Exklusive Einsichten Das Hamburg Ballett präsentiert online Welturaufführungen: mit „Junge Choreografen“, einem Star-Training für daheim – und mit ungeahnten Einblicken in die Entstehung der „Glasmenagerie“ von John Neumeier

„Junge Choreografen“ bietet online elf verschiedene Stücke in zwei Programmen – und alle sind Welturaufführungen. Nur beim Hamburg Ballett und nur online zu haben! Foto: Kiran West

Das Hamburg Ballett brauchte ein paar Tage, aber dann: Statt bekannte Inszenierungen und Choreografien online zu setzen, präsentiert es ab heute abend bis auf weiteres drei exquisite Programmblöcke online, also auf seiner Website sowie in den sozialen Medien. Den Beginn machen „Junge Choreografen“, die an sich heuer in der opera stabile, der Zweitspielstätte der Hamburgischen Staatsoper hätten premieren sollen. Speziell für die Internet-Verhältnisse wurden Video-Versionen erstellt, die fast das komplette Programm mit insgesamt elf NachwuchschoreografInnen aus den Reihen der aktuellen TänzerInnen des Hamburg Balletts ausschnittsweise zeigen (ursprünglich waren 15 Choreografien vorgesehen). Aufgeteilt in zwei Programme – wie es für die Aufführungen auch vorgesehen war – können also schräge Avantgarde, gefühlvoller Poesietanz, fetzige Lovesongs und jede Menge Überraschungen genossen werden. Giorgia Giani, Louis Haslach, Marc Jubete,Marcelino Libao, Kristína Paulin, Florian Pohl, Artem Prokopchuk, David Rodriguez, Chiara Ruaro, Ricardo Urbina und Illia Zakrevskyi sind die Namen der kreativen Geister, die hier jüngsten Werke zeigen. Voilà, da sind wir jetzt aber richtig wild drauf, nachdem man diese Arbeiten wegen der Corona-Absagen schon verloren glaubte. Am Freitagabend um 19.30 Uhr beginnt „Programm I“, am Sonntagmittag um 14.30 Uhr das „Programm II“. Ab dem Dienstagnachmittag, 16.30 Uhr, gibt es dann noch eine Zugabe, und zwar was Witziges: eine Outtake-Compilation. Toitoitoi!

Damit aber nicht genug: Ab dem 23. März 2020 trainiert John Neumeiers Stellvertreter, der Ballettmeister und Supersolist Lloyd Riggins die junge Ausnahmeballerina Madoka Sugai– und wir können dabei zusehen!

Dieses „virtuelle Ballett-Training“ ist von zu Hause für zu Hause entwickelt und somit nicht nur für passive Zuschauer interessant, sondern auch für all jene, die wegen der Schließung der Tanzstudios und Ballettsäle händeringend nach Ideen suchen, um sich im heimischen Umfeld fit zu halten. Noch mehr fachgerechter Service ist eigentlich gar nicht möglich!

Und wer sich selbst bei seinen Versuchen des Nacheiferns posten möchte, darf das über Instagram via # hamburgballett gerne tun. Für diese Ergebnisansichten wird hier allerdings keine Garantie übernommen, verständlicherweise. Aber das Risiko steigert ja bekanntlich die Lust, solange es nicht um Krankheiten geht.

Heraus aus der Isolation, ohne das Haus zu verlassen, heißt die Devise!

Und dann gibt es in drei Portionen – ab dem 26. März, dem 28.und dem 29. März (jeweils ab 16.30 Uhr) – noch das ganz große Glück für John-Neumeier-Fans: „Die Glasmenagerie – Einblicke in den Entstehungsprozess“ beleuchtet erstmals die mannigfaltige Vor- und Probenarbeit von Choreograf Neumeier und seiner Company für ihre jüngste Uraufführung im großen Haus der Oper.

Mal ganz ehrlich: Musste erst die Corona-Krise– und damit der Vorstellungskomplettausfall– kommen, damit wir dieses Vergnügen haben dürfen? Fast ist man jetzt geneigt zu sagen: Alles hat sein Gutes!

"Die Glasmenagerie" von John Neumeier ist ein Ballettkammerspiel

David Rodriguez als Einhorn tanzt mit der träumenden Laura Rose alias Alina Cojocaru in „Die Glasmenagerie“ von John Neumeier. Foto: Kiran West

Wir wollen aber diejenigen, denen nicht so unbeschwert ums Herz zumute ist, nicht vergessen. Die ernsthafte „Glasmenagerie“ ist dafür ein besonnener Anlass – und wer etwas für seine Nachbarn, seine Freunde, seine Verwandten oder sein Ballett-Journal tun kann, der sollte das in dieser Zeit nicht vernachlässigen.

Halten Sie also Abstand, bleiben Sie aber Mensch – und halten Sie sich fit für den Bildschirm mit Ballett sowie insgesamt für Ihren Sinn des Lebens.
Gisela Sonnenburg

P.S. Die mit viel Tamtam angekündigten Compilations entpuppten sich als billig gemachte Werbeclips in gerade mal zweiminütiger Länge. So tröstet man kulturliebende Menschen, die zu Hause sitzen und vielleicht nicht nur ihren Kulturgenuss, sondern auch noch ihren Job verlieren – weil eben nicht alle ihre Gehälter einfach weiter erhalten wie die tanzenden Staatskünstler – ganz sicher nicht. Das gibt jetzt mal ein dickes, fettes Buh! 

www.hamburgballett.de

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