Spanische Power, poetische Satire Bejubelt: Die Internationale Ballettgala XXXIV mit dem Ballett Dortmund und seinen Gästen

Internationale Ballettgala XXXIV

Ballettdirektor Xin Peng Wang (vorn) präsentiert mit großem Erfolg mit dem Ballet Dortmund die Internationale Ballettgala XXXIV im Opernhaus in Dortmund. Hinten rechts: Yonah Acosta vom Bayerischen Staatsballett. Foto vom Schlussapplaus: Ballett-Journal

Staub. Das ist der nüchterne Titel des ersten Stücks, von dem ein faszinierender Auszug getanzt wird: „Dust“ von Akram Khan. Staub heißt hier: Wir sind aus Staub gemacht und wir werden zu Staub zerfallen. Aber die Zeit dazwischen ist es, auf die es ankommt. Zumal beim Tanz! Die glamouröse Internationale Ballettgala XXXIV im Dortmunder Opernhaus beginnt also ernsthaft, fast bedächtig, auch puristisch. Und doch kulminiert die Energie des modernen Balletts hierin zu spiraligen Gruppentänzen. Die Liebesgeschichte des Stücks, das im I. Weltkrieg spielt, ist in diesem Exzerpt weitgehend ausgespart: Ein Mann sieht sich Frauen in Arbeitskleidung gegenüber. Aber es ist seine Qual, sein Leiden, um das es in den brillanten tänzerischen Momentaufnahmen vornehmlich geht. Am Ende steht eine Frau alleine da – ihre Stärke, ihre Kraft füllt die Bühne. Mit diesem Auftakt empfiehlt sich das Ballett Dortmund als vitales, wandlungsfähiges, klassisch-modern auf höchstem Niveau tanzendes Ensemble, das dank seines Ballettdirektors Xin Peng Wang, der auch die künstlerische Gesamtleitung der Gala inne hat, sowie dank seiner Ballettmeister wie Alysson Rocha in hervorragendem Zustand ist. Mit Künstlerkolleg:innen aus dem In- und Ausland ergibt sich im Reigen der Gala ein Kaleidoskop temperamentvoll-mitreißender Tänze, aus dem Bereich der Klassik, der Moderne, des Zeitgenössischen sowie des Flamenco – was ein ganz neuer Trend auf Ballett-Galas ist, dem man an diesem Wochenende auch beim Wiener Staatsballett frönt. Die Leidenschaft triumphiert so oder so, wenn virtuose Tänzer:innen wie Yonah Acosta aus München, Jacob Feyferlik aus Amsterdam, Yasmine Naghdi, Natascha Mair, Mayara Magri und Matthew Ball (alle aus London) sowie die hochrangigen Flamenco-Künstler Lucía Campillo und Jesús Carmona sich ein Stelldichein geben.

Der für die Gala-Moderation bereits bewährte und sehr beliebte Kammersänger Hannes Brock kündigt dabei die Darbietungen an: nicht einzeln, sondern sozusagen im Dreierpack. Das Konzept, das sich rund um das Thema heftiger Emotionen rankt, wird davon aufgelockert.

Nach dem gar nicht „staubigen“ Auftakt geht es denn auch schon los mit dem Flamenco, der in diesem Gala-Programm drei Mal auftauchen wird. Zunächst mit einer Variation im Stil des Bolero Flamenco, was bedeutet, dass hier Elemente aus dem Ballett mit denen des Flamenco montiert sind.

Internationale Ballettgala XXXIV

Flamenco-Künstler von hohem Rang: Lucía Campillo und Jesús Carmona mit Blumen beim Schlussapplaus nach der Internationalen Ballettgala XXXIV beim Ballett Dortmund. Foto: Ballett-Journal

Tanz der Glückseligkeit“ heißt dieses erste Stück „Danza de la Buenaventura“ übersetzt, und Lucía Campillo zeigt in einer Choreografie von Eduardo Martínez, was eine femme fatale, eine starke, dennoch erotisch äußerst verlockende Frau mit dem traditionellen Tanz aus Andalusien anzufangen vermag.

Die Kastagnetten klappern, die rasend schnell über den Boden schleifenden Schuhe klackern, und die schwarz-gelbe Glitzerrobe scheint eine Flamme darzustellen. Entflammt und heiß wie die Hölle ist diese Art von Glückseligkeit allemal – und weil die Leidenschaft im Flamenco tragisch grundiert ist, stehen ihre Protagonisten stets unter Hochspannung.

Eine ganz andere, viel zartere, lyrische Art von Spannung kulminiert dann im Pas de deux aus dem zweiten Akt von „Giselle“, jenem großartigen romantischen Ballett, das seit 1841 immer wieder die Gemüter bewegt.

