, das so gerade eben noch hin kommt.
Zuvor aber dürfen die Tanzlust und die Spielfreude triumphieren, in wirklich ungewöhnlichen Formationen.
Rosa Seidenbänder spielen dabei eine besondere Rolle: Der Damen-Corps bildet damit mäandernde Muster, indem die Bänder mit den Füßen und Händen gehalten werden und mit den gespannten Linien Kreuze und Bögen ergeben.
Höhepunkt der Bänderwut ist ein Tanz der Lise auf Spitze, und sie steht darin in einer Attitude. In ihrer Hand hat sie acht Bänder, die von je einer Tänzerin um sie herum im Kreis gezogen werden, sodass Lise sich dreht, immer noch auf einem Bein stehend. Puh!
Was hat Ashton sich da nur ausgedacht, um das graziös zu bewältigende Schicksal, das auf Lise lastet, zu illustrieren! Allerdings wirkt die Szene so himmlisch appetitlich wie ein kunstvoll aufgetürmter Eisbecher mit Sahne und Früchten.
Letztlich ist ja alles reine Nervensache, und Maria Shirinkina, die die Lise jetzt in der Neubesetzung in München tanzt, wird sich vermutlich tapfer und balancesicher halten.
Zumal Lises Partner Colas – getanzt von Vladimir Shklyarov – sie zunächst noch halten und einmal um die Achse führen darf, bevor dann die große Sause mit der alleinigen Drehung der Dame erst in der Wiederholung dieses Arrangements losgeht. Toitoitoi!
Ashton wollte mit dieser verzwickten Choreografie sicher nicht nur die einfache Fröhlichkeit der Dörfler darstellen, sondern auch spielerisch mitteilen, in welch schwierigen Situationen sich heiratsfähige Mädchen in einer Gesellschaft wie dieser generell befinden.
Da versteht man nur zu gut, wenn Lise dann beim Grand pas de deux wie befreit ihre Chainés tanzen darf!
Und Colas pirouettiert, dass es eine Herzenslust ist, schließlich muss er hier zeigen, dass er ein echter und starker Macker ist, der die robuste Dorfmaid Lise mit sicherer Hand zu führen weiß.
Als weiteren Höhepunkt hat sich Ashton dann etwas für die Witwe Simone ausgedacht, und dass diese – was seit der Uraufführung 1789 in „La Fille mal gardée“ so üblich ist – en travestie, also mit einem Mann, besetzt ist, bemerkt man spätestens jetzt.
Der „Prügelszene“ am Anfang verleiht das übrigens einen umso derberen Nachgeschmack.
Aber jetzt darf Simone, bestens gelaunt, auch mal eine flotte Sohle aufs Parkett legen: in Form eines Holzschuhtanzes, der ihre ganze Kraft fordert und in der die Dame, die ein Mann ist, eine stattliche Figur macht!
„La Fille mal gardée“ wurde übrigens zur Musik von Louis Joseph Ferdinand Hérold und Peter Ludwig Hertel im französischen Revolutionsjahr 1789 uraufgeführt, und zwar nicht in Paris, sondern in Bordeaux. Federführend war der Ballettmeister Jean Dauberval, der zugleich auch Tänzer und Choreograf war, wie es damals in dieser Trinität üblich war.
Später wurde das Stück in Sankt Petersburg überformt, bis Heinz Spoerli es 1981 nach Paris reimportierte, in jener Inszenierung, die er im Auftrag der Pariser Opéra kreierte und die er später mit dem Basler Ballett einstudierte.
Angeregt wurde das Libretto ursprünglich von einem Gemälde, auf dem ein Mädel, mit einem Verehrer im Heu erwischt, von der Hausfrau ausgeschimpft wird. Dauberval entspann anhand dieses damals beliebten Bildmotivs seinen Handlungsfaden – eine schönes frühes Crossover-Moment der Künste.
Zurück nach München, noch einmal. Lise wird von der Mutter im Haus eingesperrt, damit der tölpelhafte Alain mit seinem Vater die entscheidende Aufwartung machen kann. Allerdings kommt Colas den beiden zuvor und umarmt sein Mädchen durch eine Tür, die sich in der oberen Hälfte getrennt vom Untersatz öffnen lässt. Beim Küssen zittern ihr ganz süß die Füßchen in frei schwebender Coupé-Position.
Als dann Alain mit den Seinigen erwartet wird, muss Lise gute Miene zum bösen Spiel machen. Aber die Mutter misstraut ihr und sperrt sie ein, während sie mit den anderen zum Schwof auszieht.
Aber, oha, da verbirgt sich doch wer in den nun im Bauernhaus aufgebauten Heugarben? Es ist Colas, der Lise erst einen ordentlichen Schrecken einjagt und dann mit ihr knutschenderweise schon mal heimlich Verlobung feiert.
Wieder spielen Bänder eine Rolle, in Form von Halstüchern, die die beiden sich gegenseitig umwickeln. Ashton versäumte keine Gelegenheit, klar zu machen, dass das idyllische Landleben nur durch Anbindung und Verbindung, auch durch Verbindlichkeit funktioniert.
Als Simone zurück kommt, muss Colas sich schnell verstecken. Simone fällt allerdings auf, dass Lise ein anderes Halstuch trägt als zuvor…
Bevor es brenzlig für Lise wird, kommt Alains Vater mit zwei Juristen, und er und Simone unterzeichnen den Ehevertrag ihrer Kinder. Ein im Grunde grausamer Vorgang, so geschäftig er hier auch vollzogen wird.
