John Neumeier möchte… ... das Ballett-Journal anscheinend am liebsten bashen. Wieso eigentlich? Ein Blick hinter die Kulissen der Hamburgischen Staatsoper

John Neumeier hat immer Recht. Fast immer.

John Neumeier auf einer Premierenfeier, während einer Ansprache. Ein gutes Bild, oder? Aber man kann nicht immer dasselbe Foto publizieren… Foto: Gisela Sonnenburg

Der Chefchoreograf John Neumeier vom Hamburg Ballett kann sich hier eigentlich nicht beschweren. Das Ballett-Journal singt sein Loblied, unverdrossen, in vielen Dutzenden von Artikeln. Andere Journalisten befinden, Neumeier habe zuviel Macht und regiere so willkürlich wie ein Fürst – und seine Arbeiten seien längst nicht mehr so gut wie früher. Im Ballett-Journal aber ist John Neumeier fast sowas wie ein Säulenheiliger! Dennoch versucht seine Presseabteilung immer mal wieder, Pressekarten, Tänzer-Interviews und vor allem Pressefotos massiv zu verweigern – und die sonst allerorts üblichen Gelegenheiten, Ballett professionell zu fotografieren, wurden gleich komplett untersagt. Jetzt verlangt das Hamburg Ballett sogar, dass die Bebilderung der Beiträge im ballett-journal.de trotz all der Einschränkungen noch mehr zu reduzieren sei. Aber einen Ersatz für die plötzlich monierten Faksimiles stellt es nicht in Aussicht. Sollen also immer wieder dieselben dreieinhalb Fotos die Artikel zieren? Würde das dem Hamburg Ballett wirklich nützen? Außerdem will „der tanzende Stolz von der Alster“ aktuell mal wieder Pressekarten einbehalten – vermutlich, um einen möglichen Verriss von etwa minderwertigen Zweitbesetzungen des Erfolgsballetts „Liliom“ zu verhindern.

Denn Dario Franconi gilt nicht gerade als Senkrechtstarter beim Hamburg Ballett. Der Ehemann der Ersten Solistin Carolina Agüero – selbst nur einfacher Solist – tanzt zwar immer mal wieder auch etwas größere Rollen. Aber ein Superstar seiner Truppe ist er echt nicht. Im jazzigen Politballett „Liliom“ hat er nun einen richtig großen Brocken ergattert: Er ist die zweite Besetzung der Titelrolle, die vom im Gegensatz zu Dario durchaus superstarmäßigen Carsten Jung kreiert und geprägt wurde.

... das Ballett-Journal anscheinend am liebsten bashen. Wieso eigentlich? Ein Blick hinter die Kulissen der Hamburgischen Staatsoper

John Neumeier, etwas anders schattiert – oder ist die obige Version doch hübscher? Foto: Gisela Sonnenburg

„Liliom“ ist eine Mammutpartie. Aber nur wenige Ballettfans kennen Dario Franconi als hitzig-schönen Schwerenöter vom Jahrmarkt;, bisher tanzte er diese Rolle mit Lederjacke nämlich nur ganz selten. Darum sind viele Fans und Kenner – wie ich – besonders neugierig auf seine Darbietung, die für kommenden Dienstag geplant ist.

Welchen anderen Grund als den der Zensur hat da nun Neumeiers Presseabteilung, das Ticket und die Fotos für diejenige deutsche Journalistin, die sich am besten in Neumeiers Werk auskennt, zu verweigern?

Die Hamburger Salami-Taktik ist aber bereits altbekannt. Erst wird eine Anfrage verschleppt, und dann wird ein bisschen gelogen.

Angeblich geht es nämlich nur um die monierten Abbildungen. Solange die nicht aus dem Netz genommen seien, so das Hamburg Ballett, könne man nicht mehr kooperieren. Sorry, aber das ist eher Nötigung als eine korrekte Pressearbeit!

