Mäuse als Bajaderen „Scaramouches Kinder – Ein Ballett von der Pariser Oper“ auf arte

Scaramouches Kinder

„Scaramouches Kinder“ tanzen – ein köstlicher Tanzfilm für Kinder und Erwachsene, gerade recht zu den Festtagen. Foto: „Scaramouches Kinder“

Ein Junge latscht durch Paris, bekommt Tanzszenen von Eleven aus der Pariser Oper aufs smartphone gespült, er bleibt stehen, schaut sie fasziniert an – und es reißt ihn mit, er fängt an zu tanzen, yeah, und die ganze Welt scheint für diese eine Szene eine flippige, sorglose, energiegeladene Bühne.

Der frühere Star-Tänzer José Martinez hat diese Fantasie mit arte entwickelt, und dem Regisseur François Roussillon ist ein spritziger, lustiger und auch noch kulturhaltiger Ballettfilm gelungen. Er wurde erst dieses Jahr realisiert, obwohl das Kinderballett „Scaramouche“ von Martinez, das dem Streifen zugrunde liegt, bereits 2005 kreiert wurde.

Scaramouche, der den Titel gab („Scaramouches Kinder – Ein Ballett von der Pariser Oper“), ist übrigens eine Art Stammvater der französisch-komödiantischen Tradition. Die meist schwarz gekleidete Figur der Commedia dell’Arte, die natürlich auch im Film auftaucht, soll schon den „Sonnenkönig“ Ludwig XIV – der später auch als Tänzer auf der Bühne reüssierte – als Kleinkind amüsiert haben. Jetzt hat Scaramouche die Erwachsenen und Kinder in dem Film zu Bestleistungen inspiriert – man gibt sich hier Mühe, man kann was, und diese lustvolle Professionalität sprüht Funken aus dem Bildschirm!

Mal ganz ernsthaft: Der Vorzug des Films liegt darin, dass er die Kunst und das Leben von heute auf eine so spielerische wie mitreißende Weise verbindet. Hauptdarsteller ist ein Schüler der Ballettschule (niedlich gespielt von Christophe Duquenne, der auch wirklich ein Balletteleve ist): Er hat laut Drehbuch glücklicherweise ein stark ausgeprägtes Vorstellungsvermögen.

DIE HAUPTFIGUR HAT EINE STARKE FANTASIE

Später zoomt er sich nämlich einfach in die Pariser Oper hinein. Und wir dank der Kamera immer hinterher: Ins prächtige, goldprangende Foyer. In die dunklen, schnurgeraden Gänge. Und auf die Bühne, wo gerade eine Reihe Ballerinen in blauen romantischen Tutus an der Stange vornehme Port de bras übt. Ein Pianist sitzt an einem Flügel und intoniert für sie feine Klänge. Nebelschwaden wallen auf! Was für ein Traum…

Christophe schaut begeistert zu. Die Techniker von der Bühne zeigen ihm in ihren rotweißen Anzügen, wo sich die Scheinwerfer befinden. Die Tanzenden sind Elevinnen und Eleven der Ballettschule der Pariser Oper – und sie tanzen Ausschnitte aus klassischen Balletten. „Giselle“ ist dabei, und später geben als Mäuse (oder Ballettratten) verkleidete Tänzerinnen ihr Bestes, komischerweise zu den Klängen des Weißen Balletts aus der „Bayadère“. Ha! Der Umgang mit Tradition muss eben nicht immer bierernst sein. Die Werte des klassischen Balletts übermitteln sich auch so.

Plötzlich steht Christophe im Kostüm eines Romeos auf der Bühne und muss vor einer Jury – in der die Ballettschuldirektorin Elisabeth Platel mit strengem Gesicht sitzt und in Unterlagen wühlt – eine Prüfung absolvieren. Oje. Schnell träumt er sich da weg! Im Gang um die Ecke warten schon fröhliche Gefährtinnen und Gefährten, und die Kinder laufen durchs Haus. Im Treppenfoyer, das mehr als schlossähnlich ist, hüpfen und tollen sie zu mittelalterlichen Musikklängen herum – ein karnevalesker Aufzug. Schließlich kann der Junge doch auch toll tanzen, und das Parkett eines der Foyer-Räume in der Oper ist prima geeignet für Swing zu Musik von Darius Milhaud. Man legt eine heiße Sohle auf den Opernboden!

Auch große Sprünge sind hier erlaubt, da sind auch die kleinen Mäuse wieder da – lieb und keck zugleich, hüpfen sie einige Échapés. Stilbruch: für ein paar Sekunden erklingt was Romantisches. Dann wieder Milhauds fetzige Rhythmen. Manchmal zeigt der Bildschirm sogar vier Bilder gleichzeitig – und die Kinder rufen „Hey!“ Bis der Sicherheitsmann kommt. Aber da sind die schlauen Tanzkids schon hinter dem roten Vorhang verschwunden.

Weiter geht es im Ballettsaal beim täglichen Exercise. Die tanzenden Jungs in eleganten grauen Strumpfhosen und weißen Oberteilen sind schon fleißig beim Morgentraining. Und unser Christophe kommt als Nachzügler ganz verschlafen zu spät. Was hat er wohl geträumt?
Gisela Sonnenburg

23.12., arte, 18.10 Uhr (58 Min.) – danach auf arte+7

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