Zwei Mal das helle Glück Die Ballerinen Ivy Amista und Katherina Markowskaja tanzen beim Bayerischen Staatsballett oft dieselben Rollen – und sind doch ganz unterschiedlich

Zwei Ballerinen, ein Temperament.

Erotisch, stolz, souverän: Ivy Amista in Aktion: in „Choreartium“ von Leonide Massine, beim Bayerischen Staatsballett in München. Foto: Day Kol

Wenn Balletttänzerinnen das pure Glück verkörpern, wenn sie das Licht und die Wärme auf die Bühne bringen, wenn sie sozusagen von innen her leuchten und darum wie nebenbei wahre Sonnenschein-Allegorien darstellen, dann treten in München beim Bayerischen Staatsballett oftmals Ivy Amista oder Katherina Markowskaja auf. Die beiden Ballerinen haben ein ähnliches Rollenprofil, nämlich das der hellen, fröhlichen Tänzerin, sie sind aber dennoch ganz individuelle Künstlerinnen.

Der Arbeitsalltag ist allerdings von blümeranten Formulierungen und Flausen jedweder Art relativ weit entfernt. „Ich gehe jetzt in den Aufzug, darum ist vielleicht die Verbindung gleich weg“, sagt Ivy Amista in freundlich bestimmtem Ton in ihr Handy, als sie auf dem Weg zur Probe ist. Wie viele Ballettkünstler ist sie ein ausgesprochenes Multitasking-Talent; wahrscheinlich könnte sie auch noch während der Probe Interviews geben, Schuhe online bestellen, einen Termin ausmachen oder verschieben oder sich Gedanken über den ersten freien Abend seit langem machen. Vorerst aber sind die freien Abende – die Ivy am liebsten mit ihrem Ehemann, einem Lehrer für Ballett, verbringt – noch nicht in greifbarer Nähe. Während der jährlichen FestWoche des Staatsballetts haben die Ballerinen in München nämlich sozusagen alle Beine voll zu tun – und das lieben sie sogar.

Zwei Ballerinen, ein Temperament.

Ivy Amista im Portrait: Sie hat ein hübsches Gesicht, mit dem gewissen Etwas darin – und dem Wissen um das, was sie will. Foto: Sascha Kletzsch

Ivy Amista zum Beispiel kam nur für ihren Beruf nach Deutschland, und dabei half ihr ihre Zielstrebigkeit. Sie kommt aus Brasilien und erhielt dort auch als Kind und Jugendliche Ballettunterricht. Aber sie wusste, dass es als Profitänzerin schwer ist im Land der Samba, in dem es nur wenige große Ballettcompagnien gibt – talentierte Balletttänzerinnen und -tänzer gehören darum seit vielen Jahren zur am meisten begehrten brasilianischen „Exportware“.

Ivy gewann bei einem Wettbewerb ein Stipendium für die Heinz-Bosl-Stiftung in München, zwecks Besuch der Ballett-Akademie zur Vollendung ihrer Ausbildung. Sie erinnert sich: „Ich wollte unbedingt nach Deutschland, weil es hier in Europa, verglichen mit Südamerika, gute Arbeitsmöglichkeiten für das Balletttanzen gibt.“ Am Anfang habe es zwar schon heftige Momente der Einsamkeit gegeben. Aber: „Ich wusste, was ich will, und das mir geholfen.“

EIN PREIS ALS ÜBERRASCHUNG

Nach Abschluss ihrer Ausbildung wurde sie denn auch 2001/2002 vom Bayerischen Staatsballett engagiert. Nach vier Jahren erhielt sie den Bayerischen Kunstförderpreis – „eine Überraschung!“, erinnert Ivy sich. Anlass war ihre ergreifende Interpretation der „Bayadère“ in der Inszenierung von Patrice Bart.

Die dramatisch-tragisch liebende Tempeltänzerin, die aus heutiger Sicht wie eine Vorläuferin des Bollywood-Booms anmutet, ist aber nur eine von vielen bedeutenden Rollen, denen die muskulös-sinnliche Ivy mit ihren extrem auswärts trainierten, wohl geformten Beinen und ihrer führungssicheren Armarbeit lebendige Schönheit verleiht.

