Fortsetzung einer Komödie Offenbar verlassen Johannes Öhman und Sasha Waltz nun schon zum Spielzeitende das Staatsballett Berlin, ihre Pläne für die kommende Saison sollen aber gelten

Waltz und Öhman und ihr neues Programm

Sie gehen schon im Sommer 2020: Sasha Waltz und Johannes Öhman, hier auf ihrer Pressekonferenz im Foyer de la Danse in der Deutschen Oper Berlin am 14.03.2019. Dieses Jahr hat die Presse keine Möglichkeit, sich zu versammeln, um Fragen an die beiden zu stellen. Foto: Gisela Sonnenburg

Ist es nun ein Fehlerteufelchen gewesen, das sich ins jüngste Pressepaper vom Staatsballett Berlin einschlich? Nein! Es ist  tatsächlich so, dass die aktuellen Berliner Ballettintendanten Johannes Öhman und Sasha Waltz schon zum 31. Juli 2020 ihre Arbeit niederlegen. Bisher galt der 31. Dezember als Stichdatum. Nun fragt man sich, ob die beiden dann überhaupt noch den kommende Spielzeitplan für die Saison 20/21 verantworten. Das tun sie jedoch, und die beste Nachricht – neben der Premiere von „Dornröschen“ in der Inszenierung von Marcia Haydée – ist die Aussicht auf eine weitere  Stuttgarter Choreografie: „Onegin“ von John Cranko wird ins Repertoire nach Berlin zurückkehren.

Außerdem wird es einen Abend mit je einer Arbeit von David Dawson und Wayne McGregor geben sowie eine weitere Premiere mit einem Stück von Mats Ek.

Es bleiben im Repertoire: „Der Nussknacker“, „Schwanensee“ und „SYM-PHONIE 2020“ (das erst im April 2020 uraufgeführt wird) sowie „Ekman / Eyal“ und „SUNNY“.

Außerdem wird am 4. September 2020 ein Werk des Videokünstlers Alan Lucien Sonderzeichen yen premieren. Das Sonderzeichen, das zum Künstlernamen gehört, ähnelt dem Zeichen für „Durchschnitt“. Dem ist vermutlich zuzustimmen. Der junge Mann hat aber gute Kontakte in die Welt der Reichen und Schönen – und ist derzeit artist in residence beim Norwegischen Nationalballett in Oslo.

Von Dawson und McGregor kommt übrigens nichts Neues, sondern die „Four Seasons“ von Dawson gab es auch schon beim Semperoper Ballett in Dresden zu sehen, und McGregors „Chroma“ ist längst weltberühmt.

Welches seiner Stücke Mats Ek an Berlin verkaufen wird, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

Spitzenklasse: Berlins Starballerino Dinu Tamazlacaru kehrt mit Liudmila Konovalova aus Wien in „Schwanensee“ von Patrice Bart beim Staatsballett Berlin auf die Bühne zurück

Die leidenden Schwäne sind verzaubert – und begleiten das Staatsballett Berlin auch nach der Sommerpause.  Schlussapplaus-Foto: Gisela Sonnenburg

Bemerkenswert ist: Der Spielzeitbeginn ist außerordentlich früh, nämlich am 29. August 2020, mit „Schwanensee“ von Patrice Bart.

Vorab ist zum Auftakt das Gastspiel einer Busenfreundin der langjährigen stellvertretenden Berliner Ballettchefin Christiane Theobald („Frau Doktor“) in Berlin zu sehen: Bettina Wagner-Bergelt rollt mit „ihrem“ Tanztheater Wuppertal Pina Bausch an.

Kleine Anmerkung: Wagner-Bergelt war für die nur von Nichtkennern bejubelte, faktisch blutleere und tödlich gestelzt einherkommende Bausch-Einstudierung beim Bayerischen Staatsballett in München verantwortlich. Ich bin damals, von Langeweile gequält, noch vor Ende aus der Vorstellung gegangen. Und das mache ich wirklich nur in absoluten künstlerischen Notfällen.

Als Krönung der Spielzeit darf sich die absolut nervtötende Theatergruppe Rimini Protokoll am Staatsballett in Berlin versuchen. Seit den 90er Jahren ist diese Truppe ein stets Ärgernis im Land und hat dank obskurerweise starker staatlicher Förderung viel dazu beigetragen, das Niveau des Sprechtheaters hierzulande maßgeblich zu drücken. Ob das auch im Ballett gelingen wird? Es sollen schon Wetten dazu laufen.

Noch Fragen? Ich auch! Aber leider fand die obligatorische Jahrespressekonferenz vom SBB ja einfach mal eben nicht statt. Bei so mageren Ergebnissen drückt man sich offenbar gern vor kritischen Fragen, zumal ja auch bislang niemand weiß, wie hoch die Abfindung für Sasha Waltz sein wird. Wie die Dinge liegen, hat sie ja vermutlich Anspruch darauf.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), der 2016 das liebliche scheidende Intendanzduo der überraschten Öffentlichkeit vorstellte – oder sagen wir: aufdrückte – verspürt derzeit offenbar noch keine Lust, seine nächsten, ganz sicher wieder überwältigenden ballettösen Pläne einer Intendanzbesetzung zu verkünden.

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Wird es Sharon Eyal sein? Oder Crystal Pite? Hat Ohad Naharin jemand anderen empfohlen? Oder gibt es ein Millionärssöhnchen aus der Clique unserer halblinken Regierenden, das dringend einen Job sucht?

Falls nicht: Prof. Gregor Seyffert, Sohn des allmächtigen Professors Dietmar Seyffert von der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin, sucht ja vielleicht auch noch eine berufliche Erfüllung. Er war mal ein furioser, prominenter Tänzer, kommt also von daher in Frage. Obwohl oder weil er soeben eher würdelos die Staatliche Ballettschule Berlin für seine Freistellung verlassen musste.

Michael Müller weiß bestimmt schon, wer ab August / September 2020 das Staatsballett Berlin führen wird.

Und da er – ironisch gesagt – beim letzten Mal einen so sehr guten Griff bei der Auswahl der Ballettchefs bewies, könnte er den Posten künftig doch glatt noch selbst mit erledigen. Das wäre doch wirklich mal was Neues, das auch die Menschen im Ausland interessieren könnte.

Europa- und Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) wird zwar allerhand Mühe haben, diese Entscheidung zu vertreten. Aber er ist solchen Kummer schon gewöhnt – die letzten Jahre haben ihn abgehärtet, ist anzunehmen .

Sasha Waltz sucht derweil vielleicht auch noch eine neue Aufgabe. Sie hat noch keinen Professorentitel! Den könnte sie als h. c. mit einem Leitungsposten bei der zurzeit irgendwie herrenlosen Staatlichen Ballettschule Berlin (Achtung, Satire!) einkassieren.

Und wer ebenfalls einen guten privaten Kontakt in den Berliner Senat hat, lässt sich doch bitte rasch mit einer schönen  lukrativen Stelle im Bereich Tanz versorgen. Was, Sie haben davon keine Ahnung? Na, prima! Sie sind schon engagiert!
Gisela Sonnenburg

www.staatsballett-berlin.de

 

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