Ganz klein ganz groß – ganz groß ganz klein „Coppélia“ von David Simic, von der Ballettschule am Staatsballett in Berlin getanzt

Coppelia ist in den Sand gesetzt.

Die Titelrolle gibt nicht viel her – und die romantische Kulisse gibt es nur auf dem Plakat. Werbeposter für „Coppélia“ von der Ballettschule am Staatsballett: Yan Revazov

Wenn Kinder die Kleider von Erwachsenen anprobieren, schaut das unfreiwillig komisch und zugleich auch etwas traurig aus. Solche Experimente, bevorzugt und mit gutem Grund hinter geschlossenen Türen vor dem Schlafzimmerspiegel durchgeführt, dienen der Selbsterfahrung und der Auslotung der Grenzen, die man als junger Mensch so hat. Was man niemals machen sollte: Kinder für ernst gemeinte Bühnenauftritte in etliche Nummern zu große Kostüme erwachsener Profikünstler zu stecken. Nichts sieht nämlich lächerlicher aus, als Laien-Ballerinen im Kindesalter, die an viel zu großen Korsagen tragen müssen, als seien diese aus Blei. Wenn dann noch die Röcke viel zu lang und die Tutus viel zu voluminös sind, glaubt man sich fast in einer Ballettsatire: der Corps de ballet ertrinkt sozusagen in Textilien… Man muss auch nicht das klassische Ballett „Coppélia“, das die Ballettschule am Staatsballett unter der Leitung von David Simic solchermaßen aufführt, mit Kostümen aus anderen Balletten, nämlich aus „Jewels“ und „Giselle“, ausstatten.

Das ist, als würde man in ein Mozart-Konzert mal eben ein paar Takte Kuhnau einflechten, einfach, weil man gerade die Noten billig zur Hand hat. Den kindlichen Talenten wird man jedenfalls nicht gerecht mit solcher Maskerade. Da hätten schlichte, vielleicht sogar selbst genähte Kostüme den Tanzenden sicher besser gestanden. Und ob das Gefühl, sich im vermeintlich schönen Profi-Kostüm besonders wichtig zu fühlen – das ihnen damit eingehegt wird – vorrangig Sinn und Ziel einer Aufführung ist, sei sowieso hinterfragt.

Coppelia ist in den Sand gesetzt.

Applaus gibt es aber natürlich für die tapferen kleinen Ballerini und Ballerinen: die Ballettschule am Staatsballett in Berlin in der Deutschen Oper nach „Coppélia“. Foto: Gisela Sonnenburg

Insofern ist die rund einstündige Inszenierung der „Coppélia“ durch den Schulgründer David Simic – einst Tänzer vom Staatsballett Berlin – nicht wirklich geglückt.

Dennoch lohnt sich ein Aufführungsbesuch, entweder in der Deutschen Oper Berlin oder in der Berliner Urania, denn erstens lernt man dabei, wie man so etwas nicht machen sollte, und zweitens reißen der Spaß der beteiligten Kinder und auch die Feinheit manch einzelner Tanzdetails so Manches wieder raus.

Allen voran begeistert Valentina Heck als Coppélius.

Pantomimisch und gestisch zeigt sie, wie man mit wenigen Mitteln eine Figur, einen Charakter zeichnen und das auch eine ganze Vorstellung lang durchhalten kann. Mit strubbeliger Perücke und vollem Körpereinsatz tobt und kriecht sie als vermeintlich zerstreuter, vor allem aber dubios wirkender Werkstattchef über die Bühne. Slap stick in ballet! Sehr gut!

Isabell Kassing als Swanilda hat es da schon schwerer: Sie muss, ob sie will oder nicht, richtig viel klassisches Ballett tanzen, auf halber Spitze zwar nur, aber immerhin.

Ihre Ports de bras sind dabei zauberhaft! Und insgesamt verströmt Isabell Kassing ungebrochen den Charme der Jugend, mit hübschen Arabesken, meistens gut gehaltenen Balancen, schmissigen Chainés und elegant geneigtem Oberkörper.

Coppelia ist in den Sand gesetzt.