In Ivan Liškas „Le Corsaire“, der ab kommendem September wieder auf dem Spielplan steht, hat sie gleich zwei expressive Partien im Repertoire; die Titelrolle „Paquita“ tanzte sie auszugsweise in der Version von Konstanze Vernon und jetzt als ganzes Stück in der brandneu historisch rekonstruierten Fassung von Alexei Ratmansky und Doug Fullington.

Zwei Ballerinen, ein Temperament.

Ivy Amista und Norbert Graf als sinnlich-groteske Lustfantasie in „Ein Sommernachtstraum“ von John Neumeier beim Bayerischen Staatsballett. Foto: Charles Tandy

Als „Ariel“, einer Kreation von Jörg Mannes für Lucia Lacarra, verkörpert sie moderne Verspieltheit; und in John Neumeiers „Illusionen – wie Schwanensee“ ist sie eine bezaubernd verliebt-verlobte Prinzessin Claire am Königshof – und reizt ihren unbekümmert-hoffnungsfrohen, fast leichtlebigen, dennoch nicht oberflächlichen Pas de deux mit Graf Alexander voll aus!

In John Crankos „Onegin“ ist Ivy – natürlich! – eine mitreißende Olga, und in Crankos „Der Widerspenstigen Zähmung“ ist sie eine niedlich-verwöhnte Bianca. Diese hellen, vor Glücksgefühlen mitunter nur so sprudelnden Rollen passen Ivy wie ein Maßhandschuh, auch wenn sie schauspielerisch mit Überschwang (Olga) oder mit ein bisschen Hinterfotzigkeit (Bianca) zu kombinieren sind.

Die virtuos springende Kitri im „Don Quixote“ (Choreografie: Ray Barra) einerseits und die elegisch barmende Manon Lescaut in Neumeiers „Kameliendame“ andererseits zeigen als extreme Pole die Bandbreite von Ivy Amista: Diese Tänzerin lebt von Feminität und Ausdruckskraft, wobei sie Vehemenz und Temperament je nach Rollenbedarf weit aufzudrehen oder auch vornehm zu zügeln weiß.

Aber Ivy Amista, die seit 2014/15 Erste Solistin ist, liebt nicht nur die furiosen, sondern auch die eher „naiven“ Mädchenrollen, die zur Helligkeit einer Ballerina, wie sie es ist, unbedingt dazu gehören: so die blutjunge Aurora in Ivan Liškas „Dornröschen“, die neugierige Marie in Neumeiers „Nussknacker“ – und die willensstarke Julia in John Crankos „Romeo und Julia“.

Ach, die Julia! Oh, ah, Julia! Die liebt sie besonders, „ich kann sie auf der Bühne total genießen!“, ruft Ivy charmant aus.

Zwei Ballerinen, ein Temperament.

Eine Julia voll Sehnsucht nach ihrem Romeo, hier auf dem berühmten Balkon bei Nacht… in John Crankos „Romeo und Julia“ beim Bayerischen Staatsballett in München. Foto: Charles Tandy

Schon jetzt freut sie sich auf ihren „Julia“-Abend am 3. Mai 2015, mit dem männlich-leidenschaftlichen Tigran Mikayelyan als Romeo. Sie sind ein berühmtes Duo, die liebliche Ivy und der brillante Tigran, sie ergänzen einander und betonen durch ihre Gegensätzlichkeit die Stärken und Schönheiten des anderen. Aber auch mit Norbert Graf, der ein ganz anderer, eher herb-lustiger Tänzertyp ist – und der in John Neumeiers „Ein Sommernachtstraum“ den „Zettel“ tanzt, wenn Ivy Amista eine heroisch-triebhafte Elfenkönigin Titania abgibt – hat sie ein gutes, kollegiales Verhältnis.

Kollegialität statt Rivalität, gesunder Wettbewerb statt zwanghafter Gewinnsucht: Für die Ballettwelt sollte eine gewisse Menschlichkeit kennzeichnend sein; Ballett ist keine Branche wie Profi-Tennis oder auch die Filmschauspielerei, wo der Ehrgeiz der Einzelnen ziemlich häufig grenzenlos und sogar noch größer als Fleiß und Talent zusammen ist. Der Kinofilm „Black Swan“ zeichnet hier ein falsches Bild insofern, als es groteske Auswüchse und brachiale Ausnahmen überall gibt – aber typisch für Ballett sind sie nicht. Disziplin und Opferbereitschaft im Beruf darf man nicht mit Skrupellosigkeit verwechseln.

