Liebeslust, Liebesfrust, Liebeswahn Tschaikowskys „Pique Dame“ in der tiefgreifenden Inszenierung von Willy Decker wieder in der Hamburgischen Staatsoper: Sie knüpft an Dostojewskys „Der Spieler“ an

Angst ist kein Lebensziel

Ein Mensch vor seiner Lebensangst: So beginnt Willy Deckers „Pique Dame“, die Inszenierung von 2003 an der Hamburgischen Staatsoper fühlt sich taufrisch an. Foto: Thilo Beu

Den wahrhaft Liebenden geht es schlecht in dieser Welt. Das wusste kaum jemand besser als Peter I. Tschaikowsky. Der Komponist, ebenso wie sein Bruder Modest, der gelegentlich als Librettist für ihn tätig war, war homosexuell. Er musste seine wahren Gefühle und sexuellen Empfindungen vor anderen als vor den Gleichgesinnten verbergen, er ließ sich sogar auf eine Ehe mit einer Frau zum Vorzeigen ein – und wurde damit kreuzunglücklich. Letztlich starb Tschaikowsky 1893 an einer von ihm vermutlich absichtlich herbei geführten Cholera-Infektion; eine verletzliche Seele, kampfesmüde und untröstlich der Trauer verfallen. Unsterblichkeit erlangte er dennoch oder gerade deshalb mit seiner Musik. In der Hamburgischen Staatsoper ist jetzt wieder Tschaikowskys Oper „Pique Dame“, in der Inszenierung von Willy Decker, zu erleben.

Decker setzte 2003, als diese Inszenierung premierte, ganz auf die Konsequenz der Dunkelheit. Schwarz sind hier die meisten Kostüme, schwarz ist das Bühnenbild, das mit wenigen Requisiten und einem Minimum an Möblage auskommt. Düster ist auch die Stimmung, mit der das Werk beginnt und endet.

Hermann, ein nicht eben begüteter Offizier (von Torsten Kerl mit passend melancholischer Triebkraft gesungen), verliebt sich in Lisa (Barbara Haveman brilliert als reiches, adliges Fräulein in edelgrauem Chintz). Der Standesunterschied zwischen beiden beherrscht jedoch sowohl ihre Leben als auch ihre Liebe – als auch deren Scheitern.

Hermann, stets damit beschäftigt, seine Armut zu verstecken, steht denn auch schon vor Beginn der eigentlichen Handlung kurz vorm Selbstmord. Decker lässt die Ouvertüre szenisch mit Hermanns Schwermut illustrieren, lässt ihn sogar den Revolver ansetzen, als Lisa plötzlich wortlos erscheint – dabei ist sie doch der Grund für seine Depression. Denn er liebt sie, zunächst ohne den Mut zu einer Werbung zu haben.

Aber sie schenkt ihm eben auch das Leben, indem sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, der Regisseur hat dem Libretto hier ein wenig nachgeholfen.

Hermanns Wesensveränderung offenbart sich derweil nicht nur dem Publikum. Das darf bei seinen Liebeswehen mitweinen – die Musik ist dafür wie aber auch gemacht! Köstlich quillt und schwelgt und wogt es, die Welt ist darin aus den Fugen und hält doch beisammen, das Gefühl scheint alles sprengen zu wollen und eint es doch wie durch ein liebendes Band.

Angst ist kein Lebensziel

Die „Moskauer Venus“ als Greisin – so zu sehen in „Pique Dame“ in der Hamburgischen Staatsoper. Foto: Thilo Beu

Das ist Spätromantik vom Feinsten – und wer noch immer glaubt, diese Oper sei nur ein Nebenwerk Tschaikowskys und angesichts seiner Ballettmusiken und Sinfonien oder auch neben den Opernwerken Puccinis und Wagners nicht gleichrangig, der sollte sich mit der Partitur eingehend befassen.

Und auch, wenn das Dirigat von Gregor Bühl manche Unwegbarkeiten, wie das gesungene Quintett im ersten Akt, nicht ganz souverän und sicher zu bewältigen weiß, so spült der herrliche Orchesterklang, nicht selten, eher absichtsvoll an das Frühwerk Richard Wagners erinnernd, doch alle Bedenken hinfort.

