
Das so ergreifende wie erfolgreiche Stück „Charlotte Salomon: Der Tod und die Malerin“ von Bridget Breiner entstand beim Ballett im Revier in Gelsenkirchen, und zwar mit der privaten Förderung der Eheleute Sunhild und Christian Sutter. Die Auszeichnung „FAUST“ und viel Lob für die Produktion zeigen, wie wichtig es ist, auch politische Themen hoch ästhetisch in der Tanzkunst zu reflektieren. Foto: Theater im Revier
So etwas dürfte Bridget Breiner, heute Ballettdirektorin am Staatstheater Karlsruhe, aber zuvor Ballettchefin in Gelsenkirchen, nur einmal in ihrer Laufbahn passiert sein. Da kam ein Mann mittleren Alters entschlossen in ihr Büro und sagte ihr laut und vernehmlich: „Ich möchte Sie sponsern!“ Eine Traumszene für jede Leitung einer chronisch unterfinanzierten Balletttruppe. Denn man ist beim Bühnentanz zunehmend auf Spenden und Sponsoren angewiesen, um zum Beispiel die aufwändigen Ausstattungen zu bezahlen. Das Publikum möchte ja mehr sehen als notdürftig verhüllte Brandwände. Mit der gesponserten Summe aus der Hand von Christian Sutter wurde 2015 beim Ballett im Revier in Gelsenkirchen die anrührend getanzte Biografie „Charlotte Salomon: Der Tod und die Malerin“ mitfinanziert. Salomon war Künstlerin, Jüdin und ein Opfer der Nazis, die sie 1943 im KZ Auschwitz-Birkenau ermordeten. Es war eine wichtige und großartige Sache, ihr ein Ballett zu widmen. Breiner erhielt dafür auch den wichtigsten deutschen Theaterpreis, den „FAUST“. Der besagte Mann mit den freigiebigen Händen, der sich schon vorab für das Sponsoring dieses Themas entschieden hatte, heißt Christian Sutter. Er kommt aus Essen, und er agiert nicht allein. An seiner Seite auch bei den mäzenatischen Entscheidungen: Gattin Sunhild Sutter, ebenfalls gebürtig in Essen. Die Sutters lassen gemeinsam das Tanzleben im Ruhrgebiet erblühen. Und sie bilden wie nebenbei das beste Beispiel für diskretes, aber zielgerichtet hilfreiches Sponsoring. Ihre Firma lassen sie dabei außen vor: Sie treten als Privatleute in Aktion.

Das Ehepaar Sunhild und Christian Sutter mit Kunst und guter Laune outdoor: Die Stadt Essen und andere Städte im Ruhrgebiet mit Ballett freuen sich, dass es sie gibt! Foto: privat
Darin haben sie bereits viel Übung. Bevor das Ehepaar die Freuden der Ballettfans zu mehren begann, unterstützten Sutter und Gattin diverse Stiftungen, Vereine und bildende Künstler*innen. Direktes Mäzenatentum war ihnen dabei ebenso wichtig wie die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements.
Zum Tanz kamen sie in nicht gerade typischer Weise. Aber auf eine durchaus elegante Art.
Am Beginn stand eine Freundschaft älterer Herren. Und zwar waren Sutters Vater – der damalige Chef jenes Verlags, der die örtlichen Telefonbücher, die Standard-Telefonbücher sowie die Gelben Seiten herausbringt – und Ulrich Röhm, illustrer Gründer vom Deutschen Tanzpreis, miteinander befreundet. Röhm lud Sutter Senior regelmäßig zu den festlichen Galas anlässlich der Preisverleihungen ein. Aber der Eingeladene ging nie hin.
Nach dem Tod des Vaters, das war 1993, erhielt Christian Sutter die Einladungen. Und er ging hin.
Überraschenderweise war er prompt begeistert von dem, was dort an künstlerischen Darbietungen gezeigt wurde. Vor allem die choreografische Handschrift von Maurice Béjart, der 1994 den Deutschen Tanzpreis erhielt, hatte es ihm ad hoc angetan.
Nach Christians Heirat mit Sunhild wurde auch sie zum Tanzfan. Das Ehepaar Sutter fragte sich mit diesem für Ballettfans typischen Glitzern in den Augen: Wo können wir mehr tollen Tanz sehen?

