Ballerinenfüße und Zigeunermädchen Nicht alle Journalisten sind doof. Anne Linsel und ihr Buch über Pina Bausch machen happy: „Pina Bausch – Bilder eines Lebens“

Linsels Bausch-Buch

Ein schön und intelligent gemachtes Buch: Anne Linsels biografische Arbeit „Pina Bausch – Bilder eines Lebens“. Faksimile: Gisela Sonnenburg

Tanztheater – dieses Wort wurde für sie und ihre Arbeit erfunden. Pina Bausch (1940 – 2009) steht bis heute als Solitär da; auf viele hat die Choreografin und Wuppertaler Ballettchefin direkt und indirekt Einfluss ausgeübt, aber die Mischung von Tanz und Theater als eigenständige künstlerische Disziplin ist nach wie vor stark mit ihrer Person verbunden.

Das Buch „Pina Bausch – Bilder eines Lebens“ von Anne Linsel stellt Bausch mit meisterlichen Worten, von denen einfach jedes einzelne stimmt, vor: als Mensch wie als künstlerische Persönlichkeit. Ergänzend zu dem Erzählfluss – der Kindheit, Jugend, Werdegang der Bausch empathisch beleuchtet – helfen rund 50 hochkarätige Fotografien, das Leben und Wirken der Bausch zu verstehen.

Linsels Buch

Auf dem Schreibtisch beim Ballett-Journal: Anne Linsels Buch „Pina Bausch – Bilder eines Lebens“, mit einem Werk von Helmut Newton auf dem Cover. Der Schutthaufen steht für das Chaos des Lebens, dem die Kunst Sinn und Form verleiht. Faksimile: Gisela Sonnenburg

Fotos und Kapiteltexte sind übrigens schön layoutet und auf ein angenehm festes Papier ohne Lösemittelgestank gedruckt. Sie machen dem titelstiftenden Verlagsprädikat vom Edel Verlag, in dem das Buch erschien, alle Ehre, wirken: edel. Und wer fortschrittlich gesonnen ist, kann sich den Band, allerdings erst nach dem Erwerb, auch als E-Book runterladen – der Code dazu wird mit der Printausgabe des Buches verkauft. Das ist für Leute, die den schönen, aber auch schweren Band unterwegs oder als Erholung während einer Arbeit am Schreibtisch lesen wollen, optimal.

Noch mehr Spaß macht die Lektüre allerdings beim intensiven Blättern, wobei  man sich Anmerkungen machen kann und Zettel dort einlegt, wo es einen besonders interessiert. Denn das Leben der Pina Bausch, die bürgerlich „Philippine“ hieß, ist hier im Hinblick auf ihre Befindlichkeit als Künstlerin geschildert. Diese Perspektive ist genau die richtige und macht das Buch so stringent und fesselnd – nicht umsonst erhielt Anne Linsel Nachrichten von begeisterten Leserinnen und Lesern, die ihr mitteilten, dass sie das Buch, einmal angefangen, nicht mehr aus der Hand legen konnten.

Linsel Bausch

Kindheit, Jugend, Werdegang einer großen Künstlerin: Linsels Buch über Pina Bausch widmet sich den wichtigen Stationen – und nicht den unwichtigen. Faksimile: Gisela Sonnenburg

Tatsächlich: Man entdeckt in diesem Band die Person Pina Bausch neu. Das fängt schon mit dem Vorwort an, es ist ein ursprünglich als rühriger Nachruf geschriebener Text des spanischen Kultregisseurs Pedro Almodóvar. Darin heißt es: „Die Beziehung zwischen den Körpern war für Pina essenziell. Eine Beziehung, mal spielerisch, sinnlich, sich spiegelnd, mal gebieterisch oder schmerzvoll. Ihre Stücke quollen über vor Körperlichkeit…“ Pedro und Pina kannten und verstanden sich, auch ihr Humor ergänzte sich.