Was für eine Leidenschaft ist hier musikalisch formuliert!

Man sollte dazu wissen, dass Tschaikowsky seine Noten keineswegs kalt und mit pseudoprofessioneller Distanz schuf. Er weinte vielmehr wirklich stundenlang mit, er litt mit seinem Hermann, den er zudem gemeinsam mit Bruder Modest regelrecht neu erfunden hatte, als ginge es um sein eigenes Schicksal.

Die Identifizierung war denn auch wohl hoch. Tschaikowsky wurde von der Liebe immer wieder enttäuscht, von den Männern, mit denen er sich heimlich einließ, ebenso wie von den Frauen, die er ohnehin nicht wirklich begehrte.

Die Novelle „Pique Dame“ von Alexander Puschkin, die 1833 erschienen war, war hier denn auch nur der Anlass zur Oper, nicht aber Grund noch Vorlage im engeren Sinn.

Die Tschaikowskys machten denn auch ihr ganz eigenes Spiel daraus.

Die Bezeichnung „frei nach“ gab es im 19. Jahrhundert zwar noch nicht als geläufige Bezeichnung eines Werks, aber hier wäre sie angemessen gewesen.

Allerdings wollte man die Popularität von Puschkins Literatur sicher für sich nutzen. Also steht „Nach der Novelle von Alexander Puschkin“ an der Oper „Pique Dame“ dran, obwohl Modest Tschaikowsky den Handlungsverlauf und auch die Charaktere maßgeblich geändert hat.

Passgenau für seinen Bruder, den Komponisten: Aus Hermann, dem wildgewordenen Spielsüchtigen, der die Liebe vergisst und zynisch nur noch zum Vorwand nutzt, um seiner eigentlichen, neu erwachten Besessenheit, dem Spiel, nachzugehen, wurde bei den Tschaikowskys ein empfindsamer, schwer liebender Mann., der durch das Versagen in Liebesdingen zum Spiel kommt – und nicht umgekehrt.

In Hamburg wird „Herman“ auf dem Besetzungszettel übrigens unverständlicherweise nur mit einem „n“ geschrieben, im Programmheft aber – wie es im Deutschen auch richtig ist – mit doppeltem Schlusskonsonanten.

Die Programmzettel in Hamburg wiesen in den letzten Monaten des öfteren auch Druckfehler auf, etwa bei Tänzernamen – vielleicht kann da mal eine intensivere Überprüfung vor Drucklegung stattfinden.

So oder so agiert hier Hermann als Außenseiter unter seinen Militärkollegen, er ist ein Deutscher im russischen Landesdienst – und die adlige Gesellschaft, die wir hier vor allem im Spielkasino erleben, ist für ihn weitestgehend unerreichbar.

Er kennt nicht einmal Lisas Namen, als er sich unsterblich in sie verliebt.

Angst ist kein Lebensziel

Als riesenhaftes Portraitbild erscheint die „Moskauer Venus“ in Ergänzung zu den übermenschlichen Leidenschaften… so zu sehen in „Pique Dame“ an der Hamburgischen Staatsoper. Foto: Thilo Beu

Ein Freund macht ihm dennoch Hoffnung – und tatsächlich stellt sich heraus, dass auch Lisa so viel für ihren neuen Verehrer empfindet, dass normalerweise ein Paar aus beiden werden müsste.

Zumal Lisa mit ihrer Liebe zu dem ihr noch unbekannten Offizier einer Vernunftsehe mit dem Fürsten Jeletzky (stimmlich hervorragend, szenisch etwas blass: Alexey Bogdanchikov) zu entgehen versucht.

Sie würden also prima zueinander passen, der etwas orientierungslose Offizier und die bis dahin unentschiedene Jungfrau.

Wäre da nicht der Standesunterschied.

Es war damals, im 19. Jahrhundert, so, wie es heute auch wieder ist, da die Bürgergesellschaft in Europa sich in die Spaltung in Arm und Reich verabschiedet.

Haben und Nichthaben entscheiden über die Schicksale wie über die Liebschaften.