Furios und definitiv nicht zurückhaltend: Davit Jeyranyan vom Aalto Ballett in Essen in der „Tanzhommage an Queen“ von Ben Van Cauwenbergh. Foto: Bettina Stöss
Sie landeten schließlich – was für ein Essener Heimspiel – verstärkt im Aalto Ballett, das damals noch von Martin Puttke geleitet wurde. Als dann Ben Van Cauwenbergh dessen Nachfolger wurde, hatten Sutters Bedenken, ob das Publikum die pralle Lebendigkeit in Van Cauwenberghs Werken verstehen und akzeptieren würde.
Dessen „Tanzhommage an Queen“ kannten die Sutters schon aus Wiesbaden, wo Van Cauwenbergh zuvor gewirkt hat. Später wurde das Stück auch in Essen ein voller Erfolg. Aber Christian Sutter hatte befürchtet, dass Cauwenbergh mit dieser provokant lässigen Show vor Ort „garantiert scheitern“ würde. Doch das Essener Publikum war besser als sein Ruf.

Toll und manchmal grell: Wataru Shimizu vom Aalto Ballett in Essen in der „Tanzhommage an Queen“, dem beliebten Tanzstück von Ben Van Cauwenbergh. Foto: Bettina Stöss
Aber würde auch der ungleich gefühlvollere Chanson-Abend „La vie en rose“, mit dem Van Cauwenbergh in Essen startete, ankommen? – Und wie! Das berühmte Herren-Solo „Les Bourgeois“ mit der kratzig-wilden Stimme von Jacques Brel und den noch wilderen Sprüngen in der Choreografie ist bis heute weltweit ein Renner auf internationalen Ballett-Galas. Kein Ballettfan kann dieser Melange aus tänzerischer Erzählung und virtuosen Bewegungen widerstehen.
Dass die berühmte, pirouettenbravouröse Essener Ballerina Adeline Pastor in „La vie en rose“ zudem auch als Sängerin reüssiert – sie spielt und tanzt als Edith Piaf in „La vie an rose“ – gehört zu den Finessen, für die Van Cauwenberghs Truppe berühmt ist. Vielseitigkeit ist hier ein Merkmal, das nicht alle im Ballett aufweisen können.
Es gibt aber nicht nur moderne Collagen, sondern auch Klassik satt in Essen zu sehen.
Dass das Aalto-Ballett im Laufe der Zeit alle drei Tschaikowsky-Ballette im Repertoire realisieren konnte, also „Schwanensee“, „Der Nussknacker“ und „Dornröschen“, ist auch ein Verdienst der Eheleute Sutter.

Ben Van Cauwenbergh ist der führende Choreograf und Ballettintendant vom Aalto Ballett in Essen. Und er ist ein Freund der Sutters! Foto: Volker Wiciok
Ben Van Cauwenbergh sagt dazu: „Das Mäzenatenpaar Christian und Sunhild Sutter war der Aalto-Ballettcompagnie seit Beginn meiner Zeit in Essen 2009 sehr zugewandt und treu. Dabei war der Start unserer ‚Beziehung‘ eher etwas holprig, aber von Beginn an ehrlich und offen.“
Das Unkomplizierte, Authentische ist es auch, was den Umgang mit den Sutters prägt.
Die beiden sind weder exaltiert noch überspannt noch hochmütig oder arrogant. Sondern sie sind Mäzene mit der Anmutung ganz normaler Menschen, ohne Dünkel, ohne Heuchelei – und ohne die bei manchen Zeitgenossen unabhängig vom Vermögen oftmals vorhandene unstillbare Sucht, Andere herabzusetzen.
Das ist schlicht großartig an den Eheleuten Sutter und unbedingt vorbildhaft: Sunhild und Christian Sutter sind Unterstützer, die ihrer Sache freundlich und zielstrebig zugetan sind, ohne sich damit in den Vordergrund zu spielen. So sollte Sponsoring, so sollte Mäzenatentum sein!