Yasmine Naghdi vom Royal Ballet in London und Yonah Acosta vom Bayerischen Staatsballett in München scheinen hier schwerelos über die Bühne zu schweben, im Sprung wie im Landen sind sie ätherische Wesen, die – vor allem sie in der Titelrolle – ganz sicher nicht nur von dieser Welt sind.

Naghdi ist eine delikate, traditionell-zarte Giselle, keine jener sportlich-kräftigen Geisterwesen, die direkt aus der Turnhalle zu stammen scheinen, wie sie seit einigen Jahrzehnten zu den klassisch überlieferten Typen der Ballerinen hinzu kamen, etwa mit Natalia Osipova. Yasmine hingegen barmt mit ihrem schönen Leib, und sie kämpft mit Schönheit und Entschiedenheit, wenn sie sich vor ihren Geliebten und das Kreuz ihres Grabes im Wald stellt.

Schließlich wollen die Wilis, ihre Geisterschwestern, alle Männer tanzend in den Abgrund stoßen – als Rache dafür, dass sie vor der Hochzeit geschwängert und sitzen gelassen wurden.

Die sauberen, aber stets gefühlvoll angesteuerten Posen, die leichthin erhobenen Gliedmaßen, die sehnsuchtsvoll ausgestreckten Arme, die langen Balancen und mit ausgiebigen Hebungen machen dieses Pas de deux zu einem de-luxe-Stück der Ballettgeschichte.

Ihre kleinen feinen Sprünge, seine Batterie aus Entrechats, ihre rettende liebende Energie, sein Tanz bis zum erschöpften Sich-auf-den-Boden-Werfen – alle bekannten Details erhalten hier neuen Schmelz und sind aufgeladen mit dem Widerspiel von Mann und Frau.

Yonah Acosta, einer der interessantesten männlichen Tänzer des aktuellen Balletts: Er fliegt tanzend nach allen Regeln der Kunst durch die Luft, als selbstbewusst bereuender Albrecht im zweiten Akt von „Giselle“ auf der Internationalen Ballettgala XXXIV in Dortmund. Foto: Wilfried Hösl

Tatsächlich tanzt Yonah Acosta den Albrecht, also den moralisch gescheiterten Liebhaber der Giselle, nicht mit dem sonst üblichen Gestus des Bruder Leichtfuß, der dann vor allem reuevoll im zweiten Akt auftritt, sondern vielmehr selbstbewusst-männlich, fast machohaft, um klar zu machen, dass auch hier die Erotik die Triebfeder ist – und nicht etwa die christliche Buße.

Eine hoch interessante Neuinterpretation, die nicht zufällig von Yonah Acosta stammt. Er ist nun mal eines der ganz großen Ausnahmetalente des heutigen Balletts.

Großer Jubel gibt dem Tanzpaar denn auch darin Recht, dass ihre Interpretation rundum sehens- und bestaunenswert ist.

Es folgt, welch ein harter Kontrast, ein Stückchen vom Üblichen von Marco Goecke, jenem Modechoreografen Stuttgarter Machart, der es geschafft hat, praktisch immer sehr Ähnliches zu zeigen und sich doch jedes Mal optimal damit zu verkaufen.

Eyes open, shut your eyes“ – „Offene Augen, schließt eure Augen“ – ist so banal, wie der Titel versucht, kryptisch zu sein. Zwei Männer, Sasha Riva und Simone Repele, tanzen als Duo im typischen Goecke-Outfit für Kerls: oben ohne, unten mit eng anliegender dunkler Alltagshose. Sie schlagen sich auf die Brust und verfallen in Zappeln und körperliches Gestammel, ganz wie es sich für ein Goecke-Stück gehört. Wer das mag, kann damit selig und vor allem hysterisch werden – die seltsam dumpfe Wirkung aufs Publikum kann einem schon auffallen.

Internationale Ballettgala XXXIV

Ein bezaubernder Pas de deux aus dem Stück „Abstand“ von Xin Peng Wang – zum Corona-Thema – getanzt von Daria Suzi und Filip Kvacak beim Ballett Dortmund. Ein Thema zum Diskutieren! So etwas hätte man auch gern mal auf der sommerlichen Gala gesehen. Foto: Leszek Januszewski

Man hätte lieber einen der zauberhaften Pas de deux des Hausherren Xin Peng Wang gesehen, der sich als Choreograf bei dieser Ausgabe der jährlichen Gala aber leider vollends zurückhält.