Das Sein wird angesichts der Übermacht des Kapitals hinfällig, wenn es um die Beurteilung und Akzeptanz von Menschen geht.

Damals wie heute gilt: Soziale Ungerechtigkeit gebiert Suchtverhalten: Sucht nach gesellschaftlichem Aufstieg, Spielsucht – oder auch die Liebe als Sucht.

Nun gibt es im Milieu von Hermann zudem noch den Mythos der „Moskauer Venus“ und ihres Geheimnisses.

Die Großmutter, die „Babuschka“ von Lisa (bei Puschkin handelte es sich noch um ihre Pflegemutter) ,ist nämlich eine reiche Gräfin, von Renate Behle sehr dezidiert gesungen und dargestellt.

In ihrer Jugend trug die Gräfin den Spitznamen „Moskauer Venus“, denn sie war bildschön und eine von Männern heiß begehrte Trophäe.

Und: Sie kennt angeblich drei Spielkarten, mit denen ein Spieler in höchster Not unweigerlich gewinnt.

Dieses Geheimnis will Hermann der Alten entreißen, um seiner großen Liebe Lisa mit dem etwa neu gewonnenen Reichtum auf Augenhöhe zu begegnen.

Soweit steht es auch schon bei Puschkin zu lesen. Aber dann trennen sich die Wege der Novelle und der Oper: Hermann hört in der Oper nicht auf, Lisa zu lieben, und sie zweifelt keineswegs zurecht an ihm.

Dafür stehen noch weitere Hindernisse ihrer Liebe entgegen – immanente sozusagen.

Es ist bemerkenswert (leider steht davon keine Zeile im Programmheft), dass Modest Tschaikowsky sich bei seiner Überarbeitung der literarischen Vorlage eindeutig von Dostojewskys Roman „Der Spieler“ inspirieren ließ.

Dostojewskys großartiger Roman, der autobiografische Züge trägt, erschien 1867 als Buchform und war zwei Jahre zuvor unter großem Zeitdruck und unter entscheidender Mitarbeit der späteren zweiten Gattin von Dostojewsky entstanden.

Anders als bei Puschkin wird die Spielsucht darin nicht als Übel an sich ohne jede psychologische Spitzfindigkeit dämonisiert und verdammt.

Angst ist kein Lebensziel

Er kennt kein Pardon! Ob aus Liebe oder aus Geldgier: Hermann droht der Gräfin, bevor sie vor Schreck stirbt. So zu sehen in der Hamburgischen Staatsoper in Willy Deckers Inszenierung von „Pique Dame“. Foto: Thilo Beu

Sondern Fjodor M. Dostojewsky, einer der stärksten Seelenkundler in der Weltliteratur überhaupt, zeichnet den Leidensweg eines liebenden Mannes mit vielen einfühlsam geschilderten Details. Sowohl die Liebe als auch ihr Scheitern sind sozialpsychologisch motiviert.

Wie bei Dostojewsky hat die Liebe auch bei Tschaikowsky gegen die Standesschranken keine Chance. Aber Tschaikowsky geht noch einen Schritt weiter als Puschkin und Dostojewsky: Auch charakterlich ist die Tragik des Liebespaares in „Pique Dame“ vorprogrammiert.

Deutlich wird das gerade auch in Deckers hervorragender Inszenierung.

Inmitten all der grauschwarzen Traurigkeit der Welt – Ausstatter Wolfgang Gussmann schuf mit den Kostümen gleichsam eleganten Weltschmerz – erblüht das leidenschaftlich-erotische Gefühl mit aller Macht.

Liebe bis zum Tode, Liebe, die alles andere verzehrt, Liebe, die den Liebenden die Ruhe und die Lebensfähigkeit raubt – eine solche Liebe, dem Konzept nach spätromantisch, passt natürlich hervorragend in so eine morbide Spießergesellschaft.

Aber: Es fehlt den Liebenden an Vertrauen zueinander!

Das ist tödlich für die Liebe, sogar auch tödlich für die Liebenden.