Mäzene ohne Allüren, dafür mit konsequenter Haltung: Sunhild und Christian Sutter, hier fein gemacht und in premierenhafter Sektlaune. Schließlich ist Kultur etwas Schönes! Foto: privat
Dafür sind Sutters konsequent. Wenn sie sagen, dass sie ein Stück sponsern wollen, dann bedeutet das eine gravierende Aufstockung des Budgets. Für sie als Mäzene ist das immer ein Mittragen des Erfolgsrisikos, denn sie entscheiden sich stets vor Produktionsbeginn und nicht erst während der Proben.
Beim Aalto Ballett sind es bislang drei Publikumsrenner, die von den Sutters großzügig gefördert wurden: „Der Nussknacker“, „Don Quichotte“ und „Rock around Barock“. Zwei davon sind neu inszenierte Klassiker, der „Rock around Barock“ ist eine Collage mit Musiken von Bach bis zu den Beatles. Die Mischung macht’s – und für Sutters ist Kunst, ist Kultur immer auch ein Beitrag zur Positionierung der Gegenwart.
Zu Ballettchef Ben Van Cauwenbergh verbindet sie mehr als nur eine Zweckbeziehung. Das gilt auch vice versa. Van Cauwenbergh sagt über die Sutters: „Sie sind nicht nur Förderer und Fans der Aalto-Compagnie, sondern wurden schon längst auch zu Freunden.“ So sehen sie sich nicht nur oft Ballettvorstellungen im Aalto-Theater an, sondern folgten der Truppe auch auf einer Gastspielreise, bis nach Spanien. Und haben es nie bereut.

Fetziges klassisches Ballett vom Feinsten mit dem Aalto Ballett: „Don Quichotte“ in der munteren, kunterbunten Version von Ben Van Cauwenbergh nach Marius Petipa. Foto: Bettina Stöss
Van Cauwenbergh sagt denn auch gerne, wie es mit den Sutters ist: „Sie besuchen immer wieder auch Proben und laden die Tänzerinnen und Tänzer traditionell einmal im Jahr zu einem gemeinsamen Essen ein, um den Kontakt zu ihnen zu pflegen.“ Nur Corona konnte daran etwas ändern – aber fürs kommende Jahr hofft man auf eine Fortsetzung dieser Tradition.
Die Restauranteinladungen, die normalerweise am 1. Mai bei Sutters Stammitaliener in Essen erfolgen, sind beim Aalto-Ballett bereits legendär. Christian Sutter weiß, warum die Tänzerinnen und Tänzer diese Treffen so schätzen: „Sonst sprechen sie immer über die Arbeit, wenn sie zusammen sind. Aber bei unseren Treffen geht es um das menschliche Miteinander, um das Private. Und das ist auch für die Künstler eine Ausnahme.“
Und so hat Ben Van Cauwenbergh für die Zukunft mit den Sutters einen Wunsch: „Ich hoffe wirklich sehr, dass sie uns auch in dieser schwierigen Zeit treu bleiben.“
Die Essener können sich bei Sutters wahrlich bedanken.
Aber auch die umjubelten Premieren vom Ballett Dortmund sowie die Vorstellungen beim Ballett im Revier in Gelsenkirchen profitieren regelmäßig von der Liebe der Eheleute Sutter zum Ballett.