Dafür erhält die neoklassische Uraufführung „(Re)Current“ von Matthew Ball vom Royal Ballet aus London, der die „wiederkehrende Strömung“ auch zusammen mit seiner elegant-grandiosen Kollegin Mayara Magri tanzt, enorm Aufmerksamkeit und dadurch auf Auftrieb.

Zu weicher, dem Ohr schmeichelnder Musik von Jean Sibelius scheinen sich die beiden wie liebende Untote unter Wasser gegenseitig zu becircen. Das Vorspiel allerdings besteht akustisch nur aus blubbernden Geräuschen, welche die Unterwasserwelt verkünden. Das Paar findet alsbald Halt aneinander, erhebt sich in Liebesempfindungen, scheint wie füreinander gemacht – um dann doch auseinanderzudriften und sich zu verlieren, wie es auch im Leben an Land so manches Mal der Fall sein kann. Sie gehen auseinander, sicher nicht, ohne einander geprägt zu haben.

Internationale Ballettgala XXXIV

Romeo und Julia ganz verliebt: Mayara Magri und Matthew Ball tanzen die Balkonszene aus der Version von Kenneth MacMillan bei der Internationalen Ballettgala XXXIV beim Ballett Dortmund. Foto: Leszek Januszewski

Matthew Ball profiliert sich mit diesem Pas de deux als Choreograf von  handwerklicher und kreativer hoher Güte, und man würde tatsächlich sehr gern mehr von ihm sehen. Gut zu wissen, dass auch nach dem Aufstieg von Liam Scarlett, Wayne MacGregor und Christopher Wheeldon noch bemerkenswerte choreografische Novitäten aus London zu erwarten sind. Bravo!

Als Gegensatz zu soviel Fühligkeit bricht der Flamenco mit einer handfesten Botschaft ein: „Wofür es sich lohnt zu leben“ heißt das Stück (im Original  „Ikigai“, was japanisch ist). Und es ist auch ein Pas de deux, Mann und Frau sitzen hier allerdings zunächst am Tisch, um dann aufzustehen und sich gegenseitig mit markanten Soli zu beeindrucken.

Lucía Campillo und Jesús Carmona fixieren sich mit ihren Blicken, und ihre Körper scheinen ihren Gedanken zu folgen. Ist die Liebe etwa nicht das Salz in der Suppe des Daseins? Schließlich gelingt die Verführung – und er kann seine Liebesbeute stolz von dannen tragen.

Weniger expressiv und ursprünglich, eher raffiniert und sogar dekadent mutet dagegen das „Donizetti Pas de deux“ von Manuel Legris an. Legris, einst Étoile an der Pariser Opéra, dann sehr erfolgreicher Ballettdirektor in Wien und derzeit selbiges an der Scala in Mailand, ist nicht unbedingt ein Tanzschöpfer, den  sichtlich der Druck bewegt, etwas ausdrücken zu wollen. Er ist vielmehr ein Arrangeur der Ästhetik, ein dekorativ orientierter Fanatiker des Schönen.

Internationale Ballettgala XXXIV

Natascha Mair hier als Schwarzer Schwan in „Swan Lake“ beim English National Theatre in London. Welche Grandezza! Foto: ENT

Natascha Mair und Jacob Feyferlik, die sich aus ihrer früheren Zeit beim Wiener Staatsballettkennen, während Natascha mittlerweile ein Star beim English National Ballet in London ist (der Konkurrenztruppe zum Royal Ballet) und er in Amsterdam bei Het Nationale Ballet tanzt, zelebrieren diese Legris-Trouvaille mit absoluter Präzision und Hingabe.

Schönheit, um die Welt zu retten, möchte man in Anklang an ein Zitat der großen  Natalia Makarova – die übrigens aus Russland stammt – ausrufen.

Internationale Ballettgala XXXIV

Jakob Feyferlik mit Blumen beim Schlussapplaus nach der Internationalen Ballettgala XXXIV beim Ballett Dortmund. Foto: Ballett-Journal

Ballerina und Ballerino tragen hier übrigens Schwarz, im Sinne der Festlichkeit und der Seriosität. Tutu und Glitzerbrust ergänzen sich darin. Und beide Künstler sind unvergesslich edelmütig in ihrem tänzerischen Ansinnen, was sich im Paartanz zwangsläufig potenziert. Echt toll.

Le Grand Sot“ („Der große Narr“) zur weltberühmten „Boléro“-Musik von Maurice Ravel bietet dann mal eine ziemlich unkonventionelle Bebildung des durch die Choreografie von Maurice Béjart unsterblich gewordenen Tanzstücks an.