Ivy Amista ist hierfür ein sehr gutes Beispiel: dass großartige Leistungen mit einer fairen, freundschaftlichen, auch von Respekt geprägten Beziehung zu „Konkurrentinnen“ einher gehen können. Ganz entgegen dem Klischee vom stutenbissigen Weibchen!

Zwei Ballerinen, ein Temperament.

Katherina Markowskaja vom Bayerischen Staatsballett als Julia – es ist ihre absolute Lieblingsrolle! In der Version von John Cranko zeigt sie ihre Liebe in fabelhaften Linien, in Attitüden, Arabesken und Pirouetten. Foto: Wilfried Hösl

So schätzt sie ihre Kollegin Katherina Markowskaja sehr, obwohl oder weil diese ein ganz ähnliches Rollenprofil hat wie Ivy Amista selbst; die beiden wechseln sich oft auf den Besetzungslisten ab. Die erste ganz große Gemeinsamkeit betrifft die Lieblingsrolle: Auch Katherina tanzt am allerliebsten die Julia in John Crankos „Romeo und Julia“, würde diese Rolle aber auch in anderen Versionen gern mal einstudieren.

Denn die brünett-zierliche Katherina genießt nicht nur die großen Gefühle auf der Bühne, sondern auch all die vielen kleinen Details, die eine Figur im Handlungsverlauf eines Stücks kennzeichnen. Da mag sie die Unterschiedlichkeit, weshalb es ihr auch relativ leicht fällt, jeder Partie eine individuelle Note zu verleihen.

Ihre Karriere beim Bayerischen Staatsballett begann mit der Aurora in Ivan Liškas „Dornröschen“: Die eigentlich vorgesehene Tänzerin fiel aus, Katherina sprang kurzfristig ein. Anders als Ivy sammelte sie aber auch außerhalb von München Ensemble-Erfahrung – und war ein Jahr lang sogar eine Freelance Ballerina, eine Seltenheit. „Ich habe an diese Zeit aber nur positive Erinnerungen“, sagt Katherina Markowskaja, die im Gespräch so selbstsicher und souverän ist wie es auf der Bühne ihre Tanzkunst ist.

Zwei Ballerinen, ein Temperament.

Zartheit und Fröhlichkeit in einer Person: Katherina Markowskaja steht für eine freundliche Brillanz. Foto: Sascha Kletzsch

Die Tochter eines Balletttänzerpaares kam mit 16 Jahren aus Kiew nach München, ohne ihre Eltern. Die zogen erst rund fünf Jahre später nach, um als Ballettlehrer zu arbeiten. In der Ukraine war Katherina an der angesehenen Akademie des Nationalballetts ausgebildet worden, dann erhielt sie – wie Ivy – ein Stipendium für die Heinz-Bosl-Stiftung, also für die Ballettakademie München.

Ihr erstes Engagement führte sie innerhalb Deutschlands ostwärts: an die Semperoper in Dresden. Dort wurde sie nach nur zwei Jahren bereits Solistin – ein Aufstieg im Eiltempo. 1999 erhielt sie, obwohl sie ein vornehmlich klassisch ausgebildete Ballerina ist, den Mary-Wigman-Preis – und freute sich darüber sehr, gerade weil die künstlerische und nicht die technische Bewertung ausschlaggebend war. Ihre „Glücksrolle“ war die Marie in John Neumeiers „Nussknacker“, aber sie hat, apropos Wigman, auch eine feinnervige Interpretation der „Erwählten“ in Wigmans Version von „Le Sacre du printemps“ abgeliefert.

Für die zierliche Katherina ist eine gewisse Tapferkeit kennzeichnend: Als sie als Teenager nach Deutschland kam, sprach sie zwar gut Französisch, aber kein Wort Deutsch. Bodenlos einsam fühlte sie sich in den ersten Jahren oft. Ihre Schwierigkeiten selbständig zu meistern, lernte sie aber nicht zuletzt durch diese Heimweh-Situation – und das hilft ihr heute noch. Sogar bei der Erziehung ihres „Sohnemanns“, den sie jeden Morgen selbst zur Schule bringt, und mit dem sie zwischen Training und Proben konzentriert die Hausaufgaben macht. Der Beruf kommt dennoch nie zu kurz: Da ist es wieder, dieses Organisations- und Multitasking-Talent, über das Tänzerinnen oft in beneidenswertem Ausmaß verfügen.