Daria Suzi als Beatrice im kommenden dritten Teil der Trilogie „Die göttliche Komödie“ von Xin Peng Wang beim Ballett Dortmund. Videostill: Gisela Sonnenburg
In Dortmund entstand kürzlich mit der finanziellen Unterstützung aus den Händen der Sutters die viel gelobte, brillante filmische Doku „Die göttliche Komödie – Weltliteratur als Ballett“. Und auch die Trilogie mit den einzelnen Abenden „Inferno“, „Purgatorio“ und – noch nicht uraufgeführt – „Paradies“ werden von Sutters großzügig bedacht. Es ist einfach fantastisch, wenn prickelnde, aufregende und ebenso anspruchsvolle Kunst durch privates Mäzenatentum gefördert wird.
Kein Firmenlogo drängt sich da ständig in den Blick, keine reißerische Ansage presst irgendeinen Werbespruch für irgendein Produkt ins Ohr. Die Kunst darf Kunst sein und sich als solche präsentieren – und nicht als Vehikel oder gar Instrument völlig kunstferner Interessen.
Xin Peng Wang, der geniale Chefchoreograf und Ballettdirektor in Dortmund, weiß das auch zu schätzen. Er ist ein guter Freund des Mäzenatenpaares: „Seit beinahe acht Jahren sind Sunhild und Christian Sutter als Sponsoren dem Ballett Dortmund eng verbunden.“ Mehr noch: „Ja, ich kann sagen, dass aus der Sponsorentätigkeit eine tiefe und vertrauensvolle Zusammenarbeit entstanden ist. Durch ihre Beiträge haben Sunhild und Christian Sutter einen unschätzbaren Beitrag für die Arbeit des Dortmunder Balletts geleistet.“

Seine Kunst weiß exzellent zwischen den Kulturen zu vermitteln: Xin Peng Wang, Chefchoreograf und Ballettdirektor mit außerordentlichem Erfolg beim Ballett Dortmund. Foto: Gisela Sonnenburg
Und Wang weiter: „Dieses Engagement ist für uns von größtem Wert, da es doch über den finanziellen Wert weit hinausgeht.“ Die Notwendigkeit privater Gelder in der öffentlichen Kunst steht auch dem Dortmunder Ballettchef deutlich vor Augen: „In Zeiten, in denen sich auch die öffentlich geförderte Kunst verstärkt um die Akquise von Drittmitteln bemühen muss, kommt dem Sponsoring eine weitere große Bedeutung zu.“
Aber letzten Endes geht es Wang um beides beim Sponsoring, um materielle wie immaterielle Unterstützung. Aus Dortmunder Sicht klingt das so: „Abgesehen von den Zuwendungen hilft das Mäzenatentum, die Verbindungen zu den maßgeblichen Akteuren einer Kommune oder Region zu festigen und zu vertiefen. Am Ende steht nicht nur ein finanzieller, sondern eben auch ein ideeller Mehrwert, da Sponsoring die Legitimation von Kunst und Kultur gesellschaftlich breiter aufstellt.“
Diesen Aspekt der Bindung und der Aufmunterung auch an Andere, privat zu spenden, sehen Sutters ebenfalls als besonders wichtig an. Vorbilder sollten eben Nachahmer haben!
Die Rezeption von Kunst spielt sich zwischen Künstlern und Zuschauern ab. Da ist der Spielraum groß. Probleme des gegenseitigen Nichtverstehens – wie es sie manchmal zwischen Kreativen und Bürgerlichen gibt – lassen die Sutters dabei gar nicht erst aufkommen.

