Der Mann, der nonstop online ist Für ein paar Wochen ist David Bowie in einer hochkarätigen Fotoausstellung im Internet präsent

David Bowie im Bild online

„Ziggy Stardust“ alias David Bowie, unsterblich schön fotografiert von Brian Duffy. Foto: Brian Duffy Estate / Courtesy of CAMERA WORK Gallery

Ins Ballett der Hochkultur sollte sich die Popmusik nicht unbedingt einmischen. Dafür sind die erhabenen Absichten des anmutigen Bühnentanzes und das lockere Abhotten beispielsweise einer Rockröhre schlicht zu weit voneinander entfernt. Meine Meinung. Auch die Musik des Pop bietet zu wenig Anspruch, um sie befriedigend kunsttänzerisch umzusetzen – Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel. Aber für eine kunstsinnige Reflexion via Kamera eignet sich der Pop sehr. Nicht akustisch, sondern optisch! Die Inszenierungen eines Popidols sind denn auch so ergiebig wie die Selbstbilder von kreativen Erfolgswilligen generell. Das dachte man sich auch in der Berliner Galerie Camera Work – und erprobt nun prompt ein neues, äußerst zeitgemäßes Konzept mit einem der beliebtesten Popstars überhaupt. Motto: Ein Star ist ein Star ist ein Star – aber David Bowie ist irgendwie immer ein besonderes Phänomen.

Einem Filmtitel nach fiel er vom Himmel, für seine Fans war er sowieso unbeschreiblich, den Kritikern galt er als wahres Chamäleon des Pop. Und: Schon 1996 hatte David Bowie eine eigene Website. Unbestreitbar fortschrittlich. Dieses Jahr wäre der vielseitige Rockstar 75 Jahre alt geworden, am 8. Januar. Aber er starb 2016, ebenfalls im Januar, an Leberkrebs.

Aus Anlass seines Geburtstagsjubiläums hat Camera Work eine ungewöhnliche, rein virtuelle Ausstellung erstellt. Auf camerawork.de kann man sie online erklimmen, ohne auch nur eine einzige Treppenstufe zu steigen.

Bis zum 17. Februar 22 – dann verschwinden die hochkarätigen Bowie-Bilder im Dunkel des Nichts.

Bis dahin aber ist unser aller Pop-Dandy David rund um die Uhr zu besuchen. Kostenfrei, übrigens.

Rauchen wir in Gedanken eine Zigarette mit ihm, wenn er als scheinbar elitärer „Thin White Duke“ blondiert und künstlich feingemacht innig am Glimmstengel inhaliert. Die Zigarette gilt hier als mysteriöses Selbstdarstellungsrequisit, die entrückte Haltung als narzisstische Herrschaftspose. Der Fotograf Anton Corbijn hat Bowie so dubios ins Nachtlicht gesetzt.

David Bowie im Bild online

Wenn David Bowie mit einer großen Kugel spielt, sieht es aus, als umarme er die Welt. Foto: Herb Ritts Foundation / Courtesy of CAMERA WORK Gallery

Herb Ritts hat einen mehr menschelnden Blick auf ihn. Er zeigt David mal mit dem Kinn nachdenklich auf dem Handrücken, dann wieder frei im Raum mit einer riesenhaften Kugel spielend.

Albert Watson hingegen konnte es sich nicht verkneifen, aus Bowie einen Pop-Heiligen mit erhobenem Zeigefinger zu machen. In einem anderen Werk montierte Watson gleich sieben Ansichten von Bowie zusammen. Der sieht darin sich selbst erstaunt zu.

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Albert Watson zeigt David Bowie in seriöser Verkleidung in sechs Spiegeln – und davor als seinen eigenen Zuschauer. Foto: Albert Watson / Courtesy of CAMERA WORK Gallery

Berühmt ist das glänzend rot colorierte Haar des mit Rosatönen geschminkten „Ziggy Stardust“, so zu sehen in Portraits von Brian Duffy. Derselbe Fotograf inszeniert das Idol aber auch als „Scary Monster“, im theatralen schulterfreien Kleid.

Mit pathetischer Geste hält Bowie die Zigarette, ach ja, die unvermeidliche, und schaut demonstrativ ins Leere. Oh! Die Sinnkrise der späten 70er-Jahre – selten findet man sie so schön ins Bild gefasst.

Soweit die Highlights von „Floor I” der Galerie.

Auf „Floor II” wird es wilder, abgefahrener, schräger, avantgardistischer.

David Bowie im Bild online

Noch einmal Herb Ritts und David Bowie: Der Star untersucht taktil sein eigenes Abbild. Foto (Ausschnitt): Herb Ritts Foundation / Courtesy of CAMERA WORK Gallery

Ellen von Unwerth zeigt Bowie popbunt in skurrilen Paarszenen oder, verhalten in Schwarz-Weiß, als scheinbaren Privatmenschen auf der Bettkante, mit der Gitarre statt einer Geliebten im Arm.

Mark Seliger schließlich trifft ihn à la New Romance im Klamottenlook von Fleetwood Mac an: mit Spinnen-Brosche am Revers und auch sonst femininer Anmutung.

Bowie, er ist immer wieder neu zu entdecken, gerade auch in diesen Portraits.

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Mein Bowie, dein Bowie, euer Bowie, unser Bowie – und welcher einem gerade am liebsten ist, kann man während der Online-Schau entscheiden oder auch erst danach.

Gewarnt sei nur vor dem hohen Energieverbrauch der Bilder online, der das Endgerät möglicherweise stark erhitzt. Aber solange der Computer nicht vor Scham errötet, dürfte eigentlich alles Bowie sein.
Gisela Sonnenburg

camerawork.de 

 

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