Skandal um die Ballett-Botschafterin Die Hauptsponsorin vom Bayerischen Staatsballett, die Unternehmerin Irène Lejeune – auch bekannt als Botschafterin des Bayerischen Staatsballetts – gibt ihr Mäzenatentum wegen Igor Zelensky auf

Mit Irène Lejeune verlässt die Hauptsponsorin das Bayerische Staatsballett.

Das waren noch Zeiten! Irène Lejeune im Sommer 2015 im Münchner Nationaltheater nach einer Vorstellung von John Neumeiers „Ein Sommernachtstraum“ bei der Überreichung des von ihr gesponserten Förderpreises an den Tänzer Matej Urban. Foto: Gisela Sonnenburg

München ist derzeit in aller Munde, was Ballett angeht. Nach der Hiobsbotschaft, dass fast die Häfte der Tänzerinnen und Tänzer vom Bayerischen Staatsballett im Zuge des anstehenden Direktorenwechsels das Ensemble verlassen werden – darunter das weltberühmte Paar Lucia Lacarra und Marlon Dino – kam nun die nächste Negativnachricht: Die Unternehmerin Irène Lejeune, die seit 2008 insgesamt rund 1,3 Millionen Euro ins Bayerische Staatsballett als Unterstützung pulverte, wird ihr Engagement mit Ablauf der Spielzeit beenden. Grund: Der avisierte kommende Ballettdirektor Igor Zelensky bzw. sein unmenschlicher Umgang mit der renommierten Company. Schon werden Rufe laut, die bayerischen Politiker sollten schleunigst einsehen, dass Zelensky nicht nach München passt. Im Folgenden finden Sie ein aktuelles Gespräch dazu.

Ballett-Journal: Frau Lejeune, Sie haben sich entschieden, das Bayerische Staatsballett nicht weiter zu unterstützen.

Irène Lejeune: Aufgrund der sehr langen, guten und vertrauensvollen Beziehung zu Ivan Liška, dem bisherigen Münchner Ballettdirektor, und zu seiner Gattin Colleen Scott sowie auch wegen der hervorragenden Qualität des Bayerischen Staatsballetts entschloss ich mich 2008, die Company als Botschafterin zu unterstützen. In acht Jahren habe ich das Bayerische Staatsballett mit insgesamt 1,3 Millionen Euro unterstützt. Nachdem ich erfuhr, dass Igor Zelensky die Nachfolge von Herrn Liška antreten soll, bat ich – und zwar schon 2015 – mehrfach um einen Termin mit Herrn Zelensky. Fast ein Jahr später habe ich ihn im Februar 2016 endlich zum ersten Mal getroffen. Nachdem er mir von seinen Ideen und Visionen berichtete und ich erfuhr, dass er sehr viele sehr gute Tänzerinnen und Tänzer nicht mehr engagieren wolle, kam ich nach langer Überlegung zu meinem persönlichen Entschluss, mein Engagement nach Ende der Ära Ivan Liška nicht mehr weiterzuführen. Dies teilte ich schon im Februar diesen Jahres auch dem Intendanten der Bayerischen Staatsoper, Nikolaus Bachler, ganz offen mit.

Ballett-Journal: Sie haben seit 2008 das Bayerische Staatsballett durch Ihre sehr großzügigen Spenden mit entwickelt und sich entwickeln sehen. Sind Sie in gewisser Weise stolz auf diese tolle Truppe?

Irène Lejeune: Natürlich habe ich die Entwicklung des Bayerischen Staatsballetts intensiv verfolgen können und bin sehr stolz, was Ivan Liška, Bettina Wagner-Bergelt und das ganze Team aus dem Ballett gemacht haben, auch qualitativ. Vor allem die Vielfalt der Ballette hat mich fasziniert! Die tolle Mischung zwischen dem ganz klassischen, dem modernen und zeitgenössischen Ballett fand ich hervorragend. Die Tänzer hatten sichtlich die Möglichkeit, sich in verschiedenster Art in der Kunst des Tanzens zu entwickeln.

Mit Irène Lejeune verlässt die Hauptsponsorin das Bayerische Staatsballett.

Bei der Preisverleihung freute sich das ganze Ensemble mit Direktor Ivan Liska (neben Irène Lejeune halbrechts) über Lejeunes Engagement fürs Bayerische Staatsballett. Foto: Gisela Sonnenburg

Ballett-Journal: Es geht dabei auch um deutsches Kulturgut an sich. Würden Sie mir darin zustimmen, dass die starken Veränderungen, die Zelensky vornimmt und vornehmen will, die Werte, die das Bayerische Staatsballett als individuelle Ballett-Compagnie kennzeichnen, über Bord gehen lassen? 