Zudem gibt es Gesetze, die auch dann, wenn man sich nicht in allem einig ist, eine journalistische Berichterstattung vorsehen. Sonst könnte ja jede böse Firma, die kritische Fragen zu fürchten hat, bestimmten Journalisten einfach nur eine Meckermail schicken – und sie dann mit dem Argument, man sei mit ihnen nicht zufrieden, aussperren.

... das Ballett-Journal anscheinend am liebsten bashen. Wieso eigentlich? Ein Blick hinter die Kulissen der Hamburgischen Staatsoper

John Neumeier, noch mal so wie beim zweiten Mal. Vielleicht wird es in der Wiederholung ja besser?  Foto: Gisela Sonnenburg

Nee, Herr Neumeier, so geht das nicht in einer Demokratie. Das sollten Sie und Ihre Angestellten auch eigentlich wissen. Aber Ihre zuständigen Damen wollen es selbst dann nicht glauben, wenn man es ihnen wieder und wieder freundlich, sachlich und schriftlich erklärt. Da fragt man sich dann schon: Was ist da nur los im Laden von Big John?

Besonders krude wirkt die damenhafte Meckerei per Mail an jener Stelle, wo behauptet wird, man habe tatsächlich – jetzt folgt ein großes Wort – „Persönlichkeitsrechtsverletzungen“ am Hamburg Ballett geortet.

Persönlichkeitsrechtsverletzungen? Wo? Im ballett-journal.de? Unmöglich.

Naja, so genau wollte sich die mailende Dame dann auch wieder nicht festlegen. Es geht wohl irgendwie darum, dass ihr oder Herrn Neumeier oder irgend jemandem sonst im Haus das eine oder andere Bild von Herrn Neumeier möglicherweise nicht gefällt.

Vielleicht hatte Ulrike Schmidt, die mir gegenüber stets äußerst missmutige Betriebsdirektorin, da was dran auszusetzen? Oder geht es doch eher um das Bild eines Tänzers? Oder war es das einer Tänzerin? Ach. Oder ging es doch eher ums so genannte „Urheberrecht“?

Tja. Man muss sich mit diesen rechtlichen Sachen schon etwas besser auskennen, wenn man was anmelden will.

Beim dritten Lesen der Mail wurde mir dann klar, dass die betreffende Dame nicht wirklich weiß, was nun eine Persönlichkeitsrechtsverletzung sein soll und was nicht. Sie möchte nur irgendwie auf den Putz hauen, grob gesagt – und mich offenbar möglichst lange hin- und fernhalten, am besten wohl, bis der „Liliom“ abgespielt ist.

Das beunruhigt mich. Hatten Dario Franconi und die weiteren Zweitbesetzungen in diesem goldenen Oktober nicht genügend Proben? Sind sie ausnahmsweise mal echt schlecht? Sind die Vorstellungen demnach gar geeignet, den guten Ruf des Hamburg Balletts zu ruinieren? Schreckliche Ahnungen quälen mich.

Nur in einer Hinsicht bin ich wirklich zufrieden: Immerhin scheint es sich jetzt nicht darum zu drehen, dass Herr Neumeier zuviel Lob nicht mehr verträgt. Das hätte man ja sonst im Kontext von „ballett-journal.de“ und „Persönlichkeitsrechtsverletzungen“ glatt vermuten können.

... das Ballett-Journal anscheinend am liebsten bashen. Wieso eigentlich? Ein Blick hinter die Kulissen der Hamburgischen Staatsoper

John Neumeier, zum Vierten – dieses Mal sehr ähnlich wie das erste Mal… Foto: Gisela Sonnenburg

In einer Hinsicht allerdings hat sich ein Eindruck bestätigt, den ich schon längere Zeit vom Hamburg Ballett habe: Manche eher durchschnittlich gepolten Leute dort scheinen zu glauben, einen mindestens ebenso großen Genius wie Neumeier selbst zu haben. Vielleicht kann der Chef da mal freundlich auf den Tisch hauen, nicht zu feste, aber schon mit ein bisschen Nachdruck…
Gisela Sonnenburg

Fast alles über „Liliom“: www.ballett-journal.de/hamburg-ballett-liliom-neumeier/

John Neumeier im Original immer hier:

 www.hamburgballett.de

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