Und Anne Linsel hat Hintergründiges parat, wie aus dem Nähkästchen der Bausch geplaudert. Zum Beispiel anlässlich der Inszenierung der Gluck-Oper „Orpheus und Eurydike“ in Wupptertal: Damals hatte sich der Chor „verweigert“, befolgte also die Anweisungen Bauschs bei den Proben nicht. Sie wollte, dass die Chormitglieder auf hohen Stühlen saßen. Das war den Sängern aber zu modern – und Bausch als Frau hatte sicher auch mit Diskriminierung zu kämpfen. Letztlich ließ sie den Chor aus dem Publikum heraus singen – etwas, das der Eitelkeit der Chorsänger genüge tat und trotzdem inszenatorischen Pep und die gewünschte Brisanz hatte.

edel und edel

Man schlägt es auf und mag es nicht mehr aus der Hand geben: Anne Linsels Werk über „Pina Bausch – Bilder eines Lebens“, erschienen bei Edel. Faksimile: Gisela Sonnenburg

Man muss sich mal vorstellen, was das damals für Zeiten waren, die 70er und 80er Jahre: Die 68er waren mit dem Weg durch die Instanzen beschäftigt, und Frauen hatten da vor allem die Rollen der dienenden Zuarbeiterinnen einerseits oder der protestierenden Außenseiterinnen andererseits inne. Dass eine junge Frau an der Spitze eines Balletts positioniert wurde, war eine Ausnahme – und wenn dann auch noch Avantgardekunst aufgefahren wurde, war die Empörung entsprechend groß.

Anne Linsel schildert diese Spannungen am Theater, und sie macht auch klar, dass Pina Bausch unbeirrbar dennoch ihren Weg ging. Das Verständnis der Autorin von der Tanzikone funktioniert von innen heraus: Von daher ist auch manches, das sonst skurril oder unverständlich erscheint, hier psychologisch gut erklärt.

Anne Linsel

Und so sieht sie aus, die Bausch-Spezialistin Anne Linsel: wie zu erwarten, hat sie einen scharfen Blick und eine gute Beobachtungsgabe. Foto: Karl-Heinz Krauskopf

Wie gut, dass Anne Linsel, wie sie mir im Gespräch verrät, mit den Vorarbeiten zu einem neuen Film über Pina Bausch beschäftigt ist. Man freut sich drauf! Denn es dürfte sonst niemanden geben, der sich so innig auf Bauschs Arbeit und Arbeiten eingelassen hat wie sie.

Wie diese Kooperation begann? Als Jungjournalistin in Wuppertal lernte Linsel Bausch, die 1973 dort als Ballettdirektorin antrat, kennen. Und war elektrisiert von ihr: „Ich stellte ziemlich schnell fest, dass mit ihrer Arbeit etwas Neues begann.“

Beiträge in Zeitungen, Fernsehsendern, beim Hörfunk folgten: Linsel wurde zur Bausch-Spezialistin, sie arbeitete wieder und wieder über die Tanzkoryphäe. Der Kontakt zwischen beiden Frauen vertiefte sich, eine reguläre Arbeitsbeziehung entstand. Manchmal verbrachte Linsel viele Wochen am Stück praktisch ständig mit Bausch und ihrer Arbeit. Schließlich beaufragte Pina Bausch die Journalistin auch manchmal damit, eine Rede für sie zu verfassen, etwa die als Kyoto-Rede legendär gewordene Dankesrede für einen Preis. Man verstand sich gut – und anerkannte sich gegenseitig.

Linsels Buch Layout

Und noch ein Blick ins Allerheiligste: Anne Linsels Buch über „Pina Bausch – Bilder eines Lebens“ bietet abwechslungsreich großformatige Fotos und gut lesbar gedruckte, feine Texte. Faksimile: Gisela Sonnenburg

Bei Anne Linsel, die stets freiberuflich tätig war, kam so mit den Jahren ein richtiges Archiv über Pina Bausch zusammen. Von handbeschriebenen Zettelchen bis zu fertigen Fernsehdokumentationen. Und bis nach Indien reiste sie mit Bausch und deren Künstlertruppe mit, und beim zweiten gemeinsamen Mal in Indien zeigte Linsel in Kalkutta ihren für arte entstandenen Film „Pina Bausch“. Das dürfte in dem überbevölkerten, von zuviel Armut und auch von zuviel Reichtum geplagten Land eine kleine Kulturrevolte gewesen sein – ein besonderes Erlebnis für die Fernsehjournalistin.

