Vom Glück nach dem Sturz „Das Leben ein Tanz“ – dieser erst dramatische, dann bezaubernde Kinofilm von Cédric Klepisch spielt im Ballett an der Pariser Oper und auf dem Land. Kinostart in Deutschland: 8. September 22 – mit Freikarten!

"Das Leben ein Tanz" - mit Marion Barbeau

Élise (Marion Barbeau) im Backstage-Bereich während der letzten Vorstellung von „La Bayadère“, die sie in Paris tanzen kann. Foto aus dem Film „Das Leben ein Tanz“: Studiocanal

Eine Ballerina verunglückt mitten in „La Bayadère“ auf der Bühne – und muss während der Reha-Bemühungen Stück für Stück erkennen, dass sie nie wieder eine klassische Tänzerin sein kann. Marion Barbeau, auch im wahren Leben Première Danseuse an der Pariser Opéra, tanzt und spielt die Partie der Élise, als wäre sie für sie gemacht. Und tatsächlich hat sie mit Regie-As Cédric Klapisch schon zuvor gearbeitet. Zum Casting musste sie dennoch – und sie gewann die Rolle. Beim Filmfest München wurde Marion Barbeaukürzlich dafür bejubelt, und am Donnerstag, den 8. September 22, läuft „Das Leben ein Tanz“ in den deutschen Kinos an. Im Original heißt der mitreißende Film über die Entwicklung  der tänzerischen „Transition“ einer jungen Frau übrigens „En corps“ („Im Körper“). Aber der deutsche Titel „Das Leben ein Tanz“ verrät noch besser den leichten Schwung und die komödiantische Hoffnung, die sich im Lauf der Geschichte vermitteln. Denn gute Gespräche mit Freunden auf dem Land bringen Élise dazu, sich für eine andere Tanzarbeit zu öffnen. Mit dem bekannten Choreografen Hofesh Shechter entdeckt sie den Rausch, auf moderne Weise im Schwarm zu tanzen – hier im Stil des Contemporary Dance. Die freie Form als Zukunftspfad: Ungewohnt ästhetisch und dennoch machtvoll bestürmen uns die wilden, zeitgenössischen Tanzszenen, die Élise im Film das Gefühl von Freiheit wieder geben. Vom Glück nach dem Sturz – das Ballett-Journal sprach mit Hauptdarstellerin Marion Barbeau über ihre Erfahrungen und Perspektiven. Außerdem verlosen wir zwei mal zwei Freikarten für einen aufregenden Kinobesuch!

"Das Leben ein Tanz" - mit Marion Barbeau

Marion Barbeau im Portrait – eine vielseitig begabte, moderne junge Frau, die nicht zufällig Tänzerin und Schauspielerin ist. Foto: Veeren Best Image

Ballett-Journal: Sie sind Tänzerin und Schauspielerin, und im Film „Das Leben ein Tanz“ von Cédric Klapisch stellen Sie eine Solistin der Pariser Oper dar, deren Leben sich dramatisch verändert, als sie einen Sturz auf der Bühne erleidet. Ist das ein professioneller Alptraum von Tänzern, so einen Unfall zu haben?

Marion Barbeau: Ja, für jede Tänzer:in gibt es diese Furcht. Aber wir lernen, diese Angst abzulegen, um unseren Beruf professionell auszuüben. Bei mir ist es so, dass ich meinen Körper zu verstehen lernte, ich kann ihm vertrauen. Und wirklich habe ich kaum Probleme körperlicher Art. Man weiß, es kann etwas Schlimmes passieren – aber ich habe es glücklicherweise nie erlebt. Und wenn mein Körper mir Signale gibt, dass etwas nicht in Ordnung ist, muss ich darauf achten. Das ist eine Zusammenarbeit: mein Körper und ich.

Ballett-Journal: Sie wurden an der Ballettschule der Pariser Oper ausgebildet?