Lisa – die sich bei Puschkin und Tschaikowsky in die Fluten der Newa stürzt, weil sie glaubt, Hermann sei spielsüchtig geworden – stirbt hier bei Willy Decker einen grausamen Liebestod, mit dem sie Hermann in die Spielsucht hineintreibt.

Decker lässt Lisa sich nämlich erschießen, und zwar während eines innigen Kusses, sozusagen aus der Umarmung mit Hermann heraus.

Das ist einigermaßen skrupellos von ihr…

Wie sie dazu kommt, ist szenisch raffiniert vorgeführt.

Zum Einen emanzipiert Decker Lisa, indem er sie ebenfalls, wie Hermann, bereits bei Eintritt der alles andere überflutenden Liebe depressiv gestimmt sein lässt.

Diese Liebe schmeckt von Beginn an nach Sterben: Sie ist so überdimensioniert, dass die Liebenden von Anfang an ahnen, dass ein Menschenleben (oder auch das Leben von zwei Menschen) als Gefäß für eine solche Welle nicht ausreichen wird.

Tod und Liebe gehören hier zusammen – wo das Leben nicht funktioniert, lockt der Tod als Erlösung.

Um mit Sigmund Freud zu sprechen: Der Todestrieb mischt sich in die erotischen Angelegenheiten, und die Begierde ist so unstillbar stark, dass keine vitale Realität ihr Stand halten kann.

Wie Hermann zu Beginn aufgeben will, bevor er überhaupt versuchte, Lisa Avancen zu machen, so ist auch sie bereits des Lebens und des Liebens müde, bevor er sein Glück im Spiel um ihrer beider Zukunft willen in Angriff nehmen konnte.

Angst ist kein Lebensziel

Beim Maskenball – der nur wenig Weiß zum ansonsten konsequent durchgehaltenen Schwarz zulässt – erscheint auch ein Sensenmann… symboltrachtig! So zu sehen in Willy Deckers Inszenierung von „Pique Dame“ an der Hamburgischen Staatsoper. Foto: Thilo Beu

Diese Deutung ist Willy Deckers Verdienst: Der Tod in die Nähe zur Liebe zu rücken, liegt in Zeiten chronischer Überbevölkerung ja auch nahe.

Der so genannte Dichtestress lässt Tiere in freier Wildbahn regelrechte Zwangsmaßnahmen gegen sich selbst ergreifen, wenn ihre Spezies ihr Revier zu eng besiedelt.

Bei den Menschen zeigt sich die Auswirkung von Dichtestress zunächst in zunehmend autoaggressiven Handlungen und dann in kriminellen und kriegerischen Ausschreitungen.

So entreißt Hermann seiner Lisa bei Decker einmal eine Pistole, rettet ihr damit also das Leben, so wie sie es ihm ganz zu Beginn der Oper rettete.

Die Probleme, die die beiden haben, lösen sich aber mit bloßem Überleben nicht.

Und als Hermann versucht, der vergeistigten alten Gräfin – die im Nachthemd schon wirkt wie im Leichenhemd – das Geheimnis der Karten zum Reichwerden zu entreißen, stirbt diese vor Schreck, als er sie mit dem Revolver bedroht.

Lisa kommt zufällig hinzu – und hält Hermann angesichts der Beweislage für einen Mörder.

Seine Erklärungen, er wolle nur das Kartengeheimnis kennen, um ihr, Lisa, und sich mit dem etwaigen Spielgewinn ein gemeinsames Leben zu ermöglichen, fallen bei Lisa nicht wirklich auf fruchtbaren Boden.

Sie kann ihm nicht glauben. Sie kennt die Menschen schon, sie hält sie für schlecht, sie hat wohl schon viele der Spielsucht erliegen sehen.

Und dann hat sie auch Dünkel, Standesdünkel. Sie kann nicht davon ablassen, ihn, den gesellschaftlich unter ihr Stehenden, für makelhaft und minderwertig zu halten. Obwohl oder weil sie in ihn verliebt ist.

Er verkörpert für sie die Nacht, das Dunkle, das Geheimnisvolle, das Vergessene. Auch: das Unheimliche.