Katherina ist zudem eine Frau, die ihr Leben niemals leichtfertig in den Sand setzen würde. Sie achtet auf gesunde Ernährung, auf genügend Schlaf, auf eine gewisse Sorgfalt bei allem, was sie tut. Und so zart sie ausschaut, so viel Kraft steckt in ihr: Das zeigt auch ihre Darstellung der Kitri, dieses Temperamentsbündels, die sie gern auszugsweise auch auf Galas tanzt.

Dort ist sie häufig mit Tigran Mikayelyan zu sehen, der gewissermaßen ein weiteres Bindeglied in der kollegialen Beziehung von Katherina Markowskaja und Ivy Amista darstellt. Er ist der bevorzugte Partner für beide – im Scheinwerferlicht der Rollengestaltungen. Die Chemie muss, bei aller Professionalität, dennoch stimmen: „Ein gutes Verhältnis zu den Tanzpartnern, eines, das viel Vertrauen zulässt, ist sehr wichtig“, betont Katherina.

Erfolg hatte die Markowskaja schon früh, auch in Dresden. Aber sie wollte sich weiter entwickeln, wollte zurück nach München, wo sie ausgebildet worden war. Ihr Wechsel von der Elbe an die Isar war 2010 – in dem Jahr, in dem auch Ivy Amista unter Ivan Liška in der Truppe anfing – dennoch nicht ganz einfach. Die zarte, androgyn gebaute Katherina startete beim Bayerischen Staatsballett nämlich als Freelancerin, in einer exponierten Prinzessinnenrolle: als strahlende Aurora in Liškas „Dornröschen“. Für weitere Stücke hatte sie zunächst keinen Vertrag. Dass sie dennoch täglich mit dem Bayerischen Staatsballett trainieren durfte, kam ihr in dieser Zeit zu Gute, sie ist ihrem Ballettdirektor Ivan Liška noch heute dafür dankbar – und sie nutzte die Möglichkeiten, um sich auf ein festes Engagement in München vorzubereiten.

EINE FREELANCERIN WIRD SOLISTIN

2012/2013 konnte sie dieses als Solistin beginnen. Katherina Markowskajas Rollenrepertoire wuchs kontinuierlich während ihres Tänzerinnendaseins: von der romantischen Titelheldin „Giselle“ über die kecke Lise in „La Fille mal gardée“ bis zur glücklichen Prinzessin Claire und auch ihrer unglücklichen Gegenfigur Prinzessin Natalia in Neumeiers „Illusionen – wie Schwanensee“. Wie Ivy tanzt Katherina zudem auch die Olga und die Bianca – und natürlich die mädchenhaft-wirbelwindige Kitri.

Im „Sommernachtstraum“ ist sie allerdings nicht als Elfenkönigin besetzt, sondern als Hermia, also als eine der „Liebhaberinnen“ in der Komödie, die in ultrakomische Verwicklungen geraten. Und in Neumeiers „Kameliendame“ ist sie nicht die Manon, wie Ivy Amista, sondern die Prudence: eine leichtherzige Dame, die ein Spitzentanzsolo vom Feinsten aufzubieten hat!

Katherinas Flair auf der Bühne ist denn auch geprägt von strikter Präzision einerseits und der zärtlichen Liebe zum Detail andererseits. Ihre jüngste Kreation für die Uraufführung „In A Landscape“ mit dem amerikanischen Choreografen Richard Siegal – mit der die FestWoche 2015 eröffnet wurde – hat ihr enorm Spaß gemacht, sagt sie: „Es ist einfach toll, wenn ein Choreograf einem so richtig Lust auf das Tanzen machen kann. Und Richard hat uns viel Freiheit gelassen.“

Zwei Ballerinen, ein Temperament.

Auch das ist eine Paraderolle von Katherina Markowskaja: die neugierige Marie in John Neumeiers „Nussknacker“ beim Bayerischen Staatsballett. Foto: Wilfried Hösl

Auch mit dem Zeitgenossen Terence Kohler hat Katherina gern gearbeitet. In seinem Stück „Once Upon An Ever After“, das zu Musik von Peter I. Tschaikowski Traumsequenzen mit Rückgriffen auf die Balletthistorie enthält, tanzt sie die „Giselle“ – als Sinnbild der klassisch-romantischen, unglücklichen Liebe.

