„Revelations“ – dieses Stück von Alvin Ailey tanzt die von ihm gegründete Company stets am Ende eines Auftritts. Legendär! Videostill von der DVD „Alvin Ailey American Dance Theater“, erschienen bei C Major: Gisela Sonnenburg
In Zeiten so genannter Diversität legt gerade dieses Ensemble den Finger immer wieder in die Wunde. Schwarz ist nämlich viel mehr als nur schön – und das Alvin Ailey American Dance Theater (AAADT) besteht darauf, schwarzhäutige Tänzerinnen und Tänzer zu präsentieren, mehr noch: Die renommierte New Yorker Truppe wurde 1958 von dem gebürtigen Texaner Alvin Ailey gegründet, um der schwarzen Tanzkultur, der afroamerikanischen Tanztradition, in den Staaten eine Basis zur Weiterentwicklung zu geben. 3sat zeigt nun zur samstäglichen Primetime ein Programm, das mit vier Stücken ein Portrait des Ensembles skizziert. Vom knallmodernen „Chroma“ von Wayne McGregor über das Erleuchtungsstück „Grace“ und das Solo „Takademe“ bis zu Aileys Visitenkarte „Revelations“ reicht das Spektrum, das zu sehen ist. Aufgezeichnet wurde der Abend übrigens im Sommer 2015 im Lincoln Center for the Performing Arts – und er ist auch als DVD im Handel.
Hysterisch, minimalistisch, sportiv: „Chroma“ von 2006, als Pas-de-deux-Auszug auch von vielen Galas her bekannt, ist genau das Gegenteil von Folklore oder Nostalgie. Technisch werden die Tänzerinnen und Tänzer hier scharf gefordert, ihre Körper wirken, in knallfarbigen Trikots mit Hemdchen-Effekt, wie futuristische Mischwesen aus Menschen und Maschinen, die sich in einem White Cubebewegen, als seien es lebende Skulpturen in einer zeitgenössischen Kunstgalerie.
„Takademe“: Robert Battle kreierte ein vom indischen Kathak inspiriertes Solo – mit Afro-Touch! Videostill von der DVD „Alvin Ailey American Dance Theater“ / C Major: Gisela Sonnenburg
„Grace“ („Grazie“), bereits 1999 von Ronald K. Brown kreiert, stellt im Kontrast dazu auf die Essenz des Balletts ab: auf Anmut. Elf Tänzerinnen und Tänzer illustrieren hier, ganz in Weiß gewandet, eine symbolische Reise ins gelobte Land, um Erleuchtung und Spiritualität zu finden. Das Ziel ist aber nicht nur religiös, sondern auch körperlich definiert: Tanz als höherer Lebenssinn. Ein geschmeidiges christliches Stück…
Der aktuelle Chef vom Alvin Ailey American Dance Theater heißt Robert Battle und ist selbst auch Choreograf. Er hat einen wunderbar multikulturellen Begriff von Kunst. Und in wenigen Minuten verzaubert sein indisch inspirierter, blitzschneller Tanz „Takademe“ im Spotlight. Dieses Solo für einen männlichen Tänzer referiert entfernt auf den Kathak-Tanz, aber auch auf das Verhältnis von Mikro- und Makrowelten. Die räumliche Enge, in der das Stück entstand – in der Privatwohnung des Choreografen – wurde Teil der inneren Notwendigkeit, die das Stück zum Ausdruck bringt. Was ist Tanz? – Eben: alles!
„Revelations“: ein starkes Stück für eine starke Truppe, 1960 von Alvin Ailey choreografiert. Videostill von der DVD „Alvin Ailey American Dance Theater“, erschienen bei C Major: Gisela Sonnenburg
Ganz stark auf den Gründungsmythos der Company konzentriert sich hingegen das seit 1960 immer wieder aufgeführte Lieblingsstück von Alvin Ailey, das dieser passend zum Konzept seiner Künstlergruppe kreierte. „Revelations“ („Offenbarungen“) erzählt – in farbenprächtigen Kostümen – von der tänzerischen Umsetzung der Gospel- und Spiritual-Musik, wie sie für Ailey sinnstiftend war. Wenn einem das Stück bekannt vorkommt, so liegt das vielleicht daran, dass es bei jedem Auftritt des AAADT als Highlight am Ende getanzt wird – und es macht den zeitlos modernen Ballettstil des Ensembles besonders unverwechselbar sichtbar.
Danke, 3sat, für diese Erbauung! Sie ist eine schöne Art, den Herbst zu begrüßen!
Gisela Sonnenburg
Am Samstag, 12. Oktober 2019, von 20.15 Uhr bis 21.45 Uhr auf 3sat
Auch als DVD im Handel, 2016 bei C Major Entertainment erschienen