Spannung und Sozialkritik Ralf Dörnen, Chefchoreograf vom bemerkenswerten BallettVorpommern, bringt frei nach Friedrich Dürrenmatt sein Ballettdrama „Der Besuch“ zur Uraufführung

"Der Besuch" von Ralf Dörnen toppt Dürrenmatt

Eine schöne Frau kommt zu ihrer Rache, spät, aber konsequent… Szenenfoto mit Bárbara Flora und Stefano Fossat in „Der Besuch“ von Ralf Dörnen beim BallettVorpommern: Vincent Leifer

Es ist ungewöhnlich, dass sich ein Choreograf so stetig wie erfolgreich an Stoffe heranwagt, die auf Ballettbühnen eher selten sind. Ralf Dörnen – ein genialer Künstler – lässt sich nicht davon abhalten, mit seiner bemerkenswerten Truppe, dem BallettVorpommern, Tanzabende zu schmieden, die nicht nur begeistern, sondern auch den kulturellen Horizont maßgeblich erweitern. Sein aktuelles Projekt: Das Stück „Der Besuch“ nach dem Theaterstück „Der Besuch der alten Dame“ des Schweizer Dramatikers Friedrich Dürrenmatt. Mit Musiken von Karl Amadeus Hartmann und Johann Sebastian Bach wird das bemerkenswerte Balletttheater am 2. Februar 2019 in Stralsund uraufgeführt werden. Unser Tipp: Nix wie hin! Und vorab gibt es vom Meisterchoreograf Dörnen im Folgenden kluge Antworten auf knifflige Fragen zu lesen.

Ballett-Journal: Der Besuch der alten Dame“ ist laut dem Autor, dem Dramatiker Friedrich Dürrenmatt, eine „tragische Komödie“. Ist gerade die Vermengung von traurigen und absurd-witzigen Elementen darin so sehr geeignet für ein Ballett?

"Der Besuch" von Ralf Dörnen toppt Dürrenmatt

Ralf Dörnen, der geniale Chefchoreograf vom BallettVorpommern, bei einer Theaterprobe: gut gelaunt, aber auch sehr zielgenau. Foto: Gisela Sonnenburg

Ralf Dörnen: Grundsätzlich glaube ich, dass sich jedes Genre im Theater für Tanz eignet, ob Komödie, Drama oder Tragödie; die Vermengung kann von großem Interesse sein.  Als ich „Sunset Boulevard“ nach dem Film von Billy Wilder gemacht habe, nannte ich es eine „Melodramödie“; da treffen wirklich die verschiedensten emotionalen Situationen aufeinander, die Figur der Norma Desmond ist gleichzeitig tragisch und in ihrer Über-Exaltiertheit komisch. Den Dürrenmatt‘schen „Besuch“ sehe ich eher als eine Parabel oder ein Gleichnis. Auch das sehr klare Bühnenbild und die Kostüme von Klaus Hellenstein unterstützen das plakative Konzept dieses Balletts.

Ballett-Journal: Claire, die Hauptperson, ist eine andere „Giselle„: Sie wurde in ihrer Jugend verführt und sitzen gelassen, außerdem noch – anders als „Giselle“ – übel verleumdet. Bis zum Schluss erweist sich die Menschheit in diesem Drama unter dem Druck des Geldes als käuflich und nachgerade grotesk charakterlos. Handelt es sich streng genommen um ein sozialkritisches Ballett?

Ralf Dörnen: Die „Giselle“ ist mir da, ehrlich gesagt, überhaupt nicht in den Sinn gekommen, aber ja, vielleicht gibt es Parallelen. Die Frage nach dem grotesk-charakterlosen der Gesellschaft hat dagegen eine große Rolle gespielt bei meiner Kreation. Menschen haben zu Geld eine sehr diffizile Beziehung: Es verführt, es korrumpiert, es lässt einen auf der anderen Seite ruhig schlafen (wenn es nicht ZUviel ist …). Vielleicht ist Geld die zwiespältigste Erfindung der Menschheit, da man sich darauf geeinigt hat, einem Stück Papier (oder einer Münze) einen bestimmten Wert beizumessen, den es per se so eigentlich nicht hat. Das schmälert den Wert von anderen Dingen.

Wenn man sich bewusst macht, dass ein narzisstischer infantiler Businessman und Milliardär letztlich nur auf Grund seines Geldes Präsident der USA geworden ist und die Geschicke der Welt auf eine Art und Weise (mit)bestimmt, die bis dato niemand auch nur annähernd für möglich gehalten hätte, ist das eigentlich Realsatire und zum Lachen, wenn es nicht gleichzeitig gefährlich und unberechenbar wäre. Ist das nicht die reale tragische Komödie?

Und, da ich denke, dass jede Form des Theaters nicht irgendwelche Theorien oder politisch-soziale Ideologien thematisiert, sondern deren Auswirkungen auf die Menschen, ist Theater wohl immer irgendwie sozialkritisch oder politisch.

"Der Besuch" von Ralf Dörnen toppt Dürrenmatt

Turbulent und spannend: Das Ballettdrama „Der Besuch“ von Ralf Dörnen nach dem Theaterstück „Der Besuch der alten Dame“ von Dürrenmatt beim BallettVorpommern. Für Kenner und Neulinge im Ballett eine hoch interessante Option! Foto: Vincent Leifer

Ballett-Journal: Dafür gibt es im „Besuch“ keine Rachegeister wie die Wilis in „Giselle“, sondern Claire kommt trotz unehelichem Kind über den Umweg des Bordells zu einem reichen Ehemann und kehrt als verwitwete Superreiche in ihr verarmtes Heimatdorf zurück. Sie fordert den Kopf ihres ehemaligen Geliebten gegen eine großzügige Spende an das Dorf. Sind solche Rachefantasien heute noch aktuell?