Die Damen üben den Spagatsprung synchron – wunderbar klappt das beim Ballett Dortmund. Foto: Gisela Sonnenburg
Sie gönnen „ihren“ Künstlerinnen und Künstlern Freiraum. Sie wollen ihnen helfen, Visionen zu realisieren. Sie wollen sie nicht gängeln. Aber Einblicke ins Backstage interessieren sie schon. Nur: Wie die Kunst auf die Bühne kommt, ist Sache der Profis. Sutters freuen sich, wenn die Mühen lohnen und eine Inszenierung gelingt. Herz und Hirn, Sinnlichkeit und Verstand sollen dann angesprochen werden.
Auch das Sprechtheater in Essen wird darum mitunter von ihnen bedacht. Das „Leben des Galileo Galilei“ von Bertolt Brecht mit der berühmten, schrammelnden Musik von Hanns Eisler, zeigte 2017 in der Inszenierung von Konstanze Lauterbach, wie Wahrheitssuche und Opportunismus in einer Diktatur miteinander ringen. „Ändere die Welt – sie braucht es!“ Diese Maxime von Brecht passt nicht nur auf diese Inszenierung, sondern auch zum Ballett, das stets eine Gegenwelt, eine Utopie, präsentiert.
Die Sutters sind mit ihrem Tun happy. Die Künstlerinnen und Künstler, deren Produktionen sie gezielt finanziell unterstützen, kommen gut an – und erfüllen auch ihre eigenen Erwartungen. Dass sie etwas schwer enttäuscht hätte, ist bisher nicht vorgekommen. Das liegt vielleicht auch an der Toleranz des Ehepaares, in jedem Fall aber am vorhandenen Instinkt für Qualität.
Entsprechend können sie mit dem Haudegen-Stil eines Martin Schläpfer gar nichts anfangen, und das wird immer ein festes Band des Verstehens zwischen den Sutters und zum Beispiel mir sein. Ein paar Mal haben Christian und Sunhild sich Schläpfer-Werke beim Ballett am Rhein angesehen und kamen rasch zu dem Schluss: „Das schläpfert. Das mögen wir nicht.“

Aidos Zakan (Basile und Yanelis Rodriguez (Kitri) in „Don Quichotte“ von Ben Van Cauwenbergh beim Aalto Ballett in Essen. Das ist gewiss kein „Schläpfern!“ Foto: Bettina Stöss
Christian Sutter ist kein Feuilletonist. Aber mit der Bezeichnung des „Schläpferns“ für fantasieloses, aufgebrezeltes Brachialballett könnte er in die Geschichte der Tanzkritik eingehen. Unter seinen Freunden aus den Ballettcompagnien ist das „Schläpfern“ jedenfalls ein stehender Begriff geworden. In Wien, wo Martin Schläpfer die Nachfolge von Manuel Legris als Ballettchef angetreten hat, könnte der Begriff weiterhin Karriere machen.
Gut, dass Sutters so bodenständig sind! Das Arbeitszimmer von Christian Sutter verrät mit keinem Quadratzentimeter, dass es sich hier um das Refugium, um den Rückzugsort eines Mäzens handelt. Es ist einfach nur zweckmäßig eingerichtet und hat zudem viel Tageslicht. Sutter sitzt darin am Computer so, dass er mit der rechten Hand rasch mal das Fenster öffnen kann, ohne aufzustehen, was er gelegentlich macht, weil er Zigaretten raucht. Welche Marke, wird hier nicht verraten.
Übrigens raucht auch Sunhild – sogar dieses kleine Laster haben sie gemeinsam. Dass sie füreinander wie gemacht sind, finden nicht nur sie selbst. Gemeinsam sind sie beliebt.
Zu seinem 65. Geburtstag am 4. Februar 2017, den Christian Sutter in der Stiftung Zollverein in Essen feierte, kamen Hunderte geladener Gäste. Darunter reichlich Prominenz aus Politik und Publicity.