Andererseits rührt sie sein Gesang. Sie möchte ihm glauben, möchte ihm eine zweite Chance geben. Aber als Mörder würde sie ihn nicht wollen – hier kennt ihre Liebe eine Grenze, wenn man so will: eine Glaubensgrenze.

Als sie sich erneut verabreden und er sich verspätet, singt sie denn auch voll Zweifel eine wunderbare Arie über ihre Hin- und Hergerissenheit, die zugleich Ausdruck ihrer Lebenszweifel ist.

Sein Anblick wischt ihre Bedenken dann für kurze Zeit hinweg, aber der Stachel des Misstrauens sitzt bei ihr zu tief.

Als sie zu dem Schluss kommt, dass er sie nicht wirklich liebt, sondern nur Vorteile durch sie erheischen will, schießt sie sich tot, in seiner Umarmung – für ihn ein Schock, den er so ohne weiteres nicht überleben wird.

Decker hat die Unmöglichkeit dieser Liebe zwischen Lisa und Hermann also noch einmal neu bezeichnet: Die Standesunterschiede der Liebenden werden ergänzt von mangelndem Vertrauen ineinander.

Zumal auch Lisa das Kartengeheimnis kannte, wie sie kurz vor ihrem Tod noch andeutet. Aber Hermann hat sie nie auch nur danach gefragt.

Er traut ihr nichts zu, wie sie ihm nichts zutraut – das sind in der Tat schlechte Karten für die Liebe!

Angst ist kein Lebensziel

Die „Moskauer Venus“ erscheint ihrem Quasi-Mörder rachelüstern im Traum… und der ahnt nichts. So zu sehen in „Pique Dame“ von Peter I. Tschaikowsky an der Hamburgischen Staatsoper. Foto: Thilo Beu

Er hatte denn auch eine andere „Methode“, sich das glücksverheißende Kartengeheimnis anzueignen: Die tote Gräfin erschien ihm noch zu Lebzeiten von Lisa im Traum und verriet so ihm die drei Karten: Die Drei, die Sieben und das As würden ihm unbedingt das große Glück beim Spielen bringen.

Hermann, bis dahin spielabstinent, kommt nicht auf den Gedanken, dass es sich hier um eine Falle seiner eigenen Fantasie handeln könnte.

Er hat sich mit seinen Schuldgefühlen – immerhin starb die Alte ja wegen ihm – überhaupt nicht auseinander gesetzt, jetzt rächen sie sich.

Tatsächlich aber spielt Hermann, auch ohne die Aussicht auf ein Leben mit Lisa, nach den Anweisungen der „Moskauer Venus“ – und die ersten zwei Runden gewinnt er auch prompt, mit den angesagten Karten, wie im Traum vorhergesagt.

Dann aber setzt er alles auf die eine, auf die letzte Karte – doch er zog die Pik Dame, nicht das As.

Und weil ihm die alte Gräfin auf einem nostalgischen Portrait schon früher als Pik Dame erschienen war, steht für ihn nun fest, dass er das Opfer ihrer Rache wurde.

Bei Puschkin wird Hermann daraufhin wahnsinnig und für den Rest seines Lebens ins Irrenhaus gebracht.

Die Tschaikowskys lassen ihn sich bei klarem Verstand umbringen – nachdem er alle Aufsichten auf ein besseres Leben wörtlich verspielt hat.

Angst ist kein Lebensziel

Das Kartenspiel entscheidet hier über Leben und Tod… in der Inszenierung der „Pique Dame“ von Willy Decker an der Hamburgischen Staatsoper. Foto: Thilo Beu

Bei Decker hat der finale Suizid via Revolverschuss insofern Modernität, als Hermann hier schon zu Beginn der Oper schwer depressiv war und sowohl seine Liebes- wie auch seine Spielsucht lediglich Ausdruck seiner desaströsen emotionalen Situation waren.

Die Symbolhaftigkeit dieser Inszenierung löst somit mustergültig ein, was die Musik von Tschaikowsky verspricht: übergroße Gefühle als soghafter Rausch, als Quelle der Lust ebenso wie der Qual.
Gisela Sonnenburg

Wieder am 19., 23. und 28.10.2016 in der Hamburgischen Staatsoper

www.hamburgische-staatsoper.de

 

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