Aber dann! Dann regiert wieder die Komödie, man möchte sagen: die getanzte Operette in „La Fille!“ Die Freundinnen und Freunde kommen, Alain kommt – und will Lise vom oberen Stockwerk herunter zur Verlobungsfeier holen. Er reißt die Tür vom Schlafzimmer auf – und wir alle sehen Lise und Colas, sich innig küssend… Alain fällt glatt vor Schreck die Treppe runter!
Das liebende Paar aber bittet auf Knien die Witwe Simone um ihren Segen.
Und: Sie gibt rasch nach! Es handelt sich halt um eine Art Märchen… und Simones Herz ist ja auch nicht aus Stein! Wir jedenfalls kommen um die Tragödie à la „Romeo und Julia“ glatt nochmal drumrum und erleben ein nettes Ende mit einer guten Prognose für eine Liebe, die nicht erst im Heu begonnen hat.
Natürlich darf zum Abschluss noch einmal herzallerliebst aufgetanzt werden, von Lise und Colas mit freudestrahlender Miene.
Und plötzlich erinnern ihr Getrippel und seine hohe Haltung choreografisch glatt an eine glücklichere Version von „La Sylphide“. Als hatte der James darin doch eine Frau gefunden, die zu im passt, die zugleich die irdische Elfie und die überirdische Sylphide ist…
In der Schlusspose hebt Colas sogar Lises Rock an den zwei Enden, ganz so, als handle es sich um einen Schleier, während sie lieblich am Boden vor ihm sitzt. Sehr originell ist das gemacht!
Das Hamburg Ballett tanzte diese Version übrigens ab 2004, mit Silvia Azzoni als Lise, Alexandre Riabko als Colas, Yukichi Hattori als Alain und Kevin Haigen als Witwe Simone – es war der bisher letzte Rollenauftritt (bis auf einen kurzen Ensemble-Auftritt bei der Nijinsky-Gala 2013), der diesen einst so begnadeten Tänzer vom Ballettmeister- und Pädagogenstatus vorübergehend wieder auf die Bühne holte.
In München brillierte früher der Erste Solist Cyril Pierre in dieser ulkig-komischen Frauenrolle. Aber auch der Ensembletänzer Vittorio Alberton war als Witwe Simone besetzt. Ihn hat Igor Zelensky, der aktuelle Ballettdirektor in München, gebeten, die Rolle nunmehr als Gast zu übernehmen.
Auch in der Zweit- und Drittbesetzung tanzt Vittorio die Simone, während Elizaveta Kruteleva mit Alexander Omelchenko (auch als Gast) beziehungsweise Ksenia Ryzhkova und Jonah Cook das Hauptpaar bildet.
Wer die Rolle des Alain übernimmt, stand bei Redaktionsschluss dieses Beitrags noch nicht fest – man darf gespannt sein. Vielleicht übernimmt ja Hausherr Igor Zelensky höchstselbst diese Partie.
Der Dirigent aller jetzt anberaumten Vorstellungen für den Januar und Februar 2017 steht allerdings fest: Es ist Myron Romanul, der versierte und langjährig erprobte Ballettdirigent.
Das heitere Ende von „La Fille“ gehört dann den Dörflern, die Grund zu feiern haben, Simone inklusive: in einer kurzen Reprise darf sie – wiewohl ohne Holzschuhe – noch ein paar Mal ganz kräftig aufstampfen.
Lachend und scherzend verlassen alle das Haus, das beinahe eines des Unglücks geworden wäre.
Colas trägt seine Lise dabei auf Händen.
Aber Einer wagt jetzt noch einen späten Triumpf: Alain, der seinen roten Regenschirm vergessen hatte und nun bei seiner alleinigen Rückkehr begeistert wiederfindet. Das ist eindeutig auch eine Masturbationsanspielung – Alain wird es sich weiterhin fröhlich selbst besorgen!
Soweit „La Fille mal gardée“ in München.
Die Fassung von Heinz Spoerli aus der Schweiz (die einst für Paris kreiert wurde) ist derweil für unsere Augen weniger deftig, dafür plausibler.
Es gibt darin kein klamaukiges Hahnenballett mit Federkostüm, kein Fensterln in luftiger Höhe, dafür einen unwilligen Knecht, der früh am Morgen muffelig ist, sowie Soldaten, die unerlaubt im Heu ihren Rausch ausgeschlafen haben. Simone vertrimmt ihre Tochter bei Spoerli nicht, sondern behandelt sie wie eine Chefin den Lehrling.
Das Beste, tänzerisch, ist aber neben Martin Schläpfer bei Heinz Spoerli: Valentina Kozlova, ehemals Bolschoi-Primaballerina, dann in die USA gewechselt, als Gaststar. Sie gibt der Lise neben einem exquisiten, tänzerisch sehr sauberem Stil so viel Couleur, Charme und Charakter, dass man staunt!
Dafür wird in München ein lebendes Pony auf der Bühne versprochen – ohne Spitzenschuhe an den Hufen, so viel ist sicher.
Gisela Sonnenburg
Medienkundliche Anmerkung: Es gibt im Journalismus noch viele andere Genres als die Rezension. Dieses hier ist zum Beispiel ein Vorabbericht, auch „Outlook“ genannt. Er darf rezensierende Elemente enthalten, muss das aber nicht. Außerdem gibt es noch die Reportage, den Sammelbericht, den Rückblick, den Hintergrundbericht, den Essay, die Glosse, die Satire, das Interview – und natürlich Mischformen! Das nennt man die Vielfalt im Journalismus.
Termine: siehe „Spielplan“
Zur Rezension einer Neubesetzung: www.ballett-journal.de/bayerisches-staatsballett-la-fille-neubesetzung/
DVD: „La Fille mal gardée“ (Hérold / Hertel), A ballet by Heinz Spoerli after Jean Dauberval, Deutsche Grammophon, 1987 (00440 073 4158)