Es ist in seinem lieblichen Knallorange keineswegs unscheinbar – und das Buch hat es in sich: Das ganze Leben von Christian Sutter oder wenigstens die amüsantesten Teile dessen. Faksimile: Gisela Sonnenburg
Die Frau des Jubiliars hatte ihm ein Buch mit Anekdoten aus seinem Leben und persönlichen Ansichten von Freunden geschenkt. Ein Jahr lang hatte Sunhild zusammen mit dem Autoren Stephan Mielke heimlich daran gearbeitet. Als Überraschung. Die gelang: Christian Sutter hat sich so darüber gefreut!
Zum Beispiel schreibt ihm darin Joachim von Gratkowski, der als „Freund und Doc“ und zudem als Freund seit der Schulzeit einen beinahe klinisch-scharfen Blick auf das „Geburtstagskind“ walten ließ, allerdings um festzustellen: „Du suchst die Herausforderung und bietest brillante Lösungen“. Das Bundesverdienstkreuz, das Christian Sutter schon für sein gemeinnütziges Handeln verliehen wurde, habe er eben nicht umsonst erhalten.
Als „Mann der Muse“ mit einer starken Neigung zur Kunst wie zum Ballett sei Sutter außerdem ein Freund wie aus dem Bilderbuch: „Wenn jemand Dich braucht, bist Du da.“
Aber auch Humoristisches findet sich auf den knapp 180 Seiten, etwa die folgende Anekdote, die von der Feier von Christian Sutters 55. Geburtstag erzählt. Da habe Sutter doch glatt bei seiner Ansprache folgende zwei Sätze vorgetragen: „Wir haben ein neues Hobby. Wir vögeln…“ Stephan Mielke beschreibt mit trockenem Humor, wie das damals ankam: „Es entstand eine ungläubige Stille. Und Christian Sutter zelebrierte sie.“ Dabei war gar nichts Unanständiges gemeint. Sondern die neue Sammlung von Papageien-Dekorationsstücken. Aus Porzellan, in Keramik und auf die Leinwand gemalt schmücken seither Papageien in allen Farben die Wohnräume der Sutters.

Auch Vögel machen glücklich: Christian Sutter mit einem gut befreundeten Papagei auf der Schulter, während zahlreiche Vögel aus Porzellan und Keramik das Haus der Sutters schmücken. Foto: privat / Faksimile: Gisela Sonnenburg
Und sogar das Horoskop von Christian Sutter wird in seinem „Lebensbuch“ fachkundig erklärt. Er ist im Sternzeichen des Wassermanns geboren, mit dem Aszendenten der Jungfrau. Sein innerstes Wesen ist also der Astrologie nach einfühlsam, wandlungsfähig und hilfsbereit. Seine Grundhaltung und Erscheinung aber – und diese werden im Laufe des Lebens bei jedem Menschen immer prägnanter – ist von Verantwortungsgefühl und Sorgfalt bestimmt. Dass er im chinesischen Sternzeichen ein Drache ist, macht ihn zum Träger des Lichts in diesem dunklen Tunnel, den man „Lebenswelt“ nennt.
Zentrum einer jeden Lebenswelt ist die Liebe.
Auch ein textliches Portrait von Sunhild Sutter enthält das große Geburtstagsbuch darum. Als „Kämpferin“, die „das Leben (fast) immer im Griff hat“, wird sie beschrieben. Und man kann die Geschichte nachlesen, wie sie und ihr heutiger Gatte ein Paar wurden: zum ersten Mal als ganz junge Leute, zum zweiten Mal etwas später, schließlich zum dritten Mal als reife, gereifte Menschen. Dieses Mal endlich auch mit Eheschließung. Was für eine seltsame, aber auch romantische Liebesgeschichte!
Das Buch ist einfach toll. Eine wahre Festschrift.
Konnte so ein Geschenk noch von einem anderen Gast erreicht oder gar übertroffen werden?
Was Eheleute einander schenken, ist nicht vergleichbar mit dem, was Außenstehende für einen tun können. Aber Ben Van Cauwenbergh schoss auf der festlichen Party trotzdem noch so ziemlich unübertrefflich den Vogel ab.

