Binder entbunden Adolphe Binder, Intendantin vom Tanztheater Wuppertal - Pina Bausch, räumt ihren Posten

Adolphe Binder muss gehen

Die Bausch-Nachfolgerin Adolphe Binder veröffentlichte ein langes Schreiben in der Wuppertaler Rundschau, um sich zu rechtfertigen. Faksimile: Gisela Sonnenburg

Sie geht nicht freiwillig. Und auch nicht einvernehmlich. Und schon gar nicht im Frieden. Vielmehr spuckt Adolphe Binder in einem langatmigen offenen Brief Gift und Galle, weil der Beirat vom Tanztheater Wuppertal Pina Bausch ihr Knall auf Fall die Kündigung aussprach. Da Binder – die keine künstlerische Kreativität, sondern Kultur-Management zum Beruf hat – von Beginn an auf ihrem Wuppertaler Posten umstritten war, wundert es nicht wirklich, dass sie diesen nun räumen muss. Im Mai 2017 trat sie dort an, um das Erbe der weltbekannten Tanztheater-Choreografin Bausch zu erhalten und fortführen zu lassen. Das zehnte Todesjahr Bauschs wird Binder nun nicht mehr vor Ort als Chefin erleben.

Ich will ja nicht sagen, ich würde immer alles besser wissen. Aber in diesem Fall darf das Ballett-Journal sich bestätigt fühlen: Schon 2016 hatten wir ernsthafte Zweifel an der Eignung von Adolphe Binder für die künstlerische Leitung und Intendanz in Wuppertal (siehe Beitrag: http://ballett-journal.de/diverse-compagnien-bausch-ausstellung/).

Zu stark hafteten noch die Probleme im Gedächtnis, mit denen sie als Codirektorin der Komischen Oper Berlin vor vielen Jahren, kurz nach der Millenniumswende, assoziiert war. Auch aus dem schwedischen Göteborg, wo sie bis zu ihrer Berufung nach Wuppertal ein Ensemble leitete, hörte man von kleinen Skandälchen, wie ungerechtfertigt hohen Honoraren für dokumentierende Videoarbeiten, die ihre Favoritin anfertigte. Vor allem aber ist sie menschlich – na, sagen wir mal: nicht ganz einfach.

Jetzt ist die Bombe geplatzt, auch anderen fiel auf, dass Binder ihren theatralischen Hang zu Methoden aus dem Bereich des Psychoterrors mit überdurchschnittlicher Inkompetenz verbindet. Am Freitag entschied sich der Beirat für ihre Kündigung. Denn:

Adolphe Binder muss gehen

Schon vor zwei Jahren prophezeite das Ballett-Journal, dass Adolphe Binder kaum für den Job in Wuppertal geeignet sei. Wer hatte da nun mal wieder Recht?! Eben. Also: Es ist Zeit für eine Spende ans Ballett-Journal, liebe Leserinnen und Leser! Denn hier werden Sie vom Wesentlichen unterrichtet! Aber  nur vom Rechthaben kann keine Journalistin leben. Geben Sie sich bitte einen Sommer-Ruck und beweisen Sie Herz! Faksimile: Gisela Sonnenburg

Ihre Pläne für die kommende Spielzeit überzeugten die Verantwortlichen nun so gar nicht, und das Konglomerat aus Verächtlichmachung und Bevorzugung von Untergebenen – wofür Binder in Künstlerkreisen schon seit langem bekannt war – erwies sich offenbar auch im Westen der Republik als äußerst destruktiv.

Aber auch der Geschäftsführer vom Tanztheater Wuppertal, Dirk Hesse, der als erbitterter Kontrahent von Binder gelten kann, wird jetzt seinen Job los, und zwar zum Jahresende.

Insofern entschied der Beirat salomonisch: beiden Streithähnen wurde die Tür gewiesen.

Wie es nun weitergehen wird und ob man den Mut zu einem neuen künstlerischen Profil der Truppe haben wird, ist derzeit noch unbekannt.

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Einstweilen wird der Automatismus, die bestehenden Verpflichtungen zu überfüllen, obsiegen – und möglicherweise erneuernde Innovationen unterdrücken. Das ist wohl unterschwellig die größte Gefahr, in der sich das renommierte Ensemble derzeit befindet.

Fakt ist: Pina Bausch ist so schnell nicht zu ersetzen. Und auch, wenn manche ihrer Werke bereits überholt und gar nicht mehr frisch und modern, sondern vielmehr altbacken und pseudoprovokativ wirken, so haben andere Stücke von ihr eine eherne Kraft, Protest und Utopie zu großer Unterhaltsamkeit zusammenzufügen.

Hier die Spreu vom Weizen zu trennen, wird eine der wichtigen Aufgaben der kommenden Leitung sein. Eine weitere wird es sein, Neuschöpfungen von höherer Qualität an Land zu ziehen, als es Binder gelingen konnte.

Heißblütig und leidenschaftlich: „Carmen la Cubana“ reißt mit, bietet Tanz und Gesang vom Feinsten – und zeigt die Geschichte von Liebe und Tod mal ganz anders als in der Oper gewohnt. Das kann nur Musical! Und hier geht es flink zu den Tickets… Viel Vergnügen! Faksimile: Anzeige

Vorschläge für neue Chefchoreografinnen in Wuppertal: Aszure Barton oder Aszure Barton oder Aszure Barton. Aber für einen so radikalen Stilwechsel – der bei genauerem Hinsehen so radikal gar nicht wäre – fühlt man sich an der Wupper vielleicht noch nicht reif.

Aber wie Bausch kommt Barton vom Ballett; wie Bausch hat sie früh einen eigenen, auch eigenwilligen, höchst modernen Stil mit einem guten Schuss Symbolismus gefunden; und wie bei Bausch wird in Vorstellungen mit Bartons Werken eine auffallend hohe Intensität in der Wahrnehmung im Publikum spürbar.

Adolphe Binder muss gehen

Alternativlos gut: Das Portrait-Buch der Künstlerin Pina Bausch von der Bausch-Expertin und -Freundin Anne Linsel. Faksimile: Gisela Sonnenburg

Also, Kinder des Ruhrpotts, reißt euch zusammen, lasst euch nicht gehen und wuppt die Sache, am besten mit der jungen Barton als künftiger Chefin – und schlimmer als bisher mit Binder kann es ja eigentlich nicht werden.
Gisela Sonnenburg

www.pina-bausch.de

Und nicht vergessen: Das beste Bausch-Portrait überhaupt findet sich im Buch von Anne Linsel über die Tanztheater-Queen: http://ballett-journal.de/ballerinenfuesse-und-zigeunermaedchen/

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