Applaus für „Coppélia“ und die Ballettschule am Staatsballett nach der Vorstellung in der Deutschen Oper Berlin. Foto: Gisela Sonnenburg

Dass sie im – übrigens passend genähten – blauen Miederkleid ausschaut wie eine kleine „Giselle“, ist da auch kein Makel. Nur an Fußstreckungen fehlt es ihr auffallend – aber dafür handelt es sich hier ja auch nicht um die Resultate einer Profi-Ausbildung, sondern darum, von der Ballettkunst so viel wie möglich an Grazie und Esprit mitzubekommen.

Die Ballettschule am Staatsballett wurde erst in diesem Kalenderjahr, also 2016 gegründet. Der gebürtige Belgrader David Simic und die Französin Elodie Estève, beide ehemalige Berliner Staatsballett-Tänzer und beide ehemalige Neumeier-Schüler, unterrichten hier klassisches Ballett. Gegen 95 Euro monatlich kann ein Kind zwei- bis dreimal pro Woche Training im Gebäude der Deutschen Oper Berlin erhalten, die Proben für die Aufführungen sowie Trainings- und Probenbesuche bei den Profi-Tänzern vom Staatsballett Berlin kommen dazu. Außerdem gibt es das, was man früher Karnickelrabatt nannte: Geschwister von Schülern erhalten hohen, nämlich 50-prozentigen Rabatt.

Man muss dem Projekt auf jeden Fall zu Gute halten, dass es sich noch im Aufbau befindet – und nicht gerade überquillt vor Möglichkeiten.

Dennoch kann man Simic auch den Vorwurf machen, zu viel auf den Anschein und zu wenig auf die Kunst zu geben.

Denn niemand hat ihn gezwungen, so nah an der Vorlage des 1870 in Paris uraufgeführten Ballettklassikers zu kleben, dass die individuellen Möglichkeiten der kleinen Tänzerinnen und Tänzer doch ziemlich auf der Strecke bleiben.

Coppelia ist in den Sand gesetzt.

Das eigentliche tänzerische Highlight: Valentina Heck als Coppélius. So pantomimisch begabt wie strubbelig, ein richtiges Slapstick-Talent! Nach der „Coppélia“-Vorstellung der Ballettschule am Staatsballett. Foto: Gisela Sonnenburg

Das ursprüngliche Libretto stammt von Arthur Saint-Léon, dem Choreografen der Uraufführung, und dem damaligen Archivar der Pariser Oper, Charles Truinet, der sich fürs Publikum mit dem Anagramm-Pseudonym Charles Nuitter tarnte.

Simic hat deren Libretto nochmals verniedlicht, sodass der Aspekt der gefährlichen technischen Schönheit – im Original nimmt Coppélia bedrohliche Züge an – gänzlich entfällt. Simic’ „Coppélia“ ist witzig, aber harmlos. Was für ein Abgrund der Dummheit in Zeiten, in denen täglich mehr Arbeitsplätze von Robotern bedroht sind und die so genannte künstliche Intelligenz womöglich bald über Krieg und Frieden entscheidet.

Jedes Kind, das Computerspiele dödelt, weiß da wohl mehr als David Simic.

Mit vor der Realität draußen denn auch fest verschlossenen Augen ersann sich Simic seine Heile-Welt-Variante der „Coppélia“-Sphäre.

Der Puppenmechaniker Coppélius hat darin seine jüngste Anschaffung, eine bildhübsche Automatenfrau – die er nach sich wie eine Tochter Coppélia nennt – scheinbar lesend ins Fenster gesetzt. Sie zu tanzen, ist die undankbarste Aufgabe des Abends: Magdalena Glaeser hat außer einem kurzen Aufstehen und Kusshandwinken schlicht nichts zu tun.

Coppelia ist in den Sand gesetzt.

In der Mitte das Paar Franz und Swanilda (Ulian Topor und Isabell Kassing): nach „Coppélia“ mit der Ballettschule am Staatsballett in Berlin. Foto: Gisela Sonnenburg

Franz, der Verlobte der jungen Swanilda, verfällt dennoch dem Charme der künstlichen Person, was Swanilda allerdings nicht verborgen bleibt. In einem Ährenspieltänzchen will sie ihn prüfen – und obwohl es ein hübscher Pas de deux ist, lässt sie den Anverlobten durchfallen.