So nimmt man Linsels Surrogat aus Erinnerungen und Zitaten immer wieder gern zur Hand. Viele  originelle Zitate machen die Schreibe lebendig. So schrieb Bausch in ihrer Zeit als Studentin des Choreografen und Pädagogen Kurt Joos („Der grüne Tisch“) über die Einwärtsdrehung der Füße: „Mit dieser Fußstellung ist meistens ein gewisses Sichhängenlassen verbunden, was in allen Gliedern sichtbar wird. Diese Bodenschwere ist ein Zeichen von Trauer, des Leids und der Resignation.“ Und weiter: „Schauen wir uns mal das Kruzifix an. Alles hängt nach unten und ist völlig nach innen gerichtet: die Schulter, der Kopf, die Füße, sogar der Mundwinkel und die Augenbrauen.“

DER MESSIAS ALS STIFTER EINER TÄNZERISCHEN BEWEGUNG

Ausgerechnet der Messias wurde zum Erwecker ihrer einwärtsgerichteten Schritte? Nun, Pina Bausch hatte diese Passage in einem Studiumstext geschrieben. Jooss hatte veranlasst, dass die Tanzstudenten auch das Lehren praktisch üben. Und zwar, indem sie Laienkurse gaben. Bausch hatte sich für einen Kinderkurs gemeldet. Ihre schriftliche Einlassung dazu bewertete Jooss, die Bausch ohnehin sehr zugetan war, wie folgt: „Sehr gute, sehr persönlich erlebte Darstellung.“

Um ihr ein Stipendium des DAAD (Deutschen Akademischen Austausch-Dienstes) zu ermöglichen, empfahl Jooss seine Schülerin mit nahezu verliebten Worten: Sie sei „einer der lautersten und liebenswertesten Charaktere“, die ihm in all seinen Jahren als Lehrer je begegnet seien. Auch „innere Bescheidenheit“ und „bedenkenlose Opferbereitschaft“ attestierte er ihr, zusammen mit „einem zielbewusten Willen zu vollem Einsatz und höchster Leistung im Dienste der Kunst.“ Kein Wunder, dass Pina das beantrage Stipendium für die USA bekam.

Linsel grub – in den Archiven der Folkwang-Schule und der Juilliard School in New York – wahre Trouvaillen aus. So ist ihr Buch mit Zitaten gespickt, zumal auch etliche mit Bausch-Werken berühmt gewordene Zeitzeugen ­– wie die legendäre Bausch-Tänzerin und heutige Schauspielerin Mechthild Großmann („Und noch’n Zigarettchen!“) – zu Wort kommen. Der Esprit der Proben- und Aufführungsarbeit lässt sich erahnen. Mit „Frühlingsopfer“, für das Bauschs Lebensgefährte Rolf Borzik echte Erde als Tanzboden aussuchte, schaffte Bausch bereits 1975 den Sprung in die Liga der Unvergessenen.

Und immer wieder erwies sie sich als Avantgardistin, die mit Pionierarbeiten vorpreschte und anderen weit voraus war. Interaktive Stücke wie „Komm tanz mit mir“ und „Kontakthof“ nahmen die Alternativkultur vorweg. „Nelken“, „Walzer“, „Café Müller“ machten das Collage-Prinzip zu einer neuen Dramenform. Und schon in den 80ern entdeckte Pina Themen wie Südamerika für sich, so mit „Bandoneon“. Im Spätwerk ging es ihr dann oft um die skurrilen Seiten des Geschlechterkampfs, so im berauschenden „Vollmond“ von 2006.

Inwiefern all dies mit Pinas Kindheit zu tun hatte, lässt sich nach der Linsel-Lektüre immerhin auch mehr als nur erahnen. Pinas Eltern betrieben nämlich eine Gastwirtschaft, und vermutlich hat das Kind da bereits familiäre und soziale Szenen aus der Nähe beobachten gelernt und deuten gelernt.

Linsels Bausch in Bildern eines Lebens

Manchmal ist es sogar ein Bilderbuch: Anne Linsels Buch „Pina Bausch – Bilder eines Lebens“ enthält prägnante Texte, ist aber nicht textlastig. Faksimile: Gisela Sonnenburg

Die Fotos entstammen allerdings nicht Linsels Recherche, sondern wurden von der Agentur Mendlewitsch + Meiser in Düsseldorf gesammelt. Von der Agentur ging auch die Idee zum Buch aus – und man fragte die Bausch-Spezialistin Linsel, ob sie den Text dazu liefern wolle. Sie wollte! Zusätzlich gewann dann Anne Linsel noch Klaus Kieser, der heute Ballett-Dramaturg in Saarbrücken ist, als Lektor. Fehler wie den, dass der berühmte Choreograf und Ballettpädagoge Antony Tudor, der Pina Bausch in New York unterrichtete, mit H im Vornamen gedruckt wurde, entdeckt man nur in der ersten Auflage des Buches, sie wurden in der zweiten Auflage eleminiert. Ansonsten ist der Band ohnehin eine runde Sache. Und ganz ohne Sponsor, sagt der Verlag, kam er zustande. Für ein Buch im Tanzbereich sind das geradezu Luxusbedingungen. Zensur oder falsche Rücksichtnahme in den Köpfen der Macher war so auszuschließen.