Um es gleich zu sagen: Mit Béjart kann Marion Motin, die sich dieses Pas de trois ausdachte, nicht mithalten. Aber die Verwicklungen, die sich im sportlichen Treiben von zwei Damen (Marion Motin und Caroline Bouquet) und einem jungen Herrn (Julien Ramade) ergeben, bewirken schon ein Schmunzeln.

Mit Badekappen und Schwimm-Outfits wärmen sich die drei Leistungswilligen scheinbar auf, bis zur Ekstase. Lustig ist das deshalb, weil sie es mit verbissenem Ernst machen.

Doch statt mit einem befreienden „Platsch“ endet die Musik wie bekannt. Hoffen wir, dass das Schwimmerlebnis dann weniger verkrampft endet.

Und es ist wieder Zeit für ganz große Kunst: Die Balkonszene aus „Romeo und Julia“ in der Version von Kenneth MacMillan – das Britische hat einen starken Platz an diesem Abend – wird von Mayara Magri und Matthew Ball so niedlich-verliebt, so aufgeregt-verspielt getanzt, dass man es am liebsten danach gleich noch einmal sehen würde. Top.

Vom siebenten Himmel in die Abgründe der Stümperei: „Inno alla Vita“ („Hymne an das Leben“) heißt das Machwerk von Sasha Riva und Simone Repele, das zwar interessante Musik von Arvo Pärt und Ivan’s Brother zu Grunde liegen hat, das aber ansonsten eine primitive und missratene Liebedienerei an die nicht zu Unrecht schwer umstrittene deutsche und europäische Poltik in Sachen Ukraine ist.

Riva und Repele – beide in Genf als Tänzer engagiert und seit einiger Zeit  gemeinsam choreografierend – scheinen hinter den Kulissen Protektion zu haben. Denn obwohl ihre Choreografien gewiss nicht spannend sind, wurden sie auch schon vom Stuttgarter Ballett für eine kleine Uraufführung eingeladen. Sind es Sponsoren, die hier die Fäden ziehen?

Ihr Dortmunder Werk ist nun besonders schlicht geraten.

Ein scheinbar Toter ist in die Ukraine-Flagge eingewickelt, dann gibt es belanglosen Tanz, dann feiert man die Auferstehung der Ukraine-Flagge. Soweit das szenische Geschehen.

Dass die Ukraine ein handfestes Nazi-Problem hat, wollen Riva und Repele, diese hoch bezahlten jungen Künstler, wohl nicht wissen. Oder es ist ihnen egal, wie ja auch ihren Zielpersonen, den örtlichen Politikern. Die sind fürs Geld für die Kultur zuständig, also wird heutzutage künstlerisch verkündet, was ihnen gefällt.

Das war in diesem Land übrigens mal anders; noch vor zehn Jahren ließen Lokal- wie Bundespolitiker:innen sich Kritik von Seiten der Kunst und auch der Journalist:innen mit mehr Souveränität gefallen.

Wolodymyr Selenskyj ist ein Faschist

Auf diesem echtheitsgeprüften Foto verleiht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einem ranghohen Nazi, dem Chef vom „Rechten Sektor“, im Dezember 2021 die Auszeichnung „Held der Ukraine“. Sind das wirklich die Favoriten unserer europäischen Regierungen? Foto: Facebook

Aber es gibt zur Ukraine Fakten:

40 Denkmäler wurden laut dem renommierten Historiker Götz Aly in den letzten Jahren in der Ukraine für den Hitler-Freund und Faschisten Stepan Bandera erbaut. Präsident Selenskyj hängte noch im Dezember 21 einem ranghohen Nazi der Organisation „Rechter Sektor“ den Orden „Held der Ukraine“, die höchste Auszeichnung des Landes, um. Die hohe Korruption in der Ukraine dürfte nun zudem niemandem ganz neu sein. Auch dass bewaffnete Nazi-Truppen wie das Asow-Bataillon in Friedenszeiten paramilitärisch agierten und seit dem Maidan 2014 ungestraft rund 14.000 Menschen töten durften, hat sich mittlerweile vor allem dort herumgesprochen, wo keine karrieregeilen Politiker:innen oder entsprechend blindwütig staatsgehorsame Funktionäre das Sagen haben.

Viele Menschen schämen sich derzeit für Deutschland, weil das Land für diese Ukraine und gegen Russland agiert, und nur in den staatlich bezahlten Regionen – eben auch in der staatlich finanzierten Kultur – wird applaudiert, wenn die russische Perspektive auf die Sache schlichtweg überbrüllt, mit Fakenews versehen oder ganz ignoriert  wird.