Da die Belohnung von Hochzeitspaaren durch die Bürgermeisterin ansteht, will Swanilda ihren Franz aber eigentlich trotzdem so bald als möglich ehelichen. Nur das Geheimnis der Fremden im Fenster will sie vorher noch lüften…

Dabei kommt es zu Raufereien und zu Scherzen, Coppélius versucht, Franzens Seele zu rauben, um damit seine Puppe zu beleben – und als das scheinbar klappt und Coppélia zu tanzen beginnt, merkt der alte Möchtegernmagier zunächst noch nicht mal, dass es Swanilda ist, die in Coppélias Kostüm tanzt und ihm so einen wilden Streich spielt.

Die nackte Puppe, die ihm als Beweis taugen muss, ist nun keine Schaufensterpuppe, sondern ein viel zu großes, plumpes Gerät. Was soll das? Niemand, nicht mal ein Fünfjähriger, würde glauben, dass das der nackte Körper von Fräulein Glaeser ist. Das ist einfach dumm gemacht.

Na, für Coppélia ist der Abend ohnehin gelaufen…

Am Ende tanzen Paare munter für die Glocke, die es bei einem Volksfest einzuweihen gilt – und der Corps tanzt schließlich lustig um Franz und Swanilda herum. Vorhang. Noch oberflächlicher geht es natürlich kaum.

Das Thema von der faszinierenden Automatenfrau blieb hier im Grunde außen vor – ebenso wie die leichtherzige Musik von Léo Delibes (die in einer unspektakulären Einspielung mit dem Orchestre de la Suisse Romande von 1970 vom Band kommt) verführte das Sujet der spaßhaften Eheanbahnung den ehrgeizigen David Simic dazu, die ganze „Coppélia“-Sache für eine seichte Komödie ohne jede gesellschaftskritische Facette zu sehen.

So sollte es aber nicht sein. „Coppélia“ im Original – angeregt von E. T. A. Hoffmanns meisterhafter, spätromantischer Novelle „Der Sandmann“ – benennt den Zwiespalt des Menschen in seinem Verhältnis zur Technik in einem Ausmaß, als ginge es um zukunftsweisende Konflikterörterung.

Zwar passiert das nicht auf die grüblerische, sondern auf die spaßhafte Art und Weise. Aber: Die Story auf eine simple Dreiecksgeschichte von einem Mann zwischen zwei Frauen herunter brechen zu wollen, wäre ein Fehler.

Natürlich begeht David Simic auch diesen. Er ist halt noch ein Anfänger im Inszenieren von Kinderballetten, und ob er pädagogisch und intellektuell genügend Befähigung hat, auf das individuelle Können und Wirken von Jungs und Mädchen einzugehen, wage ich nach dieser Kostprobe zu bezweifeln.

Coppelia ist in den Sand gesetzt.

Und noch ein Vorhang! Applaus für die Ballettschule am Staatsballett nach „Coppélia“ in der Deutschen Oper Berlin. Foto: Gisela Sonnenburg

So gelingen ihm zwar halbwegs die Corps-Szenen mit mehr als einem Dutzend im Takt walzernden Mädchen, die dabei durchaus Liebreiz entfalten. Ihre Glissades und Pas de chat sind gut eintrainiert, sie wirken anmutig und behende (sofern sie nicht von den zu schweren großen Kostümen überdeckt werden).

Aber statt kleine Soli, Paar- und Trioszenen zu kreieren, statt sich von der Vorlage zu lösen und kleine Charaktertänze einzuführen, die dann und wann das Thema „Mensch und Maschine“ clownesk oder auch poetisch hätten aufgreifen sollen, wogt und wiegt sich das kindliche Ensemble in Wiederholungen.

Dabei sieht man hier und da, dass es Kinder mit deutlich mehr Bühnenpräsenz gibt als sie die anderen haben. Warum wurde nichts draus gemacht?

Wenn alle nur das Gleiche tanzen sollen, verpufft das Talent der Einzelnen ganz schnell – das ist ohnehin eine Crux in den großen Compagnien, und im Laien- und Kinderballett sollte man da doch wenigstens auf mehr Mut zur Persönlichkeit setzen.