Die Schriftsprache von Anne Linsel strotzt zudem nur so vor Genauigkiet einerseits, Verständlichkeit andererseits und feinem Sprachgefühl als tragendem Element. Das ist knackig und emotional, aber nie salbadernd oder langatmig. Wirklich, so macht das Buchlesen Spaß! Und soviele Details sind zu entdecken, die dann, wie ein Puzzle zusammengefügt, Eindrücke in Bauschs Leben in allen Phasen ergeben.

Da ist zum Beispiel diese Kleinigkeit: Mit neunzehn Jahren hatte Pina Bausch, die spätere Revoluzzerin, was Bühnenkunst angeht, richtige Ballerinenfüße. Dicke Verhornungen auf den Zehen, Druckstellen und abgescheuerte Stellen. Aber: Auch einen fein erarbeiteten hohen Spann boten ihre disziplinierten Gehwerkzeuge, die für eine Tänzerin, wie sie es war, vor allem den Bodenkontakt bedeuteten. In New York hatte Pina dann nach einem Jahr an der Juilliard School ihre ersten bezahlten Auftritte: im Ballettensemble der Metropolitan Opera.

Bausch-Linsel-Buch

Lesen – ein Vergnügen, wenn die Schriftsprache und das Papier stimmen. Wie in „Pina Bausch – Bilder eines Lebens“ von Anne Linsel. Faksimile: Gisela Sonnenburg

Jooss holte sie dann zurück nach Essen, wo sie eine neu eingerichtete Meisterklasse besuchen konnte. Aber geprägt hat sie neben der Schulung durch den Spitzenpädagogen Jooss auch der unkomplizierte interdisziplinäre Ansatz ihrer Ausbildung. So standen die Tanzstudenten den Kommilitonen der Bildenden Künste an der Folkwang-Schule Modell, und auf dem Lehrplan standen auch Fächer wie Komposition und Kunstgeschichte.

Dieses kulturbezogene Allerweltsverständnis wurde als wichtig für angehende Künstler erachtet, um keine Fachidioten zu produzieren – aber es lässt sich heute, bei den steigenden technischen Anforderungen an Tänzer, kaum noch realisieren. Das ist zweifelsohne ein großes Dilemma, dessen Resultat wir vor allem im Mangel an geeigneten jungen Choreografen sehen: Tanzschöpfer zu sein ist etwas anderes als nur seinen Körper gut zu kennen und zu beherrschen. Pina Bausch profitierte denn auch in New York von ihrer Essener „Allround-Ausbildung“.

Sie tanzte neben der Ausbildung an der Juilliard School bei Paul Sanasardo und Donya Feuer. Allerdings schlitterte sie in eine Magersucht hinein, die durch finanziellen Mangel noch geschürt wurde. Kurt Jooss päppelte sie später in Essen regelrecht wieder auf. Wie Pina Bausch dann künstlerisch auffiel, ihr choreografisches Talent entdeckte und entwickelte, wie sie zur Macherin von Deutschlands erstem groß angelegten Tanztheater wurde – all das lässt sich bei Linsel nachlesen. So ist es bemerkenswert, dass sie zunächst vor allem bei Gastspielen und Tourneen im Ausland bejubelt wurde, während das heimische Wuppertaler Spießbürgertum Bauschs Theater zunächst nicht verstand, sondern als Skandalon empfand.

Die Mischung aus Ballett und freiem Tanz, aus Performance und Schauspielkunst, die Bausch nach ihrer Ausbildung zur Tänzerin entwickelte, war neu: ungewohnt, schockierend, provozierend. Nun hatte das Ganze zwar Ästhetik und ist, verglichen etwa mit den heutigen Arbeiten von Alain Platel, beinahe brav zu nennen. Aber schreiende Damen im Abendkleid gab es damals nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Parkett. Der ausgeprägte Sinn fürs Absurde, bei Bauschs Dialogen und Tanzfiguren stiltypisch, stieß in Deutschland, zumal im Ruhrpott, zunächst auf Ablehnung.