Marion Barbeau: Ja, seit 2002, und zuvor ein Jahr an einer anderen Schule, ebenfalls in Paris. Als ich 2008 mein Examen machte, war Élisabeth Platel die Schulleiterin, und Brigitte Lefèvre nahm mich in die Company auf. Seit 2018 bin ich Première Danseuse. Ich habe also schon einige Erfahrung in meinem Beruf und mit mir selbst.

Ballett-Journal: Regisseur Cédric Klapisch und Santiago Amigorena, ein argentinischer Autor, schrieben das Drehbuch. Wurden Sie von den beiden manchmal um Rat gefragt, damit der Film auch für Insider der Tanzwelten glaubwürdig wird?

Marion Barbeau: Oh ja! Schon bevor sie überhaupt anfingen zu schreiben, fragte Cédric Klapisch bei vielen Tänzer:innen nach, um authentisch zu sein. Also: was wir als Frauen fühlen, wie wir den klassischen Tanz empfinden, als moderne Frauen von heute. Und auch zwischen den Drehszenen fragte Cédric oft nach, er war sehr interessiert daran zu hören, wie es wirklich ist. Zumal wir ja verschiedene Richtungen von Tanz im Film zeigen. Es kam dem Regisseur auch sehr auf die Unterschiede an.

"Das Leben ein Tanz" - mit Marion Barbeau

Reha auf dem Balkon: Èlise (Marion Barbeau) versucht es noch, in den klassischen Tanz zurückzukehren. Foto aus dem Film „Das Leben ein Tanz“: Studiocanal

Ballett-Journal: Die Vielseitigkeit von Tanzstilen, der moderne Mix, der heute von Profiballetttänzern verlangt wird, ist enorm. Das steigert auch die Verletzungsgefahr. Schließlich gehören Verletzungen oder die Gefahren, sich zu verletzen, zum Arbeitsalltag von Tänzer:innen. Haben Sie selbst Erfahrungen mit diesem Problem gemacht? Manchmal tanzen die Künstler:innen sogar mit einer frischen Verletzung eine Vorstellung zuende. Obwohl das niemand von ihnen verlangt.

 Marion Barbeau: Manchmal ist der Körper beim Tanzen magisch! Und dann die Umstände, unter denen man oft arbeitet. Manchmal kommt man nicht zum Schlafen, hat aber Vorstellung am nächsten Tag. Es ist unglaublich, was der eigene Körper da alles leistet. Wenn man Berufsanfänger ist, denkt man noch nicht darüber nach, was alles kommen wird. Mit 18 Jahren stürmt man einfach vorwärts. Aber nach einigen Erfahrungen vor allem mit verschiedenen Stilen lernt man, auf seinen Körper aufzupassen und ihm zuzuhören. Obwohl: Nach einer Pause kann es sein, dass man stärker ist als zuvor. Weil man gesehen hat, wie man tanzt und wo man sich verbessern will. Ich selbst war noch nie schwer verletzt. Aber ich musste wegen der Corona-Pandemie eine Pause machen, und das war seltsam genug, wenn auch interessant. Dann kamen auch schon die Filmarbeiten auf mich zu, sodass meine Arbeit sehr abwechslungsreich wurde. Ich bin immer noch Mitglied des Pariser Opernballetts, aber ich tanze dort seltener. Prinzipiell ist es aber schwer, sich damit zu beschäftigen, dass man eines Tages ohne die Live-Vorstellungen, ohne den Kontakt zum Publikum von der Bühne aus, leben muss.

Ballett-Journal: Als Mitglied des Balletts der Pariser Oper hört man normalerweile mit 42 Jahren auf und erhält dann lebenslang eine Rente. Das ist einmalig auf der Welt. Nur in der DDR gab es eine ähnliche Regelung, die „Tänzerrente“. Heute wird im Ballett vor allem Leistung verlangt. Im klassischen Ballett haben wir seit einigen Jahrzehnten eine Entwicklung hin zur brillanten technischen Fassade des Tanzens. Diese Tendenz wird stärker und stärker, die Tänzer:innen müssen immer biegsamer, dreh- und sprungtüchtiger und im sportlichen Sinn leistungsstärker werden. Der Ausdruck scheint da oft nicht so wichtig. Was ist Ihre Meinung dazu?