Die Riege der vier jungen Damen in blauen, Dirndl-artigen Kostümen, als Freundinnen von Swanilda firmierend, hat da noch Glück, denn ihre Kostüme sind auf Taille genäht und wirken, im Gegensatz zu den ausgeliehenen „Giselle“- und „Jewels“-Kleidern in Übergrößen, richtig anheimelnd. Das Adrette, Nette, Frische der Mädchen kommt bei den Mädels in Blau sogar richtig gut zur Geltung:

Josephina Mackensen, Emma Baum, Charlotte Dittmer und Emily Barnes-Weiland sind diese Mädchen mit dem Glück in den Beinen. Weil sie hübsch synchron und lieblich geneigt ihre Tanzschritte darbieten, hat sich das Abenteuer Kinderballett schon mal gelohnt.

Die Jungs Alexei von Garnier, Luca Heinz, Rocco Palmieri und Emilio Kuo sehen in ihren Fesche-Burschen-Outfits in Übergrößen hingegen etwas abenteuerlich aus. Als sollten sie da erst noch reinwachsen. So sportlich sie auch miteinander auf der Bühne toben: Fast könnte man die viel zu großen Klamotten für inszenatorische Absicht und die vielen Falten für missratene clowneske Effekte halten. Nicht wirklich kinderfreundlich, solche Kostüme, oder?

Coppelia ist in den Sand gesetzt.

Die Mädels in Blau haben das Glück, passende Kostüme zu tragen – die anderen schwimmen oft regelrecht in viel zu großen Textilien, als sollten sie da noch erst reinwachsen. Keine gute Idee in „Coppélia“ von David Simic von der Ballettschule am Staatsballett in Berlin. Foto vom Schlussapplaus: Gisela Sonnenburg

Die Jungens überfallen im Stück rabaukenhaft, aber spielerisch den zauseligen Coppélius, der später beim Abwischen des Angstschweißes seinen Schlüssel verliert.

Zeit für Swanilda und ihre Freundinnen in Blau, sich mit dem aufgeklaubten Schlüssel in die Werkstatt einzuschleichen, um dort die dubiosen Menschenautomaten zu besichtigen, die Coppélius gebaut hat.

Talita Becker, Sarah Paulus, Catalina Lorenz und Lare Ahmad dürfen mit viel Ambition ein Chinesen-Pärchen, eine Art Michael-Jackson-als-Äffchen-Verschnitt und eine Flamenco-Tänzerin mimen. Das klappt recht gut, wurde aber offenbar längst nicht genügend geprobt, um als spannungsreiches Kindertheater zu gelten. Es hat was von „Da müssen wir jetzt durch“, aber weil die Haltung der Gören bemüht und freundlich ist – und gar nicht arrogant oder dummstolz – bereitet es immerhin ein wenig Vergnügen, ihnen zuzusehen.

Auch die kleinen Verfolgungsjagden zwischen Coppélius und den ungebetenen Gästen sind gelungen und erwecken einen fast cineastischen Eindruck.

Schade nur, dass das Bühnenbild karg und unkünstlerisch ist – wenigstens mit Farben und damit zu kreierenden Atmosphären hätte man hier arbeiten können. Etwa mit Paravents oder bemalten Kartonagen. Aber man hat sich hier nicht getraut – und lieber auf langweiligen Fotorealismus im Außenbild, auf Dunkelheit und Leere in der Werkstattszene gesetzt. Nur eine Art Kiosk ist da – und hält mal als Fassade, mal als Werkstattwand her.

Da ist dann auch mal die Kurzweil das Argument. Zum Glück geht die Vorstellung kaum über eine Stunde hinaus!

An Tiefe oder Poesie ist allerdings auch bei den sonst ach-so-magnifique aufgemachten Werkstatt-Szenen in „Coppélia“ nicht zu denken.

Obwohl Kinderballett auch das bieten kann – wenn man entsprechend mit den Kids arbeitet und mit ihnen, statt über sie hinweg, choreografiert und sich zudem an kleinen Effekten auch mal was einfallen lässt.

Da hilft es nicht, dass David Simic als Teenager zwei Jahre die herausragende Schule von John Neumeier und dem Hamburg Ballett besucht hat.