Ralf Dörnen: Ich glaube, Rachefantasien zu haben, ist eine durch und durch menschlich nachvollziehbare Eigenschaft. Nur können wir vor dem Vollzug der Rache hoffentlich durch unsere Bildung und Erziehung unser Gehirn einschalten; wir haben ja als einziges Lebewesen den freien Willen, um nachzudenken und dann entscheiden zu können, wie wir auf bestimmte Provokationen und Situationen reagieren. Denn viele Untersuchungen, gerade in den USA, haben gezeigt, dass im Endeffekt die „Genugtuung“ nach Vollstreckung der Todesstrafe auch nicht glücklich macht, sondern viel eher das Verzeihen. Aber das ist der schwierigere Weg, mit Dingen umzugehen. In meinem Ballett fragt man sich am Ende hoffentlich auch, ob jetzt wirklich irgendjemand glücklicher ist als am Anfang.

"Der Besuch" von Ralf Dörnen toppt Dürrenmatt

Noch ein Szenenfoto aus „Der Besuch“ von Ralf Dörnen mit dem BallettVorpommern: nahe der Ostsee tobt das Ballettleben ohne konventionelle Zwänge. Foto: Vincent Leifer

Ballett-Journal: Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee, nun gerade dieses Stück von Dürrenmatt als Ballettabend zu inszenieren? Und was unterscheidet Ihre Arbeit im Kern vom Sprechtheaterstück?

 Ralf Dörnen: Das Stück von Dürrenmatt eignet sich dadurch so sehr als Ballett, weil es diese Direktheit hat, die klaren Situationen und Charaktere; trotzdem bleibt ein großer Raum, diese Figuren sozusagen zwischen den Zeilen, in den Subtexten, zu charakterisieren. Die Vorgeschichte muss natürlich in dem Fall als Rückblende gezeigt werden; in diesem Fall inszeniert Claire sozusagen eine Theatervorstellung für die Bewohner von Güllen, um ihnen die Wahrheit über den eigenen Werdegang zu enthüllen.

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Ballett-Journal:Welche Rolle spielen die Musik, die Kostüme, das Bühnenbild? Inwiefern entsprechen diese Ihrer Inspiration?

 Ralf Dörnen: Ich arbeite seit vielen Jahren mit Klaus Hellenstein zusammen; er ist genau wie ich daran interessiert, neue Stoffe für das Theater zu bearbeiten, nicht die x-te Version von „Romeo und Julia“ oder vom „Dornröschen“. Nachdem wir zusammen den Abend über Frida Kahlo gemacht hatten, wusste ich, dass wir noch viele Stoffe bzw. Themen zusammen gestalten können, weil da eine bestimmte Denkweise übereinstimmt. Er ist wie ich immer auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten und neuen Ästhetiken. Wir passen da sehr gut zusammen.

Die Musik ist für mich natürlich extrem wichtig. Ich lasse mir da immer sehr viel Zeit, bis ich das Richtige gefunden habe. Für „Anna Karenina“ hat die Suche zwei Jahre gedauert, bis ich auf Mieczysław Weinberg gestoßen bin. Jetzt, für den „Besuch“, habe ich mich für Karl Amadeus Hartmann entschieden. Seine Musik hat eine Trockenheit, Sprödigkeit und Härte, eine fast romantische Dissonanz, ist aber trotzdem zutiefst emotional und so voller Energie. Das passt einfach.

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Ballett-Journal: Das Ende ist fast gruselig und soll die Zuschauer moralisch schockieren. Dürrenmatt hat indes bekannt, er sei sich „nicht sicher“, ob er selbst anders handeln würde als die Personen in dem Stück.

 Ralf Dörnen: Wer kann wirklich von sich behaupten, er sei hundertprozentig sicher, dass er anders handeln würde? Wir sind immer sehr schnell mit Verurteilungen von anderen Menschen, ohne in deren Haut zu stecken. Gleichzeitig sind wir so verführbar mit all der Werbung für so viele Dinge, die man haben kann und für Geld kaufen kann, aber nicht wirklich braucht. Man sagt, jeder hat seinen Preis; als ich den Kulturpreis des Landes erhielt und auf einmal 10 000 Euro Preisgeld auf meinem Konto waren, war ich sehr erschrocken über mich selbst, welche Gefühle das in mir geweckt hat. Da war auf einmal der Wunsch nach mehr, die Gier, noch mehr Nullen hinter der Eins zu sehen. Das war schon ein bisschen schockierend.

Es gibt ein wunderbar klares und einfaches Statement des Dalai Lama, das ich hier anführen möchte: „Menschen wurden erschaffen, um geliebt zu werden. Dinge wurden erschaffen, um benutzt zu werden. Der Grund, warum sich die Welt im Chaos befindet, ist, dass Dinge geliebt und Menschen benutzt werden.“ „Dinge“ könnte man auch einfach mit „Geld“ ersetzen.

"Der Besuch" von Ralf Dörnen toppt Dürrenmatt

Erinnerungen an die Jugend stimmen romantisch, täuschen aber nicht über die Härte der Wahrheit hinweg. So zu sehen in „Der Besuch“ von Ralf Dörnen beim BallettVorpommern. Foto: Vincent Leifer

Ballett-Journal: Vielen Dank für diese tiefen Einblicke!
Interview: Gisela Sonnenburg

 Uraufführung: am 2. Februar 2019 in Stralsund. Und hier geht es zum BallettVorpommern!

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