Marion Barbeau: Als Tänzerin und auch von meiner Persönlichkeit her liebe ich es, nach vorn gepusht zu werden. Ich liebe die Herausforderung! Aber man muss es auch genießen können, das Ganze ist wie ein Spiel. Es ist ein bisschen so, als wäre man noch ein Kind und probiert seine Grenzen aus. Es ist nämlich ein großartiges Gefühl, etwas zu machen, von dem man nicht wusste, dass man es kann. Zum Ausdruck ist das ja kein Widerspruch.

"Das Leben ein Tanz" - mit Marion Barbeau

Sie tanzen auch für Insider: Èlise (Marion Barbeau), Mélodie (Mathilde Warnier) und Sabrina (Souheila Yacoub) im Film „Das Leben ein Tanz“ von Cédric Klapisch. Foto: Studiocanal

Ballett-Journal: Haben Sie solche Erfahrungen auch mit Contemporary Dance gemacht?

 Marion Barbeau: Oh ja! Da ist zum Beispiel eine bestimmte Szene im Film „Das Leben ein  Tanz“. Es handelt sich um eine Choreografie von Hofesh Shechter, und wir Tänzer laufen alle auf der Bühne, erstaunlicherweise völlig synchron und ganz harmonisch. Man fühlt sich dabei so außergewöhnlich, wenn man nicht mal hinsehen muss, wo die anderen sind – weil man sie fühlt.

 Ballett-Journal: Sie haben mit Benjamin Millepied und Sidi Larbi Cherkaoui gearbeitet, aber Sie kennen auch das klassische Training, die klassischen Proben. Was ist Ihr Lieblingsballett, Ihre Lieblingsrolle als Tänzerin?

Marion Barbeau: Ich liebe es, Stücke von George Balanchine zu tanzen, vor allem das Liebesduett, also das Divertissement aus „Ein Sommernachtstraum“. Man muss sich ganz musikalisch dem Partner hingeben. Dabei ist es sehr delikat und trotzdem muss man es absolut kontrolliert tanzen. Ein Hochgenuss.

Ballett-Journal: Das ist ein berühmtes Stück Tanz, auch auf Galas sehr beliebt! Und solche Erfahrungen hat ja auch die verunglückte Ballerina Élise in „Das Leben ein Tanz“ gemacht. Bis sie einen neuen Weg für sich finden muss. Nur langsam realisiert sie, dass das klassische Ballett an der Pariser Oper für sie trotz ihrer Jugend nun ein abgeschlossenes Kapitel ist. War es schwierig, diese Situation zu spielen?

Marion Barbeau: Das war schon schwierig, denn die Rolle von Élise ist sehr nah an meinem Dasein als Pariser Profiballerina. Und dann musste ich mich einfühlen in ihre Situation, was mir naturgemäß widerstrebt. Ich konnte den Tanz ja nicht beiseite legen, um zu fühlen, wie es ist, nicht mehr tanzen zu können. Was mir half, war, dass ich mich zurückversetzte in die Zeit, als ich jünger war und ganz naiv an alles heran ging. Es war dann auch interessant, aus diesem Zustand zurückzukommen.

Ballett-Journal: Élise findet Ruhe, um über alles nachzudenken. Und zwar auf dem Land, bei Freunden und deren Familie. Ohne diese warmherzige Zuneigung und echte Freundschaft würde sie nicht mehr weit kommen. Ist das im Ballett, in dem es auch eine harte Konkurrenz gibt, generell ebenso? Ist der Rückhalt von anderen entscheidend?

Marion Barbeau: Es ist wirklich wichtig, Unterstützung zu bekommen. In der Ballettwelt, zumal als Solist, wo man auch wirklich einsam sein kann, ist es unglaublich wichtig, von einer Atmosphäre der Liebe umgeben zu sein. Und auch Gruppenstücke funktionieren viel besser, wenn man trotz der Differenzen ein bestimmtes Gefühl von Zusammenhalt hat.