Nicht jeder Tänzer ist auch ein guter Tanzlehrer. Das ist ein weit verbreitetes Missverständnis! Faktisch verhalten sich Balletttanzen und Ballettlehren zueinander wie Schauspielen und Regie. Viele gute Regisseure sind als Schauspieler nicht wirklich tauglich! Und umgekehrt…

Simic hat den Bogen jedenfalls nicht raus, den Menschen eine bestimmte anmutige Haltung einzuflößen.

Coppelia ist in den Sand gesetzt.

Sie haben jede Menge gute Laune und sind hoch motiviert: David Simic und Elodie Estève von der Ballettschule am Staatsballett in Berlin. Aber ob ihr Ehrgeiz genügt? Foto: Gisela Sonnenburg

Und sein Zertifikat von der Royal Academy of Dance (RAD) über eine Lehrerausbildung mag zwar das Jobcenter beruhigen. Aber wer sich auskennt, weiß, dass diese Allerweltsurkunde im Vergleich mit einer Ausbildung nach Agrippina Vaganova nicht viel gilt.

So schunkelt und schaukelt das Stück vor sich hin. Coppélius darf von A bis Z witzig und urlustig sein, bis er versucht, Franz zu entseelen.

Franz – das ist hier das ausgestellte tänzerische Highlight, es ist nämlich ein Profi unter all den Kindern: Als Gast tritt hier mit einigen schönen, aber im schulischen Kontext nicht wirklich ergänzend platzierten Tours en l’air der Ballerino Ulian Topor vom Staatsballett Berlin auf.

Die Idee, erwachsene Profis und Laien-Kinder miteinander aufzutreten zu lassen, ist sicher nicht schlecht. Aber wenn dann der einzige Profi mit ein paar so genannten Tricks die Lorbeeren des Applauses erntet und das Ganze einfach nur aufpolieren soll, dann ist das doch ein wenig hohl. Als interaktives Element taugt der Altersunterschied hier nicht – dazu ist die gesamte Inszenierung schlicht zu einfältig.

Das Düstere, ja Diabolische seiner Figur darf Coppélius denn auch nicht weiter ausleben. Flugs geht es nach einigen lyrischen Luft verwebenden und sie über Coppélia ausschüttenden Bewegungen zurück ins Muntere, Lustige, Oberflächliche – Coppélius und seine Technik sind hier weder magisch noch gefährlich, sodass jedes noch so positivistische Menschenbild hier ganz prima davon kommt.

Man ist versucht zu sagen: Das ist Ballett für Blöde.

Wenn ich mir dagegen die Vorstellungen der Ballettschule des Hamburg Ballett – John Neumeier ins Gedächtnis rufe, die ich in den letzten zehn Jahren gesehen habe, dann frage ich mich, wieso Simic dieses mehr oder weniger missratene Mammut-Projekt überhaupt inszenierte. Fehlt ihm die Fantasie, ein an Charakteren reicheres Märchen zu machen? War es so einfach, sich auf die Wirkung der für ihn praktisch kostenfreien Kostüme vom Staatsballett zu verlassen?

Coppelia ist in den Sand gesetzt.

Fachwerkhäuser im Hintergrund, viel gute Stimmung, aber keine Magie auf der Bühne: Die Ballettschule am Staatsballett in der Deutschen Oper Berlin beim Schlussapplaus. Foto: Gisela Sonnenburg

Es fehlt der Schwung, es fehlt das Temperament; bis auf die lieb einstudierten Gruppen-Szenen und die Verfolgungsjagden mit Coppélius reißt einen hier einfach gar nichts vom Hocker. Nichts ist frech, nichts originell.

Ballett als Biedermeierschnarchveranstaltung.

Da lobt man sich doch all jene auch kleineren Ballettschulen, in denen mal improvisiert, mal investiert wird, damit die Kinder auf der Bühne eine vielleicht nicht perfekte, aber doch authentisch jugendgerechte Figur machen. Dann kommen die ganz Kleinen auch mal ganz groß raus – statt wie hier in einem ganz großen Stück überwiegend ganz, ganz mickrig auszusehen.
Gisela Sonnenburg

www.ballettschule-am-staatsballett.de

www.staatsballett-berlin.de

 

 

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