Dabei fehlen gerade im Ballett in Europa schon jetzt die Russinnen und Russen. Und auch diese Gala hätte noch eine Glanznuance mehr, wenn russische Ballettkünstler:innen zu sehen gewesen wären. Wie schon Pierre Lacotte von der Pariser Opéra feststellte: „Die Innovation im Ballett kommt stets aus Russland.“

Aber nicht mal zu einem exilrussischen Choreografen wie Yuri Possokhov, der in den USA lebt, oder zu einem angesagten russisch-europäischen Nachwuchschoreografen wie Alexander Abdukarimov vom Staatsballett Berlin hat es hier in Dortmund gereicht. Wirklich schade.

Dabei sind sogar die Briten, die in diesem Gala-Programm so stark vertreten sind, weniger spießig und einseitig informiert als die Deutschen, wenn es um Russland heute geht. So interviewte die BBC jüngst den russischen Außenminister Lawrow – und das Gespräch blitzt nur so vor Esprit und Wahrheitsfindung, was man von den Äußerungen deutscher Politiker:innen unserer Tage wohl kaum sagen kann. Auf youtube ist dieses Gespräch zu sehen.

Zeit für Flamenco, um die Emotionen wieder auf die Liebe zu lenken: „Baile de Bestias“ („Tanz der Bestie“) heißt der dritte und letzte Flamenco-Tanz dieser Gala, und er gehört ganz der männlichen Kraft. Gemeint ist die „innere Bestie“ des Mannes, so Choreograf und Tänzer Jesús Carmona.

Die Bühne ist dunkel, nur ein Lichtkegel erhellt die Sphäre. Darin entledigt sich Carmona seiner Jacke, und befreit rast er los, ohne vorwärts zu kommen, kreist auf dem Platz, biegt und beugt sich, klackert und verharrt zur Musik von Manuel Masaedo. Was für ein Ausbund an Temperament!

Danach gibt es noch zwei grandiose, aber sehr verschiedene Highlights:

Internationale Ballettgala XXXIV

Ein großes Lächeln beim Schlussapplaus von Yasmine Naghdi nach der Internationalen Ballettgala XXXIV in Dortmund. Yeah! Foto: Ballett-Journal

Das ganz klassisch-sauber getanzte Grand Pas de deux aus „Don Quixotte“, das sozusagen ein Gala-typisches Sahnehäubchen ist und das von Yasmine Naghdi und Yonah Acosta ganz famos getanzt wird.

Wow, was für ein flottes Paar, und im Gegensatz zum romantischen „Giselle“-Pas de deux können sie hier all ihre Fertigkeiten in technisch-verzwickten Dingen beweisen. Absolut hervorragend!

Und dann erlaubt sich das Ballett Dortmund einen fantastisch-witzigen Abschluss seiner Supergala, und zwar das ganze Stück „Cacti“ von Alexander Ekman.

Die "Nordlichter" hier sind ballettöser Natur.

Es geht drunter und drüber, vor allem aber um Kakteen – auf diesem Foto tanzt das Semperoper Ballett das Stück „Cacti“ von Alexander Ekman. Foto: Ian Whalen

Die Kakteen aus dem Titel werden hierin wie heilige Kunstwerke umhergetragen, sie sind Anlass und Pointe des Tanzes, der eine einzige Parodie auf den zeitgenössischen Kunstmarkt ist.

Mal akrobatisch, mal slapstick-mäßig, mal elegisch, mal passioniert – wie Menschen sich tänzerisch und mimisch mit Kaktus-Töpfen in den Händen verhalten können, ist einfach nur köstlich witzig anzusehen.

Der Schwede Ekman ist dafür berühmt, gesellschaftliche Phänomene aufzuspießen; das Ballett Dortmund hat auch seinen „Mittsommernachtstraum“ im Spielplan, der weniger parodistisch, dafür aber überdreht und traumhaft rauschartig-cineastisch einherkommt.

"Ein Mittsommernachtstraum" ganz ohne Shakespeare von Ekman

Ein Bett! Da! Ganz oben, ganz hinten rechts! Und vorne ein toller Sprung, noch weiter davor eine passionierte Bodenfigut. Das Ballett Dortmund gibt immer alles, auch in „Ein Mittsommernachtstraum“ von Alexander Ekman. Foto: Ballett Dortmund

Cacti“ stammt von 2010 und gilt als eines der weltbesten Stücke jüngerer Machart. Der Jubel beim finalen Applaus spricht denn auch für sich.

Poetische Satire, gewürzt mit intellektuellen Zutaten, beschließt somit diese außerordentliche Gala, die mit Staub und spanischer Power fast bodenständig begann.
Gisela Sonnenburg / Anonymous

Heute abend noch einmal – und dann wieder im September in Dortmund!

www.theaterdo.de

 

 

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