"Das Leben ein Tanz" - mit Marion Barbeau

Auf andere Gedanken kommen – das geht gut bei Freunden auf dem Land. Josiane (Muriel Robin) und Élise (Marion Barbeau) im Film „Das Leben ein Tanz“ von Cédric Klapisch. Foto: Studiocanal

Ballett-Journal: Der emotionale und physische Stress sind in diesem Beruf manchmal sehr hoch. Für die Filmfigur Élise ist der freestyle dance – Contemporary Dance – von Hofesh Shechter die Lösung. In wilden Tänzen findet Élise ihren neuen künstlerischen Weg. Da kommt dann alles zusammen. Gute Gefühle, toller Tanz. Und sie kann das tanzen. Aber ist das realistisch, einen solchen Stil zu tanzen, wenn man eigentlich zu verletzt ist?

Marion Barbeau: Ja und nein. Es ist ein Film. Von daher geht es nicht nur um Realismus. Was Élise so hilft, sind andere Maßnahmen, als sie sie vorher hatte. Der komplette Tanz in Ponshoes zum Beispiel, also in diesen stiefelartigen Überziehern, die den Fuß warm halten. Man tanzt darin anders als in Ballettslippern. Aber prinzipiell muss man auch für den professionellen Contemporary Dance fit sein.

Ballett-Journal: Élise ist ein Einzelfall, das sollte man bedenken. Élise hat außerdem eine starke Beziehung zu ihrer verstorbenen Mutter, die sie zum Unterricht an der Ballettschule brachte. In der Realität haben Tänzer:innen aber auch eine sehr starke Beziehung zu ihren Lehrer:innen, richtig?

Marion Barbeau: Die Mutter spielt immer eine wichtige Rolle, man will ihr gefallen und für das Tanzen von ihr geliebt werden. Aber für mich war auch eine bestimmte Ballettlehrerin sehr prägend, sie war tatsächlich wie eine Mutter für mich. Wenn auch sehr streng, ganz anders als meine Mutter. Aber das war in meinem Interesse. Sie hat alle Kraft, die sie hatte, in ihre Arbeit gegeben, und ihre Aufmerksamkeit galt mir und meiner Entwicklung.

Ballett-Journal: Es gibt diese Redensart: „Einmal Tänzer:in, immer Tänzer:in!“ Ist das wahr?

Marion Barbeau: Oh ja! Für mich stimmt das unbedingt. Ich möchte wirklich bis zum letzten Atemzug tanzen. Für mich ist es sehr schön, dass ich das Tanzen und Filmen verbinden kann. Mein nächstes Projekt ist wieder ein Film. Mit dem Tanzen ganz aufzuhören, kann ich mir aber nicht vorstellen.

 

Ballett-Journal: Inwiefern ist „Das Leben ein Tanz” ein moderner Film?

Marion Barbeau: Der Tanz darin ist modern und sehr schön, und wir zeigen mit vielen Tänzer:innen, wie das gehen kann. Das ist das Eine. Das Andere ist, dass der Film davon handelt, wie man eine existenzielle Krise meistern kann. Wie man einen neuen Weg für sich finden kann, wie das Leben bergauf geht. Auch wenn es zunächst gar nicht danach aussieht.
Gespräch: Gisela Sonnenburg

HINWEIS! F R E I K A R T E N ! Am Montag, 5. September 22, zwischen 18 Uhr und 18.15 Uhr, werden vom Ballett-Journal unter info@ballett-journal.de zwei Mal zwei Freikarten verlost, die in jedem Kino Ihrer Wahl in Deutschland, in dem ab 8. September 22 „Das Leben ein Tanz“ läuft, eingelöst werden können! Bitte einfach eine E-Mail mit dem Stichwort KINO im Betreff einsenden! Viel Glück! Die Gewinner erhalten ihre Tickets dann umgehend per Mail! 

 

 

ballett journal