Top-Stimmung bei der Feier zum 65. Geburtstag von Christian Sutter im Zollverein Essen. Das Foto zeigt Ben Van Cauwenbergh (mittig) mit seinen Tänzern nach dem glamourösen James-Bond-Auftritt. Foto: privat
Denn Christian Sutter hatte sich Ballett gewünscht. Und es bekommen. Das Ballett im Revier tanzte, das Ballett Dortmund tanzte. Auch das Aalto Ballett tanzte – und zwar ein nagelneues Stück, eine Kreation von Ben Van Cauwenbergh zur Erkennungsmelodie der „James Bond“-Filme. Sutter ist ein Fan von 007. Er ist dem Bond-Flair verfallen. Und jetzt gibt es darum Ballett mit James Bond! Wow. So etwas hatte die Tanzwelt zuvor noch nie gesehen.
Mit einer Melange aus Ironie, Understatement, Übertreibung und Brillanz riss die Choreografie von Van Cauwenbergh die Festgesellschaft in den Bann. Und Christian Sutter wusste einmal mehr, dass er mit seiner Unterstützung des Balletts das Richtige tat.
Sunhilds Buch ist dennoch auch heute eine bleibende Ehrung, zudem ein Ausdruck ihrer Liebe.
Man könnte ja eigentlich glauben, die beiden hätten ihr ganzes Leben gemeinsam verbracht. Kennengelernt haben sich die beiden aber tatsächlich in ganz jungen Jahren: an einem Rosenmontag, bei einer Karnevalsveranstaltung im Reitstall. Da war Christian gerade mal 17 Jahre alt.
Für ein halbes Jahr waren sie dann ein Paar. Doch die Liaison hielt nicht. Später hatten sie ein zweites Intermezzo, eine Liebschaft, aber dieses Mal nur für ein paar Wochen. Damals leistete Christian seinen Dienst bei der Bundeswehr, und Sunhild gefiel es überhaupt nicht, dass er dadurch oft wochenlang nicht nachhause kam.
Ihre Wege trennten sich. Beide fanden neue Partner, er hat heute einen Sohn und eine Tochter aus dieser Zeit, sie zwei weitere Töchter. Natürlich sind diese Kinder seit langem erwachsen.
Doch dann, vor rund 15 Jahren, traf es beide doch noch wie der Blitz: Sie trafen sich zufällig und stellten fest, dass sie irgendwie zusammengehörten.

Nur die Liebe zählt – und das einander Verstehen: Hier tanzen Javier Cacheiro Alemán und Daria Suzi als Dante und Beatrice die ganz großen Gefühle in „Die Göttliche Komödie III: Paradiso“ von Xin Peng Wang beim Ballett Dortmund. So zu sehen in der filmischen Doku von Christian Baier, die natürlich auch von den Eheleuten Sunhild und Christian Sutter gefördert worden ist. Videostill: Gisela Sonnenburg
Seit 14 Jahren sind sie jetzt verheiratet, und wenn Sunhild zwei Papageien in einer öffentlichen Voliere sponsert und er ein Haus für Schafe errichten lässt, dann wissen beide, dass auch der andere Teilnehmer ihrer Ehe das Herz auf dem rechten Fleck hat.
Auch die Wege zum Ballett gehen sie gemeinsam. Und sie entschieden auch gemeinsam, Mäzene der ballettösen Tanzkunst zu werden. Christian Sutter stellt aber klar: „Wir machen das ja nicht, um uns gut darzustellen. Wir machen das, weil uns Ballett Spaß macht!“
Dem kann Sunhild nur zustimmen. Gemeinschaftlich entschieden sie auch, dass sie in den Programmheften und Danksagungen, in denen sie als Mäzene lobend erwähnt werden, mit einer ganz bestimmten Formulierung in Erscheinung treten möchten. Diese lautet:
„Gefördert durch eine private Spende der Eheleute Sunhild und Christian Sutter.“
Mit dem Hinweis auf die „private Spende“ wollen die Sutters Andere animieren, ebenfalls privat zu spenden. „Das ist bisher allerdings nicht so gelungen, wie wir es uns wünschen“ – aber was noch nicht ist, kann ja noch werden.