Irène Lejeune: Wie Herr Zelensky die Veränderungen im Detail vornehmen will, kann ich nicht beurteilen. Ich hatte aber die Hoffnung, dass er sich unseres Kulturguts annimmt, sodass das Bayerische Staatsballett seine Individualität und Vielfältigkeit bewahrt. Ich verstehe natürlich, dass ein neuer Ballettdirektor auch eigene Leute nach München bringen will, das ist ja legitim. Aber was ich nicht verstehe, ist, dass er Verträge sehr vieler guter und sehr begabter Tänzerinnen und Tänzer schon vor seinem Antritt nicht mehr verlängert hat. Ich hätte erwartet, dass er mehr Menschlichkeit gegenüber der bestehenden Company gezeigt und wenigstens eine Spielzeit mit der Mehrheit unserer Company gearbeitet hätte.

Mit Irène Lejeune verlässt die Hauptsponsorin das Bayerische Staatsballett.

Irène Lejeune im Portrait: eine kluge und ebenso tatkräftige Frau! Das Ballett, vor allem das Bayerische Staatsballett, verdankt ihr unbestritten sehr viel! Foto: privat

Ballett-Journal: Was können wir, die wir diese Kultur weiterhin haben wollen und sie in Form von Ihrem Mäzenatentum und in Form von Steuergeldern auch finanzieren, noch tun? Können wir die Politik zwingen, Zelensky abzufinden und Ivan Liška zurückzuholen? 

Irène Lejeune: Ich bedaure sehr, dass Ivan Liška das Staatsballett als Direktor verlässt. Ich hätte mir gewünscht, dass er noch ein paar Jahre Direktor bleiben würde. Ich hätte mir auch gewünscht, dass sich die Entscheidungsträger vielleicht mehr Zeit für die Wahl des neuen Ballettdirektors genommen und vielleicht auch besser recherchiert hätten, wer nach München passt. Für das Mäzenatentum zählen Vertrauen, Offenheit und auch Transparenz, wie mit den Geldern umgegangen wird. Diese Voraussetzungen waren während meines Engagements immer gegeben. Es ist mir auch bewusst, dass es ohne Mäzenatentum immer schwieriger sein wird, Kunst in höchster Qualität zu erhalten. Mäzenatentum ist nur möglich, wenn hundertprozentiges Vertrauen da ist – und wenn man sich gegenseitig gut kennt.

Ballett-Journal: Würden Sie eine Lösung für akzeptabel halten, nach der Ivan Liška das Trio Lucia Lacarra, Marlon Dino und Bettina Wagner-Bergelt langsam als sein Nachfolge-Team einarbeiten würde?

Irène Lejeune: Ob man ein Team aus Bettina Wagner-Bergelt, Lucia Lacarra und Marlon Dino als Nachfolge von Ivan Liška langsam aufbauen könnte, kann ich nicht beurteilen. Schön wäre es gewesen, wenn Herr Liška mit dem ganzen Team und mit unseren Ersten Solisten Lucia Lacarra und Marlon Dino weiter in diesen Positionen geblieben wäre. Sehr am Herzen liegt mir auch die Zukunft des Bayerischen Staatsballetts II, der Juniorcompany. Ich wünsche und hoffe, dass dieses weiter bestehen wird.

Mit Irène Lejeune verlässt die Hauptsponsorin das Bayerische Staatsballett.

Noch ein Blick ins Erinnerungsalbum: Das Bayerische Staatsballett, sein Ballettdirektor Ivan Liska (links vorne) und seine großzügige Botschafterin Irène Lejeune (rechts vorne) im Sommer 2015 bei der Verleihung des Preises an Matej Urban (mittig) im Münchner Nationaltheater. Foto: Gisela Sonnenburg

Ballett-Journal: Ganz generell würde ich mich freuen, wenn Sie kurz beschreiben, wie Sie zu Ihrer großen Liebe zum Ballett kamen.

Irène Lejeune: Meine Liebe zum Ballett fing schon an, als ich noch ein Kind war. Ich wäre sehr gerne ins Ballett gegangen, aber leider erlaubten es mir meine Eltern nicht. Trotzdem hat mein Herz immer schon für das Ballett geschlagen und wird es auch weiterhin tun. Ich bewundere die Disziplin jeder einzelnen Tänzerin und jedes einzelnen Tänzers, ihre Leidenschaft und die harte tägliche Arbeit an sich selbst.

Ballett-Journal: Ich danke Ihnen für diesen offenen Dialog!
Interview: Gisela Sonnenburg

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