Am selben Abend, der unter dem Titel „Les Ballets Russes“ läuft, tanzt ihre Kollegin Ivy Amista: als „Dame in Blau“ in Bronislava Nijinskas „Les Biches“. Eine hoch elegante Person ist diese „Dame in Blau“, die mit mondänen Bewegungen und fast durchgängig auf den Zehenspitzen stehend an ein erotisches Strandgefilde kommt, um die jungen Mädchen dort zu verführen.

Solche Frauenbilder sind im Ballett selten zu sehen – ist es schwierig, so etwas zu tanzen? „Eigentlich nicht“, Ivy schüttelt den hübschen Kopf: „Es ist ja alles ganz klar, was ich oder die Person, die ich darstelle, dort zu tun hat.“

Auch Katherina hat mit ungewöhnlichen Partien keine Probleme. Zum Beispiel liebt sie ihren diffizilen Solo-Part im neoklassischen „Choreartium“, 1933 von Leonide Massine geschöpft; damit hat sie inhaltlich wie vom technischen Stil her einige typische Schwierigkeiten der Moderne, des modernen Balletts, bewältigt.

Zwei Ballerinen, ein Temperament.

Das kanariengelbe Kleid, von Keso Dekker entworfen, steht Katherina Markowskaja besonders gut – in „Choreartium“ von Leonide Massine, hier mit Maxim Chashchegorov, beim Bayerischen Staatsballett. Foto: Wilfried Hösl

Im kanariengelben, rückenfreien Plissierkleidchen (Ausstattung: Keso Dekker) dreht sie da blitzschnelle Piqué-Pirouetten, legt, wie es in den 30er Jahren und bis weit in die 60er Jahre hinein noch üblich war, dabei den gestreckten Fuß an der hohen Wade statt im Knie an. Zuvor wirft sie das rechte Bein empor, auf den linken Zehenspitzen stehend, bis sie, feinfließend und sauber, das Spielbein rasch in ein Tendu rückwärts überführt und das Standbein dabei, ohne zu plumpsen, sachte absenkt. Mit der Aura einer Königin!

Ganz rasch muss Katherina dann, immerhin auf einen Tanzpartner gestützt, ein Penché auf Zehenspitzen absolvieren (eine Art vertikaler Luftspagat). Um anschließend viele kleine muntere Hüpfer zu vollführen! Das liest sich vielleicht easy, ist aber extrem abwechslungsreich und kompliziert in der Darbietung.

An solchen Schwierigkeiten wachsen Ballerinen; das eine Stück bereitet das nächste vor; Massine ist für die Entwicklung klassischer Tänzer hin zur Moderne ganz sicher eine fantastische Übung. „Choreartium“, choreografiert zur 4. Sinfonie von Johannes Brahms – der darin immer wieder aufbrausende Klänge in e-Moll komponierte – wird in Sachen Stilbildung sicher sowieso allgemein unterschätzt. Die choristischen Männertänze und auch die Damengruppenformationen schieben sich da so selbstverständlich ins Bild, das man eigentlich von einer Vorwegnahme vieler späterer neoklassizistischer Elemente, vor allem bei George Balanchine, sprechen kann.

Aber das kanariengelbe Kleid, das Katherina Markowskaja in „Choreartium“ trägt, erinnert – Moderne hin oder her – an den Sonnenschein, den eine solche Ballerina, egal, in welcher Rolle, immer auch verkörpert. Und wenn dann, wie im Vierten Satz von „Choreoartium“, beide Mädels zusammen mit elegant-stolzen Posen auf der Bühne stehen, also Ivy Amista und Katherina Markowskaja, so ist es für die Zuschauer das helle Glück, das sich gleich doppelt präsentiert. Eigentlich schade, dass in den meisten Ballettstücken für dieses beglückende Ballerinennaturell je nur eine Hauptrolle vorgesehen ist.
Gisela Sonnenburg

Am Sonntag, dem 12. Juni 2016, tanzen beide Ballerinen, Ivy Amista und Katherina Markowskaja, die weiblichen Hauptrollen im kostenfreien Live-Stream von „Le Corsaire“!

Weitere Texte zu Balletten in München: siehe „Bayerisches Staatsballett“ hier im ballett-journal.de

www.staatsballett.de

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