Unvergessen: Zart und mit geschlossenen Augen auf dem Knie des Geliebten quasi schwebend stellt Lucia Lacarra die Helena und Marlon Dino die Titelrolle in „Faust II – Erlösung!“ von Xin Peng Wang beim Ballett Dortmund dar. Foto: Bettina Stöß / stage picture
Der Geiz der meisten Kunst- und Kulturfreunde in Deutschland gerade dem Ballett gegenüber ist allerdings fast sprichwörtlich. Viele vermögende Menschen hierzulande meinen, Bildung und Kultur müssten umsonst oder möglichst preiswert sein, während sie für Reisen, Feiern, Mode und Restaurantbesuche das Portemonnaie weit aufmachen. Und für ihre eigenen Ticketausgaben. Um ihr Gewissen zu beruhigen, geben sie dann Geld für Kinder- und Jugendprojekte: Dorthin wird in Deutschland mit Abstand am meisten gespendet. Aber was ist das für eine Welt, in der diese Kinder aufwachsen, wenn sich die Kultur darin nur auf Pop und Kommerz beläuft?
Wie sieht es denn aus in der Sponsorenszene in Deutschland? Auf dem Sektor der bildenden Kunst ist es bereits üblich, nicht mehr nach Geschmack und fürs eigene Wohlbefinden zu sammeln. Sondern die Kunst als reine Wertanlage und lukratives Spekulationsobjekt zu betrachten – und sie nach der Wahrscheinlichkeit, mir ihr das eigene Vermögen zu vermehren, einzukaufen. Das hat die Preise auf dem Kunstmarkt in absurde Höhen getrieben und spült die Kunstwerke in die Tresore von im Grunde an ihr völlig desinterressierten Superreichen.
So etwas wäre für die Sutters unvorstellbar. Sie haben all die Kunstwerke, die sie gekauft haben, in ihr Haus gehängt. Sutters leben mit dem, was sie mögen. Das ist zum Beispiel jene Kunst, die in der Künstlerkolonie Worpswede entstand.
Oder die silbrig glänzenden Skulpturen von Ilse Straeter. Die Künstlerin errichtete in Essen eine Gruppe von fünf sich im Wind bewegenden Metallfiguren. Ein Tanz der Sanftmütigen ist das, inszeniert mit schlanken, harmonischen Rundungen. „Wind bewegt“ heißt das Werk passenderweise. Erst letztes Jahr wurde es mit Geld aus der Kulturstiftung, in deren Vorstand Christian Sutter ist, in Stand – sozusagen in neue Bewegung – gesetzt.
Was eint all diese Werke, die von den Sutters maßgeblich unterstützt werden?

Einfach toll und gar nicht prätentiös: Die Eheleute Sunhild und Christian Sutter sind hier ganz privat – und genauso sponsern sie: ganz privat! Foto: ebenfalls ganz privat
Was zählt, ist das, was rüberkommt – so einfach und doch so kompliziert ist es, das Sutter’sche Ideal zu beschreiben.
Die Stiftung Tanz – Transition Zentrum aus Berlin gehört da übrigens auch dazu. Sie hilft Tänzerinnen und Tänzern beim Neustart ins Berufsleben, wenn die aktive Bühnenkarriere vorbei ist. Bei seinem großartigen Geburtstagsfest zum 65. sammelte Sutter von den Gästen, die mit ihm feierten, statt teurer Geburtstagsgeschenke Spenden ein – und zwar für die Stiftung Tanz. Mehr als 15 000 Euro kamen dabei zusammen.
Man könnte jetzt noch viele Begebenheiten und Besonderheiten nennen. Fassen wir stattdessen einmal zusammen:
Die Sutters sind eine Ausnahme. Eine große Ausnahme. Wir sollten ihnen dankbar sein, denn sie fördern das Gute im Ballett. Und auch das Gute am Menschen. Sie gehen als Vorbild voran und stehen dazu. Ganz privat!
Gisela Sonnenburg
Dieser Beitrag entstand mit der freundlichen Unterstützung von Christian Sutter.
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