Anne Linsels Buch

Da ist noch Platz für eigene Notizen: Großzügig gestaltet, erfreut das Buch „Pina Bausch – Bilder eines Lebens“ durch Leserfreundlichkeit. Faksimile: Gisela Sonnenburg

Doch seit Ende der 70er Jahre häuften sich die Ehrungen aus dem Ausland. Einladungen zu Gastspielen nach Asien, nach Südamerika, in die USA und innerhalb Europas machten klar: Die Körperstimmen der Bausch und ihrer Tänzer wurden international erhört. Und dann kam auch der inländische Erfolg. Pina wurde eine Marke. Deren Verkauf indes mitunter verlockend lukrativ ist und nicht immer nur zu erhellenden Folgen führt.

So stimmt laut Linsel nicht, was Wim Wenders in seinem gefeierten Film „Pina“ (2011) suggeriert: Der poetische Slogan „Tanzt, tanzt – sonst sind wir verloren!“ sei nicht von Pina Bausch gedichtet, sondern diese zitierte damit oft und gern ein Zigeunermädchen, das ihr auf einer ihrer Berufsreisen begegnet war. Bausch selbst wies, wenn sie dieses Zitat kundtat, laut Linsel auch meist auf dessen Herkunft hin. Anne Linsel zitiert den Ausruf zudem in anderer Form als Wenders, nämlich: „Tanzt, tanzt, sonst seid ihr verloren.“ In das allerdings auch rational geprägte Konzept von Kunst der Bausch passt sich die pure Poesie dieser Tanz-Parole sowieso nicht reibungslos ein. Typischer für die Bausch sind vielmehr andere Anekdoten.

DER INDISCHE SCHOCK

So waren einige ihrer Tänzer völlig schockiert, als sie zum ersten Mal – 1994 – nach Indien, für Gastauftritte, reisten. Ob man in dieser Armut überhaupt so eine Kunst zeigen solle, wie sie sie machten, fragen einige. Anne Linsel erinnert sich noch gut an Pinas Antwort: Es sei wichtig, gerade in solchen Situationen zu fragen, ob man das, was man macht, wenigstens gut genug macht.

Von Bauschs Privatleben, so es denn überhaupt existierte, berichtet das Buch unaufdringlich und unaufgeregt. Der wichtigste Lebenspartner der Bausch, der Bühnenbildner Rolf Borzik, verstarb nach nur sechs Jahren der Zusammenarbeit an Krebs. 1981 gebar Pina Bausch ihren Sohn Rolf Salomon, dessen Vater damals als Literaturprofessor tätig war. Fast jährlich entstanden bedeutende Stücke, die in einem Verzeichnis am Ende des Bandes kurz beschrieben und wissenschaftlich gelistet sind.

Und auch die Beziehungen Bauschs zu einzelnen Künstlern – zu ihren Tänzern wie zu ihren Bühnenbildnern – sowie die Enwicklungen einzelner Produktionen sind gut nachvollziehbar skizziert. Dominique Mercy, Bauschs Tänzer und einer ihrer Nachfolger in der Leitung des Wuppertaler Tanztheaters, benennt es so: „Das war eine Liebesbeziehung. Mit allem, was dazugehört. Mit Momenten von Freude, mit Momenten von Verzweiflung, von Glück und Enttäuschung.“

Innenklappe

Innen lockt ein flammroter Einband: Anne Linsel lauschte Pina Bausch – mit Erfolg. Faksimile des Buches: Gisela Sonnenburg

Pina Bausch selbst wird zum Thema Beziehungen zu ihren Künstlern auch zitiert: „Das sind ja alles Perlen“, und: „Ich kann nur froh und glücklich sein, dass diese Persönlichkeiten mit mir so einen großen Teil ihres Lebens verbringen.“ Eine vorbildliche Respektierung ihrer Mitarbeiter!
Gisela Sonnenburg

Anne Linsel: „Pina Bausch – Bilder eines Lebens“, Edel:Books, Hamburg, 2013, 181 S., ca. 50 Abb., mit Code zum Laden als E-Book, 29,95 Euro (ISBN 978-3-8419-0182-8)

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