Endlich, endlich, endlich! Viele wollten sich dieses Vergnügen schon zu Weihnachten schenken lassen, konnten dann den Januar kaum noch aushalten und können nun – ab dem 7. Februar 20 – endlich auf Erlösung hoffen. Denn ab dann sind die DVD und die Blu Ray „Nurejew – The White Crow“ („Nurejew – Die weiße Krähe“) von Ralph Fiennes im Handel. Oleg Ivenko – der einst beim jetzt wieder bald anstehenden Tanzolymp Berlin gewann – spielt und tanzt die Titelrolle, den weltweit berühmten Tänzer und Choreograf Rudolf Nurejew – und er macht es auch vom Puschensofa aus gesehen grandios. Aber einen Wermutstropfen hat die Sache: Die deutsche Synchronisation ist fürchterlich. Die Stimmen der Schauspieler wirken unecht, sie sind zudem viel zu leise eingespielt und verblassen im Vergleich zu den viel zu laut reinknallenden Geräuschen, etwa dem eines fahrenden Zugs. Außerdem bezieht die in Deutschland untertitelt gelaufene Kinoversion einen Großteil ihres authentisch wirkenden Charmes dadurch, dass auf Russisch gesprochen wird. Das fehlt. Der Film wirkt nüchterner, weniger romantisch. Jetzt bildet die Akustik ein gemindertes Vergnügen – die Optik allerdings bezaubert und magnetisiert wie erwartet.
Im ständigen Wechsel aus Rückblenden und Zeitsprüngen ergibt sich ein Puzzle aus melancholischen Erinnerungen und einer spannungsgeladener Gegenwart in Paris im Jahr 1961.
Das Gastspiel des Kirow Balletts in der französischen Hauptstadt wird für Rudolf Nurejew zur entscheidenden Reise. Er befreundet sich mit Pierre Lacotte vom Ballett der Pariser Opéra, er gerät in Konflikte, flirtet mit dem schönen High-Society-Girl Clara und lässt sich schließlich von ihr helfen, um kurz vor seiner drohenden Auslieferung an den KGB in den Westen zu entkommen.
In einem Spielzeuggeschäft scheucht er die Verkäuferin diktatorisch herum, bis sie ihm die Transsib en miniature verkauft. So wird er später auch Kolleginnen behandeln.
Entspannte Gespräche auf dem Dach der Oper in vornehmen Pastellfarben wechseln mit den Szenen einer harten sowjetischen Kindheit in Schwarzweiß.
Die Tanzszenen sind poetisch, die zwischenmenschlichen Beziehungen leidenschaftlich dargestellt.
Sergej Polunin hat eine winzige Rolle ohne Text, was einen schmunzeln lässt – offenbar will man seine Fans bedienen, ohne künstlerisch Zugeständnisse zu machen.
Denn hier im Film geht es gerade nicht um kalte Brillanz oder vorgeführte Virtuosität. Es geht um das Herz des Balletts, um die Essenz der Liebe zum Tanz.
Nurejews brennendes Interesse an der Welt, vor allem an ihrer Schönheit und ihrer Kultur, seine durchaus masochistisch gefärbte Passion fürs Ballett, sein außergewöhnlicher, wirklich extravaganter Geschmack, aber auch sein maßloser Egoismus, sein Chauvinismus, sein Machismo zeichnen das Portrait eines Besessenen, der die Flammen der Liebe ebenso liebte wie die Tiefen seines Berufs.
Und doch blieb er immer die sprichwörtliche weiße Krähe aus dem Filmtitel, also eine wandelnde Ausnahmeerscheinung und darum immer auch ein Außenseiter.
Hier bleibt nichts an der Oberfläche; Regisseur und Darsteller Ralph Fiennes hat sich auf sein Thema eingelassen – und mit seinem Film ballettgemäß ein wunderschönes, uneinlösbares Versprechen gegeben.
Gisela Sonnenburg
https://www.nurejew-thewhitecrow.de/#/
https://babylonberlin.eu/film/4441-schicksalstanz-f-r-nurejew